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Archiv "Vaskulitiden: Neues zu Klassifikation, Pathogenese und Therapie" (12.05.1995)

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MEDIZIN AKTUELL

Vaskulitiden

Neues zu Klassifikation, Pathogenese und Therapie

Systematik

Die heute allgemein anerkannte nosologische Gliederung der Vasku- litiden unterscheidet primäre von se- kundären Gefäßentzündungen. Bei den primären („idiopathischen") Vas- kulitiden ist definitionsgemäß die Ur- sache unbekannt Von sekundären Vaskulitiden spricht man, wenn ent- weder die Ursache (beispielsweise Vi- rusinfektion) bekannt ist oder die Vaskulitis („sekundär") im Rahmen einer anderen Erkrankung auftritt (4, 12). Zu sekundären Vaskulitiden kann es im Rahmen zahlreicher Er- krankungen entzündlicher Natur (In- fektionskrankheiten, Kollagenosen, chronisch-granulomatöse Erkran- kungen unklarer Ätiologie und ande- res), neoplastischer Genese (maligne Lymphome) oder auch medika- mentös induziert (Hydralazin) kom- men. Die bekannten Pathomechanis- men gehen von einer direkten (bei- spielsweise infektiösen) und einer in- direkten (immunologisch vermittel- ten: „Immunvaskulitis") Schädigung der Gefäßwand aus.

Der heute allgemein favorisier- ten, aber auch nach oben genannten Gründen, immer noch provisorischen Systematik primärer Vaskulitiden (Tabelle 1) liegen klinisch-pathologi- sche Kriterien zugrunde, die seit kur- zem durch immunpathologische Merkmale ergänzt werden (22, 37).

Für den klinischen Alltag stellt diese Symptomatik bei differentialdiagno- stischen Überlegungen eine Gedan- kenstütze dar. Allerdings zeigt die Abbildung 1, daß sich die einzelnen Medizinische Krankenhausabteilung (Chef- arzt: Prof. Dr. med. Wolfgang Ludwig Gross) an der Rheumaklinik Bad Bramstedt GmbH und Poliklinik für Rheumatologie (Direktor:

Prof. Dr. med. Wolfgang Ludwig Gross) an der Medizinischen Universität zu Lübeck

Wolfgang Ludwig Gross Vaskulitiden gelten als in Theorie und Praxis schwer zu handhabende Krank- heitsbilder. Klinisch imponieren sie mit facettenreichen Syndromen, die zur Konfrontation mit praktisch jeder Fach- richtung der Medizin führen. Die lückenhafte Kenntnis der Ätiopathoge- nese erlaubt bis heute keine kausale Klassifikation. Die Diagnose ergibt sich aus der Beobachtung klinischer und pa- thologisch-anatomischer Charakteristi- ka, die in Hinblick auf die „Feindiagno- se" zunehmend durch immunologi- sche, infektiologische und andere La- bordaten ergänzt werden. In diesem Sinne helfen die neuen Krankheitsdefi- nitionen und Klassifikationskriterien bei der Entwicklung der Diagnose und von Diagnosekriterien. Ferner ermögli- chen diese zusammen mit Fortentwick- lungen in der klinischen Immunologie, der Immunhistochemie und bei den bildgebenden Verfahren auch die Dia- gnostik von Früh- und Abortivformen.

Das ist die Grundlage für eine stadien- und aktivitätsadaptierte Therapie.

Krankheitsbilder durchaus auch über andere Gefäßtypen erstrecken kön- nen.

Pathogenese

Die Immunologie nimmt in pa- thogenetischen Konzepten der Vas- kulitiden einen zentralen Platz ein („Immunvaskulitiden"). Dabei darf

jedoch nicht übersehen werden, daß auch andere Mechanismen (beispiels- weise Infektion der Endothelzelle) zur Gefäßentzündung führen können (Tabelle 2).

Besonders zirkulierende und/

oder in situ entstehende Immunkom- plexe werden als Auslöser einer Vas- kulitis allgemein anerkannt. Man spricht von einer „Immunkomplex- Vaskulitis", wenn immunhistoche- misch humorale Immunkomponen- ten (Immunglobulin- und Komple- mentkomponenten) in der Gefäß- wand (in situ) nachgewiesen werden.

Immunkomplex-Vaskulitiden gehen öfters mit einer polyklonalen Hyper- gammaglobulinämie und bei „Kolla- genosen" (= generalisierte Autoim- munerkrankungen) auch mit antinu- kleären Antikörpern (ANA) und/oder Rheumafaktoren (RF) ein- her. Nicht selten finden sich in diesem Zusammenhang — aber auch bei chro- nischen Virusinfektionen (Hepatitis- C-Virus!) — Kryoglobuline. Bei den meisten floriden Immunkomplex- Vaskulitiden zeigen sich im periphe- ren Blut („peripher") eine Erniedri- gung der Komplementkomponenten C3, C4, C3d und eine herabgesetzte gesamthämolytische Komplement- aktivität (CH 50) als Ausdruck des Komplementverbrauchs oder auch als Hinweis auf einen kongenitalen Komplementdefekt.

Bei den „pauci-immunen Vasku- litiden" findet sich demgegenüber keine oder eine minimale (= „pauci- immun") Immunkomplexablagerung in situ. Diese neue und nicht unum- strittene Bezeichnung bezieht sich dementsprechend lediglich auf das Fehlen von humoralen Komponenten (Immunglobuline, Komplementbe- standteile) in der Gefäßwand und nicht auf das generelle Fehlen von Be- standteilen des Immunsystems (bei- spielsweise immunkompetente Zel- A-1372 (36) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995

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Kapillare Aderiole

Leukozytoklastische Hautvas- kulitis

Schönlein-Henoch P. und ess. Kryoglobulinämie Mikroskopische Polyangiitis (Mikroskopische Polyarteriitis) Wegenerssche Granulomatose und Churg-Strauss-Syndrom Panarteriitis nodosa und Kawasaki S.

Riesenzell-(Temporal) arteriitis und Takayasu Arteriitis kleine Arterie

große bis mittelgroße Arterie

Abbildung 1: Bevorzugter Befall von Blutgefäßbereichen durch unterschiedliche Vaskulitiden

Granulombildung nachweisbar

Granulombildung nicht nachweisbar Gefäßtyp

Riesenzellarteriitiden 1 M. Horton, M. Takayasu Churg-Strauss-Syndrom 2/3 Wegenersche

Granulomatose 3

Klassische Panarterlitis2/3 mikroskopische

Polyangiitis3 groß

mittelgroß klein

Tabelle 1: Systematik primärer Vaskulitiden nach Befallsmuster

der Gefäße und nach immundiagnostischen Merkmalen der Peripherie und im Gefäß

1 Seromarker-negativ (peripher); T-Zell-Infiltrat (in situ),

2 Komplement-verbrauchend (peripher); Immunokomplexdepot (in situ)

3 ANCA-assoziiert (peripher); pauci-immun (in situ) MEDIZIN

len) in situ. Diese Vaskulitis-Gruppe ist charakteristischerweise mit Auto- antikörpern gegen neutrophile Gra- nulozyten, Monozyten und Endothel- zellen (ANCA, AECA) assoziiert, geht nur selten mit einer Hypergam- maglobulinämie (und mit Kryoglobu- linen) einher und zeigt peripher kei- nen Komplementverbrauch (21, 22).

Den ANCA wird eine krankheitsaus- lösende Rolle zugeschrieben; der po- stulierte Immunpathomechanismus ist an anderer Stelle ausführlich dar- gestellt (24, 26, 38, 39).

Prinzipiell wird immunfluores- zenzoptisch (am Testsubstrat, nicht in situ!) zwischen dem cANCA und dem pANCA unterschieden (Abbildung 2 und Tabelle 3). Der cANCA zeigt eine sehr starke Assoziation zur Wegener- schen Granulomatose (Zielantigen:

Proteinase 3; PR3-ANCA) (24, 26, 29, 48). Das pANCA-Fluoreszenzmuster findet sich nicht nur bei Vaskulitiden, sondern auch bei „Kollagenosen" und chronisch-entzündlichen Darm- und Lebererkrankungen. Bei den „pauci- immunen Vaskulitiden" wird der pANCA charakteristischerweise von Antikörpern gegen Myeloperoxidase (MPO-ANCA) induziert (25, 29). Die engste klinisch-serologische Assozia- tion besteht hier für die mikroskopi- sche Polyangiitis, die in etwa 60 Pro- zent der Fälle mit einem MPO-AN- CA einhergeht. MPO-ANCA finden sich nur sehr selten bei den Kolla- genosen (wie SLE) und ebenso selten bei den „nicht-vaskulitischen" AN- CA-assoziierten Erkrankungen (bei- spielsweise Colitis ulcerosa); sie sind somit ein guter Marker für „pauci-im-

AKTUELL

mune Vaskulitiden", speziell für die mikroskopische Polyangiitis. Da ver- schiedene „Kollagenosen" oftmals ein ganzes Spektrum von Autoanti- körpern produzieren können, ist der Nachweis eines pANCA, beispiels- weise beim SLE, keinesfalls ein Indiz für eine komplizierende „sekundäre"

Vaskulitis! Eine Korrelation zwischen pANCA und bestimmten Krankheits- manifestationen besteht beim SLE of- fenbar nicht.

Andererseits finden sich — in ge- ringerer Zahl — auch andere ANCA- Muster induzierende „Feinspezifitä- ten" (Antikörper gegen: Elastase Lysosozym, Kathepsin G und in nicht geringer Zahl Antikörper bis- lang noch nicht identifizierter Spezi- fität) bei „pauci-immunen Vaskuliti- den". Daher wird international zunächst mit der Fluoreszenztechnik das Färbemuster (cANCA, pANCA,

„xANCA" oder „atypischer" ANCA) bestimmt und dann im zweiten Schritt

die „Feinspezifität" (PR3-ANCA, MPO-ANCA, HLE-ANCA) mittels weiterer Techniken nachgewiesen (24, 29).

Als dritte Form einer Immunvas- kulitis sieht man die Riesenzellarteri- itiden oder die „granulomatösen Vas- kulitiden". Der Begriff „granulo- matöse Vaskulitiden" ist mißver- ständlich und wird zum Teil für Vas- kulitiden mit Granulombildung in der Gefäßwand, zum Teil auch für granu- lomatöse Prozesse, die mit einer pau- ci-immunen Vaskulitis einhergehen (M. Wegener, Churg-Strauss-Syn- drom), gebraucht. In jedem Fall fin- den sich bei den Riesenzellarteriiti- den (M. Horton, M. Takayasu) weder Immunkomplexe in situ noch eine ANCA-Assoziation peripher. Cha- rakteristischerweise findet sich in der Gefäßwand (beispielsweise der Tem- poralarterie) eine Ansammlung von

„Rundzellen" (Lymphozyten, Mono- zyten). Man geht vom immunpatholo- gischen Reaktionstyp IV nach Gell &

Coombs aus.

Neben den Immunvaskulitiden kommen mit optimierten immunhi- stochemischen und auch molekular- biologischen Techniken zunehmend mehr Vaskulitiden zum Vorschein, bei denen die Läsion direkt durch zytopa- thogene Viren (beispielsweise Zyto- megalievirus-Vaskulitis) oder auch Tumorzellinfiltrationen (zum Beispiel Haarzell-Leukämie) zu dem angiiti- schen Bild geführt haben. Völlig in Vergessenheit geraten sind die bakte- riell induzierten Vaskulitiden (Erre- ger der Rickettsia-Gruppe infizieren vorzugsweise die Endothelien der kleinen Gefäße) — wie beim Fleckfie- A-1374 (38) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995

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Abbildung 2: Lichtmikroskopische Aufnahme von Voskulitiden

ber -, da diese Infektionskrankheiten hierzulande kaum noch beobachtet werden.

