• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "NAV-Bundeshauptversammlung 1990 in Köln: Nach Standortbestimmung: Fusion mit dem Virchow-Bund" (06.12.1990)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "NAV-Bundeshauptversammlung 1990 in Köln: Nach Standortbestimmung: Fusion mit dem Virchow-Bund" (06.12.1990)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES

ARZTEBLATT

, TA UNGSBERICHT

NAV-Bundeshauptversammlung 1990 in Köln

Nach Standortbestimmung:

Fusion mit dem Virchow-Bund

D~r Verband der niedergelasse- nen Arzte Deutschlands (NA V) blieb bei der diesjährigen Bundes- hauptversammlung in Köln ( am 17.

und 18. November 1990) seinen ver- bandspolitischen Prinzipien, seinen Satzungszielen und seinem Interes- senvertretungsanspruch gegenüber der Politik und innerhalb der plurali- stisch strukturierten Ärztelandschaft treu: Auch beim deutsch-deutschen Einigungsprozeß, der Umsetzung der Sozialunion, der grundlegenden Er- neuerung des Gesundheits- und Krankenhauswesens der ehemaligen DDR haben für den Verband die Prinzipien der Niederlassungsfrei- heit, der Freiberuflichkeit, der freien und unabhängigen Berufsausübung im geltenden sozial- und gesund- heitspolitischen Rechtsrahmen abso- luten Vorrang. Bei aller Einsicht in die Notwendigkeit, pragmatisch vor- zugehen und die Überleitungs- und Umstellungsfristen unter Beachtung der Essentials der Freiberuflichkeit ausfüllen zu wollen, haben die Dele- gierten nach lebhafter und kontro- verser Debatte verdeutlicht, daß auch bei mehrdimensionalen finan- ziellen, personellen und organisato- rischen Problemen der kräftezehren- den Systemumstellung keine Abstri- che bei den Verbandsessentials tole- riert werden können, die an die Sub- stanz gehen.

Bereits vor dem Vereinigungs- tag, dem 3. Oktober 1990, hatten der NA V und seine Führungscrew Riebtpflöcke im Verbandswesen und in der Berufspolitik auf dem Territo- rium der damaligen DDR gesetzt, partnerschaftliehe Hilfe und kollegi- ale Unterstützung (bis hin zu Hospi- tationen) initiiert und - so gut es ging - selbst umgesetzt. Die Konse- quenzen der berufspolitischen Son- dierungen und Aktionen, wie über- haupt des Systemumstellungspro- zesses des DDR-Gesundheitssiche- rungssystems, beeinflußten denn auch maßgeblich die zweitägige NA V-Tagung in Köln. Vomweg die

Meldung über den berufspolitischen Durchbruch, der nach zähem Ringen zur Freude und Erleichterung der überwiegenden Mehrheit der NA V- Delegierten erzielt wurde:

~ Die NAV-Hauptversamm- lung hat sich nahezu einstimmig für eine Fusion mit dem Rudolf-Vir- chow-Bund ausgesprochen, nachdem der geschäftsführende Vorstand zu- vor bereits grünes Licht für die Ver- bändefusiongegeben hatte. Der (mit großer Mehrheit wiedergewählte) NA V-Vorsitzende Dr. med. Erwin Hirschmann, München, hatte sich schon zu Beginn der Debatte deut- lich für eine Fusion mit dem Vir- chow-Bund ausgesprochen.

Auch der "Deutsche Arbeitskreis für Zahnheilkunde" (DA V), eine kleine Oppositionsgruppe aus dem Freien Verband Deutscher Zahnärz- te (FVDZ), die das Sachleistungs- prinzip stärken will, hat mit dem NA V fusioniert und das Plazet der Bundes- hauptversammlung in Köln erhalten (bei fünf Gegenstimmen).

