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Archiv "NAV-Hauptversammlung 1988 in Köln: Plädoyer für neue Formen der ärztlichen Berufsausübung" (01.12.1988)

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NAV-Hauptversammlung 1988 in Köln

Plädoyer für neue Formen

der ärztlichen Berufsausübung

eigneten Mitteln den Erfordernissen anzupassen.

Der NAV-Bundesvorsitzende Dr. Erwin Hirschmann, Kinderarzt aus München, gab die Losung aus:

„Vor dem Risiko, modern zu den- ken, dürfen wir nicht zurückscheu- en." Seiner Meinung nach hätten es die Selbstverwaltungen der Ärzte und Krankenkassen trotz GRG-Bü- rokratismus in der Hand, sich einen Freiraum von staatlicher Bevormun- dung zu erhalten und/oder neu zu erkämpfen. Der NAV offerierte denn auch in einem Thesenpapier provokative „Denkanstöße für neue Praxis- und Vergütungsstrukturen"

in der ambulanten ärztlichen Praxis.

Vor allem die Leistungs- und Wett- bewerbsfähigkeit der niedergelasse- nen Ärzte solle im fairen Wettbe- werb — nicht in Konkurrenz — zum stationären Bereich gestärkt wer- den. Wenn die Krankenhäuser wie- der auf ihren ursprünglichen subsi- diären Charakter verwiesen werden sollen, dann müßten die Zusammen- arbeit zwischen Allgemein- und Ge- bietsärzten sowie ein flächendecken- der Notfalldienst reibungslos funk- tionieren. Allerdings müsse das Ver- hältnis zwischen Allgemein- und Spezialärzten auf eine neue Grund- lage gestellt werden. Jedenfalls sei die interdisziplinäre Zusammenar- beit zwischen den meisten niederge- lassenen Ärzten intakt. Keinesfalls dürfe sich aber die Meinung unter den niedergelassenen Ärzten breit machen, nur noch „die höhere/letz- te Instanz Krankenhaus" könne hel- fen, wenn der solo praktizierende niedergelassene Arzt glaubt, am En- de seines Lateins zu sein. Wie könn- te es sonst sein, so fragte Hirsch- mann, daß gerade in Universitäts- städten weit mehr Patienten an Po- likliniken überwiesen werden als an

die niedergelassenen Spezialisten zusammen?

Der NAV warnte davor, den heute beklagten Dualismus Kran- kenhaus/ambulante Versorgung zu konservieren. Dies habe zu ökono- mischen Fehlentwicklungen geführt, die heute schwer korrigierbar seien.

Trotz der Parolen der intensivierten Versorgung durch niedergelassene Ärzte ( „soviel ambulant wie mög- lich, soviel stationär wie nötig") sei im niedergelassenen Bereich bis jetzt noch keine befriedigende Lö- sung gefunden worden.

Stärkung des Wettbewerbs Die NAV-Thesen sprechen sich gegen die vom Marburger Bund fa- vorisierte zunehmende Zentrierung der spezialärztlichen ambulanten Versorgung an das Krankenhaus aus. Dies würde zu Friktionen füh- ren. Vor allem wäre keine flächen- deckende und ausgewogene Versor- gung gewährleistet. Auch eine staat- lich verordnete Zuständigkeitsab- grenzung zwischen den Kranken- häusern und den niedergelassenen Ärzten scheidet für den NAV aus, weil dies Bürokraten in die Vorhand bringe, bedenkliche dirigistische und disziplinäre Tendenzen heraufbe- schwöre. Der NAV favorisiert statt dessen einen „dritten Weg" — als Königsweg:

• Stärkung des Wettbewerbs und der Leistungsfähigkeit des frei- beruflich tätigen Arztes durch mo- derne Formen der ärztlichen Berufs- ausübung, Kooperations- und Kom- munikationsformen, die durch rechtlich sanktionierte Praxis- und Vergütungsstrukturen abgesichert werden sollten.

D

as „Gesundheits-Reform- gesetz" (GRG) ist vom NAV Verband der nie- dergelassenen Ärzte an- läßlich seiner Bundeshauptver- sammlung 1988 in Köln (am 11./12.

