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Archiv "Operative Behandlung benigner intrakranieller Raumforderungen" (25.10.2002)

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ie WHO-Klassifikation der intra- kraniellen Tumoren (29) orien- tiert sich an ihrem histologischen Aufbau. Die Dignität oder biologische Wertigkeit eines Tumors wird nach der Menge der pathologischen Zellteilun- gen im Tumor bestimmt. Man unter- scheidet vier Grade. Die Grade 3 und 4 sind definitionsgemäß maligne.

Bei den benignen Tumoren (WHO Grad 1) findet sich eine geringe Zell- dichte mit gleichförmigen Zellen ohne atypische Mitosen und ohne Gefäß- wandproliferation.

Demgegenüber imponiert beim Grad 2 eine geringe bis mäßige Zell- dichte mit geringgradigen Unregelmä- ßigkeiten in Größe, Form und Chro- matingehalt der Kerne mit wenigen typischen Mitosen ohne Gefäßwand- proliferation (43). Auch wenn moder- ne bildgebende Verfahren wie CT, MRT, PET-SPECT inzwischen meist eine recht sichere Diagnose zulassen, wird häufig die weitere Behandlung von einer Biopsie beziehungsweise der histologischen Aufarbeitung eines

operativ entnommenen Resektates abhängig gemacht. In Einzelfällen wird wegen präoperativ bestehender Risikofaktoren (Multimorbidität, Ge- rinnungsstörung, schlechter Allge- meinzustand) eine Operation nicht in- frage kommen. Darüber hinaus kann die ungünstige Lage eines Tumors (zum Beispiel Meningeome des Sinus

cavernosus) einen operativen Eingriff verbieten.

Operationsziel sollte die kurative Behandlung mittels vollständiger Tu- morentfernung sein. Die Radikalität kann unter Umständen durch das Risi- ko einer Schädigung wichtiger Struk- turen, beispielsweise der Hirnnerven, eingeschränkt sein. Die Hautinzision sollte eine suffiziente Darstellung des relevanten Hirnareals ermöglichen, kosmetisch so gering beeinträchtigend wie möglich sein und die Blutversor- gung im gebildeten Hautlappen si- cherstellen. Ferner sollte die Ausdeh- nung des Knochendeckels sowie die Eröffnung luftgefüllter Sinus – wo sie nicht zwingend notwendig ist – ver- mieden werden.

Die Hautinzision sollte darüber hin- aus die Identifikation anatomischer

Operative Behandlung benigner intrakranieller Raumforderungen

Zusammenfassung

Insbesondere die Kombination moderner bild- gebender Verfahren mit der stetigen Weiter- entwicklung operativer Methoden und der Strahlentherapie hat zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse bei Patienten mit benignen Hirntumoren geführt. Für die mei- sten dieser Tumoren (Meningeome, Akustikus- neurinome und Hypophysenadenome) stellt die operative Resektion die initiale Therapie der Wahl dar, in wenigen Fällen ist eine indi- viduelle Therapieanpassung notwendig, ins- besondere wenn der klinische Zustand des Patienten (höheres Lebensalter, multiple Ko- morbiditäten) ein chirurgisches Vorgehen nicht zulassen. Die nichtoperative, strahlenthera- peutische Behandlung wird sowohl in Form der stereotaktischen Radiochirurgie als auch der konventionellen externen Bestrahlung und der Brachytherapie angewandt und wird insbeson- dere bei inoperablen beziehungsweise nicht vollständig resektablen Tumoren eingesetzt.

Schlüsselwörter: Neurochirurgie, Hirntumor, chirurgische Therapie, Strahlentherapie, Kern- spintomographie

Summary

Surgery for Benign Brain Tumours – a Positive Résumé

Modern imaging techniques as well as the constant progress in neurosurgical procedures and radiotherapy has improved the treatment of benign brain tumours. For most of these tumours (meningeoma, acoustic neuroma and pituitary adenoma) the surgical resection re- presents the initial therapy of choice. In some cases a therapy adjustment is necessary, in particular if the clinical status of the patient (higher age, multiple co-morbidities) does not permit a surgical procedure. Radiotherapy is applied in form of stereotactic radiosurgery, conventional external irradiation and brachy- therapy, and is used especially for inoperable or not completely removable tumours.

