A184 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 4⏐⏐26. Januar 2007
M E D I E N
BEGUTACHTUNG
Guter Praxisleitfaden
Für Ärzte in der psychiatrischen Facharzt-Weiterbildung bietet die- ser Leitfaden fundierte praxisrele- vante Informationen. Auch für er- fahrene psychiatrische Gutachter ist das Buch ein umfassendes Nach- schlagewerk. Das interdisziplinäre Autoren- und Mitarbeiterteam be- steht aus Psychiatern und Juristen.
Die Stärke des Buches liegt auf dem juristischen Sektor. Durch die klare Darstellung der juristischen Zusam- menhänge bekommt der Arzt einen Blick dafür, worauf es dem Auftrag- geber ankommt, und kann so die psychiatrische Problematik gezielt im Hinblick auf die forensische Fra- gestellung erläutern.
Die einschlägigen strafrechtlichen Fragen (Schuldfähigkeit, Jugend- strafrecht, forensisch-psychiatrische Prognose, Maßregelvollzug) wer- den verständlich dargestellt. Zivil- rechtliche Fragen, wie Geschäfts-
und Testierfähigkeit, wer- den ebenso umfassend be- handelt wie Betreuungs- recht und Unterbringung.
Auch sozialrechtliche Fra- gestellungen (Rentenversi- cherungsrecht, Dienstfähig- keit von Beamten, Unfall- versicherung) kommen nicht zu kurz. Wertvolle Praxis- informationen enthält das Kapitel „Fahreignung und Fahrtüchtigkeit“. Eigene Ka- pitel zum Transsexuellen- gesetz und zum Schwanger- schaftsabbruch zeigen die thematische Breite. Ausgespart ist leider die Begutachtung von psy- chisch reaktiven Traumafolgen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren.
Der Leitfaden beschränkt sich auf die Begutachtung. Er ersetzt kein Lehrbuch der forensischen Psychia- trie. Medizinrechtliche Themen wie Aufklärung, Schweigepflicht, Arzt- haftung und Einsichtsrecht in psychia- trische Akten werden nicht behandelt.
Die Psychiatrie wirkt et- was blass und konturlos. Ent- behrlich sind die Kapitel über die psychiatrische Un- tersuchung mit Erläuterung psychopathologischer Grund- begriffe nach dem AMDP- System und die Darstellung der ICD-10-Klassifikation.
Forensisch besonders relevan- te psychiatrische Krankheits- bilder wie Psychosen, Sucht- erkrankungen, Persönlich- keitsstörungen und Sexual- delinquenz kommen zu kurz.
Insgesamt ist den Auto- ren jedoch ein guter Praxisleitfa- den gelungen, der neue Maßstäbe setzt. Besonders hilfreich sind die zahlreichen Beispiele aus der Pra- xis sowie die Beispielgutachten.
Jürgen Brunner
Frank Schneider, Helmut Frister, Dirk Olzen:
Begutachtung psychischer Störungen.Sprin- ger Medizin Verlag, Heidelberg, 2006, XIV, 388 Seiten, gebunden, 69,95 A
STOFFWECHSELERKRANKUNGEN
Klare, kritische und wichtige Auskünfte
Bei Diagnostik und Therapie gene- tisch bedingter Stoffwechseler- krankungen hat sich vor allem auf- grund molekularbiologischer und zellbiologischer Forschungen in den letzten zwei Jahrzehnten ein Wandel vollzogen, der für die ärzt- liche Praxis bedeutsam ist. Diese Krankheiten werden häufiger dia- gnostiziert; die Prävalenz hat zuge- nommen, da in den Migrationsfa- milien Konsanguinität häufig ist (bis zu 70 Prozent). Auch die the- rapeutischen Möglichkeiten haben sich verändert, da der Enzymdefekt als Folge der Genmutation durch Enzymersatz oder durch Substrat- reduktion kompensiert und dadurch die Manifestation der Krankheit verhindert werden kann.
Diese neuen Aspekte werden am Beispiel lysosomaler Speicher- krankheit und nicht lysosomaler Enzymdefekte (zum Beispiel Phe-
nylketonurie, Tyrosinämie, Ahorn- sirupkrankheit, Glykogenspeicher- krankheit, Defekte der Harnstoff- synthese) erörtert. Ätiopathogene- se und Symptomatik werden kurz dargestellt. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den thera- peutischen Möglichkeiten. Die Autoren verfügen über große kli- nische Erfahrung auf diesem Ge- biet. Auch die sozioökonomischen Probleme bei der Behandlung die- ser Patientengruppe mit zum Teil
sehr teuren Medikamenten (zum Beispiel kostet der Enzymersatz bei Morbus Fabry rund 200 000 Euro pro Jahr) werden ausführ- lich erörtert. Die noch ungeklärten Fragen der Pathogenese und der Behandlung dieser Krankheits- gruppe werden ebenfalls darge- stellt.
Der Arzt, der Kranke mit gene- tisch bedingten Stoffwechseler- krankungen zu betreuen hat, wird in diesem Buch klare, wissen- schaftlich fundierte, kritische und für die ärztliche Praxis wichtige Auskünfte erhalten, vor allem hinsichtlich der Therapie dieser Krankheiten. Wolfgang Gerok
Stephan vom Dahl, Udo Wendel, Georg Strohmeyer (Hrsg.): Genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen.Deutscher Ärzte- Verlag, Köln, 2006, 113 Seiten, 29,95 A