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Archiv "Auf der Suche nach weiteren Kostendämpfungs­maßnahmen" (01.05.1992)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

Auf der Suche nach weiteren Kostendämpfungsmaßnahmen

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Union uneins über Reformansätze

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wischen den Bonner Koaliti- onsparteien liegen die Denk- ansätze für weitere kosten- dämpfungspolitische Maßnahmen im Gesundheitswesen meilenweit auseinander. Mußte man bislang re- gistrieren, daß die FDP traditionell den Spar- und Kostendämpfungs- kurs sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich einschließlich des Pharmamarktes mehr oder weni- ger marktwirtschaftlichen Steue- rungselementen überlassen und mehr Preis- sowie Direktbeteili- gungsregulative einbauen will, so spitzen sich zumindest bei den Ge- sundheitspolitikern der CDU/CSU- Bundestagsfraktion die Kontrover- sen über den „richtigen" Ansatz beim Sparvorhaben jetzt zur „Un- zeit" zu, jedenfalls noch ehe die Be- ratungen in die entscheidende Phase gelangt sind. Bundesgesundheitsmi- nisterin Gerda Hasselfeldt (CSU) beabsichtigte (nach einer seit No- vember 1991 anhaltenden und vom Bundeskanzleramt angeratenen

„Denkpause") ursprünglich, erst En- de April/Mitte Mai mit Gesundheits- und Sozialpolitikern aus der Union und der FDP über die Eckpunkte ei- nes neuerlichen Sparkonzeptes zu sprechen, die noch vor der parla- mentarischen Sommerpause für ver- schiedene gezielte Reformprojekte detaillierter festgelegt werden sollen.

„Mehr Marktwirtschaft”

In der zumeist aktions- und be- ratungsfreien Osterpause kam nun der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. jur. Paul Hoffacker, CDU-MdB aus Essen, mit einem von ihm höchst persönlich formulierten Denkpapier unter dem Motto „Mehr marktwirt- schaftliche Steuerungselemente für das Gesundheitswesen" heraus, das manche Spar- und Kostendämp- fungsprojekte weit in den Schatten stellt, die bisher diskutiert wurden.

Jurist Hoffacker hat, ohne das par- teiinterne Schweigegebot zu beach- ten und ohne sich mit Bundesgenos- sen abzustimmen, konkrete Vor- schläge und Pläne offeriert, um kurz- fristig im Gesundheitswesen Einspa- rungen in Höhe von mehr als 12 Mil-

liarden DM „freizuschaufeln". Um das Ganze zu salvieren und Gerech- tigkeit walten zu lassen, sollen alle Beteiligte des Gesundheitswesens, die Ärzte, Zahnärzte, Apotheken, die Pharma-Industrie, aber auch die Patienten und Beitragszahler, in die Pflicht genommen und zur Kasse ge- beten werden — was Gesundheitsmi- nisterin Gerda Hasselfeldt und die Gewerkschaften prompt gegen den Hoffacker-Schlachtplan auf den Plan rief. Hoffackers Forderung: Die Pa- tienten sollen generell Leistungen mit Ausnahme von Zahnersatz und Krankenhauskosten bis zur Höhe von einem Prozent ihres Brutto- Jahreseinkommens aus eigener Ta- sche bezahlen! Einmal davon ab- gesehen, daß die Versicherten ne- ben der kollektiven Beitragsfinan- zierung der gesetzlichen Kranken- versicherung jährlich ohnehin mit 8 Milliarden DM direkt zur Kasse ge- beten werden, ist nach Meinung von Gesundheitsministerin Hass elfeldt eine Erweiterung der bisher gelten- den Selbstbeteiligungsregelungen für Kassenversicherte von der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen abhän- gig: Eine zusätzliche Belastung kön- ne aus ministerialer Sicht nur dann ventiliert werden, wenn diese sozial verträglich ist. Zudem müsse sie eine steuernde Wirkung haben; sie dürfe nicht einseitig die Kosten auf den Patienten „reprivatisieren". Zudem müsse die Belastung der Versicher- ten in direktem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Kostenbegren- zung der anderen Gruppen (Lei- stungserbringer) stehen, insbesonde- re der Pharma-Industrie und der Ärzte.