Key words: neurosurgery, brain tumour, surgery, radiation therapy, MR tomography

Klinik für Neurochirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. Hans Arnold), Universitätskliniken Lübeck

Ulrich Knopp Hans Arnold

´ Tabelle 1C´

Graduierung des Resektionsausmaßes bei Meningeomen nach Simpson

Grad Resektionsausmaß

1 Makroskopisch vollständige Resektion mit Exzision der duralen Anheftungsstelle und verändertem Knochen (ggf. einschließlich betroffenem Sinus durae matris)

2 Makroskopisch vollständige Resektion mit thermischer Koagulation der duralen Anheftungsstelle (Laser, bipolare Koagulation)

3 Makroskopisch vollständige Resektion ohne Resektion oder Koagulation der duralen Anheftungsstelle oder extraduraler Ausdehnung (z. B. hyperostotischer Knochen) 4 Partielle Resektion, Belassen von Tumorgewebe in situ

5 Einfache Dekompression (mit/ohne Biopsie)

(2)

Landmarken erlauben und nicht we- sentlich größer sein, als zur Entfernung des Tumors nötig ist. Der Ort der Kor- texinzision sowie des operativen Zu- gangsweges wird bestimmt durch die Lokalisation und die Ausdehnung des Tumors unter Berücksichtigung elo- quenter Areale, wichtiger Leitungs- bahnen sowie vaskulärer Strukturen und der Ventrikel.

Extrazerebrale

intrakranielle benigne Tumoren

Meningeome

Meningeome stellen 14,3 bis 19 Prozent der primären intrakraniellen Neoplasien dar. Das weibliche Ge- schlecht ist deutlich präva- lent. Die gutartigen und langsam wachsenden Me- ningeome sind meist sehr gut kurativ operabel. Die mikrochirurgische Resekti- on beginnt häufig mit der Aushöhlung des Tumors. Da- nach lassen sich die äuße- ren Tumoranteile vorsich- tig vom umgebenden Hirn wegziehen und mikrochir- urgisch trennen.

In der überwiegenden Zahl der Fäl- le ist es möglich, den duralen Ur- sprung des Tumors mit zu resezieren.

Die supraselektive präoperative Em- bolisation von Feedergefäßen hat sich bewährt (17). Die Radiotherapie von

Meningeomen ist aufgrund der ge- ringen mitotischen Aktivität der Tu- morzellen nur von mäßigem Erfolg (59), führt jedoch in einzelnen Fällen, insbesondere bei inoperablen Tumo- ren, zu einer Symptomlinderung. Bei kleinen, ungünstig gelegenen Tumo- ren sowie Tumorresten mit weniger als 3 cm Durchmesser bietet sich zudem die Möglichkeit der stereotaktische Radiochirurgie (Linearbeschleuniger mit Multi-Leaf-Kollimator, Gamma- Knife) an.

Die 5-Jahres-Überlebensrate von Meningeompatienten wird mit 91,3

Prozent angegeben, für die Wieder- auftretenswahrscheinlichkeit ist das Ausmaß der chirurgischen Tumorent- fernung der entscheidende Faktor.

Hierfür hat Simpson mit seinem Gra- duierungssystem (Tabelle 1)eine sinn-

volle Einteilung geschaffen (2, 53).

Die Wahrscheinlichkeit des Wieder- auftretens nach makroskopisch kom- pletter Tumorentfernung wird mit 11 bis 15 Prozent angegeben. Bei einer inkompletten Resektion erhöht sich dieser Wert auf bis zu 29 Prozent, verschiedene Studien geben in einer 5-Jahres-Periode eine Rate von 37 Prozent bis zu 85 Prozent an (51, 61, 37). Die malignen Meningeome rezidi- vieren im Gegensatz dazu innerhalb kurzer Zeit.

