Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 6|
8. Februar 2013 A 195D
erzeit kreisen die Debatten in Zusammenhang mit ärztlichem Fehlverhalten, das Patienten ohne regelkonforme Indikation auf die Warteliste brachte oder sie dort nach vorn rücken ließ, um die Konsequen- zen für Deutschland. Befürchtet wird zum Beispiel ein weiterer Rückgang der Organspende. Wie aber wirken Regelverstöße auf die Mitglieder von Eurotransplant (ET)? Dort werden postmortale Organe zwischen euro- päischen Ländern inklusive Deutschland nach festen Regeln vermittelt.„Die internationale Kooperation wird angesichts der vermuteten Manipulationen in Deutschland von den an- deren ET-Ländern sehr genau beobachtet“, sagte Dr.
med. Axel Rahmel, Medizinischer Direktor von ET, dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). Bei einer außerordentlichen Sitzung des ET-Vorstands nach Bekanntwerden erster Fälle im Sommer 2012 hätten die nationalen Fachgesell- schaften ihre Besorgnis ausgedrückt und umfassende Aufklärung verlangt, bestätigte Prof. Dr. Erich Pohanka aus Linz, der die österreichische Fachgesellschaft vertrat, dem DÄ. Die Zusammenarbeit im Eurotransplantver- bund stehe aber für seine Fachgesellschaft nicht infrage.
Nach den zuletzt vom Universitätsklinikum Leipzig bekanntgewordenen Regelverstößen hatten sich die Niederlande und Belgien bei ET erkundigt, ob einer ihrer Patienten dadurch unmittelbar benachteiligt wurde. Dies sei nicht der Fall gewesen, sagt Rahmel. Die Elemente des gegenseitigen Vertrauens und der Solidarität aber würden durch die Vorwürfe unzweifelhaft erschüttert.
Im Bereich der Transplantationsmedizin ist die deut- sche Fachgesellschaft in ganz besonderer Weise gefor- dert, auf das Einhalten von Regeln zu drängen und Fehlverhalten vorzubeugen, auch um internationale Kooperationen nicht zu gefährden. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) wirkt nicht nur wie andere Fachgesellschaften in Forschung und Lehre hin - ein. Sie hat in der Transplantationsmedizin eine be- sondere Stellung als zentrales, fachliches Bindeglied zwischen der Spende, Verteilung und Implantation von Organen, den Säulen der Transplantationsmedizin, de-
ren Ausführung der Gesetzgeber wegen möglicher Inter - essenkonflikte voneinander getrennt hat. So hat die DTG Vertreter im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Organtransplantation, die die postmortale Organspende koordiniert. Die DTG ist in der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer ver- treten, die Richtlinien zur Organtransplantation erstellt, und sie entsendet Repräsentanten in Gremien von ET.
Auch der Arzt, der jetzt als Schlüsselfigur für die vielen Verstöße an den Universitätskliniken Regensburg und Göttingen gilt, war zwischen 2005 und 2011 Delegier- ter bei ET für die Leberprogramme der beiden Zentren.
Als im Jahr 2006 ein Verstoß dieses Arztes gegen das Transplantationsgesetz allen Verantwortlichen bekannt- gemacht wurde, gab es keine Sanktionen: weder von- seiten der DTG noch berufs- oder strafrechtliche, auch kein Bußgeld. Ein solches Signal hätte präventiv wir- ken können. Inzwischen ruht die DTG-Mitgliedschaft.
„Es hat in der Vergangenheit offensichtlich Ver- säumnisse im Umgang mit Fehlverhalten gegeben“, sagte der Generalsekretär der DTG, Prof. Dr. med.
Bernhard Banas vom Universitätsklinikum Regensburg, zum DÄ. „Inzwischen aber hat die Fachgesellschaft deutlich gemacht, dass bei gravierendem Fehlverhalten kein Platz in der DTG ist und die Berufsausübung in diesem Bereich der Medizin untersagt werden sollte.“
REGELVERSTÖSSE IN DER TRANSPLANTATIONSMEDIZIN
Die Fachgesellschaft ist gefordert
Nicola Siegmund-Schultze
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze Medizinjournalistin in Köln