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Archiv "Nemesis der Medizin — oder haltet den Dieb" (21.08.1975)

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Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

Nemesis der Medizin oder haltet den Dieb

Gedanken zu einer Kriegserklärung

Nemesis der Medizin! Vergeltung der Götter auf menschliche Hybris:

Prometheus, Tantalus sind Proto- typen, jetzt überschreiten Berufs- stände, hier die Ärzte, das Maß und werden schuldig. Bestraft werden wir alle, mit dem Aufgehen in einer total verwalteten Welt. Die großarti- ge Schöpfung Mensch wird amei- senhaft.

Nun, Illichs Visionen (Ivan Illich,

„Die Enteignung der Gesundheit — Medical Nemesis —", Reinbeck, 1975) hatten schon andere Kultur- kritiker. Der „Zauberlehrling" ist vielleicht die bekannteste dichteri- sche Verfremdung dieses Themas, sicher nicht die älteste. Aus der Fabel des Dschuangtse, der einen Bauern einen Ziehbrunnen als technisches Hilfsmittel ablehnen läßt, weil er die Maschinisierung seines Herzens befürchtet, spricht schon die gleiche Einsicht.

Was ist bei Illich neu oder anders?

Was brachte ihn — oder mit was brachte er sich — ins Gespräch? Es ist nicht seine Diagnose einer inhu- manen Welt, es sind auch nicht seine Therapievorschläge, eine Metanoia, so richtig wie utopisch, es ist die schlechthin unverständli- che, weil unsachliche, bösartige Ätiologie, die er sieht. Die Ärzte hätten aus egoistischen Beweg- gründen die heutige „Medikalisie- rung" selbst und bewußt herbeige- führt. Mangelnde Effizienz sei eine Tatsache, ebenso die „Unfähigkeit der Medizin, die Lebenserwartung zu beeinflussen", für ihn steht die Bedeutungslosigkeit der meisten klinischen Maßnahmen für die Hei- lung fest. Selbst die Krankheitslast des einzelnen könne durch medizi- nische Behandlung „niemals und nirgendwo" signifikant gemildert werden, usw.

Diese zutiefst frustrierte „Zunft von Ärzten" müßte nun eigentlich ihren

Stab zurückgeben, aber nein, prie- stergleich beherrschten sie die wissenschaftsmedizinische Pseu- dokirche; an einer Verringerung des medizinischen „output" sei- en sie aus Selbsterhaltungsgrün- den nicht interessiert; daß sie da- bei natürlich das politische Esta- blishment verteidigen und als des- sen Priester, Magier und Agenten fungieren, sei nur am Rande ver- merkt.

Was soll das? Mit Formulierungen wie „ärztliche Rituale", „Pfusche- rei", „Rolle als Kulturheros", „be- rufsständische Anmaßung", „auf- wendiger Mumpitz", „der ärztliche Zugriff", „Schamanenrolle", „Ärzt- liche Corps" u. a. läßt sich eine als

„analytischer Denkanstoß" firmier- te Abhandlung nicht ernst nehmen.

So schreibt man eher eine Kriegs- erklärung. Schade, denn manches würde (und wird) gerade in Ärzte- kreisen fruchtbringend erörtert werden. Denn mehr Ärzte, als Illich vermutet, spüren und sehen die Ne- gativa in unserer Industrie- und So- zialgesellschaft .im ganzen wie im Teilbereich Medizin.

Illich ist ein weltfremder Utopist. Er sieht Schwächen in der Welt und denkt mit dem Angriff auf alle und alles Änderung erzielen zu können.

Sein Aufruf zur Selbstbehandlung (ohne Ärzte) könnte einem selbst bescheidenen Kenner des Pro- blems noch ein Lächeln entlocken, wenn nicht alles so ernst wäre. Die Gefahr nämlich droht, daß Illich Ideologen, Systemüberwinder und andere Neidkomplexbeladene zu Kurzschlußhandlungen provoziert, die das Gesundheitswesen mit Si- cherheit zum viel Schlechteren hin verändern werden.

