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Archiv "Die benigne Prostatahyperplasie: Pathogenese, Diagnostik und konservative Therapie" (16.06.2000)

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ei der benignen Prostatahyper- plasie (BPH) handelt es sich um eine gutartige Vergröße- rung der epithelialen und fibromus- kulären Anteile in der Transitionalzone der Prostata. Die BPH bedingt die häu- figste Form einer Blasenfunktions- störung beim Mann. Betroffen sind 50 Prozent aller über 60 Jahre alten Män- ner, allerdings finden sich Miktionsbe- schwerden alterskorreliert zwischen 50 und 60 Jahren bei 23,7 Prozent zwi- schen 60 und 70 Jahren bei 43 Prozent und bei über 70-Jährigen bei 40 Prozent der Patienten (29). Der wachsende Kenntnisstand über die „benigne Prostatahyperplasie“ (BPH) und die damit assoziierten Symptomenkomple- xe am unteren und eventuell oberen Harntrakt (LUTS, Lower Urinary Tract Symptoms) sowie die Erkenntnis, dass nur eine schwache lineare Rela- tion zwischen Symptomatik und Or- gangröße existiert (33, 58), lässt eine Begriffsklärung sinnvoll erscheinen.

Nach den Vorschlägen der „Inter- national Consultation on BPH“, die un-

ter der Schirmherrschaft der WHO zu- letzt 1997 international anerkannte Richtlinien für Terminologie, Dia- gnostik und Therapie der BPH ausge- arbeitet hat, soll die rektal-palpatorisch tastbare gutartige Prostatavergröße- rung als BPE (Benign Prostatic En- largement) bezeichnet werden (22).

Ein Patient präsentiert sich jedoch meist mit einer irritativen und/oder ob- struktiven Symptomatik des unteren Harntrakts (LUTS, Lower Urinary Tract Symptoms), die durch eine BPE ausgelöst sein kann, ohne dass beim in- dividuellen Patienten von der Größe der Prostata direkt auf die Schwere der Symptomatik zu schließen wäre (bei- spielsweise bei einem Mittellappen- adenom oder einer Sphinktersklerose).

Auch die Symptomatik lässt keinen

eindeutigen Schluss auf das Ausmaß ei- ner BPE zu.

Die notwendige urologische Dia- gnostik zielt neben der Klassifizierung und Quantifizierung der Symptomatik auf den Nachweis einer assoziier- ten subvesikalen Obstruktion (BOO, Bladder Outlet Obstruction; BPO, Be- nign Prostatic Obstruction) und mögli- cher sekundärer Folgen am oberen Harntrakt. Aus der genauen Kenntnis der einzelnen Faktoren dieses Sympto- menkomplexes und der Prostatagröße kann dann eine differenzierte medizi- nisch und ökonomisch vertretbare The- rapie oder ein kontrolliertes Abwarten abgeleitet werden.

Pathogenese, Ätiologie, Epidemiologie

Die typischen Beschwerden der BPH lassen sich in obstruktive und ir- ritative Symptome gliedern und legen so die Existenz einer statischen (Drü- senvolumen) und einer dynamischen

Die benigne

Prostatahyperplasie

Pathogenese, Diagnostik und konservative Therapie Mark Goepel

1

Harald Schulze

2

Jürgen Sökeland

3

Zur Ätiologie der benignen Prostatahyperplasie (BPH) wer- den momentan verschiedene Hypothesen diskutiert. Die von Alken vorgenommene Stadieneinteilung der Miktionsstörung aufgrund einer BPH wurde kürzlich durch eine präzisere Un- terteilung ersetzt. Die so genannte irritative und/oder obstruk- tive Symptomatik des unteren Harntrakts (LUTS) und die Quantifizierung von subjektiven Symptomen mithilfe des in- ternationalen Prostata-Symptomen-Score (IPSS) erlaubt eine bessere Einteilung. Eine genaue Diagnostik ist die Vorausset- zung für eine pharmakologische oder chirurgische Behand-

lung. Es werden verschiedene Thera- piemodalitäten wie kontrolliertes Zu-

warten, Phytotherapie, alpha-adrenerge Rezeptorenblocker und 5-alpha-Reduktase-Inhibitoren diskutiert. Nach heutigem Kenntnisstand ist es unklar, ob eine der verfügbaren Therapi- en eine langfristige substanzielle Reduktion der Komplikati- ons- oder Operationshäufigkeit erzielen kann.