Als Konsequenz der Fusion mit dem Virchow-Bund erhielt der NAV-Vorstand den Auftrag, mit Hilfe einer in Köln berufenen Sat- zungskommission den Vereinsna- men zu ändern und dabei den Na- men "Virchow" in den Verbandsna- men mit einzubeziehen. Darüber hinaus soll ein Vorstandsgremium die Position des NAV zur Problema- tik "Poliklinik - ambulante Versor- gung in den ostdeutschen Ländern"

formulieren; eine Arbeitsgruppe soll Realisierungsvorschläge unterbrei- ten. Dieser Antrag aus den Reihen des NAV-Landesverbandes Meck- lenburg-Vorpommern obsiegte über den Antrag des NAV-Bundesvor- standes, der sich gegen Versuche aussprach, "die in den fünf neuen Bundesländern bisher praktizierte intersJisziplinäre ?-usammenarbeit von Arztinnen und Arzten blindlings zu zerschlagen".

Im Zuge der Verbandserweite- rung wurde der "Verband der nie-

dergelassenen Ärzte Mecklenburg- Vorpommem" (Vorsitzender: Dr.

H. A. Donner, Greifswald) als neuer NAV-Landesverband Mecklenburg- Vorpommem anerkannt und in den Bundesverband aufgenommen (wei- tere NA V-Verbände sollen kurzfri- stig gegründet werden).

Die vom NA V-Vorstand vorge- schlagene Fusion mit dem Virchow- Bund ist von den Delegierten auch mit kritischen Stimmen begleitet worden. Skepsis, teilweise Ableh- nung, Standortbestimmung und schließlich ein mehrheitliches prag- matisches Vorgehen mit dem "Blick nach vom" kennzeichneten die Statements der aus der ehemaligen DDR zur Bundeshauptversammlung angereisten Delegierten des Vir- chow-Bundes, an der Spitze der seit 7. November 1990 amtierende Vor- sitzende des NAV-Landesverbandes Sachsen, Prof. Dr. med. Hans-Eg- bert Schröder, Abteilung für Innere Medizin der Zentralen Hochschul- poliklinik der Medizinischen Hoch- schule "Carl Gustav Carus", Dres- den, eines Klinikers im NA V also. Er und Dr. med. Ingrid Reisinger, Vir- chow-Bund Berlin, erklärten, daß viele Mitglieder des Virchow-Bundes immer noch die Poliklinik als eine durchaus erwägenswerte, vielleicht sogar auf Dauer erstrebenswerte Al- ternative zur oftmals nicht mehr möglichen Berufsausübung in eige- ner Praxis ansähen.

Viele Poliklinikärzte seien über die rasche Schließung von Poliklini- ken, überstürzte Entlassungen von bisher an staatlichen Polikliniken und Ambulatorien angestellten Ärz- tinnen und Ärzten besorgt. Diese scheuten bislang den Sprung in die freie Praxis, weil die Rahmenbedin- gungen noch nicht überblickbar sei- en, die existentiellen Grundlagen nicht gesichert erscheinen und die neue Form der beruflichen Unab- hängigkeit und Freiberuflichkeit erst noch eifahren werden müsse.

Die nach Köln gereisten Dele- gierten seien bislang nicht durch die Bank "basisdemokratisch" legiti- miert, für die Gesamtzahl der bisher im Virchow-Bund organisierten Mit- glieder zu sprechen. Auch diesen müßten eine Standortbestimmung und eine freie Entscheidung einge- Dt. Ärztebl. 87, Heft 49, 6. Dezember 1990 (31) A-3915

(2)

räumt werden, ob sie lieber im NA V oder aber in der Ärztegewerkschaft Marburger Bund ihre berufspoliti- sche "Heimat" sehen wollen.

Chancen für fachübergreifende Gemeinschaftspraxen

Die NAV-Delegierten aus den Reihen des Virchow-Bundes erklär- ten, man müsse auch die derzeitige Ausgangslage im "Beitrittsgebiet"

kennen und in die Überlegungen beim Systemumstellungsprozeß .~in­

beziehen: Von den rund 40 000 Arz- ten in den fünf neuen Bundeslän- dern sind rund die Hälfte im Bereich der ambulanten Medizin tätig. Da- von seien mittel- bis langfristig vor- aussichtlich etwa die Hälfte bereit, sich als Freiberufler in einer Kassen- praxis niederzulassen.

