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Archiv "Bundeshauptversammlung des NAV-Virchowbundes: Für ungeteilten Sicherstellungsauftrag" (01.12.1995)

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Bundeshauptversammlung des NAV-Virchowbundes

Für ungeteilten

Sicherstellungsauftrag

Der im Kassenarztrecht verankerte Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereini- gungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts und als genossenschaftliche Einrich- tung aller Vertragsärzte müsse auch in Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben. Die Vertragsärzte seien allerdings in die Pflicht gerufen, diesen Auftrag konsequent zu er- füllen und auch insbesondere die Betreuung in Notfällen und im Rettungsdienst verant- wortungsvoll zu übernehmen. Die Prävention, Umweltmedizin, ambulante Rehabilitation und die Langzeitversorgung chronisch Kranker seien unverzichtbare Bestandteile der vertragsärztlichen Versorgung. Diese Thesen stellte der jetzt 18 000 Mitglieder zählende NAV-Virchowbund (Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.) in den Mittel- punkt seiner Bundeshauptversammlung am 3./5. November in der Charitö zu Berlin.

POLITIK

V

iele Mandatsträger im NAV- Virchowbund sehen die Praxen der niedergelassenen Ärzte wegen der sich zunehmend verschlechternden gesetzlichen Rah- menbedingungen und der sich zuspit- zenden aktuellen gesundheitspoliti- schen Diskussion in einer erneuten Bewährungsprobe. Zahlreiche Praxen freiberuflich tätiger Ärzte seien in ei- ner sich verschärfenden existentiellen Krise; in diesem Jahr hätten rund 600 Arztpraxen „dichtmachen müssen"

(nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung). Auch spüren die niedergelassenen Ärzte den wachsen- den Konkurrenzdruck nicht zuletzt durch die Expansionsgelüste der Krankenhäuser, sich auch weit im am- bulanten Sektor zu betätigen und als Institution für den ambulatorischen Betrieb zugelassen zu werden (Stich- wort: „Gesundheitszentren").

Falls in der nächsten Reform- etappe zur Strukturreform im Ge- sundheitswesen die Pauschalierung der Honorare im ambulanten Sektor forciert würde, kämen alle niederge- lassenen Ärzte weiter auf die „Verlie- rerstraße", so die Befürchtungen des NAV-Bundesvorsitzenden Dr. med.

Maximilian Zollner, Facharzt für All- gemeinmedizin aus Friedrichshafen, vor der jüngsten Bundeshauptver- sammlung des NAV-Virchowbundes am 4. November in Berlin. Falls ein Pauschalhonorarsystem mit der schrittweisen Einführung eines rein-

AKTUELL

rassigen Primärarztsystems verbun- den wäre, was der NAV-Virchowbund bisher stets energisch abgelehnt hat, würden die Hausärzte in die Rolle eines Patientenverteilers („gate- keeper") mit reduziertem Leistungs- spektrum manövriert werden. Die niedergelassenen Spezialärzte kämen zugleich in eine hoffnungslose Kon- kurrenzsituation zum übermächtigen Krankenhaus.

Gleiche

Startpositionen

Der Verband setzt wie bisher schon auf die Förderung von ärztli- chen Gemeinschaftspraxen, Praxisge- meinschaften und Schwerpunktpra- xen, auch Satellitenpraxen mit Schwerpunktversorgung am Rande großer Städte, um dem Krankenhaus Paroli zu bieten und von seiten der niedergelassenen Ärzteschaft ein strukturpolitisches Äquivalent zu schaffen, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Qualität der me- dizinischen Versorgung zu verbessern und den Verzahnungsprozeß zwi- schen ambulanter und stationärer Versorgung zu beschleunigen. Aller- dings will der Verband nicht so weit gehen, die Umwandlung von Ge- meinschaftspraxen in Praxisgemein- schaften zu empfehlen. Die reformpo- litische Option des NAV-Virchow- bundes bleibt die fachverbindende

Gemeinschaftspraxis. (Der Verband hat dazu vor Jahren ein Grundsatzur- teil vor dem Bundessozialgericht er- stritten.)

