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Archiv "KONTRA: Studien zur Therapie der Hypertonie - Was sollen wir glauben?" (25.07.2003)

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ACE-Hemmern, Kalziumantagonisten, AT1-Blockern und fixen Kombinatio- nen durch Chlorthalidon oder ein noch preisgünstigeres Thiaziddiuretikum. Das geschätzte Einsparpotenzial bei Ersatz von 70 Prozent der Tagesdosen von ACE-Hemmern (mittlere Tageskosten:

0,37 Euro) durch Chlorthalidon (Ta- geskosten: 0,19 Euro) betrug 14 Mil- lionen Euro.

Da Tracer auf der Grundlage von ATC-Codes nicht 100 Prozent valide sind, ACE-Hemmer auch aufgrund von Begleitkrankheiten (chronische Herzinsuffizienz nach Herzinfarkt oder koronarer Herzkrankheit oder Dia- betes) verordnet werden, oder eine Umstellung auf Diuretika wegen Inter- aktionen, Unverträglichkeit, Therapie- versagen nicht indiziert sein kann, wur- de für 30 Prozent der Versicherten angenommen, dass eine Substitution durch ein Diuretikum nicht durchge- führt würde.

Das geschätzte Einsparpotenzial bei Ersatz von 70 Prozent der Tagesdosen von Kalziumantagonisten (mittlere Ta- geskosten: 0,47 Euro) durch Chlorthali- don betrug 17 Millionen Euro. Auch hier wurde für 30 Prozent der Patienten angenommen, dass individuelle, medizi- nische Gründe gegen einen Ersatz spre- chen konnten. Das zusätzliche ge- schätzte Einsparpotenzial bei Ersatz von 90 Prozent der Tagesdosen von AT1-Blockern (mittlere Tageskosten:

0,85 Euro) durch Chlorthalidon betrug 19 Millionen Euro. Wäre der Ersatz durch ein Thiaziddiuretikum mit mittle- ren Tageskosten von 0,10 Euro erfolgt, ergäbe sich sogar ein Gesamteinsparpo- tenzial in Höhe von 66 Millionen Euro gegenüber 50 Millionen Euro bei Ver- wendung von Chlorthalidon.

Nicht nur die Autoren von ALLHAT, sondern auch die neue Hypertonie-Leit- linie der amerikanischen Hochdruckliga (JNC), die Diuretika eindeutig als erste Wahl definiert, gehen von einer Gleich- wertigkeit der Thiazide aus. Ebenso wie in ALLHAT hat sich eine Überlegen- heit von ACE-Hemmern gegenüber Diuretika bei der Initialbehandlung auch in der Second Australian National Blood Pressure Study-(ANBP2-)Studie nicht finden lassen (kein signifikanter Unterschied bei den primären End- punkten).

Die Aussagekraft dieser offenen, deutlich kleineren Studie erscheint frag- lich, da die angeblichen Vorteile von ACE-Hemmern nur durch Auswahl von einigen Daten aus einer Vielzahl se- kundärer Endpunkte und nachträglich definierter Analysen gefolgert werden.

Auch wurde diese Studie vom Enala- pril-Anbieter Merck US mitfinanziert.

Die Behauptung, dass die ANBP2- Studie ALLHAT widerlege und einen Vorteil von ACE-Hemmern gegenüber Diuretika belege, ist weder methodisch noch wissenschaftlich haltbar. Die Um- stellung der überwiegenden Zahl der dafür geeigneten Patienten von ACE- Hemmern, AT1-Blockern und Kal- zium-Antagonisten auf Diuretika in der Monotherapie würde die Barmer Er- satzkasse um etwa 80 Millionen Euro pro Jahr entlasten.

Eine solche Umstellung ist auch dann ein Qualitätsgewinn, wenn die Diuretika in der Monotherapie teureren Arznei- mitteln nicht überlegen sind, obwohl die ALLHAT-Studie zumindest Hinweise auf eine solche Überlegenheit gibt. Mit den eingesparten Ressourcen könnte die Unterversorgung in der Hochdruckbe- handlung abgebaut werden. Effizienz muss daher als Teil der Qualität der Ver- sorgung gesehen werden.

Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl. W. Lauterbach, Dr. med. Evelyn Plamper Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. Dr. Karl W. Lauterbach Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln Gleueler Straße 176–178

50935 Köln

Die Studie ist im Internet unter www.aerzteblatt.de/

plus3003 verfügbar.

P O L I T I K

A

A1992 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003

Priv.-Doz. Dr. Weck

Studien zur Therapie der Hypertonie:

Was sollen wir glauben?