In einem hohen Prozentsatz (32 Pro- zent versus 60 Prozent) kann jedoch die

strahlentherapeutische Behandlung bei nicht vollständig resezierten Menin- geomen eine Größenprogredienz des Tumors im Vergleich zu nicht bestrahl- ten Tumoren verhindern oder aufhal- ten.

Abbildung 1: Koronare kontrastmittelverstärkte Kernspintomographie des Neurokraniums, T1-gewichtete Untersuchung: a) koronare Schnittführung, b) sagittale Schnittführung, intra- und suprasellär gelegene zystische Raumforderung mit ausgeprägter Verlagerung des Chiasma opticum nach apikal bei einem 59- jährigen Patienten mit bitemporalem Gesichtsfeldausfall, das Chiasma opticum ist langstreckig angehoben und komprimiert. Kernspintomographie, koronare Schnittführung: c) nach mikrochirurgischer Resektion mittels bifrontaler osteoplastischer Kraniotomie, das Chiasma opticum nun deutlich entlastet. Perime- trisch deutlich vergrößertes Gesichtsfeld. Histologisch hormoninaktives Hypophysenadenom.

a

a b c d

b c

Abbildung 2: Kontrastmittelverstärkte Kernspintomographie des Neurokraniums, T1-gewichtete Untersuchung: a) koronare Schnittführung, b) sagittale Schnittführung, ausgedehntes linksseitiges Keilbeinflügelmeningeom mit deutlichem perifokalem Ödem und Mittellinienverlage- rung bei einer 60-jährigen Patientin mit zunehmenden Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen und zweimaligem generalisiertem Krampf- anfall. Frühe postoperative Kernspintomographie nach Gabe von Kontrastmittel: c) koronare Schnittführung, d) sagittale Schnittführung.

Kein Tumorrest mehr erkennbar, rückläufiges Ödem, histologisch menigotheliomatöses Meningeom WHO Grad 1.

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Akustikusneurinome

In der Regel handelt es sich im eigentli- chen Sinne um Schwannome, die von dem vestibularen Anteil des 8. Hirnner- ven ausgehen. Die Bezeichnung Vesti- bularisschwannom ist daher für diese hi- stologisch benignen Tumoren am ehe- sten zutreffend. Mit einer jährlichen In- zidenz von 0,78 bis 1,15 Fällen pro 100 000 Einwohner stellen sie einen der häufigsten intrakraniellen Tumoren dar, typischerweise werden sie nach dem 30.

Lebensjahr symptomatisch. Wegen des gehäuften Auftretens von Vestibularis-

schwannomen im Rahmen der Neurofi- bromatose Typ 2 sollte jeder Patient, bei dem vor dem 40. Lebensjahr ein unilate- rales Vestibularisschwannom diagnosti- ziert wird, auf diese Krankheit hin un- tersucht werden.

Klinische Symptome sind ipsilate- rale Hörminderung, Tinnitus und Schwindel sowie Gleichgewichtsstö- rungen. Größere Tumoren können zu Facialisirritationen, Trigeminuskom- pression sowie Hirnstammkompres- sion führen (23).

