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Archiv "Gesundheitsreform: Ärzte brauchen wieder eine Perspektive" (12.10.2001)

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ass der rheinland-pfälzische Ge- sundheitsminister Florian Gerster (SPD) herzlich wenig mit Kas- senärztlichen Vereinigungen und einer starken ärztlichen Selbstverwaltung an- zufangen weiß, hat Kenner der gesund- heitspolitischen Szene nicht überrascht.

Sein Thesenpapier zur nächsten Ge- sundheitsreform (DÄ, Heft 36/2001) zielt vor allem darauf ab, den Einfluss der Krankenkassen nachhaltig zu stär- ken. Dass aber auch der frühere Bun-

desgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) neuerdings als Kreuzritter gegen die „kartellartigen Strukturen der Kas- senärztlichen Vereinigungen“ zu Felde zieht, war nicht unbedingt zu erwarten.

Hinter Seehofers Forderung, „Kartel- le“ abzuschaffen, verbergen sich indes- sen Reformvorstellungen, die kaum et- was mit dem „Gerster-Papier“ gemein haben. Im Gegenteil, der CSU-Politiker vertritt eine gesundheitspolitische Welt- anschauung, der zumindest die nieder- gelassenen Kassenärzte einiges abge-

winnen können sollten. Im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, erläuterte der frü- here Bundesgesundheitsminister, wie er sich die künftige Rolle der Kassenärztli- chen Vereinigungen und der Kassenärz- te vorstellt: „Wenn man Kartelle ab- schaffen will, heißt das nicht, dass man die Mitglieder dieser Kartelle abschaf- fen will. Wir wollen weder den Arzt als Freiberufler noch die KVen abschaffen, sondern nur die kar- tellartigen Struktu- ren, die wir auf bei- den Seiten haben – bei den Krankenkas- sen und bei den Kas- senärztlichen Verei- nigungen.“

Die Union, beton- te Seehofer, möch- te zwei Akteure in den Mittelpunkt des Gesundheitswesens rücken: den Arzt mit Diagnose- und The- rapiefreiheit und den Patienten mit deut- lich mehr Selbstbe- stimmungsrechten.

Daraus ergäben sich „einige Konse- quenzen in der gesetzgeberischen Aus- gestaltung“, die aber nicht auf Ein- kaufsmodelle für die Krankenkassen hinausliefen.

Konkret bedeutet dies: Seehofer hält sowohl die kassenärztliche Gesamtver- gütung als auch die daraus folgende Honorarverteilung durch die Kassen- ärztlichen Vereinigungen für überholt.

Er plädiert stattdessen für eine Gebüh- renordnung mit festen Preisen – so, wie das auch bei anderen Freiberuflern üb-

lich ist. „Eine solche Gebührenordnung, wo drin steht, was der Arzt für seine Dienstleistung erhält, würde den Arzt unabhängig von den Krankenkassen ma- chen“, sagte der CSU-Politiker. Die Krankenkassen würden nicht mehr mit- bestimmen, wer an der vertragsärztli- chen Versorgung teilnimmt. Der Arzt sei mit seiner Approbation Arzt – eine kas- senärztliche Bedarfsplanung wäre nicht mehr erforderlich. Dann entschiede die Qualität der Ärzte und das Vertrauen der Patienten in ihre Ärzte darüber, „ob ein Arzt wirtschaftlich in dieser Gesellschaft bestehen kann“. Der Arzt, so Seehofer weiter, wisse dann wieder, dass es auf sein Können und seine Zuwendung gegen- über dem Patienten ankommt und nicht auf die staatliche Regulierung: „Die staatlichen Vorgaben sind doch das, was den jungen Ärzten in der Vergangenheit die Perspektive geraubt hat.“

