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Archiv "Medica-Diskussion: Begrenzte Leistung für begrenztes Geld" (01.12.2000)

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ie Diskussion anlässlich der Medi- ca am 22. November in Düsseldorf lässt sich im Grunde auf eine einfa- che Formel bringen: „Rebscher gegen den Rest der (medizinischen) Welt“. In der Expertenrunde mit Vertretern der Ärzte und Apotheker sowie der Deut- schen Krankenhausgesellschaft (DKG) verteidigte der Vorstandsvorsitzende der Ersatzkassenverbände wacker die Budgetierung im Gesundheitswesen.

„Wir haben keine Rationierung, son- dern eine Anpassung an medizinische Notwendigkeiten“, sagte er mit Blick auf die Klagen vor allem der Ärzte, dass das Geld nicht mehr reiche, um allen Patien- ten eine innovative Therapie zukommen zu lassen. „Die Kassen haben kein Inter- esse an einer schlechteren medizinischen Versorgung. Aber ich kenne keine ge- sellschaftlichen Arrangements, die ohne Budgets auskommen“, gab Rebscher zu bedenken. Als Beispiel dafür, dass die Budgetierung funktionieren kann, dien- te ihm die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen, deren Ärzte bereits im siebten Jahr in Folge ihr Arzneimittel- budget unterschritten haben. Begrün- dung aus der Sicht von Rebscher: Dort ist die „Therapierationalität“

extrem hoch.

„Die Mär von den guten und bösen KVen hört man, seit es Budgets gibt“, konterte Dr.

med. Michael Späth, Vorstands- mitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und Vorsitzender der KV Hamburg.

Zum einen habe es nie Analy- sen des Verordnungsbedarfs ge- geben, auf deren Grundlage man ein realistisches Budget hätte bemessen können. Zum anderen habe auch eine weitere Vorzeige-KV, die von Südwürt- temberg, ihr „virtuelles“ Arz- nei- und Heilmittelbudget nur

deshalb einhalten können, weil die Aus- gaben für Heilmittel so drastisch niedrig waren, dass sie die Überschreitung des Arzneimittelbudgets um fast zehn Mil- lionen DM aufgefangen haben. Neben der realitätsfernen Bemessung der gel- tenden Budgets führte Späth strukturelle Gründe für Überschreitungen an. So ver- ursache in der als „verschwenderisch“

geltenden KV Hamburg allein die Poliklinik der Uni- versität Arzneimit- telausgaben von 100 Millionen DM.

„Wir kommen nicht weiter mit der Pa- role ,Wenn die

KVen ihre Ärzte richtig informieren, reicht es schon‘“, zeigte sich Späth über- zeugt. Eine Unterversorgung in be- stimmten Bereichen sei Realität. „Aus ärztlicher Sicht ist Medizin nach Budget unmöglich. Krankheiten und medizini- scher Fortschritt entwickeln sich los- gelöst von fiskalischen Grenzen und poli- tischen Standpunkten. Medizin nach Be- darf lautet die Antwort“, so der KV-Vor- sitzende. Dem stimmte der stellvertre-

tende Vorsitzende des Deutschen Apo- thekerverbandes, Heinz-Günter Wolf, uneingeschränkt zu. Auch er ist über- zeugt: „Bei Medizin nach Kassenlage ist der Leidtragende der Patient.“

Die Folgerung, die Späth aus dieser

„Medizin nach Kassenlage“ zog: Wird das Budget nicht dem Versorgungsbe- darf angepasst, müssen die Leistungen entsprechend reduziert werden. Damit stoße man allerdings bei den Kassen auf taube Ohren. Sie hielten ihren Ver- sicherten gegenüber die Behauptung aufrecht, nach wie vor sei alles für al- le zu haben.

