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Archiv "Angehörige in der Transplantationsmedizin: Sie verloren einen Menschen" (04.04.2014)

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A 584 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 14

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4. April 2014 wertung einbezogen sein sollten, um

Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Ziel ist es, die Sicherheit für Arzt und Patient weiter zu verbessern.

Gerechtigkeitsfragen werden bleiben. Wie sollen Erfolgschance gegen Dringlichkeit, Zweckmäßig- keit gegen Angemessenheit abgewo- gen werden oder – unter dem Aspekt der Solidarität – die Gemeinschaft potenzieller Organempfänger im Verhältnis zur Spendergemeinschaft definiert werden? Eine frühere, in den ET-Regularien vermerkte Selbstverpflichtung der Zentren, nicht mehr als fünf Prozent der im Vorjahr verpflanzten postmortalen Organe Patienten aus Nicht-ET-Mit- gliedsländern zu transplantieren, ge- be es nicht mehr, berichtet Rahmel.

Die zuständigen nationalen Behör- den erhalten eine Übersicht über solche Transplantationen, und sie werden künftig im Jahresbericht von ET zentrumsspezifisch ausgewiesen.

Durch Diskussionen wie diese, aber auch als Folge politischer Ent- scheidungen, hat sich die Richtlini- enarbeit der Ständigen Kommission Organtransplantation (StäKo) bei der BÄK deutlich intensiviert. Die Fachöffentlichkeit wird nun stärker als vor Novellierung des TPG an der Erstellung oder Änderung von Richtlinien beteiligt. Die entspre- chenden Entwürfe werden auf der Homepage der BÄK veröffentlicht, Änderungen eingearbeitet, erneut beraten und dann erst verabschie- det. Mit diesem Procedere sollen auch die bestehenden Richtlinien überarbeitet werden.

Außerdem stehen die Richtlinien seit der Gesetzesnovellierung unter einem Genehmigungsvorbehalt durch das BMG. Diese neue Rege- lung hat nicht nur für die Arbeit der StäKo Bedeutung, sondern wirkt in fast alle Strukturen der Transplanta- tionsmedizin hinein: Transplanta - tionszentren, Organentnahmekran- kenhäuser, Krankenkassen, ET oder die DSO. Die Verbindlichkeit hat sich damit noch einmal erhöht. Weil zugleich Kontrollstrukturen ge- stärkt wurden und Regelverstöße Sanktionen nach sich ziehen kön- nen, kann weiterer Bedarf für die Konkretisierung von Regeln oder für ihre Interpretation entstehen.

So wird zum Beispiel über die Frage diskutiert, welche Formen der Dialyse bei Leberkranken mit zusätzlichen Nierenproblemen als allokationsrelevante Nierenersatz- therapie gelten können.

Verschiedene Interpretationen des Begriffs „Dialyse“

Gibt ein Zentrum gegenüber ET

„Nierenersatzverfahren“ bei Patien- ten auf der Warteliste für eine Leber an, wird eine höhere Dringlichkeit vermutet, und die Chance für die Zu- teilung einer Leber erhöht sich. „Das angewandte Dialyseverfahren muss aus renalen Gründen indiziert und effektiv genug sein, um den terminal Nierenkranken am Leben zu erhal- ten: Es muss genug Volumen, Elek- trolyte, Toxine und Säureäquivalente entziehen“, erläutert Prof. Dr. med.

Bernhard Banas vom Universitäts- klinikum Regensburg, president elect der DTG. Die DTG sei sich mit den Nephrologen einig, dass Albu- min-Dialysesysteme wie MARS® keine der Hämodialyse äquivalenten Nierenersatzeffekte habe und anders als vereinzelt postuliert in diesem Kontext nicht mit Dialyse gleichge- setzt werden könne.

Eine weitere aktuelle Diskussion:

Worüber sollten Empfänger post- mortaler Organe optimalerweise in- formiert sein? „Die Aufklärung zur Transplantation sollte umfassend und ausführlich sein“, sagt Nashan.