Gebührenordnung mit festen Preisen

Die Aufgaben der KVen lägen nicht mehr primär bei der Honorarvertei- lung, sondern vor allem in der Ausein- andersetzung mit der Qualität der ärzt- lichen Versorgung. Seehofer über die KVen: „Sie haben in meinem Modell auch in Zukunft mehrfache Aufgaben:

der Sicherstellungsauftrag bleibt, die Qualitätssicherung bleibt, und die Wirt- schaftlichkeitsprüfung bleibt – nicht um flächendeckend die Ärzte mit Prüfun- gen zu überziehen, sondern um die schwarzen Schafe zu stellen, weil das im Interesse aller ist.“

Seehofers Vorstellungen laufen also auf eine Gebührenordnung mit festen Preisen hinaus, im Grunde auf eine Ein- zelleistungsvergütung, wie es sie in den Siebzigerjahren gegeben hat. Richter- Reichhelm hält dies für den richtigen Weg. Was aber, wollte der KBV-Vorsit- zende vom ehemaligen Bundesgesund- heitsminister wissen, würde Seehofer den Argumenten der Krankenkassen und anderer politischer Parteien entge- genhalten, die ein solches System als nicht finanzierbar bezeichnen?

Seehofer: „Man darf sich nicht von der Furcht leiten lassen. Dazu drei Argu- mente. Erstens hat uns die Gesamtver- gütung in eine Sackgasse geführt. Die P O L I T I K

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A2616 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

Horst Seehofer im Gespräch mit Manfred Richter-Reichhelm für die KBV- Zeitung „Klartext“: Neue Welt für die Kassenärzte Foto: KBV

Gesundheitsreform

Ärzte brauchen wieder eine Perspektive

Horst Seehofer erläuterte im Gespräch mit dem KBV-Vorsit-

zenden Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, wie er sich die

künftige Rolle der KVen und Kassenärzte vorstellt.

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Ärzte stehen am Pranger, obwohl wir wegen der Arzthonorare in den vergan- genen 15 Jahren nie eine Gesundheitsre- form gebraucht hätten. Der Anteil der ärztlichen Honorare an den Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung ist von 20 Prozent in den 80er-Jahren auf heute 16 Prozent gesunken. Die ärztli- chen Honorare waren nie die Ursache der staatlichen Interventionen. Zwei- tens möchte ich, dass die ambulant täti- gen Ärzte wieder eine Perspektive be- kommen. Sonst werden wir in absehba- rer Zeit einen Ärztemangel haben. Drit- tens: Wenn ein Volk insgesamt älter wird und die Medizin weitere Fortschritte macht, müssen wir uns darauf einstellen, für Medizin und Pflege mehr auszuge- ben. Mit der Erschließung von Wirt- schaftlichkeitsreserven allein wird dieser Bedarf nicht zu decken sein.“

„Einsicht“ noch vor der Wahl

Seehofer sieht keinen Widerspruch zwi- schen seinen heutigen Forderungen und seinen früheren Aktivitäten als Bundesgesundheitsminister. Immerhin hat er die Budgetierung eingeführt.

„Ich habe aber auch 1996 mit einem rie- sigen Kraftaufwand den Paradigmen- wechsel eingeleitet – einschließlich der Regelleistungsvolumen anstelle der Budgets und einer höheren Selbstbe- teiligung für die Patienten.“ Niemand könne ihm den Vorwurf machen, er ha- be erst nach der Bundestagswahl davon gesprochen, dass das Gesundheitswe- sen mehr Geld bräuchte.

Zur Finanzierung des Mehrbedarfs sagte Seehofer: „Die Union hat vorge- schlagen, als Sofortmaßnahme versi- cherungsfremde Leistungen über den Bundeshaushalt zu finanzieren. Dies ist gerechtfertigt, weil der Bundeshaushalt 1999 in einem gigantischen Verschiebe- bahnhof die Gesetzliche Krankenversi- cherung belastet hat.“ Der Bund habe deutlich weniger Beiträge für Arbeits- losenhilfeempfänger an die Kranken- versicherung gezahlt. Die Versicherten sollen ebenfalls einen Teil der Mehrauf- wendungen tragen, und zwar durch höhere Selbstbeteiligungen. Seehofer:

