Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 42|
19. Oktober 2012 A 2087STUDIEN IM FOKUS
Zum Therapiestandard beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom gehören heute eine präoperative Ra- diochemotherapie mit 5-Fluoroura- cil (5-FU), eine totale mesorektale Exzision und eine adjuvante 5-FU- Chemotherapie. Weil Fernmetasta- sen nach wie vor der Hauptgrund für ein Versagen der Therapie sind, tes- teten mehrere deutsche onkologi- sche Studiengruppen in einer indus- trieunabhängigen Studie nun die Er- gänzung der Chemo(radio)therapie durch Oxaliplatin. 1 265 Patienten mit Rektumkarzinomen des Stadi- ums T3–4 und/oder mit nodaler Be- teiligung wurden randomisiert: Die Kontrollgruppe erhielt präoperativ zwei fünftä gige Zyklen mit 5-FU- Infusionen (1 000 mg/m2 und Tag) und eine Bestrahlung mit 50,4 Gy, wurde operiert und bekam dann vier Zyklen Bolus-5-FU (500 mg/m2). In der experimentellen Gruppe wurde das präoperative 5-FU zweimal 14 Tage lang als Infusion mit 250 mg/m2 und Tag gegeben und um
wöchentlich 50 mg/m2 Oxaliplatin ergänzt; postoperativ wur den acht Zyklen mit Oxaliplatin (100 mg/m2), Folat 400 mg/m2 (beides jeweils an den Tagen 1 und 15) und 5-FU-Infu- sionen (2 400 mg/m2 an den Tagen 1–2 und 15–16) ge geben. Zum pri- mären Endpunkt krankheitsfreies Überleben gibt es noch keine Daten, aber bei den Komplettremissionen ist die Oxaliplatin-Gruppe mit 17 % der Kontrollgruppe mit 13 % signifi- kant überlegen (Odds Ratio 1,40;
95-%-Konfidenzintervall 1,02–1,92;
p = 0,038). Es traten unwesentlich mehr Grad-3/4-Toxizitäten auf (23 % vs. 20 %), lediglich Grad- 3/4-Diarrhöen (12 % vs. 8 %) und Übelkeit und/oder Erbrechen vom Grad 3/4 (4 % vs. 1 %) waren mit Oxaliplatin häufiger. In diesem Arm konnten 85 % der Patienten die volle Chemotherapiedosis und 94 % die volle Strahlendosis erhalten; im Kontrollarm 79 % und 96 %; 81 % bzw. 83 % beendeten alle Therapie- zyklen.
Fazit: Die Zugabe von Oxaliplatin zur präoperativen Radiochemo- und zur adjuvanten Chemotherapie des regional begrenzten Rektum- karzinoms ist ohne wesentliche Steigerung schwerer Toxizitäten möglich und führt bei mehr Patienten zu pathologischen Kom - plettremissionen. In einem beglei- tenden Editorial wird vor allem die strikte Qualitätskontrolle des chirurgischen Eingriffs positiv erwähnt. Die Oxaliplatin-5-FU- Kombination könnte zum neuen Standard in diesem klinischen Kon- text werden, sagte Prof. Dr. med.
Jürgen Dunst, Lübeck, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie. Ob sie allerdings Fernmetastasen wirksamer verhin- dere und dadurch langfristig das Therapie ergebnis verbessere, müs- se sich noch in den Ergebnissen zum krankheitsfreien Überleben zeigen. Josef Gulden Rödel C, et al.: Preoperative chemoradio - therapy and postoperative chemotherapy with fluorouracil and oxaliplatin versus fluorouracil alone in locally advanced rectal cancer: Initial results of the German CAO/ARO/AIO-04 randomized phase 3 trial. Lancet Oncol 2012;
13: 679–87.
REKTUMKARZINOM
Oxaliplatin präoperativ verbessert das Ansprechen
Der Gleichgewichtssinn ist auf In- formationen der Augen zur Position des Körpers im Raum angewiesen.
Es kann deshalb zu Gleichge- wichtsstörungen kommen, wenn die Linsentrübung bei der Katarakt Sehschärfe und Tiefenwahrneh- mung einschränkt. Häufige Folge sind Stürze – im Alter eine wichtige Ursache für Hüftfrakturen.
In einer retrospektiven Studie wurde untersucht, ob die Implanta- tion einer künstlichen Augenlinse mit einer verminderten Rate von Hüftfrakturen einhergeht. Die Ko- horte umfasste eine Stichprobe von 1 113 640 Medicare-Versicherten (≥ 65 Jahre) in den USA, bei denen
zwischen 2002 und 2009 eine Kata- rakt diagnostiziert wurde. Bei 36,9 % von ihnen wurde die Kata- rakt operiert. In dieser Gruppe war die Rate von Hüftfrakturen im ers- ten Jahr nach OP um 16 % reduziert (Odds Ratio [OR] 0,84), wenn mögliche Confounder wie Alter und Komorbidität berücksichtigt wur- den. Da Hüftfrakturen insgesamt selten waren, lag die absolute Risi- koreduktion nur bei etwa 0,20 %.
Das ergibt eine Number Needed to Treat von circa 500 Patienten, die operiert werden müssten, um eine Hüftfraktur zu verhindern.
Die protektive Wirkung steigt mit dem Ausmaß der Sehstörung:
Bei einer schweren Katarakt (ante- riore und posteriore subkapsuläre Katarakt, totale oder reife/überreife Katarakt) sinkt das Risiko einer Hüftfraktur im ersten Jahr nach der Operation um relativ 23 % (OR 0,77).
Die protektive Wirkung nahm mit Alter und Komorbidität zu.
Fazit: Eine rechtzeitige Katarakt- chirurgie kann ältere Menschen vor Stürzen und Frakturen schützen.
Die American Academy of Oph- thalmology weist darauf hin, dass es keine Altersgrenze für die Opera- tion gebe: Sie könne auch bei Hochbetagten sinnvoll sein.
Rüdiger Meyer
Tseng VL, Fei Y, Lum F, Coleman, AL: Risk of Fractures Following Cataract Surgery in Medi- care Beneficiaries: JAMA 2012; 308:
493–501.
OPHTHALMOLOGIE