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Archiv "Medizintechnik und Allgemeinmedizin" (29.04.1976)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Medizintechnik und Allgemeinmedizin Die sachlichen Prämissen für eine wissenschaftliche Diskussion der Akupunktur

AUS DEM BUNDESTAG:

Bundesregierung:

Kassenausgaben mehr als 11 Prozent gestiegen

BLICK

ÜBER DIE GRENZEN:

Schweden: Die totgesagte Privatpraxis lebt noch

BRIEFE AN DIE REDAKTION

BEKANNTMACHUNGEN:

Kassenärztliche Bundes- vereinigung: Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Kranken- kassen über Verträge nach § 368 r

RVO (Rehabilitations- Richtlinien

Bundesärztekammer:

Arbeitsmedizinischer Einführungslehrgang Kassenarztsitze

PERSONALIA

Die Ankündigung kam, aber sie blieb in der Luft hängen. Es folgte nichts. Der internationale Fortbil- dungskongreß 1976 der Bundesärz- tekammer in Badgastein stand un- ter dem Generalthema „Die techni- sche Weiterentwicklung in der ärzt- lichen Praxis". Niemand habe ah- nen können, als das Thema festge- legt wurde, welche brisante Aktua- lität es annehmen würde, sagte Kongreßpräsident Professor Dr. Dr.

h. c. C. E. Alken zu Beginn. Die Ak- tualität konnte nur gesundheitspoli- tisch gemeint sein.

Alken: „Moderne Medizin ist ohne Technik in der Klinik und Praxis nicht mehr denkbar. Mehr Technik kostet logischerweise mehr Geld.

Das Thema Kostenexplosion ist aber nicht unsere größte Sorge.

Parallel mit der technischen Ent- wicklung ist ein langsam zuneh- mender Verlust der hippokrati- schen Denkweise, besonders bei der jüngeren Generation, und hier leider zum Teil ausbildungsbe- dingt, eingetreten. Die Medizin droht unpersönlich zu werden."

Technik in der Medizin — was hat sie bewirkt, wohin führt sie noch, wer kann (und darf) sie bremsen?

Ist nicht ein großer Teil der Proble- me, mit denen Politiker, Ärzte- und Krankenkassenvertreter konfron-

tiert sind, wenn sie mit- oder ge- geneinander reden, aus der unab- lässig zunehmenden Technisierung der Medizin entstanden, die a) poli- tisch immer begründet werden kann, da sie ja für den Menschen geschieht; b) gesellschaftlich im- mer ihre Anwender findet, da sie verspricht und fasziniert und sel- ten um Ruf und Ansehen kommt; c) wirtschaftlich immer ihren Markt hat, weil keine Investition berech- tigter erscheint und besser vertre- ten werden kann als die für den Kranken?

Ist es nicht die Technisierung der Medizin, die den Glanz des ärztli- chen Tuns zugleich verbreitet und verdunkelt? Die zu unerhörter Aus- spezialisierung drängte, das Sub- spezialistentum nötig machte und immer neu hervorruft, aber den All- gemeinmediziner von der Basis- auf Banalarbeit verwies, ihn zuneh- mend dem Gefühl des Unvermö- gens, der Rückständigkeit überant- wortete, dem er nur durch große Unbekümmertheit oder durch stän- dige Selbstüberforderung entgehen konnte? Triumphierte nicht mit dem Siegeszug der Technik in der Me- dizin die Sachverständigkeit für Or- gane und Organteile anstelle der Kompetenz für den ganzen Men- schen, aller Erkenntnis von der Ausbreitung psychosomatischer

Medizintechnik

und Allgemeinmedizin

Bemerkungen aus Anlaß des Internationalen Fortbildungskongresses der Bundesärztekammer in Badgastein

Albert Müller

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 18 vom 29. April 1976 1237

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Medizintechnik und Allgemeinmedizin

Erkrankungen und vom Bedürfnis des Patienten nach dem ärztlichen Gespräch zum Trotz?

Ratlosigkeit

und Unbefangenheit

Kurzum, wo ist die Frage nach Se- gen oder Fluch der Technik, kultur- philosophisch oft abgehandelt, von so ungebrochener Gegenwärtigkeit wie in der Medizin? Trotzdem spielt sie für die Auseinanderset- zung um die Zukunft der ärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik eine bemerkenswert unscharfe Rol- le. Keiner der maßgeblichen Disku- tanten ist etwa technikfeindlich.

Keiner will sich der technischen Weiterentwicklung entgegenstem- men. Erst in der jüngsten Zeit klingt gelegentlich an, daß es notwendig sei, sie in den Griff zu bekommen.

