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Archiv "HIV-Infektion: Therapiestandard wird im Alltag nur mäßig umgesetzt" (22.01.1999)

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ie antiretrovirale Therapie (ART) der HIV-Infektion hat sich in den vergangenen drei Jahren grundsätzlich gewandelt. Die Dreifach-Kombinationstherapie ist zum Standard geworden. Mortalität und Morbidität konnten zum Teil um jeweils 75 Prozent gesenkt werden (1). Doch wie werden die Empfehlun- gen in Deutschland – auch angesichts

einer Vielzahl von Medikamenten – umgesetzt und mit welchem klini- schen Erfolg? Die Evaluationsgruppe ART 96 hat sich dieser Fragestellung in einer prospektiven, offenen Studie angenommen.

Hierbei wurden bundesweit 828 HIV-positive Patienten analysiert, die von Juli 1996 bis März 1998 in 80 ver- schiedenen Zentren erstmals antire-

troviral behandelt wurden. Es zeigte sich, daß zwei Drittel der Patienten in- itial eine Zweifach-Kombination er- hielten und nur ein Drittel der Patien- ten eine Dreifach-Kombination.

Bei 60 Prozent der Patienten wur- de innerhalb der 18monatigen Beob- achtungszeit mindestens einmal die Therapie gewechselt. Bezüglich der Surrogatmarker CD4-Zellzahl und Viruslast zeigte sich eine signifikant bessere Wirksamkeit, wenn zu Beginn der Behandlung eine Dreifach-Kom- bination eingesetzt wurde. Trotz signi- fikant besserer Laborparameter hatte dieses Procedere (im Vergleich zur Zweifach-Kombination) klinisch je- doch keinen Einfluß auf die Inzidenz AIDS-definierender Erkrankungen.

Die Ergebnisse im einzelnen:

Initiale Therapie: Von 828 antire- troviral nicht vorbehandelten Patien- ten wurden im dritten Quartal 1996 63 Prozent auf eine Zweifach-Kombi- nation, bestehend aus zwei reversen Transkriptase-Hemmern (RTI), einge- stellt. Eine Dreifach-Kombination er- hielten 34 Prozent. Überwiegend be- standen diese Kombinationen aus zwei RTIs und einem Protease-Hem- mer (PI). Die häufigsten Anfangs- kombinationen (Abkürzungen siehe Tabelle) waren AZT plus 3TC (39,5 Prozent), AZT plus 3TC plus IDV (11,4 Prozent), AZT plus ddC (9,3 Prozent), AZT plus 3TC plus SQV (9,1 Prozent), d4T plus 3TC (8,8 Pro- zent) und AZT plus ddC plus SQV (4,1 Prozent) (Grafik 1).

Laborparameter zu Beginn: Die absolute beziehungsweise relative CD4-Zellzahl lag vor Therapiebeginn im Mittel bei 256/µl beziehungsweise 15,0 Prozent. Der Median der Virus- last betrug 65 435 Kopien/ml. 39,4 Prozent der Patienten hatten Werte über 100 000 Kopien/ml, 47,4 Prozent zwischen 10 000 und 100 000 Kopi- en/ml und 9,6 Prozent zwischen 500 und 10 000 Kopien/ml. Bei 3,6 Prozent lag zu Therapiebeginn die HIV-1- RNA-Menge unter 500 Kopien/ml.

Getrennt nach initialer Zwei- fach- oder Dreifach-Kombination wa- ren Viruslast und CD4-Zellzahl zu Beginn der antiretroviralen Therapie statistisch signifikant unterschiedlich.

Bei den Patienten, die initial eine Zweifach-Kombination erhielten, be- trug die mediane Viruslast 56 000 Ko- A-108 (20) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 3, 22. Januar 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

HIV-Infektion

Therapiestandard wird im Alltag nur mäßig umgesetzt

Die Studie ART 96 spiegelt aufgrund hoher Fallzahlen die klinische Realität der HIV-Behandlung in Deutschland wider.

