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Archiv "Infektion mit Tropheryma whipplei: Diagnose, Pathogenese, Therapie" (29.11.2002)

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ei einem Missionar wurde im Jahre 1907 eine tödlich verlaufende Krankheit beschrieben, die mit Gewichtsverlust, Arthritis, chronischem Husten und Fieber einherging (14). Die- se Erkrankung, zunächst als intestinale Lipodystrophie bezeichnet, wird heute nach ihrem Erstbeschreiber Morbus Whipple (MW) benannt. Obwohl die fast 100 Jahre im histologischen Schnitt gut sichtbaren, aber nicht definierten und nicht züchtbaren Erreger kürzlich mit molekulargenetischen und immuno- logischen Methoden als Aktinomyzeten (Tropheryma whipplei [gr. trophe = Ernährung, eryma = Schranke]), identi- fiziert worden sind (8, 10), bleiben noch viele Fragen unbeantwortet.

Diagnose

Die klinische Diagnose stützt sich zunächst nach wie vor auf eine zwar charakteristische, aber nicht spezifi- sche Konstellation der häufigsten Symptome (Textkasten 1). Oft genug spielt auch der Zufall eine Rolle, wenn dem Endoskopiker bei der Duodeno-

skopie weißliche kleine Lymphzysten auffallen und wenn der Pathologe ex- zidiertes Material mit der PAS-Fär- bung untersucht.

Histopathologie

Die histologischen Veränderungen, eine Vermehrung von großen, zipflig ausgezogenen Makrophagen mit rund- lichen Einschlüssen (früher als sickle particle containing [SPC]-Zellen be- zeichnet), die in der PAS-Färbung rot aufleuchten, sind pathognomo- nisch für den Morbus Whipple (MW).

Der Pathologe kann diese Verände- rungen in fast allen Organen fin- den (Textkasten 2) und so die Diagno- se stellen. Neuere Arbeiten haben eine pathologische Stadieneinteilung vor- geschlagen, die dem Kliniker bei der Beurteilung, ob die Krankheit auf die Therapie anspricht, hilfreich sein kann (12). Bei der konventionellen Histolo-

gie gibt es jedoch manchmal sowohl falschnegative als auch falschpositi- ve Befundungen. Falschnegativ, wenn keine PAS-Färbung durchgeführt wur- de und die typischen Makrophagen übersehen worden sind, oder wenn das Organ nicht an der biopsierten Stelle befallen ist. Falschpositive histopa- thologische Ergebnisse sind bei In- fektionen zum Beispiel mit Mycobac- terium avium vorgekommen (auszu- schließen mit der Ziehl-Neelsen Fär- bung, die säurefeste Erreger vom nicht säurefesten T. whipplei unterscheidet).

Manchmal werden einzelne PAS-posi- tive Makrophagen in der Mukosa und Submukosa, wie sie zum Teil noch Jah- re nach erfolgreicher antibiotischer Therapie zu beobachten sind (Subtyp 3, [12]), sowie PAS-positive Plasmazel- len oder glykogenreiche glatte Mus- kelzellen als florider MW fehlinterpre- tiert.

Besonders heimtückisch ist ein Befall des zentralen Nervensystems, da Symptome erst nach langjährigem Befall und ausgedehnter zerebra- ler Destruktion auftreten. Zudem ist die Symptomatik oft wenig spezifisch

Infektion mit

Tropheryma whipplei

Diagnose, Pathogenese, Therapie

Zusammenfassung

Morbus Whipple ist eine chronische Infektions- krankheit, die sich meist bei Männern mittleren Alters schleichend über Jahre hinweg ent- wickelt. Die Diagnose mittels Duodenalbiopsie wird oft erst spät gestellt, da die klinischen Ma- nifestationen unspezifisch sind. Mit rechtzeiti- ger antibiotischer Behandlung lässt sich meist eine Vollremission erzielen, es gibt aber auch Patienten, die auf Antibiotika ungenügend an- sprechen und Rezidive erleiden. Kürzlich ist es gelungen, den Erreger, Tropheryma whipplei, anzuzüchten und phylogenetisch als neue Spe- zies innerhalb der Aktinomyzeten zu definie- ren. Ein Erregernachweis kann mithilfe der Polymerasekettenreaktion erfolgen. Allerdings gibt es mit dieser Methode manchmal Spezi- fitätsprobleme. Die Seltenheit der Erkrankung ist – bei wahrscheinlich weiter Verbreitung des Erregers in der Umwelt - möglicherweise durch

einen prädisponierenden Defekt der zellulären Immunität bedingt. Die moderne molekulare Medizin trägt dazu bei, eine seit fast 100 Jah- ren bekannte Erkrankung besser zu verstehen.