Sollen wir Illichs Buch trotzdem le- sen? Ja, gerade. Der guten Gedan- ken wegen, zum Beispiel über die Wandlung der Einstellung zum Lei- den, zum Sterben und zum Tode, und weiter, um aus der Antiposi- tion des Autors zu uns Ärzten für kommende Auseinandersetzungen zu lernen und nicht zuletzt, um un- seren Beruf und unsere Position gegenüber dem Patienten und in-

nerhalb des Gesundheitswesens zu überdenken.

Bleibt zu hoffen, daß die endgültige vom Autor vorgesehene Fassung des Problems nach den sicher reichlich zu erwartenden Reaktio- nen sachlicher wird. Vielleicht ist er dann ernst zu nehmen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. P. Fischer Arzt für Allgemeinmedizin 35 Kassel

Jasminweg 17

Schon wieder ein Notfall-Amulett

Von einer Frankfurter „Bürger- initiative" wird — man höre und staune — für eine SOS-Kapsel im Groschenformat geworben. Nach Auffassung der Initiatoren soll die- se Kapsel wie ein Schmuckstück um den Hals oder auf dem Uhr- armband getragen werden. Sie soll hinkünftig möglichst viele Bür- ger begleiten und Menschenleben retten. Die Kapsel besteht aus zwei miteinander verschraubten Teilen, die einen gefalteten sechssprachi- gen Schriftstreifen mit persönli- chen Daten, den wichtigsten medi- zinischen Daten, der Anschrift des Hausarztes, der Angabe der Blut- gruppenzugehörigkeit, über Aller- gien, Impfungen und lebenswichti- ge Medikamente des Trägers ent- halten sollen. Alles, wie gesagt, im Groschenformat auf einem gefalte- ten Zettelchen, winzig, aber was- serdicht!

Es ist zu fragen, wie der Notfallhel- fer in der Dämmerung, in der Nacht oder auch sogar bei optima- len Lichtverhältnissen in der Lage sein soll, ohne Lupe all diese Da- ten zu lesen? Selbstverständlich hat die SOS-Kapsel den Vorteil ge- genüber dem offiziellen Notfallaus- weis, daß sie feuerfest, wasserdicht und körpernah angebracht ist.

Aber, so ist weiter zu fragen, erfüllt sie auch wirklich ihren medizini- schen Zweck? i>

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 34 vom 21. August 1975 2343

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Der schwarze Doktor

Eines der Merkmale moderner westlicher Medizin, mit der sich die

neue „siebenteilige Spielserie über Ärzte und Patienten", „Der schwarze Doktor", mit Blick auf die Dritte Welt kritisch ausein- andersetzen will, wurde in dem unmittelbar anschließenden Ge- sundheitsmagazin „Praxis" ein- drucksvoll vorgeführt: Die An- wendung von Computern, Laser- strahlen und sonstiger neuer Technik aus der Raumfahrt als Hilfe für Querschnittgelähmte, bei der Tumordiagnose und -therapie; Computer als Organi- sationshilfe im Krankenhaus;

Computer in der Arztpraxis — hierzu zeigte „Praxis" den Film von Pierre Kandorfer, der zum 78. Deutschen Ärztetag in Ham- burg vorn Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung vor- geführt worden war. Eine will- kommene Erholung, als „Pra- xis" dann endlich auch einmal ganze Menschen brachte: Im Bericht von Rudolf Schwarz über „alte Außenseitermethoden

— heute neu" saßen sie in Lehmbädern, aßen vegetarisch oder ließen sich Blutegel oder Schröpfköpfe aufsetzen. Es folg- ten noch aufklärende Warnun- gen vor den Gefahren der Hepa- titis sowie etwas Unfallschutz.

Ein ausgewogenes Magazin also, wie man es von Hans Mohl gewöhnt ist. Übrigens kann man ihm gratulieren: Das nächste Gesundheitsmagazin „Praxis"

ist die 150. Sendung.

Aber zurück zum „schwarzen Doktor", zu Claude Awala aus Gabun, der in Deutschland (Tü- bingen?) Medizin studiert hat und noch seinen Facharzt ma- chen will. Wir treffen ihn kurz vor dem Staatsexamen. Claude hat Angst davor. Er ist nervös gegenüber Ablenkungen, möch-

te sogar von seiner deutschen Freundin Elisabeth (viertes Se- mester) in Ruhe gelassen wer- den. Rassenvorurteile werden angedeutet, bei den Professo- ren, bei Elisabeths Mutter. Das Examen wird bestanden, aber darauf folgt die erste Stellung im Ruhrgebiet und damit auch die Trennung von Elisabeth.