November) so eingestuft worden, wie es die Mehrheit der Ärzteschaft längst apostrophiert hat: als ein (fünftes) Kostendämpfungsgesetz, das weder als eine Reform im Ge- sundheitswesen noch als eine kon- zeptionsorientierte Weiterentwick- lung der gesetzlichen Krankenversi- cherung noch als eine strukturelle Erneuerung des gegliederten Sy- stems bezeichnet werden kann Zu viele unausgewogene Einzelbestim- mungen lassen ein ordnungs- und gesundheitspolitisch konsistentes Gesamtkonzept vermissen, das sämtliche Sektoren ausgewogen und gleichgewichtig in die Stabilitätser- fordernisse einbindet. Die eigent- lichen Reformprobleme, wozu der NAV auch eine Organisationsre- form der Krankenversicherung und der Kassenstrukturen, die Reform der ärztlichen Ausbildung, die Stär- kung der Selbstverwaltung, die Ein- bindung aller Sektoren (auch der Krankenhäuser) in einen Stabilitäts- und Strukturpakt versteht, ist aber- mals ausgeblieben. Schnell werden weitere „Reformen" folgen, so die NAV-Prognose. Um so mehr sei die Ärzteschaft aufgerufen, überzeu- gende eigene Vorstellungen zu ent- wickeln, anstatt in Abwehrhaltung und Selbstmitleid zu verharren.

Blick nach vorn!

Der weit verbreiteten Attitüde des Warnens und des Jammerns, des Lärmens und Lamentierens hat der NAV, den Bekundungen seiner Verbandsoberen zufolge, abge- schworen. Wenn schon das GRG nicht zu verhindern gewesen ist, will man in den wichtigen, die Ärzte- schaft existentiell betreffenden Fra- gen des Gesundheitswesens weiter- kommen Es sei an der Zeit, den Blick nach vorn zu wenden. Der NAV will mithelfen, die Strukturen für eine hoch stehende ärztliche Versorgung der Bevölkerung mit ge-

Dt. Ärztebl. 85, Heft 48, 1. Dezember 1988 (21) A-3413

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Verstärkt müsse sich der nieder- gelassene Arzt als risikotragender Investor und Unternehmer darauf konzentrieren, gegenüber dem

„staatlich behüteten" Krankenhaus konkurrenzfähig zu bleiben. Die im

§ 123 GRG vorgesehene Einbezie- hung des Krankenhauses in die am- bulante ärztliche Versorgung könne für Niedergelassene nur dann „ge- fährlich" werden, wenn diese über- trieben und vorschnell ins Kranken- haus einwiesen, ohne daß dafür hin- reichende medizinische Gründe be- stehen. Auch der NAV gesteht zu, daß es sehr schwer ist, gegen den

„monolithischen Block Kranken- haus" anzukämpfen. Es bedürfe vielmehr gesetzlicher Rahmenbedin- gungen und einer Unterstützung der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und der Krankenkas- sen, um die Rechtspositionen der niedergelassenen Ärzte zu wahren und zu stärken. Am Sicherstellungs- auftrag der niedergelassenen Ärzte für die ambulante Versorgung dürfe nicht gerüttelt werden. Auch müsse allen politischen Anfängen gewehrt werden, die die Grundstrukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen in Frage stellen oder sie ganz ab- schaffen wollen (dazu zählen auch li- beralistisch agierende Gesundheits- ökonomen!).

In einer Entschließung hat sich der NAV für die Stärkung der Kas- senärztlichen Vereinigungen der Länder und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als körperschaft- liche Selbstverwaltungsorgane der Kassenärzte ausgesprochen. Die niedergelassenen Arzte werden auf- gerufen, sich aktiv in den Gremien der genossenschaftlich organisierten Kassenärzte zu engagieren und im eigenen Interesse für deren Fortbe- stand einzutreten. Allerdings müsse auch die Position des niedergelasse- nen Arztes finanziell, organisato- risch und „ideologisch" gestärkt werden, indem rechtzeitig auf neue Entwicklungstendenzen aufmerk- sam gemacht wird und diese zügig und pragmatisch realisiert werden.

Nur so könne die durch die Struktur- reform gestärkte Position der gesetz- lichen Krankenkassen durch eine

„Gegenmacht" polarisiert werden.