Schlüsselwörter: Benigne Prostatahyperplasie, konservative Therapie, Phytotherapie, alpha-adrenerger Rezeptoren- blocker, 5-alpha-Reduktase-Inhibitor

ZUSAMMENFASSUNG

Benign Prostatic Hyperplasia

There is still some confusion with respect to the etiology of benign prostatic hyperplasia (BPH). Different hypotheses actually discussed are presented. The well known staging system of micturation disorders due to BPH according to Al- ken has lately been replaced by a more precise subdivision of pathogenic different conditions summarized in the term LUTS (lower urinary tract symptoms) as well as in the quantitation of subjective symptoms in a validated score (IPSS, international prostate symptom score). Appropriate therapy, either by medical or surgical means, requires a

proper diagnostic. Current conservative therapeu- tic modalities (watchful waiting, phytotherapy,

alpha-adrenergic receptor blockers as well as 5 alpha-reduc- tase inhibitors) are discussed. It has to be stated, however, that at this point it is still unknown whether any kind of available medical treatment form is able to produce a long lasting substantial reduction in complication or surgery rate of BPH.

Key words: Benign prostatic hyperplasia, conservative therapy, phytotherapy, alpha-adrenergic receptor blocker, 5 alpha-reductase inhibitor

SUMMARY

B

1Klinik und Poliklinik für Urologie (Direktor:

Prof. Dr. med. H. Rübben) der Universität Essen

2Urologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med.

H. Schulze) der Städtischen Kliniken Dortmund

3Institut für Arbeitsphysiologie an der Universi- tät Dortmund

(2)

Komponente (Tonus der glatten Mus- kulatur) nahe. Der Tonus der autono- men Innervation der glatten Prostata- muskulatur ist bei der BPH erhöht und trägt zur Entstehung der Sympto- matik bei (65). Dies hat unter ande- rem zur medikamentösen Therapie mit alpha-Adrenozeptorenblockern geführt (49). Die Prostata besteht aus epithelialen Drüsengängen und fibro- muskulärem Stroma. Die Einteilung nach McNeal gliedert die Prostata in einzelne Zonen (Grafik 1). Unter Testosteroneinfluss erreicht die Prosta- ta im Alter von 20 Jahren die Organ- größe von 20 bis 25 Gramm, die bis zum 40. Lebensjahr nahezu unverän- dert bleibt. Obwohl Androgene eine BPH nicht direkt verursachen, ist die fetale und pubertale Entwicklung der Prostata und die der BPH an einen in- takten Androgenstoffwechsel gebun- den (51).

Trotz zahlreicher Anstrengungen in der klinischen und der Grundlagen- forschung ist die Ätiopathogenese der Prostatahyperplasie nach wie vor un- klar. Prinzipiell wird bei der Entste- hung der Prostatahyperplasie ein ge- störtes Zusammenspiel von Androge- nen und Östrogenen angenommen.

Wie im Textkasten beschrieben, werden fünf Hypothesen diskutiert.

Dies sind die Dihydrotestosteron-Hy- pothese, die Östrogen-Hypothese, mögliche Stroma-Epithel-Wechselwir-

kungen, die Stammzelltheo- rie und die Theorie des ver- minderten Zelltodes.

Histologisch ist eine BPH durch die Zunahme der periurethralen Epithel- und Stromazellen gekennzeich- net. Daneben gilt als gesi- chert, dass eine intakte Ho- denfunktion für die Entwick- lung einer BPH notwendig ist. Erfolgt eine Kastration vor der Pubertät, unterbleibt die physiologische Größen- zunahme der Prostata und die spätere BPH-Entwick- lung (64). Gleiches gilt für Patienten mit Hypopituita- rismus, konnataler 5-alpha- Reduktase-Defizienz und Androgen-Rezeptor-Defekt.

Eine bereits bestehende BPH wird durch Androgen- entzug regressiv verändert und größenreduziert (75). In der Prostata wird Testosteron durch das Zellkern-gebundene Enzym 5-alpha- Reduktase in Dihydrotestosteron, den intraprostatisch aktiven Metaboliten, umgewandelt, der etwa 90 Prozent der androgenen Wirkung aus-

macht.

