A 1356 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 27–28|
8. Juli 2013TRANSPLANTATIONSMEDIZIN
Weitere Gesetzesänderungen stehen an
Um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen, soll die Regierung einen
neuen Gesetzentwurf vorlegen, der die Schaffung eines Transplantationsregisters zum Ziel hat.
Die Grundstruktur des Transplantationswesens soll indes nicht umgekrempelt werden.
E
ine weitere Novelle des Transplantationsgesetzes wird in der nächsten Legislaturperiode kommen: Kurz vor der Sommer- pause beschäftigte sich der Deut- sche Bundestag zum wiederholten Mal mit dem System der Organ - transplantation in Deutschland. Am 27. Juni nahm er (ohne Gegen - stimme!) eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses an, die sich eindeutig für einen fraktions- übergreifenden Antrag (17/13897) ausspricht.Darin fordern die Abgeordneten aller Fraktionen die Regierung auf, einen weiteren Entwurf eines Trans - plantationsgesetzes vorzulegen. Mit diesem sollen weitere Konsequen- zen aus den Manipulationen an Pa- tientendaten in Transplantationskli- niken gezogen werden. Vor allem soll eine „einheitliche und umfas- sende Datenerhebung im gesamten Prozessablauf der Transplantations- medizin“ – also ein nationales Transplantationsregister – geschaf- fen werden, um die Entscheidungen bei der Vermittlung von Organen auf eine fundiertere Daten basis als bisher zu stellen.
Konsens für ein nationales Transplantationsregister
Ferner soll die Regierung die einge- leitete Umstruktu rierung der Deut- schen Stiftung Organtransplantati- on (DSO) eng begleiten. Zudem fordern die Parlamentarier den Ge- meinsamen Bundesausschuss auf, die Qualitätssicherung in der Trans- plantationsmedizin weiterzuentwi- ckeln. Eurotransplant soll jährlich einen Bericht über die Vermitt- lungsentscheidungen veröffentlichen und die Länder sollen die Anzahl der Zentren prüfen.Einem nationalen Transplantati- onsregister, dessen Etablierung ge- rade von Fachgutachtern im Auf-
trag des Bundesgesundheitsminis- teriums geprüft wird, ist man somit ein ganzes Stück näher. Deshalb nannte selbst Die Linke, die ebenso wie Bündnis 90/Die Grünen neben der interfraktionellen Entschließung noch eigene Anträge aufrechter- hielt, den gemeinsamen Antrag ei- nen „guten Abschluss der Legis - latur“. Die Maßnahmen, die das Parlament bereits am 14. Juni ge- koppelt an ein anderes Gesetz - gebungsverfahren verabschiedet hat - te – unter anderem die Richtlinien der Bundesärztekammer unter den Genehmigungsvorbehalt des Bun- desgesundheitsministeriums zu stel- len und einen Straftatbestand für die Manipulation von Patientendaten zu schaf fen – seien „folgerichtig“.
Dass die Anträge von Linksfrak- tion und Grünen, die jeweils für eine öffentlich-rechtliche Struktur des Transplantationswesens in Deutsch - land plädiert hatten, keine Mehrheit im Parlament finden würden, hatte sich im Vorfeld mehrfach abge- zeichnet – zuletzt deutlich bei der Öffentlichen Anhörung des Ge- sundheitsausschusses am 24. Juni.
Union, FDP und SPD signalisier- ten, dass sie an der derzeitigen Struktur der Transplantationsmedi- zin mit der DSO als zentraler Koor- dinierungsstelle festhalten wollen.
Auch viele Experten hatten sich gegen ein völliges Umkrempeln des Systems ausgesprochen. „Das Sys- tem der Organspende und Trans- plantation in Deutschland hat sich grundsätzlich bewährt“, bekräftigte der Präsident der Bundesärztekam- mer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery. Auch bei den bereits gezogenen Konsequenzen aus dem Transplantationsskandal vom letz- ten Sommer habe die Selbstverwal- tung gezeigt, dass sie funktioniere und fristgerecht alle Auflagen er- füllt habe.
Dr. Rainer Hess, hauptamtlicher Vorstand der DSO, verwies zudem auf die Umstrukturierung der DSO seit Beginn dieses Jahres: „Durch den neuen Stiftungsrat sind Bund und Länder unmittelbar in alle Geschehnisse einbezogen.“ Zudem unterliege der Vertrag, auf dessen Basis die DSO tätig werde, der Kontrolle des Bundesgesundheits- ministeriums. „Ich weiß nicht, wie da noch etwas aus dem Ruder lau- fen soll“, sagte Hess.
Zunächst umstritten: DSO als zentrale Koordinierungsstelle
Anderer Ansicht war da die Deut- sche Stiftung Patientenschutz. Sie forderte in der Anhörung, dass der Staat die Kriterien zur Wartelisten- führung, Todesfeststellung und Al- lokation selbst festlegen solle. Auch Koordination, Verteilung und Auf- sicht in der Transplantationsmedi- zin seien in staatliche Hände zu le- gen. „Wir brauchen einen großen Wurf“, sagte Christine Eberle von der Stiftung. Dabei plädierte sie für die Etablierung eines staatlichen In- stituts für die Organtransplantation, ähnlich dem Robert-Koch-Institut.Mehr Konsens herrscht bezüg- lich des geplanten Transplantati- onsregisters. Prof. Dr. med. Axel Rahmel, medizinischer Direktor von Eurotransplant, betonte, dass die notwendigen Daten schon zum großen Teil vorlägen. Wenn man Verteilungs-, Spender- und Emp- fängerdaten zusammenführe, werde es schnell erste Ergebnisse geben.
Hess glaubt zudem, dass dann die Qualität der einzelnen Zentren er- kennbar sei. Für Montgomery stellt ein Transplantationsregister „viel mehr als nur Qualitätssicherung“
dar. Die Daten könnten auch für die Erstellung der Allokationsrichtlini-
en nützlich sein.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann