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Archiv "Hauptversammlung des NAV-Virchowbundes 1997: Offensive für vernetzte integrierende Strukturen" (28.11.1997)

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ei aller Kritik an der kurzat- migen Bonner Reformpolitik und der Blockadepolitik des Bundesrates vor allem auf dem Gebiet der Steuer-, Renten- und Gesundheitsreform hat der NAV- Virchowbund anläßlich seiner Bun- deshauptversammlung vom 14. bis 16.

November in Köln den gesetzgeberi- schen Durchbruch zu alternativen Versorgungs- und Praxisformen be- grüßt. Mit der Einführung des Job- sharing, der Möglichkeit, ärztliche Dauerassistenten zu beschäftigen und mehr Regulative zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung auf vertraglicher Ba- sis zu erproben, besäßen die niederge- lassenen Ärzte jetzt brauchbare In- strumente, um auch fortschrittliche, moderne Formen der gemeinsamen Berufsausübung zu installieren und innovative Wege zur Verbesserung der Organisations-, Finanz- und Ver- gütungsstrukturen der Leistunger- bringer zu beschreiten. Neue Praxis- formen müßten gemeinsam ent- wickelt und implementiert werden.

Die Krankenhäuser und die Kli- nikärzte würden sich einen Bären- dienst erweisen, wenn sie das Kran- kenhaus als Institution weit für die ambulante Versorgung öffnen und die Kliniken als „Netzleitstelle“ etablie- ren wollten (das hatte der Marburger Bund bei seiner jüngsten Hauptver- sammlung Anfang November in Köln gefordert). Die stationäre Versorgung in ihrer Funktion als Versorgungsfeu- erwehr und letzte Interventionsstufe

in einer Kette der gestuften Versor- gung dürfe auch künftig nur „subsi- diäre Funktion“ haben, so der Bun- desvorsitzende des NAV-Virchow- bundes, Dr. med. Maximilian Zollner, Allgemeinarzt aus Friedrichshafen.

Andererseits müßten sich auch die Krankenhäuser für vernetzte Struktu-

ren und Strukturverträge offen zei- gen, schon allein deswegen, um die hohe Quote der Selbsteinweisungen zu senken und an der Nahtstelle zwi- schen ambulanter und stationärer Versorgung vor allem im hochspezia- lisierten Bereich die Infrastrukturen

und Kompetenz der Krankenhausärz- te besser zu nutzen. Möglicherweise könnten vermehrt Notfallpraxen an Krankenhäusern eingerichtet wer- den, damit nicht nur Notfälle rasch und gezielt versorgt werden können, sondern auch die Selbsteinweisungen durch Patienten an den Wochenen- den und in den sprechstundenver- dünnten Zeiten nicht überhandneh- men, so NAV-Virchowbund-Vorsit- zender Dr. Zollner.

Die Delegierten zeigten sich da- von überzeugt, daß sich das Schicksal des Gesundheitswesens künftig an der Lösung der Verzahnungsproble- me und an der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Sektor entscheidet. Es könne allerdings nicht hingenommen werden, daß die Kran- kenhäuser als teuerster Sektor des Gesundheitswesens einseitig geöffnet würden und auf „Beutezug“ im ambu- lanten Bereich gingen. Wenn schon Öffnung, dann nach beiden Seiten, so das Plädoyer von Dr. Zollner. Der NAV-Virchowbund tritt für mehr Ko- operation und eine teilweise gemein- same Nutzung der Infrastrukturen im Klinikbereich und vor allem der Großgeräte ein. Dabei müßten auch die bewährten Elemente einer enge- ren Verzahnung, wie das kooperative Belegarztsystem, Ermächtigung von Klinikärzten (gemäß § 116 SGB V), Schwerpunktpraxen und vor allem vernetzte Systeme verstärkt genutzt werden.

