VON SCHRÄG UNTEN
Gesund
Dr. med. Thomas Böhmeke
D
as Leben könnte so schön sein, wären da nicht die vielen uner- betenen Dinge, die sich einem pene- trant in den Weg stellen. Beispiels- weise runde rotgesäumte Schilder mit viel zu niedrigen Zahlen drin, wenn man es sehr eilig hat. Die Zivilstreife, die einen schmerz- haft daran erinnert, dass man Beschränkungen tunlichst ein- halten soll. Zumindest die der Geschwindigkeit.Freche Neffen sind auch unerbeten, wenn sie mir den verdienten Feier- abend verätzen. „Onkel Thomas, was machst du ei-
gentlich den ganzen Tag so? Ich meine, wenn du auf Maloche bist?“ Das heißt Arbeit, nicht Maloche. Ich soll Leben verlängern und Lei- den lindern. „Ach wirklich?“ Na ja, im Idealfall schon.
„Und was machst du, wenn du mal kein Leben lin- derst?“ Leben verlängern, bitte schön. Dann mache ich Untersuchungen. „Was suchst du denn?“ Ich suche Gründe. „Bei Kranken?“ Nein, bei Gesunden. „Das klingt aber komisch. Was musst du denn begründen?“
Nun, es kommen immer häufiger Menschen zu mir, die eine Begründung wünschen. „Onkel Thomas, das ist wieder eines von deinen Pillenmärchen!“ Nein, gewiss nicht. Es kommen Menschen zu mir in der Hoffnung, dass ich etwas Krankhaftes bei ihnen finde. Beispiels- weise als Begründung für mehr Prozente gemäß dem Schwerbehindertengesetz. Dann brauchen sie weniger Steuern zu bezahlen und bekommen billigere Eintritts- karten in örtliche Museen, auch zusätzliche Urlaubsta- ge. Einige hätten auch gerne eine chronische Erkran- kung. Das reduziert die Zuzahlungsgrenze für alle An- gehörigen des Familienhaushalts auf ein Prozent der jährlichen Familien-Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr.
Andere wünschen die Kostenübernahme für einen Sportkurs, den die Krankenkasse nur im Krankheitsfall bezahlt. Diesen soll ich dann nachweisen. Das Leben ist halt teuer geworden, da muss man alle Möglichkei- ten nutzen. „Und was ist, wenn du keinen Grund fin- dest?“ Dann sind die Menschen enttäuscht, bisweilen auch böse. „Warum? Weil sie gesund sind?“ Nein, weil sie keine Steuererleichterung bekommen, keine kosten- freien Kurse, keine Minderung der Zuzahlung, keine . . .
„Onkel Thomas, wir kommen morgen in deine Pra- xis! Und du suchst so lange bei uns ’rum, bis wir nie wieder arbeiten brauchen und Prozente kriegen! Und Rente! Und Urlaub!“
Raus mit euch!
Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.
S C H L U S S P U N K T
[104] Deutsches Ärzteblatt