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Archiv "Eine Entdeckung, die „vergessen“ wurde" (28.02.1991)

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Eine Entdeckung, die „vergessen"

wurde

Vor nahezu siebzig Jahren, am 31. August 1921, publizier- te Professor N. C. Paulescu in der Zeitschrift „Archives Inter- nationales de Physiologie" die Arbeit "Recherches sur le röte du pancr6as dans l'assimilation nutritive", in der erstmals die Entdeckung des Insulins (Pan- crein) dokumentiert wird. Miß- verständnisse' oder Unaufrich- tigkeit verhinderten den Erhalt des Nobelpreises, der im Jahre darauf an die Kanadier F. G.

Banting und C. H. Best für die Entdeckung des Insulins ging.

In einem Brief vom 15. Okto- ber 1969 bedauerte Best, daß der Artikel Paulescus keine Berücksichtigung bei der Ab- fassung seiner eigenen, späte- ren Arbeit gefunden hatte und führte dies auf eine "fehlerhaf- te Übersetzung des Artikels"

zurück (zitiert in C. Angelescu, L. Sigarteu-Petrina: "Nicolae C. Paulescu", Ed. Stiintifica si Enciclopedica, Bukarest 1982, pp. 144). Es gilt heute als si- cher, daß Paulescu zumindest einer der Entdecker des Insu- lins war.

Das tragische an der spä- ten Entschuldigung Bests ist, daß sie in die Ara Ceau§escu fiel, in eine Zeit, in der es in Rumänien kein Insulin für Diabetiker gab . . .

Daß ein Forscher aus dem

„fernen" Rumänien damals vergessen oder nicht berück- sichtigt wurde, wundert heute kaum jemanden. Daß wir aber erst jetzt, nach vielen Jahr- zehnten kommunistischer Herrschaft, nach und nach das wahre Ausmaß der materiellen und geistigen Verwüstungen der osteuropäischen "Diktatur des Proletariats" erfahren, wirft zahlreiche überaus ernste

Fragen auf.

zwei Kinder lagen. Die anderen zehn Frühgeborenen lagen in Kinderbet- ten. Von Infusionen, Monitoren, Wärmelampen, UV-Strahlern keine Spur. Kinder wurden erst dann als geboren gemeldet, wenn sie vier bis sechs Wochen post-partum am Le- ben blieben. Sonst betrachtete man sie als „Fehlgeburt", und sie tauch- ten in keiner perinatalen Statistik auf.

In der angegliederten Kinderkli- nik boten sich uns entsetzliche Bilder von unterernährten Kindern, Bilder, wie man sie leider heute noch aus manchen afrikanischen Ländern kennt. Verlassene kleine Wesen im Krankenhaus, zweijährige Kinder ohne Namen und Geburtsurkunden, apathische, dürre Gesichter mit gro- ßen, matten Augen. Kein Kinderge- schrei, kein Spielzeug. In diesem Land, in dem trotz unglaublicher Le- bensmittelknappheit der Diktator jegliche Empfängnisverhütung mit Gefängnis bestrafte, waren der Ab- ort — häufig genug septisch — und das Verlassen der Kinder durch die El- tern zu „Kontrazeptionsmethoden"

geworden.

Während dieses ersten Besuches wurden wir von einem Fernsehteam des Süddeutschen Rundfunks beglei- tet, das ebenfalls überall Zugang hat- te. Obwohl die Journalisten grauen- volle Aufnahmen machten, war das Ausmaß dieses Elends damals nur unvollständig zu erfassen: nach kur- zer Zeit konnten die Angehörigen des Fernsehteams die vielen verlas- senen, abgemagerten und sterben- den Kinder nicht mehr filmen. Sie sagten, das sei pietätlos, und mit Tränen in den Augen könnten sie nicht arbeiten. Erschütternde Bilder wurden damals im deutschen Fern- sehen gezeigt.

Nach der Rückkehr setzten wir die Hilfsaktionen fort. Die spontane Hilfsbereitschaft der Bevölkerung für die Kinder von Temeswar war überwältigend. Privatpersonen star- teten eigene Hilfsaktionen in vie- len Orten der Bundesrepublik und brachten die gesammelten Güter nach Heidelberg. In Kindergär- ten, Schulen, Universitäten, Kran- kenhäusern und Geschäften wur- den Sammelaktionen durchgeführt.

Letztendlich konnten in einem zwei-

ten Transport über 30 Tonnen Medi- kamente, Kindernahrung und medi- zinische Geräte nach Temeswar und Umgebung gebracht werden.

Anläßlich dieses zweiten Trans- portes kam es in Temeswar zu einem ausführlichen Gespräch mit dem De- kan der Medizinischen Fakultät und mehreren Chefärzten. Es wurde über die Mängel und über die Mög- lichkeiten, gezielt zu helfen, disku- tiert.

• Dabei fiel auf, daß die rumä- nischen Ärzte die große Hoffnung hegen, wieder den Anschluß an die europäische Medizin zu finden. Man legt großen Wert auf einen direkten Kontakt und einen wissenschaftli- chen Austausch mit deutschen Ärz- ten. Erfreulich auch die Feststellung, daß die Ärzte bereits versuchen, sich zu organisieren und ihren Beitrag als Mediziner und Lehrende zu leisten, um die rumänische Medizin zu mo- dernisieren.

Die Versorgungslage ist katastrophal

Der zweite Hilfstransport aus Heidelberg war zusammen von der Universitäts-Frauen- und -Kinderkli- nik organisiert worden. Eine Kinder- ärztin begleitete ihn, um während ei- ner Woche an den Universitätsklini- ken Nr. 2 und Nr. 3 mitzuarbeiten.

Sie brachte ein ausführliches Ernäh- rungsprogramm mit, das eigens für unterernährte Neugeborene konzi- piert war; es beruhte auf Erfahrun- gen mit unterernährten Kindern in Afrika. Die aktive Mitarbeit des deutschen Kollektivs wurde von den Leitern der Kliniken nicht nur ge- stattet, sondern ausdrücklich be- grüßt.

Die Mehrzahl der Kinder in die- sen Kliniken boten das Vollbild der Rachitis mit Rosenkranz, Craniota- bes, Untergewicht, Minderwuchs und Anämie. Sie waren entweder seit ihrer Geburt hospitalisiert oder als Säuglinge stationär aufgenom- men worden. In langen Gesprächen berichteten die behandelnden Ärzte, daß 60 bis 70 Prozent aller Säuglinge (interne Statistiken) unterernährt sind und unter Vitamin- und Prote- inmangel leiden.

A-638 (26) Dt. Ärztebl. 88, Heft 9, 28. Februar 1991

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