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öglichst unbürokratisch und mög- lichst gerecht“ – so muss das Ver- fahren zum Einzug der Praxisge- bühr nach Meinung von Dr. med. Man- fred Richter-Reichhelm angelegt sein.„Wenn es schon solche Patienten und Ärzte belastenden Regelungen geben muss, dann ist es unsere Pflicht, für eine praktische Umsetzung zu sorgen“, be- tonte der Erste Vorsitzende der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in der vergangenen Woche in Berlin.
Für den Zorn vieler betroffener Kollegen hat Richter-Reichhelm Ver- ständnis: „Die Kröte, die die Ärzte mit dem Einzug der Gebühr schlucken müssen, ist groß.“ Man schlucke sie widerwillig, sagte er, und zwar im In- teresse des Gesamtsystems und seiner Funktionsfähigkeit. Schließlich soll die Finanzbasis der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) durch Zuzah- lungen der Versicherten in Höhe von rund 3,2 Milliarden Euro jährlich sta- bilisiert werden. Etwa 2,6 Milliarden davon, so schätzt die KBV, soll die Pra- xisgebühr einbringen.
Das GKV-Modernisierungsgesetz schreibt vor, dass Krankenkassen und KBV das Reglement zum Einzug der Praxisgebühr gemeinsam festlegen. Al- so wird mittlerweile verhandelt. Bis No- vember sollen die Einzelheiten vertrag- lich fixiert werden. Ziel müsse es sein, klare Regelungen zu treffen und das In- kassorisiko von den Vertragsärzten zu nehmen, forderte Dr. med. Andreas Köhler, stellvertretender Hauptge- schäftsführer der KBV. Prinzipiell soll deshalb ab Januar in den Praxen gelten:
Erst zahlen, dann behandeln – zumin- dest, was die Praxisgebühr anbelangt.
Wenn ein Patient die zehn Euro nicht dabei hat, dann sollten Ärzte und Psy- chotherapeuten eine Behandlung ab- lehnen können, findet die KBV. Aus- nahmen müsse es für Notfallbehand-
lungen und für Leistungen im organisier- ten Notfalldienst geben. In diesen Fäl- len sei eine Bezahlung im Nachhinein gerechtfertigt. Dass mancher Arzt dann auf der Forderung sitzen bleiben wird, weiß auch die KBV. „Hier wird man ein verstärktes Risiko der Nichtbezahlung einkalkulieren müssen“, sagte Richter- Reichhelm. Deshalb sollen die Ärzte in solchen Notfällen den Einzug der Pra- xisgebühr ihrer Kassenärztlichen Verei- nigung (KV) überlassen dürfen. Derarti- ge Abtretungsverfahren sind bei pri- vatärztlichen Liquidationen über Ver- rechnungsstellen üblich.
Darüber hinaus will sich die KBV dafür einsetzen, dass die Praxisgebühr ohne weitere Ausnahmetatbestände er- hoben wird. Alles andere, so die Be- fürchtung, würde das Verfahren nur komplizieren. Das heißt, dass die Ärzte eine Praxisgebühr tatsächlich nur dann nicht erheben müssen, wenn
>der Versicherte das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
>ein Überweisungsschein vorliegt,
>eine der gesetzlichen Ausnahme- regelungen greift (Schutzimpfung, Prä- vention),
>eine aktuelle Bescheinigung über eine Zuzahlungsbefreiung vorhanden ist.
Hin- und Herbuchereien vermeiden
Aktuell hieße nach Auffassung der KBV: Ausstellung nach dem 31. Dezem- ber 2003. Fixiert haben will man wei- terhin einen Passus, wonach eine nach- trägliche Vorlage eines Überweisungs- scheins oder einer Befreiung nicht von der Zahlung der Praxisgebühr entbin- det. So sollen offenbar aufwendige Hin- und Herbuchereien vermieden werden.
In allen anderen Fällen als den zuvor angeführten müssten die Vertragsärzte
die Praxisgebühr einziehen – also auch bei telefonischen Kontakten in Zusam- menhang mit der Abrechnung der Lei- stungen nach den Nummern 2, 3 und 170 EBM. Fällig würden zehn Euro wei- terhin, wenn ein Versicherter wegen ei- ner Impfung oder einer Früherken- nungsuntersuchung zum Arzt geht, sich dann aber herausstellt, dass er zusätz- lich behandelt werden muss. Was, wenn zwar eine Überweisung vorliegt, der da- mit aufgesuchte Arzt jedoch nur noch einen Termin im Folgequartal anbieten kann? Auch hier würden nach der Ge- setzeslogik zehn Euro fällig, stellt die KBV klar. Für diesen Fall muss laut Köhler allerdings vorgesehen werden, dass der Überweisungs- in einen Ori- ginalschein umgewandelt werden darf.
Hintergrund: Zur Abrechnungser- leichterung sollen die Vertragsärzte in Zukunft den Einzug der Praxisgebühr gegenüber ihrer KV grundsätzlich da- durch dokumentieren, dass sie auf ei- nem Originalschein abrechnen. Die Verwendung eines Überweisungs- scheins würde automatisch belegen, dass keine Gebühr erhoben wurde.
Zulässige Ausnahmen ließen sich mit- hilfe verschiedener Kennzeichnungen dokumentieren. Auf der Basis dieser Daten würden die KVen die Kranken- kassen informieren. Im Idealfall ginge die Summe der einbehaltenen Praxisge- bühren fehlerfrei aus dem Honorarbe- scheid hervor. Dies würde zugleich die Dokumentation gegenüber dem Fi- nanzamt erleichtern.
Für die Leistungserbringung im Vertretungs- oder Urlaubsfall werden noch Regelungen gesucht. Auch über die Art der Quittung wird noch ver- handelt. Klar ist aber, dass die KBV für die Vertragsärzte einen Anteil an der Praxisgebühr fordert. Damit soll der Verwaltungsaufwand kompensiert
werden. Sabine Rieser
P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4324. Oktober 2003 AA2761