Den Gelüsten mancher Kran- kenkassenfunktionäre und auch sei- tens der Politik (insbesondere der SPD und der Grünen), das „Einkaufs- modell" an die Stelle des Sicherstel- lungsauftrags im ambulanten Sektor zu setzen, will der Verband energisch den Kampf ansagen. Bei einer Ab- schaffung des Sicherstellungsauftrags und der Verlagerung der Kompeten- zen der Kassenärztlichen Vereinigun- gen auf die Krankenkassen würde man die KVen spalten und dem „Kar- tell der Krankenkassen" ausliefern.

Der Verband engagiert sich für eine funktionierende gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen als Grundlage für ein intaktes Gesundheitswesen. Voraus- setzung sei allerdings, daß das Prinzip der „gleich langen Spieße" und der gleichen Startpositionen durchgesetzt wird. Um neue Modelle ärztlicher Versorgungsstrukturen erproben zu können, müßten die dazu benötigten Finanzmittel außerhalb des Budgets bereitgestellt werden. Im übrigen baut der Verband auf die Zusage der Politik, daß das Budget Ende 1995 suspendiert wird. Nicht hinnehmbar sind für den NAV-Virchowbund die rigiden Bestimmungen der Bedarfs- planung im ambulanten Sektor, insbe- sondere die Zugangsdrosselung seit 1993 und die Bedarfszulassung (ab 1999). Dadurch würden notwendige Innovationen und flexible Reaktio- nen und Anpassungen der ärztlichen Versorgungsstruktur an den medizini- schen Fortschritt und an die geänder- ten gesellschaftlichen Bedingungen erschwert oder verhindert. Der Ver- band lehnt wie bisher die im SGB V verankerte gesetzliche Zwangsaus- scheideregelung für Vertragsärzte ab dem 68. Lebensjahr ab. Die auf den einzelnen Arzt abgestellte Zulassung und Bedarfsplanung soll künftig auf Versorgungssitze umgestellt werden.

Der Verband setzt sich für geän- derte Finanzierungsmodalitäten in der gesetzlichen Krankenversiche- rung ein. Allerdings müßten die Ar- beitgeber und Versicherten pa- ritätisch in die Finanzierung und Ge- staltungsverantwortung eingebunden A-3370 (22) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 48, 1. Dezember 1995

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POLITIK

bleiben. Es müsse geprüft werden, ob die lohnbezogenen Sozialabgaben auf andere Bemessungselemente umge- stellt werden sollen, etwa die An- knüpfung an die Wertschöpfung und die Produktivität der Wirtschaft oder/und andere Einkommensarten (neben dem Lohn und Gehalt).

Rigoros müsse der derzeitige Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch- forstet und von überschießenden, ob- solet gewordenen und unwirtschaftli- chen sowie versicherungsfremden Leistungen entfrachtet werden. Als

„Fremdlasten" bezeichnet der Ver- band:

• Leistungen der Mutterschafts- hilfe, Leistungen bei Empfängnis- verhütung, Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation ohne medizinische Indikation; Zahlung von Kranken- geld bei Erkrankung von Kindern; die beitragsfreie Mitversicherung für ar- beitslose Kinder ab Vollendung des 18. Lebensjahres und die Beitrags- freiheit bei Bezug von Erziehungs- geld und während des Erziehungsur- laubs.

Ein Bündel

von Forderungen Diese Leistungen ebenso wie die in die Krankenversicherung einge- bundenen familienbezogenen Lei- stungen sind aus der Sicht des Ver- bandes gesamtgesellschaftliche Auf- gaben, die entsprechend von der All- gemeinheit (das heißt über Steuermit- tel) zu finanzieren wären. Würde man den Komplex der versicherungsfrem- den Leistungen und der Familienlei- stungen aus der Finanzierungspflicht der GKV verbannen, könnten so pro Jahr zur Zeit bis zu 50 Milliarden DM eingespart werden, schätzt der NAV- Virchowbund. Ein Blick auf den an- gespannten GKV-Etat rechtfertige die Forderung, die Mehrwertsteuer- pflicht auf Arzneimittel zu reduzieren oder zu suspendieren. Dies wäre ein Beitrag des Staates zur Konsolidie- rung der Kassen-Finanzen.

Die übrigen Forderungen und Wünsche des NAV-Virchowbundes:

Die GOÄ-Sätze in den neuen Ländern sollen auf Westniveau ange- hoben werden.