Unter der Überschrift „Treating Hy- pertension – What are we to believe?

stellt Edward D. Frohlich – einer der führenden US-Hypertensiologen – die Fakten von ALLHAT und der „Second Australian National Blood Pressure Study“ (ANBP2) zusammen. Dieser Artikel (New England Journal of Med- icine, 13. Februar 2003) ist ein Lehr- stück, wie ehrlich mit der Analyse von Studiendaten im Sinne der evidenzba- sierten Medizin umgegangen werden muss.

Sind die Daten valide?

Von Wing et al. (3) werden die Daten der ANBP2 berichtet. Verglichen wer- den die Effekte von ACE-Hemmern und Diuretika hinsichtlich kardiovasku- lärer Ereignisse bei älteren hypertensi- ven Patienten. Die ANBP2 schloss 6 083 Patienten ein, die von 1 594 Hausärzten im Median über 4,1 Jahre nachbeobach- tet wurden. Anzahl der Patienten, De- sign und Durchführung der Studie wa- ren zuverlässig, allerdings widerspre- chen die Resultate denen der ALLHAT-

Studie (4).ALLHAT belegt den Wert ei- ner antihypertensiven Therapie mit dem besonders lang wirksamen und damit vermutlich Compliance-fördernden und preiswerten Thiaziddiuretikum Chlortha- lidon an über 42 000 über 55-jährigen Patienten aus den USA und Kanada.

ALLHAT und ANBP2 sind hinsichtlich der Basisdaten prinzipiell vergleichbar.

Aber die ANBP2-Studie zeigt, dass ACE-Hemmer hinsichtlich der kardio- vaskulären Ereignisse einen Vorteil ge- genüber Diuretika (bzw. dem verwen- deten Diuretikum) insbesondere bei äl- teren Männern aufweisen, wogegen ALLHAT zeigt, dass Diuretika sowohl hinsichtlich der Blutdrucksenkung als auch der Endpunkte einen Vorteil ge- genüber ACE-Hemmern haben.

Was sollen wir nun glauben? – beson- ders unter dem Blickwinkel der geplan- ten radikalen Umstellung der bestehen- den Medikation deutscher Hypertoni- ker und der potenziellen ökonomischen Konsequenzen im (angeblichen) Mil- liarden-Euro-Bereich? Frohlich stellt die folgenden Punkte heraus:

KONTRA

(2)

Was sind die Quellen beziehungsweise die Auftraggeber beider Studien?

Beide Multicenterstudien wurden aus staatlichen Fördergeldern finanziert.

Die Überwachung lag in den Händen staatlicher Forschungsinstitutionen oh- ne kommerziellen Einfluss.

Waren die Präparate äquivalent?

Dies ist nicht genau bekannt. Die Di- uretika Hydrochlorothiazid (ANBP2) und Chlorthalidon (ALLHAT) sind gut eingeführte und akzeptierte Präparate.

Allerdings existieren keine Head-to- Head-Studien, die Effekte und Out- come dieser Medikamente vergleichen.

Dies trifft ebenso für die verwendeten ACE-Inhibitoren Enalapril (ANBP2) und Lisinopril (ALLHAT) zu. Derarti- ge Vergleiche sind bei der ökonomi- schen Interessenlage der Herstellerfir- men wohl auch nicht zu erwarten.

Außerdem waren in beiden Studien häufig weitere Antihypertensiva erfor- derlich, um die Blutdruck-Zielwerte zu erreichen. Bereits diese wenigen Fakten könnten die unterschiedlichen Ergebnis- se von ALLHAT und ANBP2 erklären.

Welche Medikamente führten zu einer effektiveren Blutdrucksenkung?

In der ANBP2-Studie hatten sowohl Hydrochlorothiazid als auch Enalapril ähnliche blutdrucksenkende Effekte. In ALLHAT war Chlorthalidon stärker blutdrucksenkend als Lisinopril und dies sowohl hinsichtlich der erreichten Blutdruckreduktion als auch des An- teils der Patienten, die den Zielblut- druck erreichten.

Warum traten diese Differenzen auf, obwohl es den beteiligten Studienärz- ten erlaubt war, die Blutdruckzielwerte durch zusätzliche Gabe weiterer An- tihypertensiva zu erreichen?

Bei genauer Einhaltung der Richtlinien für die Studiendurchführung hätten diese Unterschiede nicht auftreten dür- fen. Damit hat der einzelne Studienarzt über seine Stringenz der Umsetzung der Vorgaben der Studien Einfluss auf deren Outcome.

Wie sind die Ergebnisse hinsichtlich der klinischen Endpunkte (Outcome)?