Klinische Studien werden eine evidenz-basier- te Therapie ermöglichen.

Schlüsselwörter: Morbus Whipple, Tropheryma whipplei, Polymerasekettenreaktion, Diagnose, Therapie, T-Zell-Immundefekt

Summary

Whipple`s Disease – Diagnosis, Pathogenesis, Therapy

Whipple`s disease is a rare infectious disorder mostly affecting middle aged men. The diagno- sis, which frequently is delayed due to protean clinical manifestations, usually can be establish- ed by small bowel biopsy. The initiation of anti-

biotic treatment in most cases results in clinical remission. There is, however, a significant num- ber of patients refractory to antimicrobial thera- py or with a relapsing course. The causative organism, Tropheryma whipplei, recently has been cultivated and phylogenetically identified as an actinomycete. T. whipplei can now be detect- ed by polymerase chain reaction in the gut and in other tissues. There are, however, problems concerning the specificity of the polymerase chain reaction. The rareness of the disease despite the ubiquitous occurrence of T. whipplei presumably is related to a predisposing defect in cellular immunity. Molecular medicine contri- butes to an improved understanding of a disease known for almost 100 years. Clinical studies will yield evidence-based therapeutic strategies.

Key words: Whipple`s disease, Tropheryma whipplei, polymerase chain reaction, diagnosis, therapy, T-cell immunodeficiency

1Bereich Gastroenterologie, Stiftung Deutsche Klinik für Diagnostik, Wiesbaden

2Innere Medizin I (Leiter: Prof. Dr. med. Gerhard E. Feur- le), DRK-Krankenhaus, Neuwied

Thomas Marth

1

Gerhard E. Feurle

2

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(Textkasten 3). Bei Patienten, die mit Antibiotika vorbehandelt sind, kann eine zerebrale Manifestation vorlie- gen, obwohl die Dünndarmbiopsie ne- gativ ist (2). Im Gehirn finden sich Tro- pheryma whipplei extrazellulär und phagozytiert von Gliazellen. Zerebra- le Defekte sind oft irreversibel und manchmal trotz Therapie progredient.

Der erste Schritt bei differenzial- diagnostischem Verdacht auf Morbus Whipple ist die Entnahme mehrerer Schleimhautbiopsien aus dem Duode- num während einer Ösophago-Ga- stro-Duodenoskopie. Zeigt sich hier in der Lamina propria der typische Be- fund multipler PAS-positiver Zellen (Abbildung a), sind weitere (kostspie- lige) Untersuchungen nicht notwen- dig. In Biopsien aus anderen Organen wie zum Beispiel Lymphknoten, Herz- klappen, Gelenkkapsel lassen sich ebenfalls PAS-positive Makrophagen finden, die definitive Diagnose ist hier jedoch schwieriger zu stellen. Im Zyto- zentrifugat des Liquor cerebrospinalis kann man mit geringer Sensitivität PAS-positive Makrophagen nachwei- sen.

Polymerasekettenreaktion

Besonders im Liquor, aber auch bei Organexzisaten, stützt sich heute die Diagnose für T. whipplei auch auf die Polymerasekettenreaktion (PCR) (9, 13): Die PCR für diesen Erreger wird von den verschiedenen Laboratorien mit unterschiedlicher Methodik (bei- spielsweise unterschiedliche Primer- paare, verschiedene Zykluszahlen, kon- ventionelle oder nested-PCR) durchge- führt.