Die DTG erwäge, organbezogen Aufklärungsbögen zu erarbeiten, die die Ärzte dabei unterstützen könn- ten. Für die Lebendorganspende wird bei der BÄK eine Richtlinie er- arbeitet. Die StäKO war gesetzlich früher für die Lebendorganspende nicht zuständig. Die Öffentlichkeit ist inzwischen in allen für die Trans- plantationsmedizin wesentlichen Strukturen und Gremien vertreten:

Repräsentanten von Bund und Län- dern sitzen in der StäKo und auch im Stiftungsrat der DSO. „Mit die- sen Strukturveränderungen wurden Trans parenz, eine kontinuierliche Überprüfung der Funktionen und die Grundlage für eine gute Weiterent- wicklung der Transplantationsmedi- zin verbessert“, sagt Rahmel.

Gisela Klinkhammer, Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

S

ätze wie „Ich könnte mein Kind nicht zerstückeln las- sen“ hat Conny Copitzky häufiger hören müssen. 1997 verlor sie ihren damals 26-jährigen Sohn bei einem Unfall und gab seine Organe zur Spende frei. „Solche Aussagen ver- letzen und erzeugen Schuldgefühle und Unsicherheit“, sagt sie. Dabei war auch ihr Leben abrupt zusam- mengebrochen: „Ich willigte in die Organspende ein, weil ich wollte, dass etwas von meinem Sohn blieb, und ich handelte in seinem ange- nommenen Interesse.“

Die Organe sind etwas Heiliges für die Angehörigen

Ihre eigenen Gefühle und ihre Trau- er blieben jedoch damals auf der Strecke: „Ich wusste zunächst nicht, ob die Organe meines Kindes geholfen haben“, berichtet sie.

Trauer sei in den 90er Jahren noch nicht thematisiert worden. „Trans- plantationsmediziner haben eher ei- ne Beziehung zu den potenziellen

Lange wurden sie unter- schätzt: Die Emotionen von

Angehörigen, die akut um einen Menschen trauern und eine Organspende befürworten, sind vielfältig.

Gespräche, Dankesschrei- ben und Angehörigen treffen

können helfen.

Park des Hoffens, des Erinnerns und des Dankens in Halle (Saale) – ein Symbol für die vielen anonymen Organspender

P O L I T I K

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4. April 2014 A 585 Ansicht lehnen viele eine Organ-

spende nicht prinzipiell ab, sondern nur, weil sie momentan überfordert sind und nicht falsch entscheiden wollen.

Um Ärztinnen und Ärzte besser auf die Gespräche mit den Angehö- rigen vorzubereiten und sie für de- ren Gefühle zu sensibilisieren, hält die DSO-Koordinatorin regelmäßig Seminare ab. Dabei verweist sie auch auf die Möglichkeit, im An- schluss an die Organspende über die Transplantationsergebnisse von der DSO in einem Brief informiert zu werden. Was viele nicht wissen:

Auch nach einer Spende können sich Angehörige wieder an die DSO wenden und an Angehörigentreffen teilnehmen. Dort können sich Fa-

milien von Organspendern unter psychologischer Begleitung über ihre Gefühle austauschen. „Würdi- gung und Dank für die Organspen- de hilft vielen Angehörigen, aus ih- rer Anonymität herauszutreten und ermutigt sie, selbstbewusst zu ihrer Entscheidung zu stehen“, erklärt Blaes-Eise. Sie ist überzeugt: Eine gute Angehörigenbetreuung kann die Organspendebereitschaft in Deutschland positiv beeinflussen.

Angehörige suchen auch nach der Spende Austausch

Das erste Angehörigentreffen in Deutschland fand 1999 in der DSO- Region Nord statt. „Der Aufbau ei- nes kompletten Netzwerkes mit der Selbsthilfe, Psychologen und Seel- sorgern wird sicher noch Jahre dau- ern“, meint Dr. med. Christa Wachsmuth, Geschäftsführende Ärztin der DSO-Region Ost. Ein guter Anfang sei jedoch gemacht:

Angehörigentreffen bieten mittler- weile fast alle DSO-Regionen an.