Ähnlich gebeu- telt von der Bud- getierung wie die niedergelassenen Ärzte fühlen sich auch Kranken- hausärzte und -träger. Für sie stellt sich die Frage, wie sich das neue Entgeltsy- stem der Diagnosis Related Groups (DRGs), die ab 2003 eingeführt werden sollen, auf ihre Arbeit auswirkt. Dazu Susanne Renzewitz von der DKG:

„Bleibt es bei den sektoralen Budgets, wären die DRGs nur ein anderer Ver- teilungsschlüssel.“ Oberste Priorität ge- bühre der Qualitätssiche- rung, damit die Patienten nicht unter dem neuen Sy- stem leiden, das bestimmte Leistungen pauschal vergü- tet und so Anreize schafft, die Verweildauer zu ver- kürzen. Sie warf den Kas- sen einen verengten Blick auf die Ausgaben vor und stellte die Frage: „Kann man sagen, wir geben nur aus, was wir auch einneh- men? Unsere Leistungen müssen doch bezahlt wer- den.“ Schließlich gebe es eine Leistungspflicht der Krankenhäuser. Wie Späth P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 48½½½½1. Dezember 2000 AA3223

Medica-Diskussion

Begrenzte Leistung für begrenztes Geld

„Medizin nach Bedarf oder Budget?“ Diese Frage diskutierten das Deutsche Ärzteblatt und die Pharmazeutische Zeitung mit Vertretern der Leistungserbringer und der Krankenkassen.

Die Medizin muss sich am Bedarf orientieren, nicht am Budget. Dafür plä- dierten Rudolf Henke und Michael Späth. Foto: Johannes Aevermann

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forderte auch sie, dass die medizinische Orientierung wieder in den Vorder- grund tritt.

„Ein unbegrenzter Leistungsan- spruch kann nicht mit einem gedeckel- ten Budget auskommen“, sagte auch der stellvertretende Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke.

Dass der Finanzrahmen der Kranken- häuser zu eng bemessen sei, lasse sich an den zahllosen Überstunden der Krankenhausärzte ablesen: „Überstun- den würden wohl kaum geleistet, wenn sie nicht nötig wären. Hier wird die ärzt- liche Ethik als Kalkulationsgröße in die Rechnung einbezogen.“

Kombinierte Budgets

Vorsichtig optimistisch ist Henke mit Blick auf die DRGs. „Wenn sie richtig kalkuliert werden, können sie die Situa- tion verbessern.“ Auch Rebscher ver- spricht sich einiges von den DRGs. Er hält sie für leistungsgerechter und räumte ein, „dass die Budgets heute die Leistungen im Krankenhaus nicht rich- tig abbilden“. Gleichzeitig sprach er ein Problem an, das die übrigen Teilneh- mer ähnlich sahen: Allein durch die ökonomischen Anreize zur Verkürzung der Verweildauer würden beispielswei- se Arzneimittelverordnungen in den ambulanten Bereich verlagert. „Für diese Verschiebungen fehlen uns noch die Instrumente. Die Diskussion dar- über sollten wir heute beginnen.“

Medizin nach Budget oder Bedarf?

Für Ärzte, Apotheker und Kranken- hausträger keine Frage. Sie forderten eine Orientierung am medizinischen Versorgungsbedarf. Für Herbert Reb- scher von den Krankenkassen auch kei- ne Frage: „Wir werden den Bedarf nicht objektiv bestimmen können, das ver- sucht die Ökonomie vergeblich schon seit 200 Jahren.“ Für ihn gehört das Sy- stem auf den Prüfstand. Er wünscht sich eine „Debatte über Überkapazitäten, die medizinische Leistungsströme aus- lösen“, an deren Ende es den Kassen er- möglicht wird, selektive Verträge mit einzelnen Ärzten, Arztgruppen oder Krankenhäusern zu schließen – ein Vorhaben, das bei der KBV und den KVen auf erbitterten Widerstand stoßen dürfte. Heike Korzilius

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A3224 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 48½½½½1. Dezember 2000

Präimplantationsdiagnostik

Unterschiedliche Schutzwürdigkeit

Auf Wertungswidersprüche weist der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer hin.