~ Ende vergangeneo Jahres gab es in der vormaligen DDR ein

"flächendeckendes ambulantes Ver- sorgungssystem" mit 615 Poliklini- ken, 1027 Ambulatorien, 128 Ambu- lanzen, 1613 staatlichen Arztpraxen, 2000 Arzt-Sanitätsstell~n und (nur) 417 niedergelassene Arzte (heute dürfte die Zahl bei rund 1000 lie- gen), erklärte Professor Hans-Egbert Schröder.

Nach den Einschätzungen Schröders könnten die staatlichen Arztpraxen und Arztsanitätsstellen sofort in freie Einzelniederlassungen umgewandelt werden. Auch die Po- likliniken und Ambulatorien könn- ten zum großen Teil durch Umstruk- turierung, Konzentrierung sowie den Abbau überzähligen Personals in ökonomisch arbeitende ärztliche Ar- beitsgemeinschaften, (fachv~rbin­

dende) Gruppenpraxen und Arzte- häuser übergeführt werden und gleichsam eines der wichtigsten Postulate des NA V erfüllen, nämlich vermehrt in Gemeinschafts- und Gruppenpraxen beruflich zu koope- rieren und die ärztliche Berufsaus- übung im Team verstärkt auch als niedergelassene Ärzte zu exerzieren.

Prof. Sehröder wies darauf hin, daß auch die Niederlassungsschwie- rigkeiten und die konkreten Mängel und Lücken "vor Ort" beachtet wer- den müßten. Es könne deshalb keine Niederlassung im "Hauruck-Verfah- ren" und eine boomartige Entwick-

Jung im Bereich der niedergelasse- nen Kassenärzte ab 1991 geben.

Gruppenpraxen und ähnliche Ein- richtungen in ehemaligen staatlichen Polikliniken sollten auch nicht vor- schnell als unliebsame Konkurrenz zur Einzelpraxis abqualifiziert wer- den, sondern vielmehr als eine "sinn- volle Ergänzung sowie als ein kosten- dämpfendes Filter in der prä- und poststationären Betreuung" (Schrö- der) betrachtet werden.

Frau Dr. Reisinger, Berlin-Ost, prognostizierte, daß sich von den niederlassungswilligen, bisher ange- stellten Ärzten 50 Prozent in Einzel- praxen und 50 Prozent in Gemein- schaftspraxen niederlassen wollen.

Nach ihren Schätzungen arbeiten in den Ambulanzen zur Zeit 70 bis 75 Prozent Frauen (deren Durch- schnittsalter liegt heute bei 48 J ah- ren, ein Alter, das einen "Grenz- wert" für den Wechsel in die freie Praxis darstellen dürfte).

Als Skeptiker bei der Beurtei- lung der Verbandsziele des jetzigen Virchow-Bundes gab sich der Kölner Delegierte Dr. Franz-Josef Broicher zu erkennen. Broicher bezeichnet es

als "verbandsschädlich" und als "be-

denklich", öffentlich darüber nach- zudenken, ob aus der Sicht des NA V staatliche Polikliniken, wenn auch nur zeitweise, in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten toleriert werden sollten. Dr. Wolf-Peter Otto, NAV-Delegierter aus Marsberg- Westheim (Westfalen), gab zu be- denken, daß durch die Fusion mit dem Virchow-Bund keine Plattform via NA V geboten werden dürfe, um

"amorphe" Strukturen zu propagie-

ren und staatliche oder halbstaatli- che Einrichtungen wie Polikliniken künstlich am Leben zu erhalten, die

"sich nicht rechnen", die daher aus Solidarbeiträgen der Gemeinschaft der Kassenärzte künstlich am Leben erhalten werden sollen. Wer dies propagiere, sei im Begriff, die Ver- bandsziele des NA V zu verwässern, könne nicht Mitglied des NA V wer- den. Seine berufspolitische "Hei- mat" sei eher der Marburger Bund als Interessenvertretung. der ange- stellten und beamteten Arzte - eine Auffassung, die auch von Delegier- ten aus den neuen Bundesländern geteilt wurde. Diese prognostizier- A-3916 (32) Dt. Ärztebl. 87, Heft 49, 6. Dezember 1990

ten, daß die Fusion des Virchow- Bundes mit dem NAV auch zu einer Spaltung in der Gesamtmitglieder- schaft des Virchow-Bundes führen dürfte; jeder werde prüfen, welcher Verband den jeweiligen Interessen- standpunkten am nächsten komme und diese politisch umzusetzen ver- suche. Insoweit dürfte sich beim Vir- chow-Bund bereits kurzfristig eine Mitgliederbereinigung und -um- strukturierung ergeben.

