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Archiv "Krankenhäuser: Qualität ganz oben auf der Agenda" (13.12.2013)

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13. Dezember 2013

KRANKENHÄUSER

Qualität ganz oben auf der Agenda

Mit Abschlägen bei unterdurchschnittlicher Qualität wollen Union und SPD künftig die Patientenversorgung an deutschen Krankenhäusern verbessern. Auf einem Kongress bezweifelten Krankenhausexperten, dass dieser Plan aufgeht.

Q

ualität in den Kliniken ist doch selbstverständlich – da- von ging man bis weit in die Acht- zigerjahre des 20. Jahrhunderts hin - ein aus. Schließlich wurden den Krankenhäusern über tagesgleiche Pflegesätze alle Kosten erstattet.

Diese Einstellung änderte sich erst, als die ersten Kostendämpfungs- maßnahmen für den stationären Sektor griffen. Spätestens seitdem die Akutkrankenhäuser ihre Leis- tungen nach diagnoseorientierten Fallpauschalen abrechnen (ab 2004), entfaltete die Qualitätsdis- kussion eine große Dynamik. Seit einiger Zeit steht vor allem der Vor- wurf im Raum, Klinikärzte stellten aus ökonomischen Gründen medi- zinisch fragwürdige Indikationen, um mehr besonders lukrative Be- handlungen im DRG-System ab- rechnen zu können.

„Wenn bei den 8,65 Millionen Versicherten der Barmer-GEK die Wirbelsäuleneingriffe in den letzten drei, vier Jahren um 570 Prozent zugenommen haben, dann kann ich das als Mediziner nicht nachvoll- ziehen“, betonte dann auch Dr.

med. Christoph Straub, Vorstands- chef der Barmer-GEK, Ende No- vember zum Auftakt des 7. Natio- nalen Qualitätskongresses Gesund- heit in Berlin. Es sei deshalb eine

„gute Sache“, dass sich Union und SPD in den nächsten vier Jahren in- tensiv den Themen Qualität, Menge und Planung im Krankenhausbe- reich widmen wollten. Die Rich- tung stimme, meinte auch Dr. med.

Regina Klakow-Franck, unpar- teiisches Mitglied des Gemeinsa- men Bundesausschusses (G-BA), mit Blick auf die herausragende Stellung der Qualitätssicherung in der Koalitionsvereinbarung. Sie kri - tisierte aber, dass Qualitätsma nage - ment mehr beinhalte, als Qualität

zu messen, transparent zu machen und die Schlechten auszusortieren:

„Ziel muss es doch sein, einen kon- tinuierlichen Verbesserungsprozess im Gesundheitswesen zu initiieren, indem es gelingt, eine Qualitätskul- tur zu stiften.“ Dazu gehöre vor al- lem die Motivation, von den Besten zu lernen. „Qualitätsmanagement heißt, Betroffene zu Beteiligten zu machen“, kritisierte auch Dr. med.

Günther Jonitz, Präsident der Ärz- tekammer Berlin, den recht dirigis- tischen Ansatz in der Koalitionsver- einbarung. Gleichwohl sei es natür- lich prima, dass die Politik „endlich das Thema Qualität entdeckt hat“.

Die Berliner Koalitionäre wollen die Qualität von Krankenhäusern künftig (noch) genauer messen und die Häuser entsprechend der er-

brachten Qualität bezahlen: Wer bei einzelnen Leistungen hohe Qualität erbringt, soll keine Mehrleistungs- abschläge hinnehmen müssen, wer besonders hohe Qualität erbringt, soll Zuschläge erhalten. Für unter- durchschnittliche Qualität soll es Abschläge geben. Darüber hinaus darf der Medizinische Dienst der Krankenversicherung nach den Plä- nen von Union und SPD künftig un- angemeldet in Krankenhäusern kontrollieren, ob die Anforderun- gen des G-BA zur Qualitätssiche- rung eingehalten werden.