Symptomatik

Bei der klinischen Beobachtung einer Vaskulitis ist primär zu entschei- den. ob es sich um eine lokalisierte

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~_LUJ. Auch bei dt:u (!.nüuär) lokali- sierten Formen muß stets zu Beginn der Erkrankung und im weiteren Ver- lauf eine Generalisation ausgeschlos- sen werden.

AKTUELL

In jedem Fall sind die ersten Symptome einer Vaskulitis eher vage und uncharakteristisch ("indirekte Hinweise": Tabelle 4) und lassen durchaus primär an einen infektiösen oder neoplastischen Prozeß denken.

Sie sind im wesentlichen durch die Überexpression von proinflammato- rischen Zytokinen induziert, denen in allen Pathogenesemodellen eine zen- trale Position zukommt (24, 26). Auch

Tabelle 2: Mechanismen der Gefäßschädigung bei Vaskulitiden

A. Immunvaskulitiden 1. Pauci-immune Vaskulitis:

... Autoantikörper-assoziiert (induziert?)

ANCA: M. Wegener, mikroskopische Polyangiitis AECA: M. Kawasaki

2. Immunkomplex-Vaskulitis:

... Autoantigenl-Antikörper-assoziiert

DNA-AK: systemischer Lupus Erythematodes ... Infektassoziiert

Hepatitis-B-Antigene/DNA: klassische Panartriitis nodosa ..,. Infekt-fTumorassoziiert

Hepatitis-C-DNA/M-Gradient: Kryoglobulinämien 3. Granulomatöse Vaskulitis:

... CD4-Lymphozyten-assoziiert

CD4+/D R +Zellen: Riesenzellarteriitis B. Andere

1. Infektiöse Vaskulitis:

... Virusassoziiert (induziert) Zytomegalievirus: CMV-Vaskulitis ... Bakteriellinduziert

R. prowazeki: Fleckfieber-Vaskulitis T. pallidum: Aortitis

2. Neoplastische Vaskulitis (Vaskulopathie?) ..,. Tumorzellinfiltrierend

lymphoide T-Zellen: Lymphomatoide Granulomatose

"haarige" B-Zellen: Haarzell-Leukämie

ANCA: Anti-neutrophile zytoplasmatische Antikörper, AECA: Anti-Endothelzellkör- per, DNA-AK: Doppelstrang-DNA-Autoantikörper

bei den gefürchteten fulminanten Formen, die sich beispielsweise in Form eines lebensbedrohlichen pul- morenalen Syndroms manifestieren, ist anamnestisch in aller Regel eine - zum Teil monate-/jahrelang der klini- schen Dramatik vorausgehende - blande Vorsymptomatik eruierbar (20). Diese ist natürlich im nachhinein sehr vielleichter als "Prodromalpha- se" identifizierbar. Häufig sind es die hinzutretenden rezidivierenden und uncharakteristischen rheumatischen Beschwerden, die an eine Kollageno- se oder Vaskulitis denken lassen.

Schließlich sind es Schlüssel- und Leitsymptome ("direkte Hinweise":

Tabelle 5), die sich von der Ge- fäßschädigung selbst ableiten lassen, die dann zur klinischen Diagnose führen. Aber auch hier werden erfah- rungsgemäß meist nur gravierende Konsequenzen aus der Läsion der mittelgroßen Gefäße, die beispiels- weise zu Infarkten oder zu einer Blu- tung führen, prompt erkannt. Manch- mal führen aber auch die neuen dia- gnostischen Möglichkeiten zu einer Früherkennung.

Diagnostik

Die Komplexität der klinischen Manifestation und die für diese Krankheitsgruppe häufig wenig spezi- fischen labordiagnostischen Möglich- keiten zwingen zur gezielten An~

mnese und zur sorgfältigsten ge- bietsü bergreifenden körperlichen Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995 (39) A-1375

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Untersuchung, zur relativ breiten La- bordiagnostik (Ausschlußdiagnostik:

Tumor-, Infektionskrankheiten) und letztlich natürlich dem morphologi- schen Nachweis der Gefäßschädi- gung, entweder über hochaut1ösende bildgebende Verfahren und/oder die Biopsie.

Labortechnisch (Tabelle 6) gibt es keinen eine Vaskulitis beweisenden

"Marker". So beobachtet man prinzi- piell diagnoseassoziierte, aktivitäts- assoziierte und/oder organbezogene Laborparameter.

Autoantikörper (beispielsweise ANCA oder ANA) sind sowohl dia- gnoseassoziiert als auch aktivitätsas- soziiert und damit initial nicht nur richtungweisend, sondern im weite- ren Verlauf auch hilfreich bei der Therapieplanung. cANCA (PR3-AN- CA) weisen eine hohe Spezifität für den M. Wegener aus (21, 25, 29).

pANCA (MPO-ANCA) sind sehr stark mit der mikroskopischen Po- lyangiitis (der idiopathisch nekrotisie- renden Glomerulonephritis) assozi- iert. Zunehmend kommt immunolo- gischen und molekularbiologischen Techniken zum Nachweis zugrunde- liegender Virusinfektionen (Hepati- tis-B- und -C-Virus bei der klassi- schen Panarteriitis nodosa und der es- sentiellen Kryoglobulinämie) diagno- stische Bedeutung zu (1, 6, 11, 17, 18, 40,49).

Die aktivitätsassoziierten Para- meter sind zur weiteren Verlaufsbe- obachtung von großer Wichtigkeit.