Doch wird offen hinzugesetzt, daß man sich nicht vorzustellen vermö- ge, wie das geschehen könne. Es ist aber noch nicht ausgemacht, ob Ratlosigkeit in diesem Falle für weniger fortschrittlich genommen werden muß als die dauernd neu stimulierte Unbefangenheit gegen- über den Triumphen der Technik in der Medizin.

Wer offen sagt, er habe für die Ein- grenzung bislang als autonom er- scheinender medizinisch-techni- scher Prozesse kein Rezept, ver- schlimmert allenfalls durch Gewäh- renlassen, was gefahrvoll sein kann an dieser Entwicklung. Wer dagegen Integrationsmodelle, Ver- gesellschaftungskonzepte, Institu- tionalisierungsprogramme für die Bündelung des medizinisch-techni- schen Optimums zu verwirklichen trachtet, beteiligt sich an einer Ver- änderung der gesellschaftlichen Szenerie, wobei eben das nicht wiedergewonnen werden kann, was der Gesellschaft entrissen zu werden droht: der ganze Arzt im persönlichen Verhältnis zum gan- zen Kranken. Ein Paar, das mitein- ander arbeitet, und zwar sowohl unter Aufbietung des vollen pro- duktiven Gehalts der Medizin wie unter Vermeidung ihres möglicher-

weise eindrucksvollen, jedoch er- läßlichen Teils, insgesamt also un- ter Erzielung der bestmöglichen Kosten/Nutzen-Relation, von der angenommen werden kann, daß sie sich .auch in Zukunft unter Kontrol- le halten lasse.

Erst an dieser Stelle drängt sich der Kostengesichtspunkt nach vorn. Seine Beachtung hat so gut wie alle Diskutanten zu Fürspre- chern. Der Kostengesichtspunkt soll in der Welt des wirtschaftlich Machbaren für die Medizin den an- gemessenen Platz finden. Doch dies scheint eine der Quadratur des Kreises verwandte Aufgabe zu sein.

Auch Sewering und Muschal- lik setzten die Medizin zu den Ko- sten ins Verhältnis, der eine behut- samer, der andere energischer. Die medizinische Wissenschaft, so Se- wering, könne sich nicht entwik- keln nach den Gesetzen der Wirt- schaftlichkeit und den Maßstäben des Bruttosozialproduktes. Eine Parallelität der Kostenentwicklung könne es nicht geben, allenfalls ein

„Mitorientieren" der medizini- schen Kosten an den Daten der Volkswirtschaft.

Anders Muschallik: Die 61 Milliar- den Jahresaufwendungen der ge- setzlichen Krankenversicherung, aus denen in den nächsten Jahren über 100 Milliarden DM werden könnten, seien durchaus im Zu- sammenhang mit der Volkswirt- schaft zu sehen, zumal deren Wachstum sich nicht mehr ohne weiteres wie gewohnt voraussetzen lasse. Ein überproportionaler (will doch wohl sagen: das Maß des Wirtschaftswachstums übertreffen-

der) Anstieg der Krankenkassen- beiträge sei nicht mehr tragbar.

Sparsamkeit habe nicht nur bei den Krankenkassen, sondern auch bei den Kassenärzten einzusetzen, in der Diagnostik, Therapie, bei Arzneimittelverschreibung, Kran- kenhauseinweisung und Verord- nung von Arbeitsunfähigkeit. Mehr noch: Ausgewucherte Leistungen seien zu beschneiden — „auch

zum Schutze der Ärzteschaft" —, die ärztlichen Einkommenserwar- tungen für die nächsten Jahre zu dämpfen. Wenn die Ärzteschaft nicht dazu beitrage, die moderne Medizin finanziell in Grenzen zu halten, laufe sie Gefahr, mit ihrer wirtschaftlichen Basis auch die Freiheit zu verlieren. Arbeitnehmer- Tarifpolitik wolle heute die Netto- Einkommen erhalten, das sollten auch die Ärzte für sich fordern dür- fen. Und sie müßten entsprechend handeln, sonst seien die Politiker schneller als sie.

Zwar ging man in Badgastein nicht in die Details. Aber auch für Sewe- ring war die Gebührenordnung „ei- nes der schwierigsten Kapitel". Er habe Verständnis dafür, sagte er, daß gewisse Arztgruppen, darunter die Allgemeinmediziner, eine Fülle von Positionen für falsch bewertet hielten. Viel mehr war dazu vor ei- nem Auditorium von 2000 Betroffe- nen wohl nicht zu sagen. Und trotz- dem hätte man sich, wenn das Thema vertieft worden wäre, unter dem Gesichtspunkt der Kosten in der Medizin wohl nur weiter an der Peripherie der Probleme bewegt.