Fair miteinander vergleichen Geplant ist weiterhin, ein Qualitäts- institut zu gründen, das Routineda- ten aus dem stationären und dem ambulanten Bereich zusammen- führt und für Patienten „leicht ver- ständlich“ veröffentlicht. Klakow- Franck geht dabei nicht davon aus, dass die neue Bundesregierung ein zusätzliches Institut für die sekto- renübergreifende Qualitätssiche- rung neben dem „AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswe- sen GmbH“ gründen will. Die For- mulierung im Koalitionsvertrag, wonach ein zu gründendes Institut

„dauerhaft“ und „unabhängig“ die Qualität der ambulanten und statio- nären Versorgung ermitteln und dem G-BA Entscheidungsgrundla- gen liefern solle, ziele vielmehr dar auf ab, dass die sektorenüber - greifende Qualitätssicherung nach

§ 137 a Sozialgesetzbuch V nicht mehr alle fünf bis sieben Jahre neu ausgeschrieben werden müsse, sag- te sie: „Das hat der G-BA im Prin- zip selbst angeregt.“ Es gehe hier also um eine Verstetigung der Ar- beit des bestehenden Instituts und nicht um den Aufbau eines neuen.

„Bislang prüfen wir zwar unabhän- Qualitätssicherung

im Krankenhaus:

Ob die Anforderungen zur Qualitätssiche- rung eingehalten werden, soll der Me- dizinische Dienst der Krankenversicherung künftig unangemeldet kontrollieren dürfen.

Foto: Sience Photo Library

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13. Dezember 2013 gig, aber eben nicht dauerhaft“,

ergänzte AQUA-Geschäftsführer Prof. Dr. med. Joachim Szecsenyi.

Eher skeptisch zeigte sich Szecsenyi, was den Plan der neuen Bundesregierung angeht, die Vergü- tung der Krankenhäuser an die Er- gebnisqualität zu koppeln: „Alle Leistungserbringer müssen sich dar - auf verlassen können, dass sie fair miteinander verglichen werden.“

Faire Vergleiche bei den Qualitäts- ergebnissen von Behandlungen setzten aber eine funktionierende Risikoadjustierung voraus: „Und genau das ist eine große methodi- sche Herausforderung.“ Prof. Dr.

med. Thomas Mansky, der an der Technischen Universität (TU) Ber- lin das Fachgebiet Strukturentwick- lung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen leitet, ging noch einen Schritt weiter: „Der Nach- weis, dass eine Klinik schlechtere Qualität abliefert, ist justiziabel nicht zu erbringen.“ Dies liege vor allem an den statistischen Unsicher- heiten, wenn die Fallzahlen einer Klinik bei bestimmten Indikationen sehr klein seien. Der politische Plan, den Klinikmarkt zu bereini- gen, indem Vergütungsabschläge für mangelhafte Qualität dafür sor- gen, dass schlechte Krankenhäuser

„vom Netz“ gehen, werde jeden- falls nicht aufgehen, betonte der

langjährige Helios-Manager: „Die Krankenhäuser werden sich juris- tisch zu wehren wissen.“

Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverban- des, geriet diese Diskussion viel zu theoretisch. Man brauche keine weiteren Vorarbeiten, um Kranken- häuser mit schlechter Qualität aus- sortieren zu können: „Wir sind da doch schon sehr weit. Jetzt ist end- lich die praktische Anwendung der bereits vorhandenen Qualitätser- gebnisse gefragt.“ Ausdrücklich be- grüßte Deh dann auch den Ansatz, Krankenhausplanung mit Qualitäts- kriterien zu verknüpfen, so wie es Union und SPD planen.

Strukturbereinigung als Ziel

„Qualität wird als weiteres Kriteri- um für Entscheidungen der Kran- kenhausplanung gesetzlich einge- führt“, heißt es dazu im Koalitions- vertrag. „Wir haben kein Qualitäts-, sondern ein Finanzierungspro- blem“, kommentierte die Ge- schäftsführerin im Bereich Klinik- management der Vivantes-Netz- werk für Gesundheit GmbH, Dr.

med. Andrea Grebe. Schon heute erfüllten die Krankenhäuser zahl- reiche Vorgaben zur Struktur- und Prozessqualität. „Die Frage ist aber:

Wer bezahlt das alles?“, sagte Gre- be. Zudem warf sie, wie Mansky,

die Frage auf, ob nicht eine Schein- diskussion geführt werde, bei der es gar nicht um Qualität, sondern um Strukturbereinigung gehe.