Bei den Immunkomplexvaskulitiden signalisiert die Komplementerniedri- gllng (CH50, C3, C3d, C4) die fortbe- stehende Krankheitsaktivität, sofern ein kongenitaler Komplementdefekt

AKTUELL

Tabelle 3: ANCA Fluoreszenzmuster und ,Jeinspezifitäten/l in Assoziation mit primären Vaskulitiden

Muster Feinspezifität Krankheitsassoziation cANCA PR3-ANCA M. Wegener1

seltener: mikroskopische Polyangiitis Churg-Strauss-Syndrom

pANCA MPO-ANCA mikroskopische POlyangiitis2 seltener: M. Wegener, Churg-Strauss-Syndrom

1 pANCA-Assoziation < 5 Prozent (meist: MPO-ANCA)

2 cANCA und pANCA ohne nachweisbare Feinspezifität oder mit nicht-MPO-ANCA- Spezifität (HLE-ANCA etc.) kommen vor.

Tabelle 4: Nekrotisierende Vaskulitis:

Indirekte Hinweise

Klinisch

1. Allgemeinsymptome ("consti- tutional symptoms") Adynamie, Fieber, Nachtscbweiß, Gewichts- verlust

2. Rheumatischer Beschwerde- komplex, Polymyalgie, -arthralgie, -myositis, -arthritis (auch: mon- oder oligoarthritische Bilder) Labor

1. Akut-Phasen-Protein-Er- höhung (BSG-, CRP-Erhöhung, etc.)

2. Leuko- und Thrombozytose

ausgeschlossen ist. Ein persIstIeren- der oder sogar ansteigender PR3-AN- CA- oder MPO-ANCA-Titer deutet auf eine weiterhin aktive oder in ihrer Aktivität wieder zunehmende palIci- immune Vasklllitis hin; in der kom- pletten Remission läßt sich demge- genüber der ANCA häufig nicht mehr

nachweisen. Da natürlich in beiden Fällen keine absolute Korrelation zwischen Klinik und Laborwert be- steht, müssen andere Parameter zur Aktivitätsbeurteilung stets ergänzend hinzugezogen werden. So geht die Endothelzellschädigung (allerdings nicht nur die vaskulitisch bedingte) mit einer Erhöhung beispielsweise des Faktor-VIlI-assoziierten-Anti- gens einher (5). Auch lösliche Zyto- kinrezeptoren (sIL2-Rezeptor) (54) oder Rezeptoren für Adhäsionsmo- leküle (sICAM-1) werden zuneh- mend als brauchbare Aktivitätspara- meter beschrieben. Daneben sind selbstverständlich die Blutbildverän- derungen (Leukothrombozytose) und die klassischen Entzündungspa- rameter (BSG, CRP) nicht zu ver- nachlässigende Werte, mit allerdings geringerer Sensitivität.

Tabelle 5: Nekrotisierende Vaskulitis: Direkte Hinweise

Die organ bezogene Diagnostik richtet sich natürlich nach dem klini- schen Befallsmuster. Es ist aber stets- auch bei klinisch unauffälligem Be- fund - nach einer Nierenbeteiligung zu suchen. Somit muß neben Nieren- funktionsparametern stets eine Urin- analyse (Sediment!) erfolgen. Ferner ist nach diskreten neurologischen Symptomen (auch periphere Neuro- pathie!) zu fahnden und gegebenen- falls sind technische Ergänzung~un- G efäß typ Klinisches Problem

klein Episkleritis, Hörsturz, Vertigo, Hämoptysen, Melaena, Mikrohämaturie (GN), (Mono-, Poly-) Neuritis, palpable Purpura, Perimyokarditis, etc.

mittelgroß I

Infarkte: Hirn, Herz, Niere, Darm, Extremitäten etc.

Blutung (Ruptur: Mikroaneurysma) groß

I

Stenosen: Zum Beispiel subclavian steal syndrome oder Aortenbogensyndrom, Venen: Beispielsweise

i Thrombosen

Cave: Überlappung der Gefäßtypen sehr häufig!

A-1376 (40) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19,12. Mai 1995

tersuchungen zu veranlassen. I Die definitive Diagnose basiert auf der Zusammenschau von klini- schen Symptomen, labortechnischen und morphologischerr Befunden. Während bei der primären Vaskuliti- den stets eine bioptische Sicherung anzustreben ist, kann man bei den se- kundären Vaskulitiden - bei bekann-

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Tabelle 6: Laborparameter bei Vaskulitiden

diagnoseassoziiert

Bluteosinophile (> 10 Prozent) Hepatitis-Bs-Antigen

Anti-Hepatitis-C cANCA (PR3-ANCA) Kryoglobuline

pANCA (MPO-ANCA) Endothelzellantikörper

Hinweis auf

Churg-Strauss-Syndrom klassische Panarteriitis, gemischte Kryoglobulinämie gemischte Kryoglobulinämie M. Wegener

Kryoglobulinämien

mikroskopische Panarteriitis M. Kawasaki, rheumatoide Vaskulitis SLE

aktivitätsassoziiert Komplementverbrauch ANCA-Titer

F-VIII-assoziiertes Antigen Leuko-und Thrombozyten BSG, CRP etc.