Symptomatik

Die Zeichen einer Prostatahyperplasie sind viel- gestaltig: Man unterscheidet zwischen den Reizerschei- nungen, den irritativen Sym- ptomen und den Zeichen von Entleerungsstörungen, den obstruktiven Symptomen (Tabelle 1). In einem standar- disierten und validierten Fra- gebogen wird der Schwere- grad der Beschwerden ein- schließlich der Lebensqua- lität erhoben (beispielsweise IPSS, Internationaler Prosta- ta Symptomen Score). Dabei soll die an das internationale Schrifttum angeglichene Ter- minologie verwendet wer- den (Grafik 2). Die frühere Stadieneinteilung nach Al- ken oder Vahlensieck haben dagegen an Bedeutung ver- loren (Tabelle 2).

Standarddiagnostik

Ziel einer differenzierten Dia- gnostik bei Patienten mit Symptomen des unteren Harntrakts und nach- weisbarer Prostatavergrößerung ist es, die Symptomatik standardisiert zu erfassen, zu klassifizieren und je nach Schweregrad unterschiedlichen The- rapieoptionen oder einem kontrol- lierten Zuwarten zuzuweisen. Die Diagnostik umschließt eine Reihe von Untersuchungen, die das Vorliegen einer benignen Prostatahyperplasie erfassen und andere Ursachen für Symptome am unteren Harntrakt aus- schließen sollen. Im Einzelnen wer- den erfasst: Anamnese mit Medika- mentenanamnese, Miktionsanamnese mit Trink- und Miktionsprotokoll, Symptomenscore.

Ergänzt werden diese Daten durch die körperliche Untersuchung mit neurologischem Status, die digito- rektale Untersuchung, die Uroflow- metrie, die Sonographie des Harn- trakts einschließlich Restharnbe- stimmung sowie die Labordiagnostik (Urinsediment und -kultur, Kreatinin im Serum, PSA).

Transitionalzone

anteriore Zone

zentrale Zone periphere Zone Grafik 1

Zoneneinteilung der Prostata nach McNeal: Die periphere Zone (75 Prozent), Ursprungsort der Prostatakarzinome. Die Transitionalzo- ne, das periprostatische Segment (fünf bis zehn Prozent), liegt zy- linderförmig zwischen Blasenhals und Samenhügel. In dieser Zone (Übergangszone und periurethrale Drüsen) kommt es durch Wu- cherung des Gewebes zur Prostatahyperplasie. Das Wachstum kann so stark sein, dass die periphere Zone kapselförmig komprimiert wird (so genannte chirurgische Kapsel). Die zentrale Zone und die anteriore Zone (vorderes fibromuskuläres Stroma).

Miktionsbeschwerden (LUTS)

Prostatavergrößerung (BPE)

Blasenentleerungsstörung (BOO)

• Feststellung der Sympto- matik und Beeinflussung der Lebensqualität (Anam- nese, internationaler Prostatasymptomenscore [I-PSS], Miktionstagebuch),

• Blasenauslassobstruktion (BOO) (Uroflow-Metrie einschließlich maximaler Harnflussrate, Qmax’

sonographisch bestimmtes Rest- harnvolumen; Druck-Fluss- Messung: Detrusordruck [Pdet] zum Zeitpunkt der maximalen Harnflussrate).

• Erheben des Prostatastatus bezüglich BPE (digitorektale Untersuchung, transrektale Prostatasonographie), Grafik 2

Terminologie zur Einteilung der BPH: BPH, benigne Prostatahyper- plasie (histologische Diagnose); BPE, diagnostische nachweisbare Organvergrößerung (Benign Prostatic Enlargement); BOO, Blasen- entleerungsstörung (Bladder Outlet Obstruction); LUTS, Miktions- beschwerden (Lower Urinary Tract Symptoms); BPS, Benignes Prostatasyndrom (BPE + BOO + LUTS).

Mit freundlicher Genehmigung: J. Sökeland, Urologie für Pflegeberufe, 7. Auflage, Stuttgart: Thieme 2000.