Differenzialdiagnostisch kommen am ehesten Meningeome im Bereich

des Kleinhirnbrückenwinkels infrage, darüber hinaus sind Neurinome der benachbarten Hirnnerven, insbeson- dere Trigeminusneurinome in Be- tracht zu ziehen. Als Ausgangsbefund sind Audiometrie sowie Ton- und Sprachaudiographie und Nystagmo- graphie wichtig. Die Tumordiagnose erfolgt computertomographisch und kernspintomographisch. Das Kern- spintomogramm erfasst Vestibularis- schwannome mit einer Sensitivität von nahezu 98 Prozent, charakteristischer Befund ist ein runder oder ovaler, Kontrastmittel anreichernder Tumor,

´ Tabelle 2C´

Synopsis der Symptomatik und Therapie verschiedener benigner Raumforderungen des Kopfes

Art des Tumors Lokalisation Klinische Symptomatik Diagnostik Therapie Besonderheiten

Hämangioblastom Hintere Zeichen der Raumforderung MRT Chirurgisch 20 % der Hämangioblastome

Schädelgrube in der hinteren Schädelgrube zerebrale bei Hippel-Lindau-Erkrankung

(Kopfschmerzen, Übelkeit, Angiographie (36)

Erbrechen, Stauungspapille, (25) Gangstörungen)

Kolloidzysten 3. Ventrikel Hydrozephalus bei Blockade CT/MRT Endoskopisch

des Foramen Monroi, (22, 35) (34)

Kopfschmerzen, ggf. chirurgisch

Gangstörungen, (transkallosal,

mnestische Defizite transkortikal,

stereotaktisch) (31)

Ependymome Meist am Boden Zeichen der Raumforderung MRT Chirurgisch, Zu 70 % bei Kindern, mittleres des 4. Ventrikels in der hinteren Schädelgrube postoperative Erkrankungsalter 17,5 Jahre

(Kopfschmerzen, Übelkeit, Radiatio (54)

Erbrechen, Stauungspapille, (49) aus ependymalen Zellen der

Gangstörungen) zerebralen Ventrikel und des

Zentralkanals des Rückenmarks hervorgehend, Abtropfmetas- tasen in 11 % aller Patienten (38)

Tumoren des Kindesalter: Hydrocephalus occlusus: MRT Chirurgisch 70 % im 1. und 2. Lebensjahr,

Plexus Seitenventrikel Übelkeit, Erbrechen, histologisch meist gutartige

chorioideus Erwachsene: Kraniomegalie (6) Papillome, selten Plexus-

infratentoriell karzinome (56)

(16)

Epidermoide und Epidermoide: Lokalisationsabhängig MRT Chirurgisch Stets gutartig, aus verbliebenen

Dermoidtumoren, Kleinhirnbrücken- (21) Komponenten bestehend,

Teratome winkel, bei Epidermoiden selten Zysten-

4. Ventrikel, ruptur mit aseptischer

suprasellär Meningitis und Ependymitis (13)

(3, 5, 44) Dermoide:

mittelliniennah

(4)

meist im Bereich des Meatus acusticus internus gelegen. Therapeutisch ist für die meisten Tumoren die chirurgische Resektion die zu bevorzugende Be- handlungsoption.

Zur Wahl stehen verschiedene Zu- gangswege, einerseits der von HNO- Ärzten früher bevorzugte translaby- rinthäre Weg, insbesondere für primär intrakanalikulär gelegene Tumoren;

der Nachteil besteht im zugangsbe- dingten Hörverlust. Diese Komplikati- on entfällt beim transtemporalen Zu- gang des HNO-Chirurgen (58, 11).

Der von Neurochirurgen genutzte subokzipitale Zugang über die hintere Schädelgrube (60) ermöglicht – wie der transtemporale Zugang – am ehe- sten den Erhalt des Hörvermögens so- wie des Nervus facialis (19, 20). Dar- über hinaus sind eine Reihe von kom- binierten Zugängen, insbesondere für die Operation großer Tumoren, be- schrieben worden.

Die nichtoperative, strahlenthera- peutische Behandlung wurde sowohl in Form der stereotaktischen Radio- chirurgie als auch der konventionellen externen Bestrahlung genutzt (41).

