DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Genitaler Fluor Müsli-Mahlzeit
der Publikation wurde jedoch dar- auf hingewiesen, daß wir es als ratsam erachten, ihn, wie auch je- de andere Infektion der Vagina, vor einem in die Vagina reichen- den operativen Eingriff zu sanie- ren. Über seine Bedeutung in der Schwangerschaft haben wir aller- dings keine Untersuchungen durchgeführt.
Den Befund des nicht eitrigen bakteriellen Fluors trennen wir ab vom Abstrichtyp mit „ungewohn- ten" Bakterien mit reichlich bis massenhaft Leukozyten (eitriger Fluor). Dies ist unter dem Mikro-
Stellungnahme
Das Titelblatt und die dreifach ge- druckte Kopfzeile „Vergiftung durch Müsli" beschwören in einer bedauerlich unsachlichen und suggestiven Art und Weise die neu heraufziehende Gefahr eines Ergotismus durch „alternativ" an- gebautes Getreide. Nur mühsam erschließt sich dem Leser die wahre lnzidenz dieser „Einzelfall- beschreibung" im Gegensatz zum
„wohldokumentierten iatroge- nen" Ergotismus!
Verschiedene Ungereimtheiten des Beitrages vermindern weiter- hin seine Übertragbarkeit in die tägliche diagnostische Routine:
1. Es bleibt ungeklärt, ob das Ge- treide aus „eigener Ernte" oder aus dem Handel stammte (auch alternatives Getreide unterliegt
skop leicht möglich. Er hat eine andere Diagnität.
Die Bebrütung eines sterilen Wat- teträgers in physiologischer Koch- salzlösung während 24 Stunden als zusätzliches Diagnostikum hat sich in der Praxis als besonders preisgünstige und erstaunlich si- chere Methode bestens bewährt.
Dr. med. Jacques Jenny Spezialarzt FMH für Gebutshilfe und Frauenheilkunde Ottenbergstraße 73 CH-8049 Zürich
den strengen Kontrollen des Le- bensmittelgesetzes!).
2. Die außergewöhnlich hohe Verunreinigung der Probe mit 12 Prozent Claviceps purpurae ver- anlaßt selbst die Autoren zu der Spekulation, „daß bei der Lage- rung des Materials im Haushalt ei- ne Entmischung stattgefunden hat, uns also eine an Mutterkorn angereicherte Probe vorgelegen hat". Diese Annahme hindert die Autoren nicht an einer „Modell- rechnung" von fünf bis sechs Eß- löffeln Roggen mit 1500 Körnern und zehn oder mehr Sklerotien, die dann die Schwellendosis für eine chronische Intoxikation ent- halten!
3. Die Störung der äußeren Au- genmuskeln (seit 1896 nicht mehr beschrieben) ist für die Verfasser nunmehr „ganz eindeutig mit der möglichen (?!) Ergotaminaufnah- me zusammenhängend . ..".
Durch derartige „Gefahrenarti- kel" wird leider das Negativimage der „alternativen Körner- und Müsli-Esser" verfestigt, wobei ge- rade deren Wissensstand über ei- ne gesundheitserhaltende Ernäh- rung oftmals höher zu veranschla- gen ist als die Kenntnisse vieler Ärzte.
Detlef Pape
Graf-Bernadotte-Straße 79 4300 Essen
Schlußwort
Ad 1: Der verunreinigte Roggen stammte aus einem Bioladen, dessen Besitzer offensichtlich nicht über den von Ihnen vermu- teten hohen Wissensstand hin- sichtlich einer gesundheitserhal- tenden Ernährung verfügte, da er durch die Eltern des Kindes erst nachdrücklich über die Art der Verunreinigung aufgeklärt wer- den mußte, bevor er weitere, ähn- lich verunreinigte Ware aus dem Verkehr nahm.
Ad 2: Die von uns zur Abschät- zung der Schwellendosis unter- stellte Verunreinigung beträgt le- diglich 0,6 Prozent und liegt damit weit unter der beobachteten von ca. 12 Prozent.
Ad 3: Eine Nervenlähmung durch Ergotamin (N. peronaeus) ist 1974 beschrieben worden. Es handelt sich bei unserer Beobachtung al- so nicht um eine ganz unwahr- scheinliche Manifestation.
Schließlich hat unsere Arbeit nicht zum Ziel, die Müsli-Mahlzeit zu diskreditieren. Sie soll lediglich die Ärzteschaft auf eine mögliche Gefahr bei der Verwendung von nach mittelalterlichen Methoden angebautem Getreide durch ihre Patienten aufmerksam machen.
Privatdozent Dr. med.
Klaus-Ulrich Seiler II. Medizinische Klinik Metzstraße 53-57, 2300 Kiel
Morgendliche Müsli-Mahlzeit als Ursache einer
chronischen Vergiftung mit Secale-Alkaloiden
Zu dem Beitrag von Privatdozent Dr. med.
Klaus-Ulrich Seiler und Mitarbeiter in Heft 27/1985, Seiten 2013 bis 2016
3544 (68) Heft 47 vom 20. November 1985 82. Jahrgang Ausgabe A