(3)

Erweiterte Diagnostik

Die erweiterte Diagnostik bei symptomatischer benigner Prostatahy- perplasie umfasst Untersuchungen, die entweder auffällige Befunde der Pri- märdiagnostik weiter abklären (wie Infusionsurogramm bei Mikro- oder Makrohämaturie) oder inkongruente Anamnese- und Untersuchungsergeb- nisse, vor allem vor einer invasiven Therapie, weiter eingrenzen (wie Druckflussuntersuchung bei niedrig- normalem Uroflow und hohem Rest- harn). Die einzelnen fakultativ dia- gnostischen Schritte sind: Urodynamik (Druckflussuntersuchung), die trans- rektale Sonographie der Prostata, das Infusionsurogramm, das Urethrozysto- gramm, die Urethrozystoskopie.

Konservative Therapie

Typisch für eine symptomatische BPH sind wechselnde Schweregrade der Symptomatik. Somit besteht die Möglichkeit, in Fällen ohne zwingende OP-Indikation konservative Therapie- maßnahmen anzuwenden. Absolute Operationsindikationen sind rezidi- vierende Harnverhalte, Makrohämatu- rien, Harnwegsinfekte, die Bildung von Blasenkonkrementen sowie eine post- renale Niereninsuffizienz. Wegen des variablen Verlaufs der prostatain- duzierten Symptome sollte die Wahl des Behandlungsverfahrens nach Auf- klärung des Patienten gemeinsam von Patient und Arzt getroffen werden. Die Wirksamkeit einer Substanz sollte nach den Empfehlungen der BPH-Konsen- suskonferenz der WHO in randomi- sierten, placebokontrollierten doppel- blinden Studien geprüft worden sein.

Aufgrund einer möglichen spontanen Regression der BPH-induzierten Sym- ptome sollten Langzeituntersuchungen zu diesen Medikamenten mit einem Nachuntersuchungszeitraum zumin- dest von einem Jahr existieren. Ein Therapieversuch ohne die oben ge- nannte Diagnostik und den sicheren Ausschluss eines Prostatakarzinoms sollte unterbleiben.

Eine konservative Therapie muss individuell angepasst sein, sollte der In- dikationsbreite der einzelnen Stoff- gruppen entsprechen und anhand des IPSS-Fragebogens überprüft werden.

Theorien zur Ätiologie der BPH (44)

DHT-Hypothese: Erhöhte intrazelluläre DHT-Spiegel Erhöhte 5-alpha-Reduktase-Aktivität Erhöhte Androgenrezeptoren-Spiegel Gestörter Östrogen- Altersbedingt erhöhte Konzentrationen

Androgenhaushalt: von Östradiol und sonstigen Östrogenen. Abnah- me des zirkulierenden, freien Testosterons; er- höhtes SHBG

Stroma-Epithel- Stromale, autokrine Faktoren Wechselwirkungen: stimulieren unter Umständen ein

„epitheliales Reawakening“; zu den verantwortlichen Wachstumsfaktoren

gehören unter anderem EGF, TGF-bund FGF Stammzelltheorie: Abnorme Proliferation von

Stammzellen

➞ deutliche Überproduktion differenzierter, stromaler und in der Folge epithelialer Zellen

Theorie des BPH-Gewebe verfügt im Vergleich zu verminderten Zelltods: gesundem Gewebe über eine

geringere Mitosegeschwindigkeit – erhöhte Östrogenspiegel führen zu einer verlängerten Lebensdauer der Prostatazellen

Tabelle 1

Miktionssymptome bei benigner Prostatahyperplasie (LUTS, Lower Urinary Tract Symptoms)

Obstruktive Symptome Irritative Symptome

Abgeschwächter Harnstrahl Erhöhte Miktionsfrequenz Verlängerte Miktionszeit Schmerzhafte Miktion

Harnstottern Imperativer Harndrang

Nachträufeln Dranginkontinenz

Restharn Restharngefühl

Tabelle 2

Stadieneinteilung nach Alken 1955 (2)

I. Reizstadium Obstruktive und irritative Symptome II. Restharnstadium Beginn der Dekompensation des

Entleerungsmechanismus Restharn 100–150 ml, Pollakisurie

III. Rückstauungsstadium Dekompensation der Blase: chronische komplette Harnverhaltung oder Überlaufblase, Nieren- funktionseinschränkung, Endzustand: Urämie

(4)

Kombinationsbehandlungen sind nicht sinnvoll, wenn ihr Wert nicht belegt ist.