D

Grafik 1: Häufigkeitsverteilung der Therapien zu Beginn und zu Monat 18 Grafik 1

Methodik:

In dreimonatlichen Abständen wurden relative und absolute CD4- und CD8-Zellzahlen, Viruslast im Plasma sowie neu aufgetretene AIDS- definierende Erkrankungen dokumentiert. Die Wahl der Meßmethode für die HIV-1-Quantifizierung war den beteiligten Zentren überlassen. Da sich die unteren Nachweisgrenzen der jeweiligen Verfahren – bDNA, Amplicor (PCR) und NASBA – unterschieden und die Verfahren zum Teil über den Beobachtungszeitraum sensitiver geworden sind, wurde zur Berechnung der mittleren intraindividuellen Senkung der Viruslast eine einheitliche, untere Nachweisgrenze bei 500 Kopien/ml festgelegt. Die Ergebnisse entsprechen dem Dokumentationsstand vom 15. August 1998 und basieren auf einer Intent-to-treat- Analyse. Die Patienten waren im Mittel 36,5 Jahre alt und zu 82 Prozent männlichen Geschlechts. 19,2 Prozent der Patienten waren bereits im klinischen Stadium AIDS vor Beginn der antiretroviralen Therapie.

(2)

pien/ml, die mittlere CD4-Zellzahl war 275/µl. Bei den initial auf Drei- fach-Kombinationen eingestellten Pa- tienten lag der Median der HIV-1- RNA bei 99 721 Kopien/ml, die mittle- re CD4-Zellzahl betrug 212/µl.

Therapieumstellungen und Ab- brüche: Patienten mit einer Zwei- fach-Kombination wechselten die Therapie häufiger (66,8 Prozent) als Patienten mit einer Dreifach-Kom- bination (56,4 Prozent). Die Gründe für den ersten Therapiewechsel bei den Patienten mit Zweifach-Kombi-

nationen waren bei 47 Prozent „Un- wirksamkeit“, bei 24 Prozent „Toxi- zität“ und bei sechs Prozent „Com- pliance-Probleme“. 22 Prozent hat- ten andere Gründe für den Wechsel angegeben.

Bei den Patienten mit Dreifach- Kombinationen war als häufigster Grund ebenfalls „Unwirksamkeit“

(34 Prozent) genannt. „Toxizität“

(27 Prozent) war der zweithäufigste Grund für einen Therapiewechsel, und acht Prozent gaben „Compliance- Probleme“ an. 31 Prozent nannten an-

dere Gründe für den Wechsel bezie- hungsweise machten keine Angabe hierzu. 138 Patienten (16,6 Prozent) haben im Beobachtungszeitraum ihre Therapie abgebrochen.

Die häufigsten Kombinationen zu Monat 18 (Grafik 1)waren AZT plus 3TC (14,4 Prozent), AZT plus 3TC plus IDV (11,4 Prozent), d4T plus 3TC (10,2 Prozent), AZT plus 3TC plus SQV (7,4 Prozent), d4T plus 3TC plus IDV (7 Prozent) und AZT plus 3TC plus NFV (5,3 Prozent).

Klinische Effekte: Zur Ermitt- lung der Inzidenz AIDS-definieren- der Erkrankungen wurden die Daten von 807 Patienten zugrunde gelegt, von denen mindestens ein Follow-up vorlag. 17 Patienten (drei Prozent), die zur Baseline-Erhebung im Sta- dium A oder B nach CDC klassifiziert worden waren, entwickelten bis Mo- nat 18 erstmals eine AIDS-definieren- de Erkrankung. Bei 19 Patienten (13 Prozent), die zu Beginn bereits im Stadium AIDS waren (CDC C), tra- ten eine oder mehrere weitere AIDS- definierende Erkrankungen auf. Da- zu gehörten: vier HIV-assoziierte En- zephalopathien, sechs Kaposi-Sarko- me, eine CMV-Retinitis, drei extra- okuläre CMV-Erkrankungen, drei aty- pische Mykobakteriosen, vier Tuber- kulosen, sechs Pneumocystis-carinii- Pneumonien, drei zerebrale Toxo- plasmosen, drei Fälle von oesophagia- ler Candidiasis, drei Lymphome, zwei Wasting Syndrome, eine Kryptospori- diose, eine extrapulmonale Krypto- kokkose und eine progressive multi- fokale Leukenzephalopathie, eine Herpes-simplex-Infektion (Kategorie CDC C). Bezüglich klinischer Ereig- nisse konnten keine signifikanten Un- terschiede zwischen den beiden Un- tergruppen – primäre Zweifach- ver- sus Dreifach-Kombination – festge- stellt werden.

