• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Psychotherapeutische Versorgung" (14.08.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Psychotherapeutische Versorgung" (14.08.1992)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Psychotherapeutische Versorgung

XV. Internationaler Kongreß für Psychotherapie,

Hannover, September 1991

M

it seinen fünf Plenarsitzungen, elf Symposien zu den Schwer- punktthemen und drei Arbeitsgrup- pen konnte dieser Kongreß vom Ein- zelnen in seiner Gesamtheit nicht mehr überblickt werden — aber die- ses Schicksal teilte er mit vielen ähn- lichen medizinischen Großveranstal- tungen. Unvermeidbare Überschnei- dung interessanter Themen an ver- schiedenen Orten zur gleichen Zeit verursachten nicht nur beim Refe- renten Ambivalenzen.

Werner Stucke (Hannover) äu- ßerte in seiner Begrüßung die Freu- de über die Vergabe dieses Interna- tionalen Kongresses nach Deutsch- land. Ulrich Streeck (Rosdorf) wür- digte die tiefgreifenden politischen Veränderungen in den zwei Jahren der Vorbereitungszeit.

Der überwiegend psychoanaly- tisch- oder tiefenpsychologisch-psy- chotherapeutischen Tätigkeit im ärztlichen Bereich entsprach auch die Themenverteilung des Kongres- ses. Lediglich je ein Symposium war ausdrücklich der Gesprächspsycho- therapie und der Verhaltenstherapie gewidmet.

Im Hauptvortrag der ersten Ple- narsitzung „Das Bedürfnis, Feinde und Verbündete zu haben — Psycho- analytische Untersuchungen inter- nationaler Beziehungen" berichtete Vamik Volkan (Charlotteville/USA)

über Konzepte von Freund und Feind. Das Gefühl ethnischer Zuge- hörigkeit sei weniger Naturkategorie als gemeinsames Denkmuster sozia- ler Gruppen. Bei Bedrohungen wer- de „das (eigene) Volk" deutlicher definiert, ebenso aber auch „die an- deren" (der Feind). Schon bei Kin- dern entwickelten sich gemeinsame Projektionsebenen, wobei die „gu- ten" dem Wir-Gefühl, die „bösen"

dem Feind zugeordnet würden. Im zwangsläufigen Prozeß der Entwick- lung der „Ethnizität" entstünden ge- meinsame Rituale und Symbole, wo- bei durch „Nicht-gleich-sein" Fein- de „abgegrenzt" und geografische Grenzen somit psychologisiert wür- den. Narzistische Kränkungen einer Gruppe würden als „gewähltes Trau- ma" auf den Feind als Verursacher projiziert. Über das „gewählte Trau- ma" schaffe sich eine Gefolgschaft oft auch ihre Führer, die wesentlich für die Einhaltung der Rituale seien.

In diesem Zusammenhang werde der

„gemeinsame andere" häufig auch dehumanisiert. Volkan belegte diese theoretischen Überlegungen bei- spielhaft mit aktuellen politischen Ereignissen und erhob den An- spruch, psychologische Faktoren zur Deutung internationaler Beziehun- gen zu benutzen.

Bereits im Forschungsgutachten zu Fragen eines Psychotherapeuten- gesetzes niedergelegte „Befunde zur psychotherapeutischen Versorgung in den alten Bundesländern" stellten Rainer Richter und Adolf-Ernst Meyer (Hamburg) dar. Wie bekannt, konstatieren sie trotz der im interna- tionalen Vergleich weitreichenden psychotherapeutischen Versorgung im genannten Gebiet eine gravieren- de Unter- und Fehlversorgung. Im Gutachten, insbesondere in der Zu- sammenfassung und den Empfeh- lungen der Gutachter wird dies ein- gehend zu belegen versucht, so daß hier nur die Stichworte „Chronifizie- rung bis zur Erwägung einer Rente",

„unzureichende Kompetenz der Pri- märversorger", „verzögerte Über- weisung", „statt früh und ambulant kommt es zu spät — und dann meist stationär — zu Psychotherapie" und

„Fehlallokation öffentlicher Mittel"

erwähnt seien.

Den „Bedarf an Psychotherapie und faktische Inanspruchnahme we- gen psychogener Erkrankungen" un- tersuchte H. Schepank (Mannheim).

Er unterschied zwischen Bedarf, An- gebot und Bedürfnis, wobei nur ein relativ kleiner Sektor der Über- schneidung aller drei "Kreise" den tatsächlich in Anspruch genomme- nen Bedarf ausweise. Von den als behandlungsbedürftig Eingeschätz- ten nahmen nur 35 Prozent ein Be- handlungsangebot auch an. Kurzfri- stig forderte er unter anderem psy- chosomatisch-psychotherapeutische Konsiliardienste zur Diagnostik im Allgemeinkrankenhaus und eine er- weiterte therapeutische Kompetenz der Primärärzte, mittelfristig eine In- tensivierung der Forschung und eine Gebietsbezeichnung, langfristig ein neues Studienfach. Durch das Psy- chotherapeutengesetz erwarte er ei- ne Erweiterung, nicht aber eine Op- timierung des Angebotes bei großen Kosten und geringer Effektivität.

