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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2520. Juni 2003 AA1757
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uslöser dieser Bildserie war ein Besuch im Zoo.Unmittelbar nach ei- nem Ausflug der Station chronisch erkrankter psych- iatrischer Patienten zeichnete Josef S. in der Beschäfti- gungstherapie einen Vogel, möglicherweise eine der En- ten, die ihn beeindruckt hat- ten. Entsprechend seiner Zei- chenfähigkeit ist das Tier recht naturalistisch darge- stellt. Bereits am nächsten oder übernächsten Tag hat sich die Ente in einer weite- ren Zeichnung nicht unwe- sentlich verändert: Ihre Beine sind wie bei einem Vierfüßler weit auseinander gerückt.
Die Zeichnung erscheint deutlich weniger differen- ziert. Wiederum einige Tage später ist das Bildthema nur noch für denjenigen zu er- kennen, der den Beginn der Zeichenserie kennt. Es wird deutlich, dass Josef S. das Anschauungsbild in seiner Ganzheit nicht bewahren konnte und die Einzelele- mente daraufhin freier an- ordnete. Dass für seine sonsti- gen Zeichnungen typische flächenfüllende Punktmuster taucht auf. All dies entspricht zweifellos nicht einer gewoll- ten Abstraktion oder einer
bewussten freieren Kombina- tion einzelner Bildteile, wie man es beispielsweise von den Bildserien eines Stiers oder einer Kuh bei Pablo Pi- casso oder Roy Lichtenstein kennt. Josef S. versucht nicht,
das Wesentliche oder Typi- sche eines Vogels herauszuar- beiten – er arbeitet lediglich mit den Versatzstücken, die er noch in Erinnerung hat. Dass dabei im letzten Blatt der Se- rie ein grafisch sehr reizvolles Werk entsteht, das seine rea- litätsgerechteren Vorläufer in den Schatten stellt, haben wir als Betrachter durch die künstlerische Entwicklung im 20. Jahrhundert erst zu sehen gelernt. Hartmut Kraft
Kunst und Psyche
Unfreiwillige Abstraktion
„Ohne Titel“, 1981. Wachskreiden auf Papier, Formate zwischen 35,5 cm und 52,3 × 75 cm.
Biografie Josef S.
Geboren 1916. Vermutlich minderbegabt. Nach Arbeit auf einem Bauernhof wurde er 1936 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, wo er zunehmend psychisch auffällig wurde durch Teilnahmslosigkeit, Fratzenschneiden, albern-läppisches Verhalten. Es wurde die Diagnose „hebephrenes Zustandsbild bei Debilität“ gestellt. Seit 1939 dauerhaft hospi- talisiert. Ende der Achtzigerjahre wurde Josef S. von einem Mitpatienten im Streit er- schlagen.
Literatur
Kraft H: Grenzgänger zwischen Kunst und Psychiatrie. Köln: DuMont, 1998.
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ls heiligmäßiger Arzt ist er bereits im 19. Jahr- hundert in die russische Literatur und Geschichte ein- gegangen. Nun beabsichtigt die katholische Kirche, den im Jahr 1780 in Bad Münster- eifel geborenen Arzt und Philan- thropen Dr. med. Friedrich Joseph Haass selig zu spre-chen. Haass war von 1806 bis zu seinem Tod im Jahr 1853 nahezu ausschließlich in Mos- kau als Arzt tätig.
Zur Erinnerung an ihn, der sich als Chefarzt der Moskauer Gefängnisse und später in sei- nem dortigen Obdachlosen- krankenhaus der Häftlinge, der Nichtsesshaften, Bettler
und Armen angenommen hat- te, wurde in Köln kürzlich eine Bronzetafel enthüllt. In die- sem Gebäude an der Marzel- lenstraße 32 in Köln, das seit dem 17. Jahrhundert unter an- derem Jesuitenkolleg, Gymna- sium und Priesterseminar war und das heute Erzbischöfli- ches Generalvikariat ist, be- fand sich zur Franzosenzeit um 1800 die École centrale (Zentralschule). Hier studierte Haass bis 1802 philosophische, philologische, naturwissen- schaftliche und medizinische Disziplinen. Seine medizini- schen Studien setzte er in Jena, Göttingen und Wien fort.
Ihren Platz erhielt die neue Bronzetafel an der Straßen- fassade des Kirchenverwal- tungsgebäudes in einer Reihe von drei bereits vorhandenen Plaketten. Sie erinnern an den dort tätig gewesenen Theologen Matthias Joseph Scheeben (1835–1888), der auch in Bad Münstereifel Re- ligionslehrer gewesen war, ferner an den Jesuiten, Philo- sophen, Theologen und ent- schiedenen Gegner der He- xenverfolgungen Friedrich von Spee (1591–1635) sowie an den Mathematiker und Physiker Georg Simon Ohm (1789–1854). Im Jahre 1826 hatte Ohm dort im Gebäude des heutigen Kölner General- vikariats, das zu seiner Zeit Gymnasium war, die Relation zwischen Stromstärke, Span- nung und Widerstand gefun- den und damit das nach ihm benannte Grundgesetz der elektrischen Ströme ent-
deckt. EB
Historische Aufnahmen
Eine fünfteilige CD-Reihe mit alten Aufnahmen der Beet- hoven-Sinfonien, die Günter Wand und das Gürzenich-Or- chester vor einem halben Jahr- hundert für den Club Français du Disque eingespielt haben, ist jetzt erschienen.
Damit startet die engli- sche Plattenfirma Testament, die die Rechte an diesen Ein- spielungen erworben hat, nach eigenen Angaben „ein ehrgeiziges Projekt, das die Veröffentlichung aller 40 Werke unter anderem von Mozart, Haydn, Schubert, Brahms, Strawinsky, Bartók und Schostakowitsch, die der damalige Generalmusikdirek- tor Günter Wand in den 50er- und 60er-Jahren auf- nehmen ließ, vorsieht“. Der Musikvertrieb Note-1 wird die 16 CDs, die in nächster Zeit von Testament publi- ziert werden, auch auf den deutschen CD-Markt brin- gen. Informationen: www.
note-1.de Kli