Die von vielen Gruppen als not- wendig erachtete Sequenzierung der amplifizierten 16S-rRNA wird oft un- terlassen. Standards zur Durchfüh- rung der PCR sind derzeit wegen des Fehlens vergleichender Untersuchun- gen noch nicht etabliert. Unklar ist außerdem, ob einige publizierte PCR- Befunde bei Personen ohne Morbus Whipple (1) durch Spezifitätsproble- me der Methode entstanden sind oder der Erreger tatsächlich eine breite Umweltpräsenz aufweist. In Zweifels- fällen und auch als weiterer Parameter zur Verlaufskontrolle ist eine PCR-

Diagnostik aus dem Duodenum paral- lel zur histopathologischen Beurtei- lung sinnvoll. Im Liquor jedoch ist die PCR-Diagnostik wegen der dort nur selten nachweisbaren PAS-positiven Zel- len obligat. Bei der Diagnostik des Mor- bus Whipple aus Gewebe der Lymph- knoten, Synovialis oder Herzklappen gewebe kommt der PCR ebenso ein hoher Stellenwert zu. Eine positive PCR beweist zwar das Vorhandensein der DNA des Erregers, eine Krank- heitsdiagnose mit therapeutischer Kon- sequenz sollte man jedoch ohne klini-

sches Korrelat nicht stellen. Dement- sprechend scheint es – auch wenn die- se Ansicht nicht von allen Arbeits- gruppen geteilt wird – auf der Basis aktueller Berichte, „gesunde“ Träger und Ausscheider von T. whipplei zu ge- ben.

Der Kliniker ist also insgesamt gut beraten, sowohl ein positives als auch ein negatives PCR-Ergebnis nur im Zusammenhang mit klinischen und hi- stologischen Befunden zu bewerten und einen Experten zu Rate zu ziehen.

Grundsätzlich kann die PCR sowohl mit frischem als auch mit formalinfi- xiertem und eingebettetem Material durchgeführt werden. Ungeklärt ist derzeit noch die Validität des Nach- weises von T. whipplei im peripheren Blut mittels PCR.

Bakteriologie

Tropheryma whipplei sind stäbchen- förmige Bakterien von etwa 2 µm Län- ge. Elektronenoptisch weisen T. whip- plei eine ungewöhnliche, dreischichti- ge Zellmembran auf, wobei die inner- ste Schicht aus Polysacchariden be- steht und wahrscheinlich für die posi- tive PAS-Reaktion verantwortlich ist (Abbildung b, c).

Nach zahlreichen vergeblichen Ver- suchen wurden bei der ersten erfolg- reichen Kultur Interleukin-(IL)-4-de- aktivierte Makrophagen benutzt, in denen sich T. whipplei vermehrte (11), Subkulturen jedoch nicht möglich wa- ren. Raoult et al. (8) verwendeten eine humane Fibroblastenlinie, die mit T.

whipplei aus exzidierten Herzklappen inokuliert wurde.

Nach 285 Tagen Inkubationszeit wurden positive Zellkulturen erhal- ten. Die Verdopplungszeit von T. whip- plei wurde auf 18 Tage geschätzt (6 Ta- ge länger als die von Mycobacterium leprae). Die amplifizierte 16S-rRNA der Bakterien dieser Zellkultur war identisch mit der von T.-whipplei- Wildstämmen. Der Erreger ist nun mittels monoklonaler Antikörper im Duodenum und in zirkulierenden Mo- nozyten (Abbildung d) darstellbar ge- worden (4). In der Zellkultur ließen sich die Erreger überdies mit IgM-An- tikörpern anderer Patienten mit MW Wegweisende Symptome

>Chronisch entzündliches Syndrom im Labor mit beschleunigter Blutkörperchensenkungsge- schwindigkeit, hohem C-reaktivem Protein und Anämie

>Gewichtsverlust

>Chronische, seronegative Polyarthritis bis zur Notwendigkeit eines Gelenkersatzes

>Malabsorptionssyndrom

>Chronische, sonst nicht erklärbare Abdominal- schmerzen

>Anhaltendes und remittierendes Fieber

>Chronische Endokarditis mit Klappeninsuffizienz

>Zerebrale Symptomatik (siehe Textkasten 3)