Die konservative Therapie umfasst ne- ben einem kontrollierten Zuwarten die Therapie mit Phytotherapeutika, al- pha-Adrenozeptorenblockern oder 5- alpha-Reduktase-Hemmern. Da zwi- schen der klinischen Wirksamkeit eines Medikaments und seinem Nutzen für den Patienten hinsichtlich seiner Le- bensqualität möglicherweise ein Mis- sverhältnis besteht, wird die ärztliche Entscheidung künftig auch ökonomi- sche Aspekte berücksichtigen müssen (35).

Kontrolliertes Zuwarten

Bei geringen Beschwerden (IPSS

< 7 Punkte) ist eine Therapie im Allge- meinen nicht erforderlich. Hier kann das Vorgehen des kontrollierten Zu- wartens gewählt werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Sym- ptomprogredienz und ihr zeitlicher Verlauf im individuellen Fall nicht ge- nau vorhergesagt werden kann. Des- halb sollte ein Patient über die Notwen- digkeit regelmäßiger Kontrolluntersu- chungen informiert werden. Kommt es unter dieser Strategie zu einer signifi- kanten Symptomzunahme, sollte das Vorgehen des kontrollierten Zuwar- tens abgebrochen werden. Die Präfe- renzen des Patienten sollten bei der anschließenden Therapie mit aus- schlaggebend sein. Restharnwerte über 100 ml schließen das Verfahren des kontrollierten Zuwartens eher aus.

Phytotherapie

Die medikamentöse Therapie der BPH-assoziierten Miktionsbeschwer- den mit Phytopharmaka hat in Deutschland eine lange Tradition. Es werden fünf Pflanzenextrakte zur BPH-Therapie eingesetzt: aus der Wurzel der afrikanischen Lilie (Hypo- xis rooperi), aus den Früchten der Sä- gezahnpalme (Sabal serrulata = Sere- noa repens), aus der Brennesselwurzel (Radix urtica dioica), aus Kürbissamen (Cucurbita pepo), und aus Roggenpol- len (Secale cereale). Als Wirksubstan- zen dieser Pflanzenextrakte werden genannt: Phytosterole wie das beta- Sitosterol, delta-5- und delta-7-Sterole,

Lektine, Fettsäuren und Pflanzenöle.

Kritik richtet sich an die Wissenschaft- lichkeit der Phytotherapie der BPH.

Hier sind klinische Studien erforder- lich, die den Kriterien der International Consultation on BPH der WHO ent- sprechen. Die Untersuchungen müssen doppelblind, randomisiert und place- bokontrolliert durchgeführt werden.

Der Nachuntersuchungszeitraum muss mindestens zwölf Monate betragen.

Dabei müssen neben der Symptomatik Lebensqualität, Sexualität, Harnfluss- rate, Restharnbildung und Prostata- größe erfasst werden.

Da In-vitro-Untersuchungen zur Phytotherapie nur begrenzt aussage- kräftig sind, müssen entsprechend vali- de klinische Studien zur wissenschaftli- chen Beurteilung herangezogen wer- den, von denen die meisten allerdings den wünschenswerten Nachuntersu- chungszeitraum von zwölf Monaten unterschritten. Berges fand einen signi- fikanten Rückgang der Symptomatik und des Restharns sowie eine signifi- kante Zunahme des Maximalflow für beta-Sitosterin (6). Klippel und Mitar- beiter zeigten für Hypoxis-rooperi-Ex- trakt eine signifikante Reduzierung der Symptomatik und des Restharns sowie eine signifikante Zunahme des Uro- flow (46). Carraro und Mitarbeiter ver- glichen prospektiv, randomisiert und doppelblind die Wirkung von Sabal-

fruchtextrakt mit dem 5-alpha-Reduk- tase-Hemmer Finasterid an mehr als 1 000 Patienten (15). Beide Therapie- formen zeigten die gleiche Effektivität hinsichtlich der Symptomreduktion, der Verbesserung des Lebensqualität- sindex und des Uroflow. Finasterid führte darüber hinaus zu einer signi- fikanten Volumenabnahme der Prosta- ta, einer Reduktion der PSA-Spie- gel sowie in geringem Umfang der Li- bido und Potenz, während Sabalfruchtextrakt hier kei- ne androgenabhängigen Wir- kungen zeigte. In zwei pla- cebokontrollierten Doppel- blindstudien eines Kombi- nationspräparates aus Sabal- frucht und Brennnesselwur- zel sowie einer systema- tischen Übersichtsarbeit zur Wirkung von Sabalextrakt wurden Miktionsbeschwer- den sowie Flusswerte teilwei- se im Vergleich mit Finasterid bei geringen Nebenwirkun- gen vergleichbar gebessert (54, 76).