Der NAV-Virchowbund sieht al- lerdings bei der Vernetzung und der Integration ambulant/stationär ein entscheidendes Hindernis: Wegen der getrennten Ressourcen-Verwaltung und der durch das Sozialgesetzbuch V sanktionierten Trennung der Finan- zierungsverantwortung wird regel- mäßig verhindert, daß das Geld der Leistung tatsächlich folgt. Statt des- sen fordert der Verband: Wenn neue Leistungen eingeführt werden und das Krankenhaus durch eine intensi- vierte ambulante Versorgung entla- stet wird, müssen die Früchte solcher Umschichtungen und kostensparen- den Maßnahmen auch jenen zugute kommen, die mehr Leistungen über- nehmen. Allerdings, so der Hinweis von Dr. med. Eckbert Finsterwalder, Vorsitzender des Landesverbandes Hamburg: „Wir wären mit vernetzten A-3246 (34) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 48, 28. November 1997

P O L I T I K TAGUNGSBERICHT

Hauptversammlung des NAV-Virchowbundes 1997

Offensive für vernetzte integrierende Strukturen

Die im NAV-Virchowbund (Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.) orga- nisierten Ärztinnen und Ärzte sehen Chancen, daß unter dem Druck der knappen finan- ziellen Ressourcen vermehrt neue kooperative Arbeitsformen und integrative Struktu- ren zur gemeinsamen Berufsausübung in Gemeinschaftspraxen, Gruppenpraxen, Ärztehäusern, Apparategemeinschaften und in einer Art Verbundwirtschaft mit dem Krankenhaus installiert werden. Die Möglichkeiten des SGB V müßten genutzt werden, um über Modellvorhaben (§ 63 bis 65 SGB V) und Strukturverträge (§ 73 a SGB V) al- ternative Organisations- und Vergütungsformen sowie ärztliche Netzwerke zu erproben.

„Strukturen ambulanter ärztlicher Versorgung: Je- der für sich – oder alle gemeinsam?“, so das Leitthe- ma der öffentlichen Veranstaltung während der Bun- deshauptversammlung des NAV-Virchowbundes am 14. November im Maternushaus zu Köln. Am Podi- um: Dr. med. Maximilian Zollner, Friedrichshafen, der 1. Vorsitzende des NAV-Virchowbundes.

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Strukturen wesentlich weiter, wenn die Krankenkassen bereit wären, auch Butter bei die Fische zu tun.“

Was der NAV nicht will, ist eine Monostruktur in der ärztlichen Ver- sorgung. Neben der modernen Einzel- arztpraxis, die auch künftig ihre Be- rechtigung habe, müsse es eine Viel- zahl von effizienten und praktikablen Gestaltungsformen geben. Der Ent- schluß, in Gemein-

schaften beruflich zu kooperieren, sei oft- mals auch eine Frage der Mentalität und des zwischenmenschlichen Verständnisses. Not- wendig sei eine Flexi- bilisierung auch der Rechtsformen. Jede Praxisform erfordere die adäquate Rechts- form, so der Hinweis von Dr. jur. Bernd Hal- be, Rechtsanwalt für Arzt- und Medizin- recht aus Köln. In je- dem Fall habe die Rechtsform nur „die-

nenden Charakter“, sie sei Mittel zum Zweck, nämlich um die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Leistungs- gewährung zu verbessern und die be- darfsnotwendige Versorgungsstruk- tur marktgerecht anzubieten.

Wie beim Kölner Kongreß berich- tet wurde, gibt es zur Zeit rund 30 regionale Versorgungsnetzwerke (Dr. med. Fritz Lenz: „Unsere Ver- kaufsmodelle“), die sehr unterschied- lich gestaltet seien, die zum Teil Struk- turverträge mit dem Ziel umsetzten, über finanzielle Anreize (Bonussy- stem) die Versorgungsqualität zu ver- bessern, die Präsenz zu erhöhen (insbe- sondere das Rendsburger und Kieler Modell), die Verordnungshäufigkeiten zu drosseln (BKK-System in Berlin).

Prädestiniert für eine berufs- übergreifende Kooperation sei auch die fachverbindende Gemeinschafts- praxis, zu der das Bundessozialgericht bereits in einem Grundsatzurteil von 1983 „grünes Licht“ gegeben habe.