Einen Bundesgenossen für er- höhte Zuzahlungen fand Hoffacker inzwischen beim gesundheitspoliti- schen Experten der FDP-Bun- destagsfraktion, Dr. Dieter Thomae, zugleich Vorsitzender des Bundes-

tagsausschusses für Gesundheit, Bad Sinzig. Die FDP hat bisher ohnedies kein Hehl daraus gemacht, daß sie für eine „pekuniäre Therapie" in der Gestalt einer stärkeren finanziellen Einbindung der Patienten in das Ko- stengeschehen eintritt.

Ganz in die Hüh- und Hott-Ko- stendämpfungspolitik paßt das rigo- rose Nein der SPD zu dem von Hof- facker und Thomae verfolgten Kon- zept der Selbstbeteiligung; dies sei nichts weiter als eine „unsoziale Um- verteilungsmaschinerie". Den „Al- leingang" Hoffackers „flankierten"

CDU/CSU-Abgeordnete vom Wirt- schaftsflügel (Friedhelm Ost; Micha- el Glos) mit dem ebenso umstritte- nen Vorschlag, drei Karenztage im Krankheitsfall wieder einzuführen, um so die Pflegeversicherung für die Arbeitgeber „kostenneutral" zu fi- nanzieren — ein für Opposition und Gewerkschaften „unsozialer Kuh- handel" (er erbrächte 15 Milliarden DM).

Nein zur Quersubvention Bei dem ganzen Bonner Hick- hack muß positiv registriert werden, daß Frau Hasselfeldt Bundesarbeits- minister Dr. Norbert Blüm in die Schranken gewiesen hat — jedenfalls was die Finanzierung des Pflegerisi- kos unter dem organisatorischen Dach der gesetzlichen Krankenversi- cherung betrifft. Die Ministerin stell- te klar, daß die Mittel für die Pflege- versicherung nicht durch Einsparun- gen in der Krankenversicherung er- wirtschaftet und quer subventioniert werden könnten. Die Einführung der Pflegeversicherung und Kosten- dämpfung im Gesundheitswesen müßten miteinander abgestimmt werden, um nicht eine Gruppe zu stark zu belasten. Umschichtungen könne es allenfalls nur bei der ambu- Dt. Ärztebl. 89, Heft 18, 1. Mai 1992 (17) A1-1589

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lanten Pflege, für die die GKV jetzt bereits eintritt, und bei „Pflegebetten in Akut-Krankenhäusern" geben.

Hoffacker postuliert:

—Die Pharma-Industrie soll den Krankenkassen einen Rabatt in Hö- he von 10 Prozent auf alle verordne- ten Medikamente einräumen. Dies solle solange gelten, bis die Selbstbe- teiligung der Patienten an den Medi- kamentenkosten umgestellt werden kann. Auf der Basis des derzeitigen Arzneimittelumsatzes (rund 20 Mil- liarden DM p.a.) kalkuliert Hoffak- ker Einsparungen zugunsten der GKV in Höhe von einer Milliarde DM. Langfristig soll ein indikations- bezogenes Staffelmodell zum Zuge kommen, das die lebensnotwendigen Arzneimittel grundsätzlich zuzah- lungsfrei läßt. Bagatellpräparate sollten zu 100 Prozent direkt bezahlt werden. Kurzfristig sollen Festbeträ- ge für bis zu 60 Prozent des Arznei- mittelmarktes gelten.

— Die Apotheker sollen nicht mehr nur fünf Prozent, sondern 10 Prozent Rabatt auf Arzneimittel ge- währen. Auch der einheitliche Apo- thekenabgabepreis soll zur Dispositi- on gestellt werden. Erhoffte Einspa- rung: rund eine Milliarde DM.

—Mit Hilfe einer Bonus-Malus- Regelung für niedergelassene Kas- senärzte und mengenbegrenzender Maßnahmen soll auch hier zurückge- staut und gedrosselt werden. Ver- schreiben Arzte über das mit den Krankenkassen vereinbarte Budget, soll sich die Gesamtvergütung ver- ringern (und umgekehrt). Die Kran- kenversichertenkarte in Form der Chip-Karte soll zum 1. Juli 1994 ein- geführt werden. Die Zahl der Kas- senärzte soll durch eine straffere Be- darfsplanung und eine Überprüfung des Kassenarzturteils von 1960 be- grenzt werden.

