80 WALDBERICHT 2005
4.3 Naturnähe
Auch stark vom Menschen genutzte Wälder kön- nen dem Naturzustand nahekommen, wenn sie aus standortsheimischen Baumarten bestehen.
In vielen Wirtschaftswäldern sind die sehr jungen und alten Entwicklungsphasen des Waldes unter- vertreten, die für die Artenvielfalt besonders wichtig sind.
Rund 13 Prozent der Schweizer Waldfläche wur- den in den letzten 50 Jahren nicht mehr bewirt- schaftet. So verwildern sie und entwickeln sich langsam zu sogenannten Naturwäldern.
Im Mittelland hat der Anteil der naturnahen Laub- wälder von 22 auf 25 Prozent zugenommen. Der Anteil der Fichtenwälder liegt derzeit bei 11 Pro- zent.
Naturwald
Naturwälder entstehen, wenn Wälder mit naturnahem Baum- bestandnicht mehrbewirtschaf- tet werden.Diesist heute in vie- len Schweizer Wäldern der Fall.
Auf 13 Prozent der Schweizer Waldfläche hat in den letzten 50 Jahren oder noch länger nie- mand mehr waldbaulich einge- griffen. Und der Anteil dieser Flächen nimmt weiter zu.So ent- stehen immer mehrNaturwälder, die alle Phasen der natürlichen Waldentwicklung durchlaufen, alsoauf natürlicheWeisealtern.
Bestände aus sehr alten Bäu- men findet man fast nur in Na- turwäldern,während dieBäume in wirtschaftlich genutzten Wäl- dern meist nur etwa die Hälf- te ihres natürlichen Alters er- reichen. Rund ein Viertel der Waldbestände sind heute älter als120Jahre.Inden meisten eu- ropäischen Ländern beträgt der entsprechendeAnteilkaum fünf, selten zehnProzent.
Naturnähe wird aber nicht nur von der Forstwirtschaft be- einflusst.AuchdieNähederZivi- lisation und dieDichtederWald- wege und Waldstrassen spielen eine Rolle. Fussgänger und Jog- gerscheuchen empfindlicheTie- reauf,wie zumBeispieldasAu- erhuhn. Für solche Tiere sind die Lebensräume rar geworden, denn nur21Prozent derSchwei- zer Waldfläche liegen weiter als 500Meter von einerStrasse ent- fernt.Immerhin liegen1300Qua- dratkilometerWaldweiterals500 Meter von der nächsten Strasse entfernt undwurdenseit über50 Jahren nicht mehr genutzt.Diese Wälderdürfenals ungestört und
«der Natur überlassen» gelten.
SiesindindenAlpen,hauptsäch- lich in höherenLagen imTessin und im Nationalpark in Grau- bünden zu finden.
Die Naturnähe eines Wald- ökosystems spiegelt sich un- ter anderem in der Zusammen- setzung der Baumarten. Nach WEITERE INFORMATIONEN
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL 8903 Birmensdorf
Landesforstinventar
Forschungsbereich Landschaft Abteilung Landschaftsinventuren 044 / 739 23 43
81 4 BIOLOGISCHE VIELFALT
LFIweisen rund 58Prozent der Schweizer Wälder eine naturna- he Baumartenmischung auf. 19 Prozent sind naturnahe Laub- wälder und 39 Prozent naturna- heNadelwälder.41Prozent aber sind ehemalige Laubwälder, die heute einen unnatürlich hohen Anteil vonNadelbäumenaufwei- sen.Erfreulich ist,dassdieLaub- bäume dank Windwürfen und vermehrt naturnaher Waldwirt- schaft ihreStandorte langsam zu- rückerhalten: Zwischen1985 und 1995 stieg imMitteland der An- teil naturnaher Laubwälder von 22auf25 Prozent.Dennoch do- minieren auch dort Nadelbäu- me rund60Prozent derWaldflä- che:Auf rund11Prozent (25000 Hektaren)desehemaligenLaub- waldgebietes im Mittelland ste- hen heute reine Fichtenforste – Wälder mit einem Fichtenanteil vonüber90Prozent.Diese unna- türlichenWälderbergenökologi- sche und ökonomische Risiken:
Siekönnen demBodenschaden und beherbergen oft nur weni- geArten.Zudemsindsieanfällig auf Sturmschäden und Borken- käferbefall.
Urwald
Im Gegensatz zu Naturwäldern, die irgendwann in ihrer Ge- schichte einmal bewirtschaftet wurden,bliebenUrwälderseit je- her unberührt.Solche ursprüng- lichen Ökosysteme sind in ganz Europa auf winzige Flächen ge- schrumpft.Auch inderSchweiz bedecken die offiziell anerkann- tenUrwälder insgesamt nur rund 100Hektaren und damit 0,01Pro- zent derWaldfläche.Sie liegen in Derborence(VS),Scatlé(GR) und aufderBödmeren(SZ).
Entgegen einer landläufi- gen Ansicht leben in europäi- schenUrwäldern nicht mehrAr- tenalsindenKulturwäldern.Im Gegenteil:DerEinflussdesMen- schen im Kulturwald erhöht oft diestrukturelleVielfalt undsorgt sodafür,dasseinMosaik von ver- schiedenen Lebensräumen ent- steht.Dieswirkt sich günstigauf dieArtenzahl aus(> 4.1a Baum- artenvielfalt). Natürlichkeit be- ziehungsweisedieNaturnähe ei- nesWaldökosystemsist also nicht gleichbedeutendmit grosserbio- logischerVielfalt. Dennoch sind dieübrig gebliebenenUrwaldres- te wichtig, denn ihre ursprüng- liche Struktur und Artenvielfalt sind für die Forschung wertvoll und bieten eindrücklicheNatur- erlebnisse.
Die Naturnähe eines Waldökosystems ist nicht gleichbedeutend mit grosser biolo- gischer Vielfalt. Dennoch sind die übrig gebliebenen Urwaldreste wichtig.
4.3.1
Waldfläche ohne forstliche Eingriffe
Anteilder Waldfläche, die in denletzten50Jahrenfreivon forstlichen Eingriffen blieb.
Schweiz:13%
■bis 1%
■2–10 %
■11–20 %
■21–30 %
■über 30% 4
0,4 1,1
1 6
5
10 12
20 12
18
26
41 6
4.3.2
Naturwald
Der Sihlwaldim Kanton Zürich soll sichwiederineinen Naturwald verwandeln.