Zollner regte an, künftig auch die Gründung von Ärzte-GmbH zu erwä- gen. So könnten medizinische Res- sourcen effizienter gemeinsam ge- nutzt und eingesetzt werden. Dies gel- te zum Beispiel für die gemeinsame

Nutzung von teuren Röntgengeräten und anderen Großapparaturen. Ärzte könnten sich in solchen GmbH auch finanziell engagieren, nicht nur in bloßen Verwaltungsgesellschaften (ohne die ärztliche Endverantwortung eines jeden Arztes auch in einer Ärz- te-GmbH zu tangieren). Bisher waren in Deutschland Gesellschaften mit be- schränkter Haftung bei freien Berufen

nur für Juristen zulässig; für Zahnärz- te ist die GmbH als Rechtsform vor vier Jahren höchstrichterlich bestätigt worden. In den alten Bundesländern war diese Rechtsform bisher jedoch nicht erlaubt. Allerdings arbeiten in Ostdeutschland bereits einige aufge- löste Polikliniken in GmbH-Form weiter, so in Berlin und in Branden- burg, berichtete Rainer Jeniche, der Geschäftsführer des Verbandes der Gesundheitszentren, Potsdam.

Gegen

Primärarzt-System Während Politik und Justiz Ein- verständnis signalisiert hätten, müsse noch der Widerstand der Körper- schaften überwunden werden. Ärzte- gesellschaften in der Rechtsform der GmbH können auch von fachfremden

„stillen Teilhabern“ mitfinanziert werden, „solange sichergestellt ist, daß kein Einfluß auf ärztliche Ent- scheidungen genommen wird“.

Der NAV-Virchowbund ist davon überzeugt, daß die Hausärzte in einer vernetzten Struktur ihre angestammte Rolle haben werden; auch die Fachärz-

te müßten ihren bisherigen Sicherstel- lungsauftrag erfüllen. Die Versor- gungsnetze müßten in ihrer Funktio- nalität so stark werden, daß sie sich im Wettbewerb (auch in einem Verdrän- gungswettbewerb) bewähren können und eine tragende Rolle spielen. Dann werde ein Primärarztsystem „so über- flüssig wie ein Kropf“. Der NAV- Virchowbund lehnt einmütig ein Primärarztsystem, wie dies kürzlich vom Ver- band der Allgemein- ärzte Deutschlands – Hausärzteverband – (BDA) in die Debatte geworfen wurde, ab.

Eine „Hollandisie- rung“ des deutschen Gesundheitswesens mit einem dominierenden und patientenleitenden Primärarztsystem dürfe es nicht geben. Dr.

Zollner: „Wer das Primärarztsystem for- dert, will ein Alibi für den minderqualifizier- ten Arzt.“ Und: „Pri- märarztsysteme treiben die fachärztli- che Versorgung an das Krankenhaus“, so Dr. med. Fritz Lenz, Schopfheim, Internist, stellvertretender Vorsitzen- der des Landesverbandes Baden-Würt- temberg des NAV-Virchowbundes.

Der Verband sprach sich für eine Stärkung der hausärztlichen Versor- gung aus. Wünschenswert sei es, das derzeitige Verhältnis von rund 60 Pro- zent Spezialärzten zu 40 Prozent All- gemein-/Hausärzten umzukehren.

Nachhaltig stellt sich der Verband hinter den bereits seit 1989 im Sozial- gesetzbuch V (§ 73) verankerten Auf- trag, die ambulante Versorgung in ei- nen hausärztlichen und einen spe- zialärztlichen Sektor zu gliedern. Vor- aussetzung für ein funktionierendes kooperatives System sei allerdings ei- ne adäquate Gebührenordnung, in der „Zuschußgeschäfte“ beendet werden. Allerdings, so die stellvertre- tende Bundesvorsitzende des NAV- Virchowbundes, Dr. med. Carola Paul, Allgemeinärztin aus Eilenburg:

„Eine Verteilungsgerechtigkeit wird es nicht geben; wir können nur mehr Akzeptanz bei den Ärzten und eine Annäherung an dieses Ideal anstre-

ben.“ Dr. Harald Clade

A-3247

P O L I T I K TAGUNGSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 48, 28. November 1997 (35)

„Solidargemeinschaft – Garant des sozialen Friedens“, so das Motto der Bundeshauptver- sammlung des NAV-Virchowbundes am 15./16. November im Kölner Ärztehaus

Fotos (2): Johannes Aevermann, Berlin

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