Beide Verfahren wurden insbesondere bei älteren, multimorbiden Patienten angewendet, darüber hinaus kann eine Bestrahlung nach subtotaler chirurgi- scher Resektion notwendig sein (18, 42, 46). Die stereotaktische Radiochir- urgie ist eindeutig vorzuziehen, aller- dings ist eine spätere Ertaubung mög- lich. Für Patienten in schlechtem klini-

schen Zustand mit deutlich erhöhtem Operationsrisiko ist neben abwarten- dem Verhalten (4, 15) die Radiochirur- gie zu erwägen.

Die komplette chirurgische Entfer- nung ist in 97 bis 99 Prozent der Fälle möglich, in 4 bis 27 Prozent kommt es jedoch zu postoperativen Liquorfi- steln, in 5 Prozent zur Entwicklung ei- ner Meningitis. Die Mortalität wird insgesamt mit etwa 1 Prozent angege- ben. Der Erhalt des 7. Hirnnerven ist abhängig von der Größe des Tumors und wird in Studien von Zentren mit

großen Serien operierter Akustikus- neurinome in 60 bis 100 Prozent der Fälle erreicht (45).

Gehörerhaltende Operationen sind bei Tumoren unterhalb 1,5 cm Maxi- maldurchmesser in 35 bis 71 Prozent der behandelten Patienten möglich.

Hypophysenadenome

Die Adenome der Hypophyse sind Neubildungen des Hypophysenvor- derlappens (Adenohypophyse), wel- che etwa 10 Prozent der intrakraniel- len Tumoren ausmachen und meistens in der dritten und vierten Lebensde- kade auftreten.

Klinisch treten meist zunächst endokrinologische Auffälligkeiten in den Vordergrund (1), bei den endokri- nologisch inaktiven Hypophysentu- moren machen sich Zeichen der loka- len Raumforderung zuerst bemerk- bar. Die größte Gruppe der hormon-

aktiven Hypophysentumoren sind die Prolaktinome, deren klinische Zei- chen, Amenorrhö und Galaktorrhö bei Frauen, Impotenz bei Männern und Unfruchtbarkeit in beiden Ge- schlechtern meist zur weiteren Dia- gnostik führen. Die ACTH-produ- zierenden Tumoren (ACTH, adreno- kortikotropes Hormon) verursachen einen endogenen Hyperkortisolismus, dessen Ursache in 60 bis 80 Pro- zent ein Hypophysenadenom ist. Hier führt meist der pathologische Dexa- methason-Hemmtest in Verbindung

mit dem klassischen Symptombild aus Stammfettsucht, arteriellem Hyperto- nus, Striae, Hyperglykämie, Amenor- rhö, Osteoporose und Muskelatrophie zur Diagnose.

Die häufig nicht nennenswert raumfordernden, aber endokrin hoch- aktiven zum M. Cushing führenden Adenome lassen sich kernspintomo- graphisch mit hoher Sicherheit lokali- sieren. Die übermäßige Ausschüttung von Wachstumshormon (GH) durch einen hormonaktiven Hypophysentu- mor führt klassischerweise zur Akro- megalie, in präpubertalen Kindern vor dem Epiphysenschluss zum sehr selten auftretenden Gigantismus. Begleitend finden sich oft Hypertonus und Diabe- tes mellitus.

Die raumfordernden hormoninak- tiven Hypophysentumoren rufen häu- fig eine bitemporale Hemianopsie und Visusminderung durch Druck auf das Chiasma opticum hervor, bei Ein-

a b c d

Abbildung 3: 20-jähriger Mann mit erstmaligem generalisiertem Krampfanfall, kernspintomographische Darstellung eines insulären Tumors linksseitig, T1-gewichtete Untersuchung: a) koronare Schnittführung, b) axiale Schnittführung, 18 Monate nach OP mittels links temporaler Kraniotomie erneute Kernspintomographie: c) koronare Schnittführung, d) axiale Schnittführung, ohne Darstellung Kontrastmittel aufnehmen- der Tumorreste, liquorgefüllte, glatt begrenzte Resektionshöhle, kein Nachweis einer Schrankenstörung. Histologisch Astrozytom WHO Grad 2.