Im Rahmen seiner Begrüßungs- worte hatte der Präsident der inter- nationalen Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie, Edgar Heim (Bern/

Schweiz) darauf hingewiesen, daß die mit 80 Prozent der Psychothera- peuten deutlich überwiegenden Schweizer Psychoanalytiker nur zu etwa 50 Prozent analytisch, sonst mit integrativen Verfahren arbeiten. In seinem Vortrag „Progressionsori- entierte psychoanalytisch-systemi- sehe Therapie. Zur Revision des Therapiekonzeptes der Psychoanaly- se" und in einer von ihm geleiteten Arbeitsgruppe brach Peter Fürstenau (Düsseldorf) gerade dafür (nicht un- widersprochen) eine Lanze. Er ging aus von umfangreicher empirischer Forschung mit dem Ergebnis, daß psychoanalytische Therapien meist wesentlich von psychoanalytischen Modellvorstellungen abweichen.

Dies betreffe sowohl die Abgrenzung zu suggestiv-supportiven Methoden als auch die Tatsache, daß der Pa- tient in der Behandlung nicht vor al- A1-2704 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992

(2)

lem Übertragungsbefriedigung und Wiederholungszwang realisiere, son- dern über seine „gesunden Ich-An- teile" pathologische Überzeugungen auch ohne direkte oder indirekte In- terventionen seines Analytikers auf- zulösen vermag. Durch suggestiv- supportive Interventionen in der Therapie erreichte Veränderungen erwiesen sich als stabiler gegenüber den Wechselfällen des Lebens als solche durch analytisch-interpretati- ves Vorgehen. Voraussetzung für die Anpassung psychoanalytischer The- rapien an die verschiedenen Anfor- derungen der Praxis sei die Integrati- on systemischer und lösungsorien- tierter Ansätze.

„Versorgungsrelevante Psycho- therapieforschung" — so Horst Kä- chele, Ulm — fordere, die „leitende Frage": „Welche Behandlungsmaß- nahme durch wen, in welchem Zeit- punkt führt bei diesem Individuum mit diesem spezifischen Problem un- ter welchen Bedingungen zu wel- chem Ergebnis in welcher Zeit" dif- ferenziert zu untersuchen, statt ei- ner „Pferderennenmentalität" (A.E.

Meyer) bei der Suche nach der

„überlegenen" Theorie und Behand- lung zu unterliegen. Auch er forder- te das Angebot eines breiten thea- peutischen Spektrums Dabei müsse die Regel gelten: "So viel wie not- wendig, so wenig wie möglich", um

„ein beschränktes Angebot von Be- handlungskapazität für möglichst viele Patienten nutzbar zu machen".

Zu Fragen der Psychotherapie von Gewalt- und Terroropfern refe- rierten mit Silvia Amati (Genf/

Schweiz) und J. Bastiaans (0egst- geest/Niederlande) zwei profunde Kenner der Materie. Der Therapeut als nicht nur Übertragungs-, sondern neues Realobjekt („einzigartiges Ob- jekt") hat nach Amati dem Folterop- fer gegenüber so lange eine Holding- Funktion wahrzunehmen, bis dessen zerstörtes Selbst wieder stabilisiert ist. Seine Haltung sei zunächst eine

„totale solidarische Verfügbarkeit"

mit dem Ziel, den Patienten aus der inneren Welt der Folterung zu lösen und ihm allmählich wieder Zukunfts- perspektiven zu eröffnen. Besonders die überstarke Scham über den Ver- lust an menschlicher Würde sei oft nur schwer, manchmal gar nicht zu

bearbeiten. Bastiaans verwies dar- auf, daß die medizinische Wissen- schaft mehr an den körperlichen Symptomen als an den psychischen Folgen bei Gewaltopfern interessiert sei. Betroffene und Arzte neigten zur Leugnung und Verdrängung der Vernichtung psychischer Existenz, was oft den Beginn eines dramati- schen Krankheitsgeschehens verdek- ke. Das „KZ-Syndrom" äußere sich anfangs oft nur in unspezifischen neurasthenischen Beschwerden, die erst nach Monaten bis Jahren in psy- chosomatische Störungen, chroni- sche asthenisch-depressive Zustän- de, aber auch in herabgesetzte Ab- wehr gegen chronische Infektions- krankheiten münden.

Vorträge zu transkulturellen Aspekten der Psychotherapie stell- ten ähnliche Symptome, aber meist unterschiedliche Patientenerwartun- gen in außereuropäischen Ländern heraus. Koreanische Patienten er- warten zum Beispiel nach Z.-N. Lee (Taegu/Süd-Korea) in der Tradition des Schamanismus unmittelbare Er- gebnisse aus magischen Einflüssen und zeigen wenig Bereitschaft zur Selbstöffnung. Trotz Etablierung dy- namischer Techniken werde deshalb die Anwendbarkeit westlicher Psy- chotherapie skeptisch beurteilt.

