A 1524 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 31–32|
6. August 2012 Die zwangsweise Unterbringung psychisch Kranker ist erlaubt, die Be- handlung nicht. Das kritisieren Psychia- ter und Psychothe- rapeuten.Foto: Your Photo Today
Foto: dpa
Zahl der Woche
54 200
Jugendliche haben im Herbst 2010 eine Ausbildung in einem Pflegeberuf begonnen. Gegenüber dem Jahr 2000 ist das ein Anstieg von 32 Prozent.
Quelle: Statistisches BundesamtPsychisch Kranke, die unter Be- treuung stehen, dürfen nicht mehr gegen ihren Willen behandelt wer- den. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Danach kann ein gesetzlicher Betreuer auch dann keine medikamentöse Therapie er- zwingen, wenn der Betroffene be- reits gegen seinen Willen in einer geschlossenen Abteilung unterge- bracht ist. Der BGH gab seine bis- herige Rechtsprechung auf, nach der ein Betreuer die Behandlung durchsetzen konnte (Az.: XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12).
Nach Schätzungen der Deut- schen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheil- kunde (DGPPN) sind etwa 45 000 Patientinnen und Patienten pro Jahr von dem Urteil betroffen. Es han- delt sich um psychisch Kranke, die nach Betreuungsrecht gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Ab- teilung untergebracht werden. „Bei ihnen wird unsere Arbeit durch das Urteil erheblich erschwert“, kriti- sierte DGPPN-Präsident Prof. Dr.
med. Peter Falkai. Die Verunsiche- rung unter den Psychiatern sei groß, aber auch das Unverständnis.
„Der BGH sagt: Ihr dürft die Leute zwar unterbringen, aber ihr dürft sie nicht behandeln“, erklärte Fal- PSYCHIATRIE
Zwangsbehandlung bei Betreuten unzulässig
kai. Die Patienten, die unter Be- treuung stünden, seien oft chro- nisch psychisch krank. Wenn diese mit einer akuten Verschlechterung kämen, brauchten sie schnell Hilfe.
Der Arzt dürfe aber kein Neurolep- tikum verabreichen, wenn der Pa- tient das ablehne. Falkai forderte eine schnelle, praxisnahe gesetzli-
che Regelung. BH
Anfang August sind Änderungen des Transplantationsgesetzes in Kraft getreten, die im Zusammenhang mit der Umsetzung einer EU-Richt- linie zur Qualität und Sicherheit menschlicher Organe verabschie-
det worden sind. Au- ßerdem hat Bun- TRANSPLANTATIONSGESETZ
Ein Teil der Änderungen ist schon in Kraft
despräsident Joachim Gauck jene Änderungen des Transplantations- gesetzes unterzeichnet, mit denen die Entscheidungslösung eingeführt wird. Diese Gesetzesnovelle wird am 1. November in Kraft treten.
Mit der Änderung werden künftig alle Bürger regelmäßig aufgefor- dert, sich mit der Organspende zu befassen und ihren Willen zu doku- mentieren (DÄ, Heft 25/2012). Un- ter anderem müssen die Kranken- kassen ihren Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, Unterlagen über die Organ- und Gewebespende beim Ausstellen der elektronischen Gesundheitskarte zu-
kommen lassen und sie um eine Er- klärung zur Spende bitten. Auch sol- len die Kassen „fachlich qualifizier- te Ansprechpartner“ benennen.
„Ziel des Gesetzes ist es, die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland zu fördern“, heißt es im neuen Artikel 1. Angehörige sol- len von der schwierigen Frage nach einer postmortalen Organspende entlastet werden. Auch müsse über das Verhältnis einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende zur Pa- tientenverfügung informiert wer- den. Denn die Hirntoddiagnostik erfordert die Fortsetzung intensiv- medizinischer Maßnahmen. nsi Die Bereitschaft
zur Organspende zu fördern, ist Ziel der Gesetzesnovelle.