„Eine moderate Selbstbeteiligung ist sozialer als ein hundertprozentiger Lei- stungsausschluss.“ Josef Maus

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A2618 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

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er Blick auf den Kontoauszug zauberte ein Lächeln auf das lie- be Gesicht meiner besseren Hälfte. War es mir doch gelungen, trotz mehrtägigen Urlaubs im heimi- schen Garten mit konsequenten Ein- sparungsmaßnahmen sowie Zuwen- dungen der Altvorderen im Laufe des vergangenen Jahres fast 8 000 DM zu sparen.

Demgegenüber stand jetzt nur noch das Problem des undichten Da- ches sowie der kaputten Heizung.

Möglichkeiten der Abhilfe boten hier jedoch neuere Verfahrensweisen, wie sie aktuelle gesetzliche Vorlagen der Bundesregierung modellhaft vorführ- ten. Da ich gezwungen war, für den Unterhalt ungeladener Gäste 2 500 DM zurückzulegen, machte ich dem Dachdecker und dem Heizungsmon- teur ein Angebot: Ich bot den beiden kundigen Fachleuten eine dreiwöchi- ge Frist für die Erneuerung meines Daches sowie die Reparatur der Hei- zung an. Nach Abschluss der Arbei- ten wäre ich bereit, einen Betrag von 5 500 DM zur Auszahlung zu bringen, den sich die Herren nach der Höhe des Aufwandes teilen sollten.

Um dem Aufkommen von Streitig- keiten prophylaktisch zu begegnen, entwarf ich gleichzeitig ein System von Schlüsselzahlen und versprach, mich mit den Überweisungen exakt nach der getroffenen Codierung zu richten. Damit sie sich mit dem von mir nach dem Vorbild der Essensver- teilung in französischen Straflagern der Vorkriegszeit entworfenen Code vertraut machen konnten, bot ich den interessierten Handwerkern Wochen- endkurse an, die ich für einen Betrag von 1 000 DM pro Person abzuhalten bereit war. Die bis dahin von mir als zuverlässig und fachkundig einge- schätzten Fachleute zeigten sich jetzt albern und unkooperativ. Auch mein Hinweis, modernes Management ver- lange dieses Vorgehen, stieß nur auf

Kopfschütteln und die Drohung, die ohnehin kränkelnden Betriebe stün- den bei mangelnder Mitarbeit vor dem Konkurs, wurde mit Gelächter quittiert. Ich war daher gezwungen, mit gerichtlichen Konsequenzen zu drohen, da bei Auftreten der ersten Wasserflecken auf Boden und Ta- peten infolge Undichtigkeiten ein- deutig unterlassene Hilfeleistung im Spiel war. Die unverschämten Kretins hatten mein Haus bereits verlassen, sodass ich mir – gemeinsam mit mei- ner ebenfalls vor Kälte zitternden Frau – das weitere Vorgehen überle- gen musste. Wir entschlossen uns ge- meinsam mit anderen Geschädigten, eine Lobby zu gründen mit dem Ziel,

Handwerker nur noch zu beschäfti- gen, wenn sie bereit sind, an unseren Wochenendkursen teilzunehmen und die im Schlüsselverzeichnis angebote- nen Preise zu akzeptieren. Mittler- weile ist mein Dach – wenn auch nur behelfsmäßig – geflickt und die Hei- zung noch immer kaputt, weil die in- zwischen kooperativen Mitarbeiter der Handwerksinnung infolge laufen- der Schulung, die wegen ständig geänderter Codierungssysteme not- wendig geworden ist, keine Zeit mehr haben, grundlegende Reparaturen auszuführen.

Dafür strahlt meine bessere Hälfte aber angesichts meiner durch die Wo- chenendkurseinnahmen aufpolierten Kontoauszüge über das ganze liebe Gesichtchen. Wolfgang Dietrich Moll

GLOSSE

Codierung im Alltag

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