Weitere Schwerpunktthemen waren unter anderem: Psychosomati- sche Medizin, Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen — aber auch mit älteren Menschen, Psycho- therapie mit Paaren, Familien, Gruppen und die Darstellung spezi- eller Methoden (Autogenes Training und Hypnose, Verhaltenstherapie, Gesprächspsychotherapie).

Den Abschluß des wissenschaft- lichen Programms bildeten Vorträge von zwei „grand old men": J. S. Kaf- ka (Washington/USA) referierte über „Die Frage der Psychotherapie in der psychiatrischen Versorgung"

(speziell in ihrem Spannungsfeld zur biologischen Therapie); G. Benedetti (Riehen/Schweiz) zum wiederholten Male und dennoch wieder mit neuen Gedanken über „die Psychotherapie der Psychosen".

Dr. med. Gerhard di Pol Seeburgstraße 7/9 0-7010 Leipzig

Perkutane Interventionen beim Verschlußikterus

Der perkutan-transhepatische Zugang zu den Gallenwegen hat Diagnostik und Therapie des Ver- schlußikterus, auch bei Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand und schlechter Prognose, deutlich verän- dert.

Die Autoren stellen eine retro- spektive Studie aller perkutan-trans- hepatischen Eingriffe aus der Zeit von Januar 1986 bis August 1991 mit insgesamt 394 Patienten vor. Die In- dikationsgruppen lassen sich grob in präoperative, kurative und — insge- samt am häufigsten — palliative Ein- griffe unterteilen. Therapeutisch reicht das Spektrum von der rein ex- ternen Gallengangsdrainage über die extern-interne Katheter-Drain- age in das Duodenum bis zü den Endoprothesen und Gallengangs- Metallstents, die alle ausführlich dargestellt und beschrieben werden.

Das technische Vorgehen wirft keine großen Probleme auf, die Fra- ge der Vertretbarkeit des Handelns muß in jedem Fall neu gestellt wer- den. Hierbei muß die Verbesserung der Lebensqualität und die schnelle Rückkehr des Patienten in den Kreis der Familie beim Einsatz der Metho- den im Vordergrund stehen. Insbe- sondere gilt dieses ethische Abwägen für den Einsatz der Therapieverfah- ren beim Malignompatienten.

Einen großen Fortschritt brach- te die Einführung der Endoprothetik mit dicklumigen Endoprothesen oder Stents. Hier werden Überle- benszeiten zwischen acht und zehn Monaten mit einer Normalisierung der Laborwerte in 75 bis 100 Prozent beobachtet. Der Patient wird bei die- sem Verfahren nicht ständig an sein Leiden erinnert; Duschen, Baden, oder Schwimmen ist möglich: ein le- benswertes Leben kann ermöglicht werden. mle

Hauenstein, K. H., et al.: Perkutane Inter- ventionen am Gallengang beim Verschluß- ikterus — sinnvoll oder qualvolle Lebens- verlängerung? Radiologie (1992) 32: 13-21 PD Dr. K. H. Hauenstein, Abteilung Rönt- gendiagnostik, Radiologische Universitäts- klinik, Hugstetter Straße 55, W-7800 Frei- burg

Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992 (49) A1-2705

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach zwei wahrscheinlich aus überwiegend politischen Motiven er- folgten Beanstandungen von Richt- linienänderungen durch das BMG innerhalb eines Jahres und nach einer von Sorge um

Deutsche Gesellschaft für psychologische Schmerzforschung und -therapie Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

Die Lösung des Problems sieht die Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung in der Schaffung eines eigenständigen Versorgungsbereichs für die

ie Bewertung nach über einem Jahr Psychotherapeutengesetz (PsychThG) ist für alle Betei- ligten ernüchternd: Schätzungsweise 4 000 Psychotherapeuten streiten um ihre Zulassung

D as Beispiel dreier aktueller Regelungsvorhaben (Psy- chotherapeutengesetz, Ge- bietsarzt für Psychosomati- sche und Psychotherapeutische Me- dizin, grundlegende Neugestaltung

e Kliniken. Dies ermöglicht die Erstellung ei- nes detaillierten Angebotsprofils der regionalen psychotherapeutisch-psy- chosozialen Versorgung. Neben den Adressen

Juni ausgelaufen ist, verlange, daß die entspre- chenden Produkte mit einem Hinweis auf Nickel versehen sein müßten, da sie bei Aller- gikern eine Nickelallergie hervorrufen

Mithilfe von Risikoindices kann eine Vorauswahl getroffen werden, wer zur Risikogruppe gerechnet werden muss und mithin einer speziellen Trauma- Akuttherapie bedarf, die