Alpha-Adrenozep- torenblocker

Die alpha-Adrenozep- torblockade hat eine Relaxa- tion der glatten Muskelzellen im Stroma der Prostata zum Ziel. In der Prostata, ihrer Kapsel und im Bereich des Blasenhalses konnten alpha-1-Ad- renozeptoren nachgewiesen werden, deren Aktivierung für eine Kontrakti- on der dortigen Muskelfasern sorgen.

Sie beeinflussen somit die Miktion, und die Ejakulation (Grafik 3).

Eine Inhibition der alpha-Adreno- zeptoren vermindert den Tonus der glatten Muskulatur, indem die Wirkung von Noradrenalin an den postsynapti- schen Rezeptoren des Stromas, des Blasenhalses und der Urethra antago- nisiert werden. So kann die „dynami- sche“ Komponente einer Obstruktion bei BPH im Sinne einer Muskelrelaxa- tion beeinflusst werden. Vier der „se- lektiven“ alpha-Adrenozeptorenblok- ker sind für diese Indikation zugelas- sen: die Chinazolinderivate Alfuzosin, Doxazosin und Terazosin sowie der al- pha-1a-Adrenozeptorenblocker Tam- sulosin. Die Effekte der alpha-Blocker Grafik 3

Verteilung der a- und b-Rezeptoren im unteren Harntrakt (nach H. Palmtag)

Unterer Harntrakt Sympathikus Parasympathikus

Detrusor

Blasenhals

cholinerg kontraktil keine cholinerge Innervation a-kontraktil

b-inhibitorisch

N. pelvicus (S2,3,4) N. hypoga-

stricus (L1,2,3)

Aus: Urologe B 1997; 38: 291– 304, mit freundlicher Genehmigung: Springer-Verlag GmbH & Co. KG

(5)

auf die maximale Harnflussrate und die klinische Symptomatik sind etwa gleich. Für alle Substanzen liegen ran- domisierte klinische Studien vor, die auch in der Langzeitbeobachtung gute Ergebnisse zeigen (39).

Alfuzosin wurde bereits im Rah- men von offenen und prospektiv ran- domisierten Studien erprobt. Bei mehr als der Hälfte der Untersuchungen wurden signifikante Zunahmen des maximalen Harnflusses und

der Symptomatik beschrie- ben. Im Vergleich zu Prazo- sin sind die Nebenwirkungen geringer. Gegenüber Place- bo werden die bekannten blutdruckbedingten Neben- wirkungen wie Schwindel, Benommenheit oder Kopf- schmerzen angegeben (11, 40, 50). Doxazosin, Prazosin und Terazosin sind struktu- rell ähnliche alpha-1-Adre- nozeptorenantagonisten. Die größte Studie mit Terazo- sin und mit der längsten Nachbeobachtungszeit wur- de von Roehrborn (62) vor- gestellt. Der Symptomen- score verbesserte sich sig- nifikant um 38 Prozent ver- glichen mit Placebo. Nach dieser Studie sollen beson- ders Patienten mit mäßigen bis schweren Symptomen von der Therapie profitieren.

Die Restharnmengen sanken

nicht signifikant. Tamsulosin ist ein kompetitiver und selektiver alpha-1a- Adrenozeptorenantagonist, während die übrigen genannten Pharmaka keine Subtypselektivität aufweisen. Die al- pha-1a-Rezeptoren kommen überwie- gend an der glatten Muskulatur der Prostata vor. Charakteristisch für die Behandlung des BPH-Syndroms mit alpha-Adrenozeptorenblockern sind der umgehende Wirkungseintritt in- nerhalb von Tagen, ein günstiges Ne- benwirkungsprofil und die Dosisab- hängigkeit von Wirkungen und Neben- wirkungen. Die maximalen Harnfluss- raten lagen bei allen Substanzen bei 12 bis 14 ml/s, der Rückgang der Sym- ptome bei 30 bis 45 Prozent (19). Mög- liche Nebenwirkungen sind allgemeine Abgeschlagenheit, Schwindel, Kopf- schmerzen, grippale Symptome und hypotone Dysregulationen.