Hinweis auf

Immunkomplexvaskulitis, Pauci-immune Vaskulitis alle Vaskulitiden alle (außer SLE) alle Vaskulitiden Organbezogen

Hämaturie, Proteinurie

Kreatinin erhöht

CK erhöht, Aldolase erhöht

Hinweis auf Glomerulonephritis, Cyclophosphamid- Zystis

Glomerulonephritis Myositis, Myokarditis, DD:

Vaskulitis aus: Gross, Internist 1993; 34: 599-614

Dosis/Applikationsform Klinik

1. „Fauci-Schema"

NIH-Standard2 intensiviert 3

2 mg/kg Körpergewicht/die (p.o.) 3-4 mg/kg Körpergewicht/

die (p.o.) aktiver Verlauf

rapid-progressiv

2. „Austin-Schema"

(Bolus- Verfahren4)

15 mg/kg Körpergewicht/

21 Tage (i.v.) aktiver Verlauf

Tabelle 7: Cyclophosphannidtherapiel bei systemischer Vaskulitis 5

1 Dosis ist stets der Nierenfunktion anzupassen; Leukozyten: > 3 000 bis 3 500 td

2 Dosis wird bis 1 Jahr nach Erreichen der Remission (!) beibehalten, dann in 6 bis 8 wöchentlichen Abständen um 25 mg/d reduziert (= NIH-Protokoll)

3 Dosis orientiert sich an Gesamtleukozytenwert (s.o.); meist nur wenige Tage!

4 Dosis orientiert sich am Leukozytenadir (8. bis 12. Tag nach Bolus: > 3000/ml)

5 wird stets als Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden geführt (siehe Text) (nach Cupps, 1992)

MEDIZI

ter Grunderkrankung im Rahmen ei- ner Kollagenose - auch auf die Dar- stellung der Vaskulitis (beispielsweise Mikroaneurysmen) mittels bildge- bender Verfahren zurückgehen. Eine bioptische Sicherung sollte nur aus klinisch oder technisch als erkrankt erkannten Gebieten entnommen wer- den, da „blinde" Biopsien der Musku- latur, des Hodens oder des Nervus su- ralis erfahrungsgemäß wenig ergiebig und für den Patienten natürlich bela- stend sind. Hier können technische Untersuchungen (EMG, ENG oder auch NMR-Untersuchungen) den Zielort exakter lokalisieren und somit eine bioptische Sicherung ermögli- chen (3, 19, 47, 56). Selbstverständlich sollte jede Biopsie immunhistoche- misch untersucht werden (Immun- komplexvaskulitis?, pauci-immune Vaskulitis?).

Dennoch stellt die bioptische Si- cherung nicht selten ein schwer zu überwindendes Problem dar. So kann zum Beispiel der bei der klassischen Panarteritis nodosa „beweiskräftige"

angiographische Befund von An- eurysmen an mittelgroßen und klei- nen Arterien hilfreich sein. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß diese Ver- änderung nicht nur bei dieser Erkran- kung, sondern auch bei den rheuma- toiden Vaskulitiden (beispielsweise bei der Rheumatoiden Arthritis) auf- tritt. Die im kraniellen NMR ohne großen Aufwand nachweisbaren fo- kalen Läsionen („white matter lesi- ons") können lediglich beim jungen Patienten mit einer höheren Wahr- scheinlichkeit auf eine zerebrale Ma- nifestation der Vaskulitis hinweisen, da vergleichbare Veränderungen im Alter zunehmen und somit auch an- derer Genese sein können (47).

Behandlung

Vor dem Einsatz der Immunsup- pressiva bestand für nahezu alle syste- mischen Vaskulitiden entweder eine erschreckend hohe Mortalität oder ei- ne dramatische Bedrohung einer Or- ganfunktion (beispielsweise Nieren- versagen). Mit der heute weltweit durchgeführten kombinierten konti- nuierlichen Cyclophosphamid-plus- Glukokortikoid-Kombinationsthera- pie (FAUCI-Schema; „NIH-Stan-

AKTUELL

dard") ist seit etwa zehn Jahren ein ganz entscheidender Fortschritt bei der Behandlung der schweren Vasku- litisformen erzielt worden (Tabelle 7) (9, 16, 30, 31). Allerdings wurde dieser Erfolg mit schwerwiegenden Neben- wirkungen und Spätkomplikationen erkauft, die erst in den letzten Jahren erkannt wurden (8, 9, 31, 44, 58).

Eine Reevaluation am National Institut of Health (NIH) hat gezeigt,

daß bei diesem Behandlungsproto- koll bei 46 Prozent der Behandelten eine schwere, stationär zu behandeln- de Infektion auftrat (3 Prozent aller Patienten starben an einer Infektion), daß mit einem 33fach erhöhten Bla- senkarzinom-Risiko, einem 11fach er- höhten Lymphomrisiko und anderen schwerwiegenden Komplikationen (Ovarialinsuffizienz: 57 Prozent, Cy- clophosphamid-Zystitis 43 Prozent,

A-1378 (42) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995

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MEDIZIN AKTUELL

Tabelle 8: Namen und Definitionen von Vaskulitiden gemäß der Chapel Hill Consensus Conference zur Nomenklatur systemischer Vaskuliti- den (37)

Vaskulitis großer Gefäße"

Riesenzell-(temporal) arterütis

Takayasu arteriitis

Granulomatöse Arteriitis der Aorta und ihrer größeren Äste mit Prädilektion für die extrakraniellen Äste der Arteria carotis. Die Temporalarterie ist häufig betrof- fen. Üblicherweise sind Patienten jenseits des 40. Lebensjahres betroffen und es besteht häufig eine Assoziation mit der Polymyalgia rheumatica.

Granulomatöse Entzündung der Aorta und ihrer Hauptäste. Sie betrifft üblicher- weise Patienten vor dem 40. Lebensjahr.

Vaskulitis mittelgroßer Gefäße'

Nekrotisierende Entzündung der mittelgroßen oder kleinen Arterien ohne Glome- rulonephritis oder ohne Vaskulitis der Arteriolen, Kapillaren und Venolen.

Arterütis der großen, mittelgroßen und kleinen Arterien, häufig assoziiert mit dem mukokutanen Lymphknotensyndrom. Koronararterien sind häufig betroffen, Aor- ta und Venen können betroffen sein, tritt üblicherweise bei Kindern auf.