Einzigartig ist bislang noch der Park des Hoffens, des Erinnerns und des Dankens unter Schirmherr- schaft der Stadt Halle (Saale). „Da- mit können wir dem Wunsch von

vielen Angehörigen entsprechen, die zur Erinnerung an die Verstor- benen einen Baum pflanzen möch- ten“, erklärt Wachsmuth die Initia - tive des Vereins zur Förderung der Organspende.

Wie wichtig der Kontakt zu den Angehörigen nach der Spende ist, zeigt auch eine Angehörigenbefra- gung der DSO-Region Mitte von 2000 bis 2012. Sie beleuchtet die Situation und die Bedürfnisse der Spenderfamilien während der Akut- situation der Spende sowie Jahre danach. Dabei zeigt sich eine hohe Stabilität der Entscheidung zur Or- ganspende bei den befragten 496 Angehörigen: 90 Prozent würden sich erneut für die Organspende entscheiden. Lediglich ein Prozent würde im Nachhinein eine Spende nicht zulassen.

Im Zusammenhang mit der Be- fragung verweist Blaes-Eise auf die akute Schocksituation der Angehö- rigen: Nur etwa die Hälfte hatte die Frage nach einer Organspende er- wartet. Jeder Zehnte hatte sie je- doch sogar als schockierend emp- funden. „Das darf nicht sein“, meint die DSO-Koordinatorin. „In diesen Fällen müssen Fehler bei der Ge- sprächsführung aufgetreten sein.“

Zeitnot scheint dabei nicht das Hauptproblem zu sein: 91 Prozent der Familien fühlten sich bei ihrer Entscheidung vom medizinischen Personal nicht unter Druck gesetzt.

„Allerdings wurde nur der Hälfte der Angehörigen angeboten, sich vom Verstorbenen nach der Organ- entnahme zu verabschieden“, be- dauert Blaes-Eise. „Diese Gelegen- heit sollte ihnen gemäß Transplan- tationsgesetz angeboten werden.“

In der Praxis scheitere dies leider oftmals noch an kleinen Dingen, wie an einem fehlendem Raum oder fehlendem Personal zur Begleitung.

„Dabei stellt die Abschiednahme für die Trauernden eine doppelte Chance dar: Nach der gefühlsmäßig oftmals verwirrenden Erfahrung auf der Intensivstation, wo Kreis- lauf und Atmung des Verstorbenen apparativ aufrecht erhalten werden, bekommen Angehörige auf diesem Wege emotionale Gewissheit, dass der Tod eingetreten ist.“

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Empfängern, zu ihren Patienten. Ih-

nen muss jedoch bewusst sein, dass die Organe etwas Heiliges für die Angehörigen sind.“

Erst viel später erfuhr Copitzky durch die Deutsche Stiftung Organ- transplantation (DSO), dass die Or- gane ihres Sohnes vier Menschen geholfen hatten. Sie lernte, ihre Trauer zuzulassen und gründete in der DSO-Region Ost den Verein zur Förderung der Organspende e. V.

„Der Fall von Frau Copitzky ist ein gutes Beispiel für die Situation vieler Angehöriger“, erklärt Anne- Bärbel Blaes-Eise, DSO-Koordina- torin der Region Mitte, dem Deut- schen Ärzteblatt. „Viele sind zu- nächst von der Wucht der Nachricht über den Tod eines geliebten Men- schen überwältigt. Sie brauchen Zeit.“ Darauf müssten sich auch die Ärzte im Krankenhaus beim Ange- hörigengespräch einstellen. Häu- figste Fehler seien die Wahl eines falschen Zeitpunkts (zu früh), eines falschen Ortes (zwischen Tür und Angel) sowie zu wenig Einfüh- lungsvermögen und unnötiger Zeit- druck. „Die Angehörigen müssen das Tempo vorgeben“, ist Blaes- Eise überzeugt. Denn nach ihrer

ANGEHÖRIGE IN DER TRANSPLANTATIONSMEDIZIN

Sie verloren einen Menschen

Foto: DSO

P O L I T I K

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