>Uveitis Textkasten 1

Organbefall

>Infiltration der Dünndarmschleimhaut

>Vergrößerung mesenterialer und retroperito- nealer Lymphknoten

>Synovialitis

>Ankylosierende Spondylarthritis

>Encephalitis, Ependymitis mit Occlusionshydro- cephalus

>Endokarditis, besonders Aorteninsuffizienz

>Pleuritis, Perikarditis Textkasten 2

Zerebrale Manifestationen

>Anamnestische Syndrome

>Demenz

>Blicklähmung nach oben

>Myoklonus

>Tonisch klonische Anfälle

>Ataxie

>Entzündliche Veränderungen am Auge

>Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus Textkasten 3

(3)

anfärben (8). Weitere Ergebnisse wei- sen darauf hin, dass dreiviertel einer Gruppe Normalpersonen IgG-Anti- körper gegen T. whipplei zeigen (8).

Dieser Befund korreliert mit dem Konzept eines ubiquitären Erregers bei seltener individueller Suszeptibi- lität.

Bei Bestätigung lassen diese An- sätze auf Antikörper-basierende Dia- gnosemöglichkeiten, die genaue Cha- rakterisierung des Erregers und eine zukünftige Empfindlichkeitstestung gegenüber Antibiotika hoffen. Aller- dings handelt es sich derzeit um ex- perimentelle Verfahren einzelner La- boratorien, eine Routineanzucht oder eine Anzucht in axenischen (zellfrei- en) Nährmedien ist noch nicht mög- lich.

Die molekulare Charakterisierung zeigt, dass T. whipplei als grampositi- ves Bakterium mit hohem G- plus C- Gehalt phylogenetisch den Aktinomy- zeten zuzuordnen ist (9, 15). Die Be- zeichnung für den Erreger lautet in- zwischen „Tropheryma whipplei“

(nach Deposition eines T.-whipplei- Isolats vom Internationalen Komitee für Systematische Bakteriologie aner- kannt [La Scola et al., Int J Syst Evol Mic 2001; 51: 1471–1479]); damit wur- de der früher vorgeschlagene Name

„T. whippelii“ (9), der nicht den mi-

krobiologischen Nomenklaturregeln entsprach, offiziell ersetzt. Möglicher- weise gibt es mehrere Untertypen von T. whipplei, über deren biologische Unterschiede derzeit noch nichts be- kannt ist.

Immunpathogenese

Morbus Whipple ist eine seltene Er- krankung, genaue epidemiologische Zahlen, zum Beispiel zur Inzidenz, lie- gen aufgrund fehlender systematischer Untersuchungen nicht vor. Bekannt ist, dass Männer mittleren Alters sowie HLA-B27-positive Individuen prädis- poniert sind. Das Geschlechtsverhält- nis war bei älteren Serien Männer : Frauen circa 8 : 1, bei aktuellen Erhe-

bungen (laufende Studie zur Initialthe- rapie des Morbus Whipple [SIMW- Studie]) 3 : 1. Da außerdem der Mor- bus Whipple sporadisch auftritt und trotz längerer Antibiotikatherapie in einigen Fällen chronisch rezidivierend verläuft, wurden wirtsbezogene ätiolo- gische Kofaktoren vermutet, und tatsächlich finden sich Hinweise auf persistierende Defekte des zellulären Immunsystems (Tabelle). Dabei sind nach heutigem Erkenntnisstand so- wohl monozytäre Funktionen als auch T-Zellfunktionen gestört.

Neben einer verminderten Prolife- ration der T-Lymphozyten auf ver- schiedene Mitogene (beispielsweise ConA, PHA, anti-CD2) sind proli- ferationsinhibierende Serumfaktoren und Verschiebungen der T-Zell- und Lymphozytensubpopulationen bei Pa- tienten mit Morbus Whipple nachge- wiesen worden (6).