(Die versprochene südkoreani- sche Krankenschwester beka- men wir in der ersten Folge noch gar nicht zu sehen).

Wer jetzt den Eindruck hat, daß der Rezensent die zweite Folge nicht gerade mit allergrößter Spannung erwartete, der hat durchaus recht. Aber es kommt noch etwas hinzu. In der Spiel- handlung klang es schon an:

Claude Awala, jetzt noch sehr beeindruckt von komplizierten medizinischen Geräten, wird wohl später zu der Erkenntnis kommen, daß unsere Medizin zu technisiert ist für die meisten Länder der Dritten Welt. Warum muß das unbedingt schon vor- weggenommen werden -, im Vor- spann der Sendung? Er führte in die „Welt der Medizin — sie weiß fast alles von Krankheiten, aber wenig vom Menschen".

Dann wurde zur „Dokumenta- tion" ein „Blick nach Afrika" an- geklebt. Er enthielt etwa die Thesen: Kinder sind in Afrika Reichtum, Sicherheit für die El- tern; Afrikas Abiturienten mit ihren mehreren Fremdsprachen werden in Wirklichkeit für das Leben in Europa vorprogram- miert; auf diese Weise expor- tiert Afrika seine Intelligenz, die es selber so dringend braucht.

Alles wichtige Fragen. Aber ein gutes Fernsehspiel würde sol- che Fragen darstellen, verarbei- ten und vielleicht beantworten, statt sie dem tumben Zuschauer im Vorspann und im Nachspann mit erhobenem Zeigefinger ein- zubleuen. gb

ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN

Die Information:

Bericht und Meinung

DER KOMMENTAR

Wir wissen alle, daß die Steuer- marke unserer Begleiter aus der Tierwelt bereits durch die Steuer- nummer so weit ausgefüllt ist, daß die Adresse des Herrchens kaum Platz findet. Wie sollen medizini- sche Informationen, die weit diffe- renzierter sind als persönliche Da- ten, auf einem Zettelchen, auch wenn's noch so geschickt _gefaltet ist, in Minischrift so ausgebreitet werden, daß der Notfallarzt wirk-

lich hinreichend informiert wird?

Selbstverständlich ist zuzugeben, daß der offizielle Notfallausweis schwerer zu verstauen ist. Je- doch erscheint es wahrscheinli- cher, daß der Unfallhelfer bei ei- nem bewußtlosen Notfallopfer sich logischerweise erst, falls er über- haupt ein Notfallpapier vermutet, an die Brieftasche des Notfallop- fers hält. Dort kann er dann den Notfallausweis vorfinden, der dem behandelnden Arzt die ausreichen- den medizinischen Informationen zu geben in der Lage ist. Es ist durchaus nicht so, daß, wie die Be- fürworter meinen, die SOS-Kapsel die vertrauenserweckendste (man beachte den Superlativ) Möglich- keit ist, Notfallinformationen zu verbreiten.

Warum hat sich diese sogenannte SOS-Initiative nicht für eine Ver- breitung des offiziellen Ausweises des Bundesgesundheitsministe- riums eingesetzt? Das würde dem Wesen einer Bürgerinitiative im üb- rigen eher entsprechen, nämlich dann einzuspringen und aktiv zu werden, wenn der Staat Unterstüt- zung bedarf, der einzelne Bürger sich auf ihn nicht mehr alleine `ver- lassen kann. Ziel einer neutralen

„Bürgerinitiative" müßte es ferner sein, alle ihre „Erfolge" auch allen zugänglich zu machen. Ein Teil des Erfolges dieser sogenannten

„SOS-Initiative" wird zweifelsohne a conto der Herstellerfirma gehen, oder soll die Kapsel etwa umsonst abgegeben werden? Doch wohl nicht!

Allzusehr riecht das Ganze nach den Bemühungen eines allzu cleve- ren Geschäftsmannes. AWA

HÖRFUNK UND FERNSEHEN

2344 Heft 34 vom 21. August 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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