AKTUELL

Das Arznei- und Heilmittelbud- get soll ausgesetzt werden, zumindest aber den tatsächlichen Ausgaben an- gepaßt werden, da die vollständige Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Vertragsärzte nicht akzeptabel sei und einer modernen, teureren Arzneimitteltherapie nicht entspro- chen werden kann.

Die kirchlichen Fachambulan- zen, die nach dem Einigungsvertrag in den neuen Bundesländern befristet zugelassen waren, sollen gesetzeskon- form Ende 1995 geschlossen werden.

Für das Fach „Allgemeinmedi- zin" soll statt drei Jahren eine Weiter- bildungszeit von fünf Jahren vorge-

Dr. med. Maximilian Zollner, Bundesvorsitzender des NAV-Virchowbundes, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Friedrichshafen: „ Vorfahrt für die Selbstverwal- tung ist nur dann gut, wenn sie nicht zum Gaul herhal- ten soll, der den Karren aus dem Dreck ziehen muß."

schrieben werden (dies ist auch die Forderung des BDA Berufsverband der Allgemeinärzte Deutschlands).

Die Krankenkassen sollen Wei- terbildungsstellen in allen Fachgebie- ten in „Lehr"-Praxen mitfinanzieren, und zwar außerhalb der Gesamtver- gütung. Damit würde Parität mit der Praxis der Klinikweiterbildungsstel- len geschaffen, die auch über das Budget zu Lasten der Kassen finan- ziert werden.

Die Modellversuche in Berlin und Hamburg zur Vermeidung unnötiger stationärer Krankenhaus- aufenthalte sollen ausgedehnt wer- den. Appelle an die Krankenhäuser

und die niedergelassenen Ärzte, Kli- nikaufenthalte zu vermeiden und die Einweisungshäufigkeit zu verringern, hätten bisher nichts genutzt.

Die Sozialversicherungsträger sollen die ambulante Rehabilitation und Pflege durch Vertragsärzte nach- haltig unterstützen. Damit „das Geld der Leistung folgt", sollen Verträge über die Kassenärztlichen Vereini- gungen abgeschlossen werden. „Ein- kaufsmodelle" jeder Art werden ab- gelehnt.

Strikt wendet sich der Verband auch gegen die Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in seinem jüngsten Vorstoß zur Strukturreform, einen Gesamt- verband für alle Krankenversicherun- gen und Kassenarten zu gründen, da- mit dieser das Globalbudget steuert und mit den Leistungsträgern zentral Verträge aushandelt.

Werden im Krankenhaus durch ambulante Operationen Einsparun- gen erzielt, sollte dies auch zu einer Anhebung des Budgets für praxisam- bulante Operationen führen.

Kummer bereitet den Niederge- lassenen auch die zum 1. Januar 1996 obligatorisch werdende Anwendung der ICD-10 (Diagnosenverschlüsse- lung) in der Arztpraxis. Der Verband regt an, den Anwendungstermin aus- zusetzen, zumal auch der neue EBM und die novellierte GOÄ zu Jahres- beginn 1996 mit hohem Verwaltungs- und Umstellungsaufwand in Kraft träten. Zudem gibt es noch Unge- reimtheiten und Verwerfungen im Bereich der Verschlüsselung: So wer- de im stationären Bereich nach wie vor bis auf weiteres die ICD-9 ange- wendet, weil danach die Fallpauscha- len und Sonderentgelte kodiert sind.

Erst voraussichtlich im Jahr 1997 wer- de die ICD-10 im stationären Bereich angewendet, prognostiziert der NAV-Virchowbund. Wegen der feh- lenden Deckungsgleichheit von ICD- 10/ICD-9 käme es zu verwirrenden Verschlüsselungen. Die Einweisungs- diagnose erfolge nach der ICD-10, die Aufnahme- und Entlassungsdiagnose aber nach ICD-9. Damit seien lebens- gefährdende Fehlerquellen nicht aus- geschlossen. Der Verband appelliert an die Politik und die Selbstverwal- tung, diesen Wirrwarr schnell zu be- enden. Dr. Harald Clade Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 48, 1. Dezember 1995 (23) A-3371

Referenzen

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