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nzulässig ist die Präimplantations- diagnostik (preimplantation genet- ic diagnosis = PGD) in Portugal, Österreich und der Schweiz. In den mei- sten europäischen Ländern ist sie ent- weder gesetzlich erlaubt, oder entspre- chende Gesetzesvorhaben sind in Vor- bereitung. In Deutschland ist es um- stritten, ob die PGD mit dem Embryo- nenschutzgesetz vereinbar ist. In einem Fortpflanzungsmedizingesetz, das dem- nächst möglicherweise das Embryonen- schutzgesetz ablösen wird, soll nach Vorstellung von Bundesgesundheitsmi- nisterin Andrea Fischer die Präimplan- tationsdiagnostik verboten werden.

Nach Ansicht von Prof. Dr. med.

Karl-Friedrich Sewing, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, verstößt die PGD nicht gegen das bestehende Embryo- nenschutzgesetz. Er kritisierte Bestre- bungen, die Präimplantationsdiagno- stik explizit zu verbieten, obwohl ein eventueller „PGD-Tourismus“ kein Argument dafür sei, diese Methode zu gestatten. Er hält es jedoch generell für ethisch fragwürdig, Wissen, das im Aus- land entwickelt wurde, anschließend in Deutschland zu nutzen.

Zwar müsse gerade in Deutschland in Fragen des Lebensschutzes ein hoher Standard gelten, betonte Dr. med. Chri- stiane Woopen, Mitglied des Wissen- schaftlichen Beirats, anlässlich der Me- dica in Düsseldorf vor Journalisten. Ei- nen Wertungswiderspruch sieht sie je- doch in der unterschiedlichen Schutz- würdigkeit des Embryos in vitro und in vivo. „Ein Gesetzgeber, der nidations- verhütende Maßnahmen nicht verbie- tet, der Schwangerschaftabbrüche nach Pränataldiagnostik nicht verbietet, der die Schwangerschaftsvermeidung durch die ,Pille danach‘ nicht der Beratungsre-

gelung zum Schutz des ungeborenen Le- bens unterwirft, kann die Präimplantati- onsdiagnostik nicht mit der Begründung verbieten, es gehe um den Schutz des Embryos.“ Den Hinweis darauf, dass bei bestehender Schwangerschaft in vi- vo der Embryo unter dem realen Schutz der Frau stehe, hält Woopen für rea- litätsfern. So begännen 53,6 Prozent der Frauen mit einem bekannten hohen Ri- siko für eine schwere genetisch bedingte Krankheit oder Behinderung des Kin- des eine Schwangerschaft nur im Hin- blick auf eine Pränataldiagnostik mit möglicherweise folgendem Schwanger- schaftsabbruch. Auch wenn man so ge- nannte Schwangerschaftsabbrüche auf Probe als problematisch erachte, müsse man im Rahmen rechtlicher Regelungs- möglichkeiten das geringere Übel nicht verbieten, fordert die Medizinethikerin.

Gesellschaftlicher Diskurs

Auch Sewing ist dieser Auffassung.

Wenn der Embryo einen uneinge- schränkten Schutz besäße, so sei dieser auch uneingeschränkt bis zur Geburt zu beanspruchen. Mit der Begründung ei- ner symbiotischen Situation in vivo werde dieser Schutz im Sinne einer Gü- terabwägung beim straffreien Schwan- gerschaftsabbruch allerdings einge- schränkt.

Sewing und Woopen begrüßten den gesellschaftlichen Diskurs. „Auf breiter Ebene sollte deutlich werden, dass es nicht nur um Detailfragen der Fort- pflanzungsmedizin geht. Vielmehr geht es um Prinzipien übersteigende grund- sätzliche Fragen über unsere Haltungen zu menschlichem Leben in all seiner Vielfalt und seinen Entwicklungsstu- fen“, sagte Woopen. Gisela Klinkhammer

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