Nicht ganz trifft dies für Muschal- liks Systemkritik zu: Er sprach sich unter Beifall für eine („ausgewoge- ne, differenzierte, nach oben be- grenzte") Selbstbeteiligung der Pa- tienten aus und erklärte, prinzipiel- ler noch, auch das Sachleistungs- system der gesetzlichen Kranken- versicherung sei einer der Gründe für die bedrohliche Kostensteige- rung. Und er machte Front gegen die unkontrollierte Inanspruchnah- me ärztlicher Leistungen durch den doppelten Krankenschein, der, wie dies wohl verstanden werden mußte, das zusätzliche direkte Auf- suchen des Spezialisten (ohne Überweisung) gestattet.

Übers Geld hinausdenken

Hier wurde deutlich, daß Kassen- ärztliche Vereinigungen mehr als Honorarpolitik zu betreiben, daß sie übers Geld hinauszudenken ha-

1238 Heft 18 vom 29. April 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Medizintechnik und Allgemeinmedizin

ben. Dies gilt nicht nur wegen des auch in Badgastein genannten Zu- sammenfallens einer für das Ge- sundheitswesen spezifischen Ko- stenexpansion mit der allgemeinen wirtschaftlichen Rezession und we- gen des ungelösten, wie ein Damo- klesschwert über den Krankenkas- sen hängenden Problems der Neu- disposition bei den Krankheitsko- sten der Rentner. Sondern übers Geld hinausdenken müssen die im Besitze des Sicherstellungsauftra- ges befindlichen Kassenärztlichen Vereinigungen auch, weil Sicher- stellung zugleich Optimierung der ärztlichen Versorgung bedeutet und diese nicht ohne Einflußnahme auf die Entwicklung der Technik in der Medizin bewirkt werden kann.

Wie recht Alken doch hatte mit sei- nem Wort von der brisanten Ak- tualität des diesjährigen General- themas von Badgastein.

Die technische Entwicklung bietet an, sie bedarf dazu keiner Legiti- mation, sie hat ihre Autonomie und eine nie nachlassende Dynamik.

Auf der anderen Seite ist Bedürf- nisbefriedigung in der Medizin ein latentes, nicht weniger legitimes Verlangen, und das Recht der Annahme von Angeboten für die Gesundheit gehört zu den konstitu- tiven Elementen der Freiheit im So- zialstaat.

Von der Medizin her winkt die Möglichkeit, das Leid aus dem Le- ben abzuziehen. Den Mediziner seinerseits versetzt die techni- sche Entwicklung, besonders auf dem Gebiet der Diagnostik, in die Lage, das ganze Volk zu Patienten zu machen. Denn wo fände sich wohl derjenige, der in keinem einzigen Punkte seiner psychischen und physischen Existenz von der Norm abweicht?

Sind wir noch, mit Spezialisierung und Subspezialisierung, erfüllt von Bewunderung für erstaunliche Lei- stungen, unbezweifelbar weiterhin in der produktiven Phase der Medi- zin? Oder nehmen nicht Frustra- tion, Enttäuschung, ja, Verzweiflung zu — weil etwa ein Vereinsamter den

Gesprächspartner Arzt nicht gefun- den hat, den er dringender brauch- te als alles andere? Erlahmt nicht, weil das Hilfsangebot bei Mißbe- findlichkeiten nachgerade überwäl- tigt, die Kraft, ja, erlischt nicht der Gedanke, sich als Betroffener erst- zuständig mit dem Übel auseinan- derzusetzen, und sei es, daß nur der Entschluß gefaßt wird, die Le- bensweise zu ändern? Entzieht nicht die diagnostisch-therapeuti- sche Rüstkammer des Medizinbe- triebes, dauernd sich aktualisie- rend und auf Hochglanz haltend, dem gesellschaftlichen Engage- ment, das die Ursachen von Erkran- kungen treffen will, schlechter- dings den Boden?

So ganz theoretisch scheinen die- se Fragen doch nicht zu sein.

Sonst wäre wohl nicht allenthalben von der Auswucherung der techni- schen Leistungen, besonders in der ambulanten ärztlichen Behandlung, die Rede. „Wenn die Zahl der La- borärzte sich in einem Jahrzehnt verviereinhalbfacht, die Zahl ihrer Behandlungsfälle sich mehr als versechsfacht hat und ihr Honorar sogar auf mehr als das Siebenein- halbfache gestiegen ist, so spiegelt sich darin nicht nur eine durch den labortechnischen Fortschritt bedingte und zu begrüßende Stei- gerung, sondern auch ein überpro- portionales Wachstum zu Lasten der Allgemeinmedizin" (Werner Haupt).