(5)

wachsen in den Sinus cavernosus auch Druck auf die Hirnnerven 3, 4 und 5 mit Ptosis, Doppelbildern und Neural- gien im Stirnbereich, seltener Okklusi- on des Sinus cavernosus mit Proptosis und Chemosis. Hormonstörungen im Sinne von Hypothyreoidismus, Hyp- adrenalismus und Hypogonadismus durch Kompression der tumorfreien Anteile der Adenohypophyse sind oft vorhanden, selten Diabetes insipidus sowie reaktive Hyperprolaktinämie.

Die endokrinologische und ophthal- mologische Evaluation wird neurora- diologisch ergänzt; hier ist die Kern- spintomographie die Methode der Wahl. Die Behandlung der Hypophy- sentumoren muss in enger Zusam- menarbeit zwischen Neurochirurgen und Endokrinologen erfolgen. Die medikamentöse Behandlung des Pro- laktinoms mittels Dopaminagonisten bei Patienten mit massiv erhöhten Prolaktinwerten (> 500 ng/ml) sollte angestrebt werden, sofern nicht deutli- che Gesichtsfeldausfälle und bedrohli- cher Visusverlust rasche operative Entlastung des Chiasma opticum er- fordern. Bewirken Dopaminagonisten keine Verkleinerung des Tumors und Normalisierung der Prolaktinwerte, ist die chirurgische Therapie indiziert.

Das STH-sezernierende Adenom (STH, somatotropes Hormon) kann versuchsweise mit lang wirkenden So- matostatinanaloga therapiert werden, dieses insbesondere bei Patienten mit Kontraindikation für eine operative Therapie, ansonsten stellt die chirurgi- sche Intervention die Therapie der Wahl dar. Dies gilt ebenfalls für ACTH-produzierende Tumoren. Eine medikamentöse Therapie für nicht operable Patienten kann mit Ketoco- nazol versucht werden, einem Hemm- stoff der adrenalen Steroidsynthese.

Indikationen zur chirurgischen The- rapie ergeben sich daher bei

>Prolaktinomen mit niedrigen Pro- laktinwerten sowie medikamentös nicht beherrschbarer Prolaktinämie,

>primärem Morbus Cushing,

>Akromegalie,

>Makroadenomen mit Raumforde- rung insbesondere gegen das Chiasma opticum,

> akuter schneller Visusminderung oder neurologischer Verschlechterung,

> zur Diagnosesicherung in fragli- chen Fällen.

Dem Neurochirurgen bieten sich zwei grundsätzliche Zugangsmöglich- keiten: Der transsphenoidale (trans- nasale) Zugang ist die Methode der Wahl (12, 14). Dieser extraarachnoida- le Zugang hinterlässt keine sichtbaren Narben und ist für den Patienten we- nig belastend. Tumoren mit großer su- prasellärer Ausdehnung, zum Beispiel in die mittlere Schädelgrube, werden transkraniell (zum Beispiel subfrontal oder pterional) operiert.

In etwa 85 Prozent der Mikro- adenome (Tumoren < 1 cm Durchmes- ser) mit dem klinischen Bild eines Morbus Cushing kann eine chirurgi- sche Heilung erreicht werden, bei größeren Tumoren etwas seltener, bei den Prolaktin sezernierenden Tumo- ren beträgt dieser Wert jedoch nur 25 Prozent (57). Bestehen als initiales Syndrom Sehstörungen, können diese durch die chirurgische Entlastung des Chiasma opticum in den meisten Fäl- len deutlich gebessert werden. Für die Behandlung von Tumorresten, beson- ders nach Rezidivoperationen, emp- fiehlt es sich, die Möglichkeiten der Radiochirurgie zu prüfen (7).