Laborparameter: Die mittlere CD4-Zellzahl lag zu Monat 18 bei 421 Zellen/µl, verglichen mit 256 Zellen/µl vor Therapiebeginn. 50 Prozent der Patienten verbesserten sich um min- destens 150 CD4-Zellen/µl. Dabei er- gaben sich signifikante Unterschiede zwischen solchen Patienten, die initial mit einer Zweifach-Kombination be- handelt wurden, und solchen, deren initiale Therapie aus einer Dreifach- Kombination bestand (Grafik 2). ! A-109

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 3, 22. Januar 1999 (21) Grafik 3

Grafik 2

Grafik 2: Mittlere intraindividuelle Veränderung der CD4-Zellzahl [1/µl] – Initiale Zweifach- versus Dreifach- Kombination (Intent-to-treat-Analyse)

Grafik 3: Mittlere Logstufenänderung der HIV-1 RNA – Initiale Zweifach- versus Dreifach-Kombination (Intent-to-treat-Analyse)

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A-112

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(24) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 3, 22. Januar 1999 Die mittlere intraindividuelle Er-

höhung betrug bei Patienten mit initial einer Zweifach-Kombination nach 18 Monaten 148 CD4-Zellen/µl, während sich Patienten mit Dreifach- Kombination im Mittel um 190 CD4- Zellen/µl verbesserten.

Die mittlere intraindividuelle Logstufenänderung betrug zu Monat 18 für die Zweifach-Kombinationen

minus 1,57 Log- stufen und für die Dreifach-Kombi- nationen minus 2,02 Logstufen (Grafik 3). Der Unterschied zwi- schen den beiden Therapiegruppen ist zu jedem ein- zelnen Zeitpunkt ab Monat drei statistisch signifi- kant.

Der Anteil der Patienten mit einer Viruslast un- ter 500 Kopien/

ml ist über alle Beobachtungs- zeitpunkte unter den Dreifach- Kombinationen statistisch signi- fikant höher als unter Zweifach-Kombinationen (je- weils p < 0,01). Nach der 18monati- gen Therapie war die Anzahl der HIV-1-RNA-Kopien bei 46 Prozent der Patienten mit einer initialen Zweifach-Therapie unter 500 Ko- pien/ml, während dies bei den Pa- tienten mit einer Dreifach-Kombi- nation 66,1 Prozent der Patienten waren (p = 0,001).

Diskussion: Die derzeitige Dis- kussion um eine optimale Behandlung schlägt sich in Konsensus-Beschlüssen nieder (2, 3, 4, 5), die nur teilweise der klinischen Realität gerecht werden.

Ein Hauptpunkt der heutigen Diskus- sion – initiale Dreifach-Therapien gel- ten derzeit als Standard – ist die Frage, ob am Anfang klassensparend (zum Beispiel ohne Protease-Inhibitoren) behandelt werden soll und wie inten- siv die Anfangsbehandlung sinnvoller- weise sein sollte (6).

In frühen Phasen der HIV-Er- krankung ist die Grundlage des Ein- satzes von Proteaseinhibitoren nicht in erster Linie der klinische Wirksam- keitsnachweis, sondern die Verbesse- rung der Surrogatmarker Viruslast und CD4-Lymphozyten.

Das Prinzip „Hit hard and early“

wird bei inzwischen zehn- bis 20jähri- gen Therapiehorizonten auch wegen der fehlenden Möglichkeit einer Maintenance-Therapie (7, 8, 9) hin- terfragt. ART-96-Evaluationsgruppe Für die ART-96-Evaluationsgruppe: Dr. med.