Nach einer Übersicht der KV Nord- rhein, Abrechnungsstelle Düssel- dorf, hatte die Zahl der Fachärzte dort schon 1965 mit 55,4 v. H. die Mehrheit erreicht und stieg bis 1974 auf 65 v. H., während die Praktiker mit ihrem Anteil in der gleichen Zeit von 44,6 auf 35 v. H.

zurückgingen. In der gleichen Zeit erhöhten die Fachärzte die Zahl ih- rer Behandlungsfälle um 62,4 v. H., und bei den Praktikern nahm sie um 10,8 v. H. ab. Die Zahl der Ver- richtungen nahm bei den Fachärz- ten um 94 v. H. und die Gesamtho- norarforderung um 127,7 v. H. zu, während die Praktiker hier mit Zu- wachsraten von 8,6 bzw. 26,7 v. H.

abschnitten.

Generell muß man damit rechnen, daß auf Grund des Trends zum Facharzt, den nach einer Infratest- Befragung von 1972 (Ergebnisse wurden vom Bundesgesundheits- ministerium mitgeteilt) die ange- henden Mediziner nachvollziehen, die statistische Morbidität weiter ansteigt, ebenso die Höhe der Fall- werte und damit die Gesamtvergü- tung. Indem die Behandlung sich weiter zu den Fachärzten verlagert, wird sie sich auch aus diesem Grunde verteuern. So war es bis- her schon, und niemand hat ein Rezept dagegen.

Aufgaben der Zukunft

Obwohl es selbstverständlich sein muß, daß verbesserte Diagnostik und Therapie voll in der Medizin durchschlagen und kein Patient daran gehindert werden darf, sie in Anspruch zu nehmen, erfüllt die Entwicklung doch auch die ärztli- che Standesführung mit großer Sorge. Dabei kann, wiederum sei es betont, nicht der finanzielle Aspekt ausschlaggebend sein.

Aber möglicherweise deutet man die Entwicklung richtig, wenn man sie als eine Folge der Aushöhlung der Allgemeinmedizin versteht.

Und diese Aushöhlung muß, aufs ganze gesehen, wohl eher als Ver- lust denn als Gewinn für den Pa- tienten beurteilt werden.

Die Ärzteschaft gilt als im allge- meinen konservativ. Doch ist sie zugleich durchaus für den „Fort- schritt", vielleicht steht sie ihm in der Medizin (selbstverständlich einschließlich Pharmazie) sogar re- lativ unkritisch gegenüber. Sind nicht auch Ärzte immer wieder in Versuchung, das Neue (und Teure- re) a priori für das Bessere zu hal- ten? Aber immer dann, wenn die- se Annahme falsch ist, entsteht Schaden.

Aus den Gefahren, wenn es denn Gefahren sind, können nicht die Politiker, sondern nur die Ärzte selbst herausführen. Was not tut,

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 18 vom 29. April 1976 1239

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

In Europa ist die chinesische Aku- punktur dem Namen nach seit dem 17. Jahrhundert bekannt; als iso- lierte Technik wird sie seit länger als einer Generation angewandt;

aber erst seit Ende der 60er Jahre bildet sie ein Modethema in Publi- kumspresse und medizinischen Pe- riodicis. Die damit verbundene Hervorhebung des Themas hat in- des bis heute nur eines offenbart:

ein im Westen weiterhin nahezu to- tales Defizit sachlicher und authen- tischer Information über chinesi- sche Medizin und Akupunktur und als Folge davon pseudowissen- schaftliche Spekulationen und Ver- suche, Diskussionen ohne Boden und Niveau, Argumente, die, von ir- rigen Prämissen ausgehend, ihr Thema niemals berühren ... Kein Zweifel, daß eine solche Situation kurzfristig die Gewinnung bedeut- samer Erkenntnisse verzögert, langfristig aber dem Ansehen des Ärztestandes Abbruch tut.

Was man im Westen in-der Haupt- sache als Akupunktur bezeichnet, ist ein therapeutisches Verfah- ren aus der chinesischen Medizin.