Als NAV-spezifische Forderung be-

kräftigte die Hauptversammlung das Plädoyer für Gruppenpraxen (diese haben von 1980 bis 1986 um 76 Pro- zent zugenommen). Nicht die ge- bietsgleiche Gruppenpraxis (Senior- Junior-Partnerschaften), sondern vielmehr auch die „gebietsverbin- dende" (fachübergreifende) Ge- meinschaftspraxis sei die Praxisform der Zukunft. Die Entwicklung dürfe weder durch bürokratische Hemm- nisse noch durch winkeladvokati- sche Interventionen gehemmt wer- den. Die Kassenärztlichen Vereini- gungen und die Ärztekammern wer- den aufgefordert, moderne Koope- rationsformen nachhaltig zu för- dern. Auch die Diskussion um ein Partnerschaftsgesetz müsse weiter- geführt werden; Gesellschaftsfor- men für Angehörige freier Berufe müßten gefunden werden (auch aus haftungsrechtlichen Gründen).

„Mehrzweckwaffe"

In NAV-Sicht können Gruppen- praxen als „Mehrzweckwaffe" ein- gesetzt werden: Einerseits helfen sie, die traditionell der kurativen Medizin verbundene ärztliche Be- rufsausübung zu überwinden. Ande- rerseits helfe sie den niedergelasse- nen Ärzten, verlorengegangenes be- rufliches Terrain neu zu entdecken oder wiederzugewinnen. „Bei der immer dringender werdenden Not- wendigkeit des Ausbaus der Ar- beits-, Umwelt- und epidemiologi- schen Medizin brächte dies auch die Möglichkeit der Verflechtung der kurativen individuellen mit der mehr kollektiven öffentlichen Medizin"

(Erwin Hirschmann) Für den in Gruppenpraxen agierenden Arzt bö- te es Möglichkeiten, Kosten zu sen- ken und das Qualitätsniveau durch konsiliarische Zusammenarbeit zu heben — zum Vorteil der Versicher- ten und der Krankenkassen.

Ein anderer Vorteil der koope- rativen Praxisausübung: Durch die Integration und Verzahnung allge- mein- und spezialärztlicher Tätigkeit und die Einbindung sozialer Dienste könnte auch die Teilzeitarbeit geför- dert werden. Nicht zuletzt könnte durch Gemeinschaftspraxen auch

die nachrückende Ärztegeneration in den Beruf integriert werden. Part- nerschaftspraxen entsprächen auch dem Gebot arbeitsmarktpolitischer Erfordernisse, denn Teilzeit- und Partnerschaftstätigkeit sei immerhin besser als Dauerarbeitslosigkeit.

Zudem: Partnerschaftliche Strukturen erleichterten die Zusam- menarbeit mit „ärztlichen Komple- mentärberufen" und Heilhilfsberu- fen, vor allem im Bereich der Reha- bilitation, der Geriatrie und bei der Betreuung chronisch Kranker und alter Menschen.

Um die Einkommensunterschie- de zwischen den verschiedenen ärzt- lichen Disziplinen weitgehend zu be- seitigen, wäre auch ein „satellitenar- tiger Verbund von niedergelassenen Allgemeinärzten mit spezialärzt- lichen Schwerpunktpraxen" hilf- reich. Eine solche Entwicklung könnte auch durch die Bildung von gemeinsamen Apparategemein- schaften (Vorbild: Laborgemein- schaften) angestoßen werden. Der erforderliche Hochtechnologie-Ein- satz müsse zwischen ambulantem und stationärem Sektor sorgfältig abgestimmt werden.

KBV und KVen sollten ein richtungweisendes Konzept für den Datenfluß entwickeln, damit dem Arzt Fehlinvestitionen erspart blei- ben. Allerdings müßten die ärztliche Schweigepflicht und das Patienten- geheimnis auch bei der Datennut- zung für die medizinische Forschung gewahrt werden.

I> Durch Zusammenarbeit al- ler Fachdisziplinen sollen die Mög- lichkeiten der ambulanten Behand- lung und Nachsorge krebskranker Patienten verbessert werden (durch Schwerpunktpraxen).

I> Die zum 1. Oktober 1988 in Kraft getretenen Änderungen des EBM und der Vertragsgebührenord- nungen werden begrüßt. Die KBV soll sich für Verbesserungen einset- zen, ohne dadurch ein Absinken des Punktwertes zu provozieren.

> Nachdrücklich setzt sich der NAV auch für die Verbesserung der Information über das Leistungsan- gebot der niedergelassenen Arzte ein. Dies sei im Wettbewerb mit den Krankenhäusern unerläßlich.

Dr. Harald Clade A-3414 (22) Dt. Ärztebl. 85, Heft 48, 1. Dezember 1988

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