A 1512 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 27|
8. Juli 2011DIE KOSTEN VON EHEC
Folgt das Geld der Leistung?
Während der EHEC-Erkrankungswelle sind die Krankenhäuser an ihre Belastungs- grenze gegangen. Ob sie ihren Mehraufwand erstattet bekommen, ist offen.
S
onderschichten der Ärzte, der Pflegekräfte und des Reini- gungspersonals. Kollegen, die aus anderen Bundesländern zu Hilfe ei- len. Kurzfristig angeschaffte Dialy- segeräte. Überfüllte Intensivstatio- nen, verschobene planbare Opera- tionen. Keine Frage: In den von der EHEC-Epidemie besonders betrof- fenen Krankenhäusern und Univer- sitätskliniken herrschte der Aus - nahmezustand. Um schwerstkranke Patienten zu versorgen, sind viele Mitarbeiter an ihre Belastungsgren- ze gegangen – und haben dafür zu Recht viel Lob erhalten.DKG fordert für die Zukunft gezielte Extrabudgets
Die bestandene Bewährungsprobe könnte jedoch zum Minusgeschäft werden. „Kurzfristig notwendige Umstellungs-, Raum- und Geräte- ausstattungskosten, zusätzliche Über- stunden sowie ,Leerkosten’ durch das Herunterfahren der Normalver- sorgung werden von den Regel - mechanismen des DRG-Systems nicht ansatzweise ausreichend be- rücksichtigt“, meint Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deut- schen Krankenhausgesellschaft (DKG). Hier brauche man gezielte Kostenerstattungselemente in Form von Extrabudgets.
Inzwischen haben sowohl Bun- desgesundheitsminister Daniel Bahr als auch die Gesundheitsminister der Länder zusätzliche Mittel für die an der Versorgung von EHEC- Patienten beteiligten Krankenhäu- ser in Aussicht gestellt. Die gesetz- lichen Vorgaben ließen eine solche Extravergütung zu, sagte Bahr beim Medizinischen Fakultätentag in Rostock. Sein Ministerium werde die Kostensituation der Kranken- häuser genau analysieren. Einen Bericht habe er bereits bei den Krankenkassen angefordert.
Am 30. Juni sprach sich auch die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) dafür aus, „dass si- chergestellt wird, dass die Mehrauf- wendungen für die Krankenhäuser bei der Bewältigung der EHEC- Krise erstattet werden“. „Uns kommt es darauf an, dass die Kran- kenhäuser, die über Gebühr mit der Behandlung von EHEC-Infektio- nen belastet sind, nicht im Nach - hinein dafür bestraft werden, indem Fälle außerhalb der vereinbarten Budgets nur zu 35 Prozent von den Krankenkassen getragen werden“, erklärte der GMK-Vorsitzende Ste- fan Grüttner (SPD).
Der Hintergrund seiner Bemer- kung: Wenn Krankenhäuser mehr Leistungen erbringen als für das je- weilige Jahr mit den Kassen verein- bart, müssen sie pro Leistung Mehr- erlösausgleiche in Höhe von 65 Prozent zurückzahlen, weil ihnen, so die Argumentation, in der Regel keine neuen Fixkosten durch die zusätzlichen Leistungen entstehen.
Bei der EHEC-Epidemie greift die- se Annahme nach Auffassung vieler Kliniker aber auf jeden Fall zu kurz.
Die Ministerkonferenz erwartet, dass sich Krankenhäuser und Kas- sen über den Mehraufwand durch EHEC bis Ende 2011 geeinigt ha- ben. Andernfalls fordert sie den Bund auf, die Kostenerstattung ge- setzlich zu regeln. Die Hambur- ger Krankenkassen haben zwar be- reits angekündigt, bei EHEC auf Mehrerlösausgleiche zu verzichten.
DKG-Hauptgeschäftsführer Baum glaubt allerdings nicht, dass die Krankenhäuser ihre Finanzierungs- probleme mit den Kostenträgern lösen werden: „Dafür sind die Re- gelungen zu den Mehrerlösaus - gleichen zu starr.“ Er sieht die Koalition in der Pflicht. Ebenso der Verband der Universitätsklinika Deutschlands: „Sonst sind die be-
troffenen Krankenhäuser völlig vom guten Willen der Krankenkas- sen abhängig“, betont dessen Gene- ralsekretär Rüdiger Strehl.
Der ambulante Bereich hat in der Debatte um die Übernahme der EHEC-Folgekosten bisher eine nach- rangige Rolle gespielt. Aber auch bei den Vertragsärzten fallen Kos- ten an, wie die Vorstandsvorsitzen- de der Kassenärztlichen Vereini- gung Schleswig-Holstein, Dr. med.
Ingeborg Kreuz, erläuterte, nämlich
„durch die Folgebehandlungen im Anschluss an den Krankenhausauf- enthalt, aber auch im Rahmen der Abklärungsdiagnostik“. Die Kassen haben mittlerweile zugesichert, die Kosten für PCR-Tests zur Abklä- rung der Verdachtsfälle zusätzlich zu übernehmen.
Dialyse auf Dauer: Großteil wird extrabudgetär vergütet
Der Verband Deutscher Nierenzen- tren (DN), der Zusammenschluss vertragsärztlich tätiger Nephrolo- gen, hat auf Anfrage erklärt, die Diskussion um nicht übernommene Zusatzkosten durch EHEC habe im ambulanten Bereich praktisch keine Relevanz. „EHEC-Patienten, die auf Dauer dialysepflichtig werden, werden in das normale Programm aufgenommen“, betont DN-Ge- schäftsführer Dr. med. Helmut Blu- me.Wie viele es sein werden, lasse sich noch nicht abschätzen, weil häufig erst nach Monaten feststehe, ob die Nieren sich ausreichend er- holt hätten oder ob eine dauerhafte Dialyse notwendig sei. Auf jeden Fall würden sämtliche nichtärztli- chen Dialyseleistungen extrabudge- tär von den Kassen finanziert. Das ärztliche Honorar wird hingegen aus der budgetierten Gesamtvergü-
tung beglichen. ■
Jens Flintrop, Sabine Rieser