Neuere Studien zur Monozyten- funktion zeigen, dass bei Patienten mit Morbus Whipple im Vergleich zu Kon- trollpersonen eine reduzierte Produk- tion des monozytären IL-12 (p40 und p70), nicht jedoch anderer Monokine vorliegt (7). IL-12 nimmt eine Schlüs- selrolle in der Steuerung und Initia- tion der zellvermittelten Immunität ein, denn es bewirkt eine Promotion der Th1-Differenzierung, eine Verstär-

kung zytotoxischer Reaktionen sowie eine Steigerung der IFN-γ-Sekretion von T- und NK-Zellen, wodurch wie- derum verschiedene antimikrobielle Funktionen der phagozytischen Zel- len verstärkt werden.

Die Reduktion von IL-12 hat sich in einer noch unveröffentlichten Studie bei 20 Patienten mit Morbus Whipple verschiedener Krankheitsstadien be- stätigt (Marth et al.: Gastroenterology 2002, im Druck). Zusätzlich waren hier die Spiegel der Th1-Zytokine IL-2 und IFN reduziert, wohingegen das Th2-

a b c d

Abbildung: a) HE-gefärbter Schnitt durch eine plumpe Zotte der Duodenalschleimhaut eines Patienten mit Morbus Whipple. Die Lamina propria ist gefüllt mit großen Makrophagen, deren Zytoplasma schaumig aufgetrieben ist. Die Färbung bei dieser Darstellung ist bläulich, bei PAS- Färbung rot. Die typischen Makrophagen des Morbus Whipple sind auch ohne PAS-Färbung erkennbar. b) Elektronenoptische Aufnahme eines Makrophagen eines Patienten mit Morbus Whipple. Das Zytoplasma ist gefüllt von zahlreichen stäbchenförmigen Bakterien. c) Elektronen- optische Detailaufnahme von T. whipplei: Stäbchenförmige Bakterien mit dreischichtiger Zellmembran von etwa 2 µm Länge in diversen An- schnitten im Zytoplasma. d) Immunhistologische Darstellung von T. whipplei in zirkulierenden Monozyten mittels monoklonalen Antikörpern (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Prof. D. Raoult, Marseille).

(4)

Zytokin IL-4 im Vergleich zu Kon- trollpersonen signifikant vermehrt ex- primiert war. Eine verminderte Ex- pression von Zelladhäsionsmolekülen (CD11b,α-Kette des Komplementre- zeptors 3) könnte eine zusätzliche Rolle spielen, da dieses Molekül für die Initiierung einer zellulären Immun- antwort und IFN-γ-Sekretion mitver- antwortlich ist (6).

Als weitere Hinweise auf eine zel- luläre Immunfunktionsstörung wurde eine kutane Hypergie auf diverse Re- callantigene (6) sowie eine einge- schränkte Degradation der Bakterien in Makrophagen beschrieben. Viele dieser Befunde sind auch noch bei Pa- tienten in jahrelanger Remission nachweisbar, unklar ist jedoch, ob der Defekt genetisch determiniert ist. So- mit könnte eine Reduktion der Th1- assoziierten Zytokine und von IL-12 die verzögerte Elimination von T.

whipplei in Makrophagen wesentlich mitbedingen. Dementsprechend führ- te bei einem antibiotikarefraktären Patienten mit MW eine adjuvante Therapie mit rekombinantem IFN-γ zu einem guten klinischen Ansprechen und zur Eradikation des Erregers aus Duodenum und Liquor (10).

Zurzeit lässt sich die Hypothese vertreten, dass bei Morbus Whipple ein persistierender, umschriebener Defekt der zellulären Immunität vor- liegt. Dabei scheinen vorwiegend die Aktivierbarkeit von Makrophagen und T-Lymphozyten sowie deren In- teraktion betroffen zu sein, sodass durch eine Störung der Phagozytose eine verzögerte intrazelluläre Elimi- nation von Tropheryma whipplei re- sultiert und schließlich eine Invasion des Erregers von der Darmmukosa in periphere Organe erfolgen kann. Die- ser Defekt mag die Diskrepanz zwi- schen dem ubiquitären Vorkommen des Erregers und der Seltenheit der Erkrankung erklären. Unklar ist der- zeit noch, ob es asymptomatische Be- siedlungen mit Tropheryma whipplei tatsächlich gibt (1) und durch welche zusätzlichen Faktoren sie klinisch ma- nifest werden können. Ebenso bedarf es der Klärung, ob prädisponierende Immundefekte der Infektion mit Tro- pheryma whipplei tatsächlich voraus- gehen.