Panarteriitis nodosa 2 Kawasaki-Erkrankung

Vaskulitis der kleinen Gefäße' Wegenersche Granulomatose 3

Churg-Strauss-Syndrom 3

Mikroskopische Polyangiitis 2,3 (mikroskopische Panarteriitis)

Schönlein-Henoch-Purpura

Essentielle kryoglobulinämische Vaskulitis

Kutane leukozytoklastische Angiitis

Granulomatöse Entzündung des Respirationstraktes und nekrotisierende Vaskuli- tis kleiner bis mittelgroßer Gefäße zum Beispiel der Kapillaren, Venolen, Arterio- len und Arterien. Gewöhnlich besteht eine nekrotisierende Glomerulonephritis.

Eosinophilenreiche und granulomatöse Entzündung des Respirationstraktes und nekrotisierende Vaskulitis der kleinen bis mittelgroßen Gefäße, die mit Asthma und einer Bluteosinophilie assoziiert ist.

Nekrotisierende Vaskulitis kleiner Gefäße (beispielsweise Kapillaren, Venolen, Arteriolen) mit keinen beziehungsweise minimalen Immundepots in situ. Eine ne- krotisierende Arteriitis der kleinen und mittelgroßen Arterien kann vorliegen. Ei- ne nekrotisierende Glomerulonephritis liegt gewöhnlich vor. Eine pulmonale Ka- pillaritis fällt häufig auf.

Vaskulitis der kleinen Gefäße, beispielsweise der Kapillaren, Venolen, der Arterio- len, mit überwiegend IgA-haltigen Immundepots in situ. Betroffen sind charakteri- stischerweise die Haut, der Gastrointestinaltrakt und Glomeruli. Ferner bestehen Arthralgien und/oder Arthritiden.

Vaskulitis der kleinen Gefäße, zum Beispiel der Kapillaren, Venolen und Arterio- len mit Kryoglobulinimmundepots in situ und mit Kryoglobulinen im Serum. Die Haut und die Glomerula sind häufig betroffen.

Die isolierte leukozytoklastische Angiitis der Haut geht ohne systemische Vaskuli- tis oder Glomerulonephritis einher.

Als große Arterien sind definiert: die Aorta und die größten Äste, die zu den Hauptkörperregionen (zum Beispiel zu den Extremitäten oder dem Kopf) führen. Als mittelgroße Arterien gelten die hauptviszeralen Arterien, beispielsweise der Niere, Leber, des Herzens oder des Mesenterialbereichs. Als kleine Arterien bezeichnet man jene, die eine Verbindung zu Arteriolen erkennen lassen.

2 Bevorzugter Terminus.

3 ANCA-assoziiert

Steroidkatarakte 21 Prozent, Fraktu- ren und aseptische Knochennekrosen 14 Prozent) zu rechnen ist (31). Diese Beobachtung hat zusammen mit einer Reihe gleichsinniger Publikationen nun doch von dem sogenannten

„Goldstandard" abrücken lassen. So- lange sogar in einer Entität (beispiels- weise M. Wegener) sehr variable Krankheitsverläufe erkennbar sind (2) und auch ein sehr differentes An- sprechen auf den sogenannten „Gold- standard" zu beobachten ist, wird ein relativ starres Therapieregime mit schweren Nebenwirkungen künftig

nicht mehr zu empfehlen sein. Da es bislang weder genetische noch klini- sche Merkmale gibt, die den Verlauf einer Erkrankung „in etwa" voraussa- gen können, entscheidet man sich derzeit in vielen Zentren für die soge- nannte stadien- und aktivitätsadap- tierte Therapie (10, 20, 23, 57). Hier- nach wird der „Goldstandard" nur noch bei schwer verlaufenden syste- mischen Vaskulitiden (besonders: ful- minanten Formen, beispielsweise pul- morenales Syndrom). solange einge- setzt, bis eine stabile Teilremission er- reicht ist.

Danach wird dieses aggressive Therapieschema durch eine cyclo- phosphamidsparende „B olusthera- pie" (Intervalltherapie; „Austin- Schema") ersetzt (15, 23, 28, 32, 51) oder es wird sogar — bei noch norma- ler Nierenfunktion — eine Nied- rigdosistherapie mit Methotrexat (wöchentliche Applikation) durchge- führt (33). Darüber hinaus kann über die optimierte Infektionsdiagnostik (Kryoglobulinämien durch Hepatitis- B- und -C-Viren, Panarteritis nodosa bei chronisch-persistierenden Hepati- tis-B-Virusinfektionen) die Therapie Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995 (43) A-1379

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MEDIZIN

mit a-Interferon Remissionen indu- zieren, die bislang scheinbar nur mit Immunsuppressiva erreichbar waren (7, 14, 18).

Andererseits gibt es systemische Vaskulitiden, die selbst auf den ag- gressiven „Goldstandard" nicht an- sprechen.

Hier kann additiv eine Hochdo- sisbehandlung mit intravenösem Im- munglobulin (ivIg) bei einem Teil der Patienten zu einem Progressionsstop führen (35, 36, 52). Die Hochdosis- ivIg-Behandlung (ohne andere Im- munsuppression) ist heute ohnehin

„Standard" beim Kawasaki-Syndrom.