Kraniopharyngeome

Kraniopharyngeome entstehen aus Residuen der Rathke-Tasche meist am vorderen oberen Rand der Hypophyse und dem Hypophysenstiel in der Grenzzone zwischen Adeno- und Neu-

rohypophyse und haben häufig solide und zystische Komponenten. Sie un- terliegen keiner malignen Transforma- tion. Es gibt zwei Altersgipfel der Er- krankungshäufigkeit. Das mittlere Er- krankungsalter bei Kindern liegt zwi- schen dem fünften und dem zehnten Lebensjahr, bei Erwachsenen im sech- sten Dezennium. Die klinische Sym- ptomatik ähnelt den Raumforderun- gen der Hypophyse, die operative Re- sektion ist die Behandlungsmethode der Wahl.

In den meisten Serien wird eine Mortalität von fünf bis zehn Pro- zent angegeben, diese rührt meist von hypothalamischen Störungen her. Tu- morreste können radiochirurgisch be- handelt werden. Rezidivoperationen haben eine deutlich schlechtere Pro- gnose. Eine postoperative pluriglan- duläre Insuffizienz lässt sich nur selten vermeiden. Die 5-Jahres-Überlebens- rate liegt zwischen 55 und 85 Pro- zent (26).

Astrozytome

Astrozytome stellen mit 12 000 neuen Fällen pro Jahr in den Vereinigten Staaten die häufigsten primären in- traaxial gelegenen Hirntumoren dar (40). Die WHO-Klassifizierung ord- net allein die pilozytischen Astrozyto- me dem Grad 1 zu, die mehr typischen astrozytären Neubildungen werden in die Grade 2 bis 4 eingeteilt, wobei die Grade 3 und 4 (anaplastische Astrozy- tome oder Glioblastoma multiforme) als maligne Astrozytome bezeichnet werden (Tabelle 2) (9, 28).

Die pilozytischen Astrozytome des jüngeren Lebensalters haben insge- samt eine wesentlich bessere Prognose als die infiltrativen fibrillären und diffusen Astrozytome. Kernspintomo- graphisch imponieren diese meist als umschriebene, Kontrastmittel aufneh- mende Raumforderungen mit teilwei- se zystischer Formation. In der zwei- ten Lebensdekade finden sich zumeist pilozytische, überwiegend zystische Astrozytome des Kleinhirns (8), mit den typischen Zeichen der Raumfor- derung in der hinteren Schädelgrube (Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbre- chen, Stauungspapillen, Gangunsi- cherheit). Die chirurgische Exzision

´ Tabelle 3C´

Vergleich der WHO-Klassifikation mit der Kernohan-Graduierung astrozytä- rer Tumoren

Kernohan- WHO-Klassifikation Grad

Pilozytisches Astrozytom Grad 1 1 Niedergradiges

2 Astrozytom Grad 2 3 Anaplastisches

Astrozytom Grad 3

4 Glioblastoma multiforme Grad 4

(6)

ist die bevorzugte Behandlung, eine Radiatio empfiehlt sich nur im Fall ei- nes nicht resektablen Rezidivs sowie bei Malignisierung. In allen Fällen ist eine regelmäßige, am besten kern- spintomographische Verlaufsuntersu- chung, verbindlich.

Bei den so genannten Optikusglio- men handelt es sich ebenfalls meist um pilozytische Astrozytome, welche sich im Verlauf des N. opticus, des Chias- mas sowie des Tractus opticus und an- grenzender Strukturen manifestieren.

Die schmerzfreie Proptosis sowie un- spezifische Sehstörungen und Ge- sichtsfeldausfälle führen häufig zu weiterer Diagnostik, seltener stehen hypothalamische und hypophysäre Ausfälle im Vordergrund der klini- schen Symptomatik. Abhängig von der Ausdehnung ist die chirurgische Re- sektion indiziert, in einigen Fällen ist eine Bestrahlung notwendig.

Die niedergradigen (Grad 2), meist fibrillären oder gemistozytären Astro- zytome, haben einen Altersgipfel in der Mitte der vierten Lebensdekade, das klinisch führende Erstsymptom ist meist ein symptomatischer Anfall.