Therapie

Eine rechtzeitige und sachgemäße An- tibiotikatherapie bewirkt meist eine Ausheilung, unbehandelt führt die Krankheit langsam progredient zum Tode. Die Wahl der Antibiotika beruht auf empirischen und retrospektiven Studien, weil die Empfindlichkeit des verantwortlichen Bakteriums T. whip- plei auf Antibiotika noch nicht unter- sucht werden konnte. Da man nach Therapie mit Tetracyclinen schwere zerebrale Rezidive des Morbus Whip-

ple beobachtet hat (3), verabreicht man heute zunächst eine hochdosierte intravenöse Initialtherapie mit liquor- gängigen Antibiotika, gefolgt von ei- ner zwölfmonatigen oralen Dauerthe- rapie mit Cotrimoxazol. Allerdings ist weder die eine noch die andere Thera- pieform durch prospektive randomi- sierte Studien belegt.

Die Evaluation vorliegender Daten im nicht randomisierten Vergleich führte zu dem Ergebnis, dass eine Dau- erbehandlung mit oralem Cotrimoxa- zol wirkungsvoller ist als mit Tetracyc- linen (3).Allerdings sind auch unter re- gelmäßiger Gabe von Cotrimoxazol

zerebrale Manifestationen und nach zwölfmonatiger Gabe des Antibioti- kums auch extrazerebrale Rezidive be- obachtet worden (3).

Eine randomisiert kontrollierte Stu- die zur Initialtherapie des Morbus Whipple (SIMW-Studienleitung: Prof.

Dr. med. Gerhard E. Feurle) ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz begonnen worden. In dieser Studie werden in der Initialtherapie hochdosierte intravenöse Antibiotika- regime verglichen. Daran schließt sich eine zwölfmonatige Gabe von Cotri-

moxazol an. Wichtig ist hierbei, dass ein strukturierter Therapieplan und eine dreijährige Nachbeobachtungs- zeit eingehalten werden. Wegen der Seltenheit der Erkrankung muss ver- sucht werden, möglichst alle Patienten mit frisch diagnostiziertem und nicht vorbehandeltem Morbus Whipple in die Studie aufzunehmen. Bislang sind 29 Patienten randomisiert worden.

Einschlusskriterien sind der referenz- pathologisch gesicherte Nachweis ei- nes Morbus Whipple.

Das wichtigste Ausschlusskriterium ist eine länger als einen Monat durch- geführte antibiotische Therapie wegen

´ TabelleC ´

Beschriebene Immunalterationen bei Morbus Whipple

Immunkompartiment Alteration

Periphere T-Lymphozyten ↓T-Zellproliferation

↓Rosettierfähigkeit

↑Interleukin (IL)-4 Sekretion

↓Interferon (IFN)-γ(auch auf mukosaler Ebene)

↓IL-2 Produktion Monozyten/Makrophagen ↓Phagozytose

↓Degradationsfähigkeit

↓Komplementrezeptor 3 (CR3, CD11b)

↓IL-12 Produktion

↓IL-12 Expression auf mukosaler Ebene Humorale Immunität ↓IgG2

Serum ↓IL-12 p40

↓transforming growth factor (TGF)-β Inhibitorische Serumfaktoren Sonstiges ↓Kutane Reagibilität auf Recallantigene

, vermindert gegenüber Kontrollpersonen;↑, vermehrt gegenüber Kontrollpersonen

(5)

Morbus Whipple. Eine initiale Liquor- punktion und Untersuchung des Li- quors mittels PCR sind obligatorisch.

Immunologische Funktionsuntersu- chungen (Ansprechpartner: Priv.-Doz.

Dr. med. Thomas Marth) sind ebenso Teil der Studie. Wenn es gelingt die Therapiestudie erfolgreich abzuschlie- ßen, wird erstmals eine evidenz-basier- te Therapie möglich sein, auch wenn derzeit noch keine Suszeptibilitätsda- ten vorliegen.