Die Definition der primären und sekun- dären Endpunkte beider Studien war

unterschiedlich. Der primäre Endpunkt in ANBP2 war die Gesamtzahl töd- licher und nichttödlicher kardiovas- kulärer Ereignisse, die unter Enalapril günstiger war. In ALLHAT waren die primären Endpunkte koronare Todes- fälle und nichttödliche Herzinfarkte zwischen Chlorthalidon und Lisinopril vergleichbar; die sekundären kardio- vaskulären Endpunkte waren unter Chlorthalidon günstiger.

Vergleich der demographischen und klinischen Charakteristika der Studien- populationen:

Alter, Geschlecht und BMI waren zwi- schen beiden Studien vergleichbar. 35 Prozent der Probanden von ALLHAT waren Afroamerikaner, 95 Prozent der Probanden von ANBP2 hingegen weiß.

Der Anteil von Probanden mit Diabe- tes, Rauchern, KHK und zerebrovas- kulären Erkrankungen in ANBP2 war geringer als bei ALLHAT. Diese Fakten können Einfluss auf das Studienergeb- nis haben. Insbesondere ist fraglich, ob alle Ergebnisse von ALLHAT auf die mitteleuropäische weiße Bevölkerung übertragbar sind. Wie wichtig die Be- achtung der ethnischen Zusammenset- zung einer Studienpopulation ist, zeigen folgende Fakten:

>Afroamerikaner weisen gegenüber Kaukasiern eine deutlich gesteigerte Insulinresistenz auf.

>Von 75 Millionen Lateinamerika- nern (Mexican Americans, Latinos) in den USA sind 33 Prozent adipös, 46 Pro- zent weisen eine abdominelle Fettsucht auf, 38 Prozent haben eine Hypertrigly- zeridämie, 40 Prozent ein niedriges HDL-Cholesterol, 37 Prozent eine Hy- pertonie und 20 Prozent eine Hyper- glykämie. 36 Prozent der Latinos haben somit das metabolische Syndrom und stellen damit die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Insulinresistenz-Präva- lenz in den USA (4).

Nach Sawicki (6) müssen Informatio- nen vor ihrer Übernahme in den Regel- wissensbestand und vor diagnostischen oder therapeutischen Entscheidungen nach drei Aspekten bewertet werden:

>Validität

>Wichtigkeit

>Fallbezug.

Aus den genannten Fakten ist klar er- sichtlich, dass die Daten der ALLHAT-

Studie hinsichtlich ihres Fallbezugs nicht auf mitteleuropäische Patienten angewendet werden können. Bei An- wendung von EbM können schon aus diesem Grund die Daten der ALLHAT nicht zu derart weitreichenden thera- peutischen Änderungen herangezogen werden, wie das DIeM (Institut für evi- denzbasierte Medizin) und dessen Auf- traggeber spektakulär verkünden.

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, sollten alle Ärzte, ärztliche Mei- nungsbildner und Entscheidungsträger bei Krankenkassen und in der Politik mehr Einsicht und Übersicht in die In- terpretation solcher Studien haben. Die populistische, einseitige und demzufol- ge nicht ehrliche Darstellung von Stu- dienergebnissen kann zu fatalen Fehl- einschätzungen führen, wie sie jetzt of- fenbar angelaufen sind.

Sicherheit über die Praktikabilität und die Ergebnisse einer radikalen Umstel- lung der bestehenden antihypertensiven Therapie bei deutschen Patienten und ih- re ökonomischen Auswirkungen könnte nur eine in Deutschland durchgeführte, staatlich geförderte Studie bringen.

Frohlich schreibt weiter, dass letzt- lich im direkten Arzt-Patienten-Kon- takt die individuell für den Patienten erforderliche Therapie ausgelotet wer- den muss. Insbesondere die meist älte- ren Hypertoniker sind multimorbide.

Bei der häufigen Kombination von Hypertonie und Diabetes „it would be wise“(1), die Behandlung der Hyper- tonie mit einem ACE-Inhibitor zu be- ginnen. Dabei ist es unbenommen, dass derzeit der Stellenwert der Diuretika in der antihypertensiven Therapie eher unterrepräsentiert ist.

In Anbetracht der dargestellten Pro- bleme bei der Interpretation von Studi- endaten ist es sicher außerordentlich sinnvoll, dass sich die Behandlung der Patienten an ausgewogenen Leitlinien orientiert, die sorgfältig analysierte Stu- diendaten (im Sinne von Metaanaly- sen) und klinische Erfahrung gleicher- maßen berücksichtigen.

Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Matthias Weck Klinik BAVARIA Kreischa

Abt. Diabetes, Stoffwechsel und Endokrinologie An der Wolfsschlucht 1–2, 01731 Kreischa Fax: 03 52 06/6 12 41

E-Mail: Matthias.Weck@t-online.de P O L I T I K

A

A1994 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003

Referenzen

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