Hans Jäger (München), Eva Wolf (München), Gertrud Hammel (Augsburg), Thomas Zwin- gers (Augsburg), Armin Goetzenich (Aachen), Dr. med. Heribert Knechten (Aachen) Literaturquellen und die vollständige Liste der teilnehmenden Zentren an der ART-96-Un- tersuchung sind in einem Sonderdruck zusam- mengestellt, der zu beziehen ist über: Kura- torium für Immunschwäche, Mozartstraße 3, 80336 München, Fax 0 89/5 32 86 51.

Tabelle

Antiretrovirale Medikamente zur Behandlung der HIV-Infektion

Nukleosidartige Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (RTI)

Abkürzung Freiname Handelsname

AZT Zidovudin Retrovir

d4T Stavudin Zerit

ddI Didanosin Videx

ddC Zalcitabin Hivid

3TC Lamivudin Epivir

AZT+3TC Zidovudin/Lamivudin Combivir

ABC Abacavir Ziagen

Nichtnukleosidartige RT-Inhibitoren (NNRTI)

NVP Nevirapin Viramune

DLV Delavirdin Rescriptor

EFV; Efavirenz Sustiva

früher: DMP-266

Protease-Inhibitoren (PI)

SQVhard gel caps. Saquinavir Invirase

SQVsoft gel caps. Saquinavir Fortovase

oder FTV

RTV Ritonavir Norvir

IDV Indinavir Crixivan

NFV Nelfinavir Viracept

Das Robert Koch-Institut (Berlin) hat den Erhebungsbo- gen für Meldungen nach der Laborberichtsverordnung um ei- nen Durchschlag für den behandelnden Arzt ergänzt. Die

„Verordnung über die Berichtspflicht für positive HIV-Be- stätigungsteste“ (Laborberichtsverordnung) verpflichtet seit dem 1. Januar 1988 unter anderem Laborärzte zu anonymen Berichten, die nach Möglichkeit auch Angaben enthalten sol- len zum vermutlichen Infektionsrisiko, zu den ersten beiden Ziffern des Wohnortes, zum Serostatus des Untersuchten vor der aktuellen Untersuchung.

Laborärzten sind diese Angaben oftmals nur nach Rück- fragen beim Einsender des Untersuchungsmaterials möglich.

Dies führte häufig dazu, daß entsprechende Angaben in dem Bericht an das Robert Koch-Institut fehlten. So ist es zu er- klären, daß in Analysen deshalb nur in maximal 50 Prozent al- ler Meldungen auf ein Infektionsrisiko zurückgegriffen werden konnte. Besonders nachteilig wirkten sich diese lückenhaften Angaben aus, wenn es um die Frage nach Mehrfachmeldungen ging. Aber auch regionale Verteilungen können auf dieser Da- tenbasis nur unter Vorbehalt errechnet werden.

Die neuen Erhebungsbögen sollen diesen Problemen Rechnung tragen und die Datenqualität des HIV-Registers

verbessern. Dies ist um so wichtiger, als die bisher hervorra- genden Daten aus dem AIDS-Fallregister, auf die in Analy- sen stets zurückgegriffen wurde, künftig nicht mehr in dem gewohnten Umfang Verwendung finden könnten. Vor dem Hintergrund besserer Behandlungsmöglichkeiten treten AIDS-definierende Erkrankungen später auf und werden folglich auch erst später gemeldet. Dies führt zu rückläufigen Zahlen im AIDS-Fallregister und somit zu einem sinkenden Kenntnisstand über die epidemiologische Situation der HIV- Infektion in Deutschland. Nun ist dem Befund, der dem be- handelnden Arzt von seinem Labor zugeht, ein Durchschlag beigefügt, auf dem die nach der Laborberichtsverordnung er- forderlichen und zulässigen Angaben eingetragen werden können.

Behandelnde Ärzte werden daher gebeten, diesen aus- gefüllt direkt an das Robert Koch-Institut zurückzusenden.

Für den einzelnen Arzt handelt es sich in der Regel durch eine geringe Anzahl von Berichten um einen vertretbaren Arbeits- aufwand. Für das Robert Koch-Institut hingegen bedeutet dies eine große Hilfe bei der Erfüllung seiner Aufgabe, die epidemiologische Situation zu analysieren und in handlungs- bezogene Empfehlungen umzusetzen. RKI

Wie die Datenqualität des HIV-Registers verbessert werden soll

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