Bei Patienten mit Rezidiven oder Antibiotika-resistenten Manifestatio- nen wird im Rahmen der Studie SRMW (Studie zur Rezidivtherapie des Morbus Whipple) unter immuno- logischem Monitoring eine experi- mentelle Therapie mit additivem In- terferon-γ durchgeführt.

Diese Therapiestudien sind Be- standteil eines in der Zwischenzeit an- gelaufenen, von der Europäischen Union geförderten Projektes an neun internationalen Institutionen zur Er- forschung verschiedener Aspekte des Morbus Whipple (Pathogenese, Dia- gnostik, Epidemiologie, Genetik). Die Europäische Daten- und Gewebebank für dieses Projekt hat ihren Sitz beim koordinierenden Institut in Wiesba- den (Informationen über den Koordi- nator Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Marth oder E-Mail: whipple@dkd- wiesbaden.de). Wünschenswert ist der Einschluss möglichst vieler Patienten in diese Studien.

Für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und wertvolle Hinweise möchten die Autoren sich bei Herrn Priv.-Doz. Dr. med. A. von Herbay, Pathologisches Insti- tut der Universität Heidelberg, der bei der SIMW Studie als Referenzpathologe fungiert (E-Mail: Axel_von_

Herbay@med.uni-heidelberg.de, www.whipplesdisease.

net), und bei Herrn Priv.-Doz. Dr. med. Dr. rer. nat. T.

Schneider, Medizinische Klinik I des Klinikums Benja- min Franklin, Berlin, herzlich bedanken.

Manuskript eingereicht: 12. 2. 2002; angenommen:

10. 9. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 3265–3271 [Heft 48]

Literatur

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SIMW-Studienleitung:

Prof. Dr. med. Gerhard E. Feurle DRK-Krankenhaus Neuwied 56564 Neuwied

Tel.: 0 26 31/98 14 01 Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Marth Bereich Gastroenterologie

Stiftung Deutsche Klinik für Diagnostik Aukammallee 33, 65191 Wiesbaden E-Mail: marth.gastro2@dkd-wiesbaden.de Weitere Informationen im Internet:

www.whippledisease.info

Viele Patienten mit kardiovaskulären oder zerebrovaskulären Erkrankun- gen stehen unter einer Dauermedika- tion mit niedrig dosiertem Aspirin, jedoch weisen nicht wenige Patienten ein erhöhtes Ulkusrisiko auf.

Die Autoren führten eine Studie mit 123 Patienten durch, die unter niedrig dosiertem Aspirin (weniger als 325 mg pro Tag) eine Ulkuskomplikation ent- wickelt hatten und die Helicobacter- pylori-positiv waren. Nach Abheilung der Ulzera und einer erfolgreichen Helicobacter-pylori-Sanierung erhiel- ten die Patienten entweder 30 mg Lan- soprazol täglich oder ein Placebo zu- sammen mit 100 mg Aspirin täglich für ein Jahr. Das Rezidivrisiko für eine Ulkuskomplikation lag in der Place- bogruppe bei 14,8 Prozent, in der Lansoprazol-Gruppe bei 1,6 Prozent.

Von den zehn Patienten mit Ulkus- komplikationen wiesen vier ein Rezi- div der Helicobacter-pylori-Infektion auf, zwei hatten nichtsteroidale Anti- rheumatika zusätzlich eingenommen.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei Patienten, die unter einer Langzeitmedikation mit Aspirin eine Ulkuskomplikation erlitten hat- ten, eine Magenschutztherapie mit 30 mg Lansoprazol günstiger abschneidet als eine alleinige Helicobacter-pylori- Eradikation (p = 0,008). w Lai KC, SK Lam, KM Chu et al.: Lansoprazole for the pre- vention of recurrences of ulcer complications from long-term low-dose aspirin use. N Engl J 2002; 346:

2033–2038.

Dr. K. C. Lai, Department of Medicine, Queen Mary Hos- pital, Pofulam, Hongkong, CHINA, E-Mail: kclai@hku.hk

Lansoprazol verhindert ASS-Ulzera

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