Prof. Dr. med. Reinhard Busse, Professor für Management im Ge- sundheitswesen an der TU Berlin, sprach sich dafür aus, Krankenhäu- ser in Deutschland zu schließen, um auf diese Weise die Qualität der sta- tionären Behandlung zu erhöhen.

So werde es zum Beispiel in Däne- mark praktiziert. „In Dänemark kam 1980 ein Krankenhaus auf 50 000 Patienten“, sagte Busse.

2007 sei es ein Krankenhaus auf 160 000 Patienten gewesen, und künftig solle es sogar ein Kranken- haus pro 280 000 Patienten sein.

„Die Dänen zentralisieren die Kran- kenhauskapazität, um so eine bes- sere Qualität zu erreichen“, erklärte Busse. Und der Erfolg gebe ihnen recht. Denn in Dänemark stürben weit weniger Herzinfarktpatienten als in Deutschland.

Nicht bei Bettenzahl ansetzen Busse kritisierte zudem, dass es in Deutschland immer nur um die An- zahl der Krankenhausbetten gehe.

In Kalifornien werde hingegen nicht an der Bettenzahl angesetzt, sondern die Anzahl der Pflegekräfte pro Patient definiert. „Gemessen an diesen Vorgaben müssten alle deut- schen Krankenhäuser geschlossen werden“, so Busse.

Der Präsident der Landeskran- kenhausgesellschaft Nordrhein- Westfalen (NRW), Jochen Brink, berichtete vom Krankenhausplan NRW 2015, der im Juli dieses Jah- res in Kraft gesetzt wurde. Durch detaillierte Vorgaben zur Struktur- qualität soll darin die Qualität der Leistungserbringung in den etwa 400 Krankenhäusern des Landes gesichert werden, zum Beispiel durch die Festlegung einer fachärzt- lichen Mindestbesetzung von Ab- teilungen. Der Krankenhausplan enthalte noch große Interpretations- spielräume, sagte Brink. Auf regio- naler Ebene würden nun die Ge- spräche zur Umsetzung des Planes beginnen. In jedem Fall sollten in den kommenden Jahren 11 000 Bet- ten im Land abgebaut werden.

Jens Flintrop, Falk Osterloh

„Im Vergleich zu anderen Ländern wird die Qualität stationärer Behandlung in Deutschland gut ge- messen. Aus den Messergebnissen werden aber keine Konsequenzen gezogen.“ Dies befand Dr.

Karsten Neumann, Geschäftsführer des IGES-Insti- tuts, auf einer Veranstaltung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) im November in Berlin. Da schlechte Qualität praktisch zu keinen Sanktionen führe, blieben die wenigen identifizierten Qualitäts- mängel faktisch ohne Folgen.

Im Auftrag des vdek hat das IGES-Institut die Qualitätsmessung in Deutschland mit anderen Ländern verglichen und Vorschläge für einen ver- besserten Umgang mit den erhobenen Daten ge- macht. Die Autoren der Studie „Konsequenzen aus der Qualitätsmessung im Krankenhaus“ lo- ben dabei, dass sich „besonders im angelsächsi- schen Raum die Aufbereitung allgemeinverständ-

licher Qualitätsdaten zum Standard entwickelt“

habe. In Kanada, zum Beispiel, würden in den Qualitätsberichten Defizite offen angesprochen und mit Verbesserungsvorschlägen verbunden. In New York werde die Mortalitätsrate von Operatio- nen einzelner Herzchirurgen miteinander vergli- chen. Zudem würden in den USA „Pay for Perfor- mance“-Mechanismen im stationären Sektor in großangelegten Modellprojekten erprobt.

Für Deutschland schlägt das IGES-Institut vor, aufbauend auf den bestehenden Qualitätsindika- toren des AQUA-Instituts einen Mindeststandard für Qualität zu definieren, den Krankenhäuser nicht unterschreiten dürfen. Schaffe es ein Kran- kenhaus innerhalb einer Bewährungszeit von zwei Jahren nicht, die Qualität auf dieses Mindestni- veau zu bringen, müsse es von der Leistungser- bringung ausgeschlossen werden.

VERGLEICH MIT DEM AUSLAND

P O L I T I K

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