Was liegt näher, was ist unerläßli- cher, als daß man jede Prüfung und Anwendung des Verfahrens bei den maßgebenden Quellen, ge- nauer gesagt, bei den in China als maßgebend erachteten Texten ih- ren Ausgang nehmen läßt. Tatsa- che ist, daß die westliche Medizin diese Texte in der Mehrzahl nicht einmal vom Hörensagen und dem Namen nach kennt, und daß bis heute (1975) absolut alle Lehrbü- cher der Akupunktur in westlichen Sprachen von selbsternannten Ex-

perten verfaßt sind und aus dritter, vierter, fünfter, mitunter sogar aus sechster Hand schöpfen.

Willy Hartner, ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Geschich- te der Naturwissenschaften an der Uni- versität Frankfurt am Main, zugleich Honorarprofessor an der Harvard Uni- versität, hatte bereits 1941/42 in der für die gebildete Öffentlichkeit bestimmten Zeitschrift „Sinica" (Heft 16 [1941], Sei- ten 217 bis 265, und Heft 17 [1942], Sei- ten 27 bis 89) eine Studie veröffent- licht, die noch heute lesenswert ist, und die aufgrund von zum Teil aus er- ster Hand geschöpften Informationen den historischen Aufbau der chinesi- schen Medizin beleuchtete: „Heilkunde im alten China".

Pierre Huard, Professor für Anatomie, sukzessive Gründungsdekan der Medi- zinischen Fakultät von Hanoi, Dekan der Medizinischen Fakultät von Dakar (Senegal), von Rennes und Paris, hat im Laufe zweier Jahrzehnte aus freien Stücken zusammen mit seinem Mitar- beiter Wong eine gut dokumentierte und grundsätzliche Beschreibung der chinesischen Medizin gegeben. Maß- gebend ist vor allem das Werk:

Pierre Huard: La Mödecine chinoise au cours des siäcles, Paris 1959, ferner ders.: Structure de la Mödecine chinoi- se, Paris 1957.

Hingegen läßt die Kurzfassung dieser Ergebnisse, die in der Universitätsbi- bliothek bzw. Kindlers Universitätsbi- bibliothek auch deutsch erschienen ist unter dem Titel „Die chinesische Medi- zin" und unter großem Zeitdruck ent- stand, im Detail zu wünschen übrig.

Meine eigenen Studien zur Methodologie der chinesischen Medizin sind zwar ein volles Jahrzehnt, vom Ende der 50er Jahre bis zur Habilitation 1969, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Medizintechnik

scheint eine Wiederaufwertung des Allgemeinmediziners zu sein. Er müßte, optimal ausgebildet und in genügender Zahl für jedermann je- derzeit erreichbar, ärztliche Leitfi- gur und das Filter der ärztlichen Versorgung der Kranken darstel- len.

Nur wenn das Filter der Allge- meinmedizin funktioniert, kann dem Spezialisten angemessen zu- kommen, was des Spezialisten ist.

Hier liegt vielleicht eine Aufgabe, die größer ist als die Kostendämp- fung im Gesundheitswesen. Denn wahrscheinlich läßt sich nur mit Hilfe eines funktionsfähigen Filters der Allgemeinmedizin das Opti- mum der Anwendung der Medizin- technik erzielen und damit auch unnötiger Verteuerung entgegen- wirken, ferner das Spannungsfeld zwischen Gesundheitswesen und Marktwirtschaft entschärfen und schließlich der Passiverhaltung des

„Konsumenten" gesundheitlicher Leistungen beikommen.

Wenn gesagt wurde, daß Änderun- gen der Gebührenordnung sich nur von der Peripherie her der Proble- matik nähern könnten, so ist diese Aussage nun dahin einzuschrän- ken, daß der Allgemeinmediziner als ärztliche Leitfigur nur erreicht und gewährleistet werden kann, wenn mit einer solchen Aufwer- tung die Absicherung im Honorar einhergeht. Zwischen Kassenärztli- chen Vereinigungen und den Spit- zen der Krankenversicherung müß- te Einigkeit darüber bestehen, daß der Praktiker neuer Prägung in der ärztlichen Einkommensskala einen bevorzugten Platz erhält, und zwar nicht notwendigerweise wegen des Umfanges seiner Tätigkeit, sondern wegen ihres Wertes, der so hoch anzusetzen wäre, daß dem medizi- nischen Nachwuchs hier ein über- ragendes Berufsziel geboten wür- de.

Anschrift des Verfassers:

Albert Müller

Königsberger Straße 93 5300 Bonn-Bad Godesberg

THEMEN DER ZEIT

Die sachlichen Prämissen für eine wissenschaftliche Diskussion der Akupunktur

Manfred Porkert

1240 Heft 18 vom 29. April 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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