Sie ist bei anderen Vaskulitiden noch eine experimentelle Therapieform und gehört ebenso wie die Behand- lung mit monoklonalen Antikörpern gegen Lymphozyten (beispielsweise Anti-CD4 plus Anti-Campath-l-H), die ebenfalls bei mit herkömmlichen Mitteln nicht behandelbaren Vasku- litiden erfolgreich eingesetzt wurden,

Krankheitsbilder:

Definitionen

Mit der in den letzten Jahren op- timierten Diagnostik ist die Anzahl der klinisch erkannten Vaskulitiden sprunghaft gestiegen. Gleichzeitig wurden damit Früh- und Abortivfor- men klassischer Krankheitsbilder er- kannt. Aufgrund des lückenhaften Wissens über Ätiologie und Pathoge- nese überlappender pathologisch- anatomischer Befunde und einer ho- hen Varianz in der Ausprägung klini- scher Symptome bedurfte es — auch in Hinblick auf Therapiestudien — der Krankheitsdefinition. Anläßlich der Chapel Hill Conference 1992 (37) wurde für die häufigeren Vaskulitiden eine Nomenklatur eingeführt, die in Tabelle 8 kurzgefaßt wiedergegeben ist. Im Nachfolgenden sollen die Ent- scheidungsgründe für die „Definitio- nen" kurz dargestellt werden:

Riesenzell-(Temporal)arteriitis und Takayasu-Arterütis:

Bei der Riesenzell-(Temporal)- arteriitis wurde die nähere Bezeich- nung „temporal" in Klammern ge- setzt, da die Arteria temporalis durch-

AKTUELL

in den Bereich von entsprechend ge- schulten Zentren, die mit den auch hier unausweichlichen Komplikatio- nen vertraut sind (43, 46, 55).

Natürlich sprechen die Riesen- zellarteriitiden in der Mehrzahl auf ei- ne Glukokortikoid-Monotherapie an;

zur Kortikoideinsparung wird neuer- dings bei Komplikationen (beispiels- weise schweie Osteoporose) additiv eine Low-dose-Methotrexat-Thera- pie (10 bis 20 mg MTX/Woche, parenteral) propagiert.

Weltweit besteht Unsicherheit in der Behandlung von Frühformen be- ziehungsweise Abortivformen ge- fürchteter Entitäten angesichts der oben genannten schweren Nebenwir- kungen.

Da bei der Mehrzahl dieser Er- krankungen — auch bei aggressivster Therapie — keine Heilung erzielt wer- den kann und somit eine Langzeitthe- rapie notwendig wird, muß man stadi- enangepaßt behandeln (13, 50, 57).

aus nicht immer bei dieser Erkran- kung betroffen sein muß und weil an- dererseits verschiedene andere Vas- kulitiden (beispielsweise M. Wegener, mikroskopische Polyangiitis) eben- falls eine Vaskulitis im Bereich der Temporalarterien erkennen lassen können. Somit ist der Nachweis der Temporalarterienentzündung weder notwendig noch ein spezifischer dia- gnostischer Hinweis auf eine Riesen- zell-(Temporal)arteriitis. Demge- genüber ist das Alter ein brauchbares Merkmal zur Differenzierung zwi- schen der Riesenzell-(Temporal)arte- riitis und der Takayasu-Arteriitis.

Dementsprechend gelten die Defini- tionen in Tabelle 8.

Panarteriitis nodosa und mikro- skopische Polyangiitis:

Das vorgeschlagene Hauptdiffe- renzierungsmerkmal zwischen der Panarteriitis nodosa (klassische Pan- arterütis nodosa vom Kusmaul-May- er-Typ [cPAN]) und der wesentlich häufigeren mikroskopischen Polyan- giitis (mikroskopische Panarteriitis oder Periarterütis vom Wohlwill-Typ [MPA]) wird in dem Fehlen der Vas- kulitis in Arteriolen, Venolen oder

Kapillaren bei der cPAN oder in dem Nachweis der „Small Vessel Vasculi- tis" bei der MPA gesehen (37). Damit schreibt diese Definition vor, daß die mikroskopische Polyangiitis „mikro- skopische" Gefäße betreffen muß, aber auch mittelgroße und kleine Ar- terien einbeziehen kann (und damit auch Mikroaneurysmen aufweisen darf). Demgegenüber darf die cPAN keinen Befall der kleinen Gefäße er- kennen lassen und damit auch nicht mit einer Glomerulonephritis (= „Ka- pillaritis") einhergehen! Mit dieser Definition wird die cPAN von der MPA somit durch das Fehlen der Kleingefäßerkrankung abgetrennt.

Der Terminus „mikroskopische Po- lyangiitis" wurde dem älteren Begriff der mikroskopischen Panarteriitis (Synonym• mikroskopische Periarte- riitis oder Polyarteriitis) vorgezogen, da bei der MPA die Vaskulitis häufi- ger Arteriolen, Venolen (beispiels- weise postkapillären Venolen der Haut) und Kapillaren (des Glomeru- lums oder des pulmonalen Alveolar- bereichs) betroffen sind als die Arteri- en (42, 59). Definitionsgemäß finden sich bei der MPA wenige oder keine Immunkomplexdepots im Gefäß, so daß hiermit eine Differenzierung — wie von der Schönlein-Henoch-Pur- pura, der kryoglobulinämischen Vas- kulitis oder auch anderen Formen von Immunkomplexvaskulitiden (Lupus- vaskulitis) — erfolgen kann. Eine AN- CA-Assoziation besteht nur zur MPA (29)!

Wegenersche Granulomatose:

Von einer Wegenerschen Granu- lomatose ist nur dann auszugehen, wenn eine nekrotisierende granulo- matöse Entzündung nachweisbar wird (37, 41). Allerdings muß die gra- nulomatöse Entzündung nicht not- wendigerweise histologisch gesichert werden, sondern kann auch durch nichtinvasive Techniken (beispiels- weise Computertomographie oder Kernspintomographie) erkannt wer- den. Mit dem Nachweis des Granu- loms läßt sich die MPA mit ebenfalls bevorzugter Lokalisation im Bereich des Respirationstraktes ausschließen.