Es findet sich eine Prädilektion für den Temporallappen, den posterioren Frontallappen und den anterioren Pa- rietallappen. Die Tumoren zeigen niedrige Grade der Zellularität und enthalten auch normale Hirnelemen- te. Kalzifikationen sind selten, Ana- plasie und Mitosen finden sich nicht.

Die Hauptursache der hohen Morbi- dität bei Patienten mit niedergradigen Gliomen ist die Dedifferenzierung zu

einem erhöhten Malignitätsgrad (24).

Niedergradige fibrilläre Astrozytome neigen bei Patienten, die bei Diagno- sestellung älter als 45 Jahre sind, zu ei- ner rapiden Entdifferenzierung (39).

Diagnostisch ist auch hier die Kern- spintomographie die Methode der Wahl, charakteristisch für niedergra- dige Gliome sind deren abnormes Sig- nalverhalten und fehlende Kontrast- mittelanreicherung (30). Bezüglich der Behandlung niedergradiger Astro- zytome konnte bisher keine Studie ei- ne Überlegenheit eines Behandlungs- verfahrens nachweisen. Zur Verfü- gung stehen neben der chirurgischen Tumorresektion (32) verschiedene Formen der Strahlentherapie (27, 48, 52) sowie abwartendes, beobachten- des Verhalten (10, 50).

Die meist infiltrativ wachsenden Tumoren sind oft nicht vollständig re- sektabel. Daher wird häufig eine Biop- sie oder Teilresektion zur Diagnosesi- cherung durchgeführt, des Weiteren stellt sich die Indikation zur chirurgi- schen Intervention bei sekundären Tu- morfolgen wie drohender Herniation oder Liquorzirkulationsstörungen.

Gelegentlich kann eine Resektion ei- ne symptomatischer Epilepsie beseiti- gen oder lindern (55). Das vitale Risi- ko der Operation liegt heute bei unter zwei Prozent.

Ob die chirurgische Tumorresekti- on die Zeit bis zum Tumorprogress, die Inzidenz der Malignisierung oder die Überlebenszeit verlängert, ist gegen- wärtig Gegenstand kontroverser Dis- kussionen und hängt natürlich auch

von Sitz, Ausdehnung und Resektabi- lität des Tumors ab (47, 55). Auch die Frage, ob eine Bestrahlung die Über- lebenszeit nach inkompletter Resekti- on verlängern kann, ist gegenwärtig ungeklärt (33, 52). Eine Übersicht über weitere, eher seltene gutartige Hirntumoren wird in Tabelle 2 gege- ben.

Für die freundliche Überlassung der Aufnahmen danken wir Herrn Prof. Dr. D. Petersen, Leiter des Schwerpunktes Neuroradiologie des Instituts für Radiologie des Univer- sitätsklinikums Lübeck.

Manuskript eingereicht: 23. 10. 2001, revidierte Fassung angenommen: 4. 7. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2854–2860 [Heft 43]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Hans Arnold Klinik für Neurochirurgie Universitätskliniken Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck

E-Mail: arnold@medinf.mu-luebeck.de

a b c d

Abbildung 4: 25-jährige Patientin mit progredienten rechts-frontalen Kopfschmerzen und Antriebsminderung. Kernspintomographische Darstellung eines ausgedehnten rechts-frontal gelegenen Tumors mit Kompression des Seitenventrikels und Mittellinienverlagerung, T1-gewichtete Untersuchung nach Kontrastmittelgabe: a, b) ausgedehntes perifokales Ödem, c, d) Verlaufsuntersuchung sechs Monate nach operativer Entfernung eines Ependymoms WHO Grad 2 mittels osteoplastischer fronto-temporaler Kraniotomie und strahlentherapeutischer Nachbehandlung ohne Nachweis von Rest- oder Rezidivtumorgewebe.

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