Die selektive Blockade ei- nes wichtigen DNS-Enzyms – der Topoisomerase I – mit To- potecan kann die Therapie von Ovarialkarzinomen und des kleinzelligen Bronchial- karzinoms (SCLC) optimie- ren. Das Enzym Topoisomea- se I ist erforderlich für die Re- plikation der DNS, die Tran- skription, die Reparatur von DNS-Schäden und die Gen- expression. Wird das Enzym gehemmt, geht die proliferie- rende Krebszelle zugrunde.
Das Chemotherapeuti- kum Topotecan ist ein Alka- loid aus dem in China vor- kommenden Baum Campto- theca acuminata. Die anti- neoplastische Wirkung der Camptothecine wurde vom amerikanischen National Cancer Institute (NCI) be- reits in den 60er Jahren ent- deckt und erforscht. Wegen toxischer Begleiterscheinun- gen brach man damals erste klinische Studien ab. Erst die Optimierung der Galenik und Herstellung eines was- serlöslichen, semisyntheti- schen Camptothecin-Analo- gons führte zu einer im Ver- gleich zur Muttersubstanz ungleich wirksameren, aber auch verträglicheren und gut steuerbaren Substanz.
Die antineoplastische Wirkung von Topotecan konnte bisher für verschiede- ne Tumoren gesichert wer- den, die meisten klinischen Daten und praktischen Er- fahrungen liegen allerdings für das Ovarialkarzinom und das kleinzellige Bronchial- karzinom (SCLC) vor, beton- te Professor Christian Mane- gold (Thorax-Klinik Heidel- berg) auf einem von Smith- Kline Beecham Pharma aus- gerichteten Symposium wäh- rend des 22. Deutschen Krebskongresses in Berlin.
Ein Überblick über bis- lang durchgeführte klinische
Studien zeige, so Manegold, daß Topotecan sowohl bei vorbehandelten, chemothe- rapiesensiblen, als auch re- fraktären SCLC zu Respon- seraten um 40 Prozent führe.
Beim chemotherapiesensi- blen SCLC kam es dabei in 15 Prozent zu einer kompletten, in 18 Prozent zu einer partiel- len Remission, bei therapie- refraktären Tumoren immer- hin noch in drei Prozent zu ei- ner kompletten Remission.
„Mit Topotecan steht daher ein wirksames Chemothera- peutikum in der so wichtigen Second-line-Therapie des kleinzelligen Bronchialkarzi- noms zur Verfügung“, erklär- te Manegold.
Responseraten
Von klinischer Bedeutung ist darüber hinaus die Li- quorgängigkeit der Substanz und damit das Ansprechen zerebraler Metastasen. Eine Responserate von 40 Prozent konnte auch Dr. Joan H.
Schiller (University of Wis- consin Comprehensive Can- cer Center) bei einer Phase- II-Studie objektivieren, bei der 48 Patienten mit ausge- dehntem SCLC Topotecan als First-Line-Therapeuti- kum erhielten. Anschließend wurden die Patienten mit Etoposid – einem Topoiso- merase-II-Inhibitor – plus Cisplatin weiterbehandelt.
Um einer Myelosuppression entgegenzuwirken, erhielten 35 der 48 Patienten neben To- potecan zusätzlich den Wachstumsfaktor G-CSF.
Wie die Expertin weiter ausführte, betrug die Re- sponsedauer im Mittel 4,8 Monate, die Ein-Jahres- Überlebensrate lag bei 39 Prozent. Allerdings, so Schil- ler, seien weitere Studien not- wendig, um den optimalen A-1784 (56) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 26, 28. Juni 1996
Onkologische Therapie mit Topotecan
Angriff auf ein
DNS-Schlüsselenzym
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Kombinationspartner für To- potecan zu finden.
Mittlerweile liegen die Ergebnisse mehrerer Phase- II-Studien vor, in denen die Effizienz von Topotecan bei Platin- und auch bei Platin- plus-Paclitaxel-vorbehandel- ten Patientinnen mit Ovarial- karzinom überprüft wurde.
Topotecan wurde dabei als Second- und Third-line-The- rapeutikum gegeben. Die
vorläufigen Ergebnisse einer Vergleichsstudie gegen Pacli- taxel ergaben bei derzeit 65 auswertbaren Patienten eine Ansprechrate auf Topotecan von 29 Prozent. Eine kumula- tive Toxizität wurde auch hier bisher nicht beobachtet, das Ausmaß der nicht hämatolo- gischen Toxizität war mil- de. Am häufigsten wurden Alopezie und Nausea beob- achtet. Alexander Wehr
A-1785 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 26, 28. Juni 1996 (57)
Zur Behandlung von HIV- infizierten Patienten, für die AZT nicht oder nicht mehr geeignet ist, hat die Euro- päische Kommission den Re- verse-Transkriptase-Hemmer Stavudin (Zerit®, d4T) der Firma Bristol-Myers Squibb zugelassen. Bis das Medika- ment in Deutschland regulär vom Arzt verschrieben wer- den kann, können Patienten es in einem gesetzlich vorge- schriebenen Sonderverfahren erhalten.
In klinischen Studien ist ein therapeutischer Vorteil von Stavudin gegenüber AZT nachgewiesen worden. In die Bewertung eingeschlossen sind die klinischen Endpunk- te Überlebenszeit und AIDS- definierendes Ereignis, AIDS-Demenz sowie immu- nologische und virale Para- meter. Von den antiretrovira- len Mitteln hat Stavudin die am längsten anhaltende Wir- kung sowohl auf die Virusbe- ladung als auch auf die immu- nologischen Parameter.
In der Prophylaxe der HIV-assoziierten Enzepha- lopathie scheint Stavudin ebenfalls wirksam zu sein. In der BMS-019-Studie traten in der mit Zerit® behandelten Gruppe keine Fälle von AIDS-Demenz auf. In der AZT-Gruppe wurden vier Fälle gezählt. Bei der Be- handlung mit Stavudin traten
bislang nur selten Resisten- zen auf (bei AZT europaweit 15 Prozent). Die Verträglich- keit des antiviralen Wirk- stoffs wurde an rund 13 000 Patienten getestet.
Seine hauptsächliche Ne- benwirkung, periphere Neu- ropathien, tritt selten auf und ist in der Regel nach Unter- brechung der Behandlung re- versibel. Die Patienten kön- nen anschließend meist mit niedrigen Dosen weiterbe- handelt werden.
Zur Zeit läuft ein Studien- programm, um die Rolle von Stavudin in der Kombinati- onstherapie mit anderen Nu- kleosidanaloga zu bestätigen.
Ebenfalls geprüft wird die Zugabe eines Protease-Inhi- bitors zur Kombinationsbe- handlung auf der Basis von Zerit®. Studien zur Präventi- on der HIV-Übertragung von der Mutter auf das ungebore- ne Kind sind geplant. Die Pla- zentagängigkeit von Stavudin beträgt rund 50 Prozent der Plasmakonzentration.
Zerit®ist nach Videx®das zweite Virostatikum von Bri- stol-Myers Squibb. Videx® (Didanosin, ddI) ist zur Be- handlung der fortgeschritte- nen HIV-Infektion zugelas- sen. Ergebnisse der Studie AI 460-001 belegen, daß die Kombination von Zerit®und Videx®die Virusbeladung im Plasma wirksam reduziert. HK
Stavudin
Zur HIV-Therapie bei Versagen von AZT
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