Stein des Anstoßes: Polikliniken Um aus der Not eine Tugend zu machen, appellierte die Hauptver- sammlung an den NA V-Bundesvor- stand, gegen den künstlichen Erhalt von Polikliniken anzukämpfen. Ver- bandsziel müsse die Förderung der ambulanten Versorgung auch in den ostdeutschen Bundesländern durch rpöglichst viele freiberuflich tätige Arzte bleiben. Eine Chance in der Startphase in Ostdeutschland sieht der NA V darin, die lang gehegten Verbandsziele zügig zu realisieren, nämlich Polikliniken in Einzelpra- xen, Praxisgemeinschaften und Gruppenpraxen in der Regie von un- ternehmerisch tätigen Ärzten umzu- wandeln. Dagegen vermied der Kompromißantrag eine Festlegung des NA V darauf, daß "eine Träger- schaft der KBV für die Polikliniken keinesfalls verwirklicht werden darf". Dies hatten Delegierte aus Hessen und Westfalen-Lippe absi- chern wollen. Sie befürchten eine Subventionierung der Polikliniken auf Kosten der Kassenarzthonorare (Stichwort: "Treuhandgesellschaft"

für alte Polikliniken).

In einem Beschluß appelliert die NA V-Versammlung an das Bundes- gesundheitsministerium, sich dafür einzusetzen, daß das Deutsche Hy- giene-Museum in Dresden zu einem Kongreßzentrum für Medizin, Ge- sundheits- und Umweltwissenschaf- ten ausgebaut wird. Zustimmung fand auch ein Entschließungsantrag aus Westfalen-Lippe, der gemeinsa- me Positionen der Liste "Demokrati- sche Ärztinnen und Ärzte", des BP A und des NA V zu Ausbildungsinhal- ten zum Arzt für Allgemeinmedizin feststellt und deren Umsetzung for- dert. Dr. Harald Clade

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auf der Jubiläumsversammlung des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands in Berlin kriti- sierten die 45 Delegierten, dass in den vergangenen Jahrzehnten zahl-

Für die Rentenvariante zahlen El- tern nach Angaben des BdV für eine monatliche Leistung von 1 000 Euro bei Mädchen einen Beitrag ab 23 Eu- ro im Monat, bei Jungen muss man mit etwa

Dies sei eine erste Berech- nung, die auch Entscheidungsgrund- lage für eine evidenzbasierte Be- wertung des Programms werden könne, so die Autoren.. Darüber hin- aus sei es auch

Ihre wirtschaftliche Perspektive in den kommenden sechs Monaten dagegen bewer- ten 32,3 Prozent als ungünstiger und lediglich 12,4 Prozent als günstiger. Durchgeführt wurde die

Verärgert hat der Verband medizi- nischer Fachberufe (VMF) auf ei- nen Beitrag im aktuellen News- letter des Deutschen Pflegerats reagiert, in dem den Medizini- schen

Bittmann sieht in den geplanten gesetzlichen Rege- lungen allerdings nicht nur Ein- schnitte in die Freiheiten der Ärzte:. „Die gesamten Freiheiten der Bun- desbürger

D er NAV-Virchow-Bund setzt für die Zukunft auf eine Ver- netzung mit anderen ärztlichen Ver- bänden und Organisationen, wie sie im Kern bereits zur Organisation der

Das Sozialgesetzbuch V solle so geändert werden, dass sich ein Patient nicht mehr nach dem Alles- oder- nichts-Prinzip entscheiden müsse:.. „Der Gesetzgeber muss es den Ver-