— Für Arzneimittel wird ein Mehrwertsteuersatz von sieben Pro- zent (bisher 14 Prozent) empfohlen.

Dies ginge zu Lasten des Bundes- haushaltes in Höhe von 2,1 Milliar- den DM jährlich.

—Schwangerschaftsabbrüche sol- len von den Krankenkassen in Zu- kunft nur noch bei medizinischer Indi- kation finanziert werden. Einspa- rungsvolumen: rund 200 Millionen DM pro Jahr. Dr. Harald Clade

Anfang April hat der Sachverstän- digenrat für die Konzertierte Akti- on im Gesundheitswesen sein Jahresgutachten 1992 veröffent- licht. Es trägt den Titel „Ausbau in Deutschland und Aufbruch nach Europa" (vgl. Deutsches Ärzte- blatt, Heft 17/1992). Der Inhalt des Gutachtens hält nur in Grenzen, was der Titel verspricht, und auf keinen Fall das, was man nach

Die Grobgliederung des Gut- achtens 1992 folgt der früherer Jah- re: Im Teil A findet sich die Be- schreibung des Status quo, geordnet nach den Leistungssektoren. Es ist eine Fortschreibung der Analysen, die in früheren Jahresgutachten vor- gelegt worden sind. Die verwendeten Daten entsprechen den vielerorts — wenn auch in anderem Zusammen- hang und in anderer Zusammenstel- lung — bereits publizierten. Das ist dem Rat nicht zum Vorwurf zu ma- chen, wohl aber, daß sie nicht ver- gleichbar eingehend und überzeu- gend interpretiert worden sind wie im Sondergutachten. Dort wurden in einer facettenreichen Betrachtung Schlüsse zur weiteren Ausgabenent- wicklung gezogen, und es wurde nach einer kritischen Würdigung der für die Kostendämpfung im Gesund- heits-Reformgesetz (GRG) vorgese- henen Instrumente die Notwendig- keit einer Neuorientierung der Ge- sundheitspolitik im Sinne von weni- ger Inventionen und Bürokratie be- gründet. Liest man nun im Jahres- gutachten 1992 beispielsweise die als Ergänzungen den Kapiteln „Arznei-, Heil- und Hilfsmittel" zugeordneten Ausführungen über die Richtgrößen beziehungsweise Festbeträge, dann

dem am 27. November 1991 über- gebenen Sondergutachten 1991

„Stabilität ohne Stagnation?" er- wartet hätte. Die beiden Teile un- terscheiden sich so sehr in der analytischen Schärfe und in der Tendenz der Aussagen, aber teil- weise auch in der sprachlichen Prägnanz, daß man dahinter kaum die gleichen Autoren ver- muten würde.

ist von einer Neuorientierung nichts mehr zu spüren.

Man bleibt in den alten Denk- schablonen, und nur zwei Minder- heitenvoten lassen erkennen, daß nicht alle Ratsmitglieder vergessen haben, was im Sondergutachten als Möglichkeit einer Neuorientierung (Selbstbeteiligungen, Anreize in Form von Bonus-Malus-Regelungen unter anderem) in Vorschlag ge- bracht worden ist.

Zu „neuen Ufern" bricht der Rat in Teil B im Kapitel „Reform der Krankenhausfinanzierung" auf.

Das geschlossen wirkende Kapitel, das so gut wie alle Probleme des Krankenhaussektors zutreffend be- schreibt und mit teilweise radikalen Lösungsvorschlägen aufwartet, be- weist gleichermaßen kreative Phan- tasie wie eine wirklichkeitsfremde Einschätzung der vorhandenen Ver- hältnisse. Eine Reform von diesem Umfang erforderte nicht nur gewalti- ge Anstrengungen auf allen mögli- chen Entscheidungsebenen, sondern träfe auch auf den Widerstand zahl- reicher Gruppierungen und Interes- senten. Man kann sich also leicht ausmalen, welche politischen Kosten entstehen würden, um eine solche Reform durchzusetzen — nicht aber,

Sachverständigenrat in alten Denkbahnen

Jahresgutachten 1992:

„Ausbau in Deutschland und Aufbruch nach Europa"

A1-1590 (18) Dt. Ärztebl. 89, Heft 18, 1. Mai 1992

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