Andere differentialdiagnostisch abzu- trennende vaskulitische Syndrome, zum Beispiel mit pulmorenaler Mani- A-1380 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995

(8)

MEDIZIN

festation, lassen sich darüber hinaus immunhistologisch abtrennen. Bei den Immunkomplexvaskulitiden und der Anti-Basalmembranantikörper- Erkrankung finden sich Immunde- pots im Gewebe, die definitions- gemäß bei den ANCA-assoziierten Formen, der Wegenerschen Granulo- matose, der MPA oder auch dem Churg-Strauss-Syndrom fehlen. Gele- gentlich wurde jedoch auch über das gleichzeitige Auftreten von Anti-Ba- salmembranantikörpern und MPO- ANCA berichtet.

Am Rande bleibt noch festzuhal- ten, daß die Wegenersche Granulo- matose auch als entzündlich-granulo- matöser Prozeß ohne erkennbare Vaskulitis ablaufen kann!

Churg-Strauss-Syndrom:

Die Definition des Churg- Strauss-Syndroms basiert auf der Prä- senz von Asthma bronchiale und Eo- sinophilie (37, 45). Das Überwiegen von Eosinophilen in den entzündli- chen Infiltraten ist jedoch allein kein diskriminierender Faktor, da diese Veränderungen auch bei anderen Vaskulitiden (Wegenersche Granulo- matose oder mikroskopische Panar- teriitis) beobachtet werden können.

Das Churg-Strauss-Syndrom ist AN- CA-assoziiert; es besteht jedoch noch keine Einigkeit im internationalen Vergleich, ob es stärker pANCA- oder cANCA-assoziiert ist.

Schönlein-Henoch-Purpura und kryoglobulinämische Vaskulitis:

Diese Kleingefäßentzündungen lassen sich von der mikroskopischen Polyangiitis durch den Nachweis von Immundepots in situ (Immunkom- plexvaskulitiden!) abtrennen. Eine ANCA-Assoziation besteht nicht.

Morbus Kawasaki:

Das mukokutane Lymphknoten- syndrom stellt das Charakteristikum des Morbus Kawasaki dar und beglei- tet die vaskulitische Symptomatik.

Letztere ist der klassischen Panarteri- itis nodosa sehr ähnlich, wobei jedoch die Coronaritis klinisch im Vorder- grund steht.

AKTUELL / FÜR SIE REFERIERT

Somit stellt auch hier die fehlen- de Mitreaktion von kleineren Ge- fäßen ein differentialdiagnostisches Kriterium zur mikroskopischen Po- lyangiitis dar.

Kutane leukozytoklastische Angütis:

Patienten mit einer auf die Haut beschränkten leukozytoklastischen Angütis haben eine wesentlich besse- re Prognose als solche mit begleiten- der systemischer Vaskulitis. Um diese Diagnose zu stellen, bedarf es daher einer Ausschlußdiagnostik, da bei- spielsweise Patienten mit Wegener- sche Granulomatose, mikroskopische Panarteriitis, Schönlein-Henoch-Pur- pura oder auch essentieller kryoglo- bulinämischer Vaskulitis eine leuko- zytoklastische Vaskulitis im Bereich der Haut neben vaskulitischen Läsio- nen an anderer Stelle haben können.

Finden sich bei Patienten mit leuko- zytoklastischer Angiitis der Haut In- situ-Immunkomplexe, dann besteht ein höheres Risiko für eine gleichzei- tig sich systemisch manifestierende Immunkomplexvaskulitis (bei Schön- lein-Henoch-Purpura oder kryoglo- bulinämischer Vaskulitis). Ferner kommt es auch bei diesen Patienten häufiger zu einer systemischen Vasku- litis, wenn serologisch ANCA nach- weisbar sind.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-1372-1381 [Heft 19]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med.

Wolfgang Ludwig Gross Direktor der Poliklinik für Rheumatologie der

Medizinischen Universität zu Lübeck Chefarzt der Rheumaklinik

Bad Bramstedt

Oskar-Alexander-Straße 26 24576 Bad Bramstedt

Helicobacter-

pylori-Therapie bei Dyspepsie?

Bei Patienten mit einer Reizma- gen-Symptomatik findet sich Helico- bacter pylori in 39 bis 87 Prozent; kon- trovers diskutiert wird jedoch, ob die Helicobacter-pylori-Infektion per se chronische dyspeptische Symptome zu induzieren vermag.

Die Arbeitsgruppe um O'Morain hat erstmals Daten vorgelegt, die zei- gen, daß eine Helicobacter-pylori- Therapie, in diesem Fall mit Wismut, Metronidazol und Amoxicillin, die Patienten langfristig zu bessern ver- mag.

Es wurden 75 Helicobacter-pylo- ri-positive Patienten mit entsprechen- den Beschwerden ein Jahr nachbeob- achtet. Vier Wochen nach Behand- lungsende wiesen alle Patienten, die von Helicobacter pylori befreit wer- den konnten, eine signifikante Besse- rung auf, die auch nach einem Jahr noch anhielt, während Patienten, die unter der Behandlung nicht keimfrei geworden waren, mehr oder weniger identische Symptome boten. Eine Analyse der zwischenzeitlich verord- neten Medikamente ergab, daß bei allen Helicobacter-pylori-Positiven während des Beobachtungszeitrau- mes immer wieder symptomatische Therapieversuche unternommen wurden, während bei den Helicobac- ter-pylori-Negativen praktisch keine Medikamente mehr zum Einsatz ka- men.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß Helicobacter pylori eine wichtige Rolle bei der chronischen Dyspepsie spielt.

Mc Carthy C, Patchett S, Collins R M, Beattie S, Keane C, O'Morain C: Long- Term Prospective Study of Helicobacter pylori in Nonulcer Dyspepsia. Dig Dis Sci 1995; 40: 114-119

Departments of Gastroenterology and Microbiology Meath/Adelaide Hospitals and Trinity College Dublin, Irland

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995 (45) A-1381

Referenzen

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