5aaa a-Reduktase-Hemmer

Durch eine kompetitive Hem- mung des intraprostatischen Enzyms 5a-Reduktase wird die Umwandlung des Testosterons zum intraprostatisch aktiven Dihydrotestosteron blockiert.

Es kommt damit in den sekretorischen Drüsenepithelzellen zur Induktion von Apoptosevorgängen, sodass sich eine hyperplastische Drüse wieder verklei-

nert (Grafik 4). Eine komplette Hem- mung aller androgenabhängigen intra- prostatischen Vorgänge kann mit Fina- sterid nicht erzielt werden. Man geht von einer etwa 90-prozentigen Reduk- tion des Dihydrotesterons bei gleich- zeitigem fünf- bis siebenfachen Anstieg von intrazellulärem Testosteron aus (30). Die klinische Wirksamkeit von Fi- nasterid wurde in placebokontrollier- ten Doppelblindstudien nachgewiesen.

Aus den Ergebnissen ergibt sich eine mittlere Volumenreduktion der Prosta- ta von 25 bis 30 Prozent, eine Sym- ptomabnahme von 3,5 Punkten und ei- ne mittlere Zunahme des maximalen Harnflusses von 1,5 bis 2,5 ml/Sek; die Ergebnisse sind vom Prostatavolumen (Volumen über 40 besser 60 ml) abhän- gig (8). Da die PSA-Produktion in der Prostata androgenreguliert ist, wird durch Finasterid sowohl bei der BPH

als auch beim Prostatakarzinom eine Verminderung des PSA-Serumspiegels induziert. Mögliche Nebenwirkungen sind eine Verringerung des Ejakulatvo- lumens, eine Abnahme der Libido, Po- tenzstörungen, Gynäkomastie oder Brustschmerzen. McConnell berichte- te anhand einer Langzeituntersuchung über vier Jahre an 3 040 Patienten mit moderater bis schwerer Symptomatik zusätzlich über eine Reduktion der se- kundären Operationsfrequenz um 50 Prozent, allerdings wurden im Gesamt- klientel nur 221 von 3 026 Patienten (7,3 Prozent) operiert (Finasteridgrup- pe, n = 69 [5 Prozent], Placebogruppe, n = 152 [10 Prozent]) (52).

Resümee

Die drei konservativen Therapie- optionen bessern die Symptomatik beim benignen Prostatasyndrom. Bei der Phytotherapie fehlen weitgehend unerwünschten Wirkungen. Weitere klinische Studien müssen die Bewer- tung der einzelnen Extrakte wissen- schaftlich belegen. Ein Vorteil der al- pha-Adrenozeptorenblocker ist der umgehende Wirkungseintritt innerhalb von Tagen, sodass die Effektivität kurz- fristig beurteilt werden kann. 5-alpha- Reduktase-Hemmer können bei Pati- enten mit einem Drüsenvolumen von mindestens 40 ml eingesetzt werden und zu einer Volumenreduktion der Prostata führen. Ob durch die medika- mentöse Therapie des BPH-Syndroms eine Operation lebenslang vermieden wird oder nur in einem späteren Le- bensabschnitt mit höherer Begleitmor- bidität verschoben wird, muss Ziel zukünftiger Untersuchungen sein.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1677–1681 [Heft 24]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonder- druck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Jürgen Sökeland

im Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund Ardeystraße 67 · 44139 Dortmund DHT-Produktion fördert

das Wachstum des Prostatagewebes

5-a-Reduktasehemmer blockieren die DHT-Produktion

Die Prostatavergrößerung wird gestoppt – die Prostata schrumpft

um bis zu 30 %

Die Prostata vergrößert sich Testosteron wird in der Prostata

zu Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt Grafik 4

Schematische Darstellung der durch Dihydrotestosteron induzier- ten Prostatavergrößerungen und deren Inhibition durch 5-alpha- Reduktase-Hemmer

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