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Archiv "Gesundheitspolitik zwischen Staat und Selbstverwaltung" (15.10.1982)

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Academic year: 2022

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GESUNDHEITSPOLITIK ZWISCHEN STAAT UND SELBSTVERWAITUN(;

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 41 vom 15. Oktober 1982

Gesundheitspolitik zwischen Staat

und Selbstverwaltung

Die soeben erschienene Schrift „Ge- sundheitspolitik zwischen Staat und Selbstverwaltung. Zur Ordnungspolitik im Gesundheitswesen" ist ein Gemein- schaftsgutachten, das aus Anlaß des

„Programms der Bundesregierung zur Förderung von Forschung und Entwick- lung im Dienste der Gesundheit 1978 bis 1981" vor mehr als drei Jahren an vier renommierte Wissenschaftler in Auftrag gegeben wurde. Das in Buchform er- schienene Gutachten (603 Seiten) kann beim Deutschen Ärzteverlag GmbH, 5000 Köln 40, Dieselstraße 2, gegen eine Schutzgebühr von 30 DM bezogen werden.

Axel Weber

Düstere Perspektiven werfen ei- nen Schatten auf die Hundert- Jahr-Feiern der Sozialversiche- rung (GKV) (1981/1983). Die Bi- lanz, die aus den sozialpolitischen Entscheidungen und Reformbe- strebungen insbesondere seit den 70er Jahren gezogen werden kann, gibt wenig Grund zu feiern.

Einerseits sind trotz Kostendämp- fungsmaßnahmen Ausgaben und Einnahmen des Gesundheitssy- stems nach wie vor nur im nach- hinein durch Klimmzüge zur Dek- kung zu bringen.

Andererseits zeugen Selbsthilfe- gruppen und Laienbewegungen in starkem Maße davon, daß eine Bü- rokratisierung und zentrale Ver- waltung des Gesundheitssystems immer mehr Menschen trotz stei- gender Aufwendungen unzufrie- den macht. Mehr und mehr wird deutlich, daß Gesundheitspolitik weitreichende Folgen für den ge- samten sozialen und gesell- schaftspolitischen Handlungs- rau m hat.

Immer mehr Wissenschaftler ver- schiedener Disziplinen setzen sich mit der Gesundheitspolitik ausein- ander. In Form eines Gemein- schaftsgutachtens haben der Ju- rist Harald Bogs, der Ökonom Philipp Herder-Dorneich, der So- ziologe Erwin K. Scheuch sowie der Politologe Gerhard Wittkäm- per den Versuch unternommen, eine Verbindung zwischen dem System der Gesundheitssicherung

auf der einen und dem politischen Handlungsfeld auf der anderen Seite zu schaffen. In diesem „Ge- meinschaftsgutachten"*) wird der Bogen gespannt von der Beschrei- bung des Zustands des Systems der sozialen Sicherung über eine Ursachenanalyse der gegenwärti- gen Probleme sowie Konzepte und Programme, wie es weiterge- hen soll, bis hin zu theoretisch- wissenschaftlich fundierten Vor- stellungen zukünftig möglicher Gesundheitspolitik.

Die gesundheitspolitischen Pro- gramme der Parteien, so stellt das Gutachten fest, stellen sich nicht der Diskussion um die aktuelle ge- sundheitsökonomische Lage, son- dern kreisen um Leitbilder und Grundideen. Das Regierungspro- gramm ist vorwiegend technokra- tisch ausgerichtet und zielt letzt- lich auf eine Erweiterung des staatlichen Handelns. Es besteht offensichtlich ein Defizit an schlüssigen gesundheitspoliti- schen Konzepten.

Unser heutiges System beruht auf einem vom Staat gesetzlich abge- sicherten Selbstverwaltungssy- stem, in dem die Ärzteorganisatio- nen, die gesetzlichen Kassen und

* Gesundheitspolitik zwischen Staat und Selbstverwaltung, Zur Ordnungspolitik des Gesundheitswesens, Herausgeber: Ludwig Sievers Stiftung, Hans Neuffer Stiftung, Stif- tung Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln- Lövenich, 1982, 603 Seiten, flexibel gebun- den, 30 DM

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 41 vom 15. Oktober 1982 71

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Zwischen Staat und Selbstverwaltung

die privaten Krankenversicherun- gen als „Hauptakteure" vertreten sind. Dieser Selbstverwaltungsge- danke ist gesetzlich verankert. Das System birgt eine Fülle von Mög- lichkeiten, den beteiligten Bür- gern ein verantwortliches Handeln mit großen Freiräumen zu gewäh- ren. Die bestehenden Möglichkei- ten werden jedoch nach Ansicht der Autoren nicht genutzt. Die amtliche Gesundheitspolitik der letzten Jahre, wie sie sich auch im

„Programm der Bundesregierung zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Dienste der Ge- sundheit 1978-1981" nieder- schlägt, strebt eine größere staatli- che Steuerung an. Die Aktivierung der Patienten wurde jedoch hint- angestellt. Selbstverantwortung und Selbstgestaltung durch den

„mündigen Bürger", so die Mei- nung der Autoren, wurde ver- drängt zugunsten eines betreu- ungsbedürftigen Menschen.

Abgeschwächte Expansion Die Kostenexpansion im Gesund- heitswesen hat sich seit geraumer Zeit erheblich abgeschwächt und ist im ambulanten ärztlichen Sek- tor zum Stillstand gekommen. Die

Frage ist, ob die inzwischen ge- troffene gesundheitspolitische Zielsetzung einer einnahmeno- rientierten Aufgabenpolitik durch- zuhalten ist. Die Autoren sind in diesem Punkte skeptisch. So ist die GKV nach wie vor einem gro- ßen Kostendruck von systemfrem- den Aufgaben ausgesetzt. Hierzu zählen u. a. familienpolitische Auf- gaben im Rahmen der Familien- versicherung. Hier könnte durch eine Beteiligung der GKV an den Kindergeldzahlungen des Bundes Abhilfe geschaffen werden.

Weitere systemfremde Kostenbe- lastungen entstehen durch beson- ders hohe Ausgaben für kranken- versicherte Rentner und eine An- wendung des vollen Mehrwert- steuersatzes auf Arzneimittel. Die Autoren schlagen hier kostendek- kende Rentnerbeiträge und eine in den anderen EG-Ländern ohnehin

schon praktizierte Halbierung des Mehrwertsteuersatzes für Arznei- mittel vor.

Zusätzlichen Kostendruck prophe- zeien die Autoren durch die soge- nannte Ärzteschwemme. Das An- gebot wird zwangsläufig ausge- weitet, wenn die Zahl der Anbieter steigt. Das System der freien Arzt- wahl wollen die Autoren trotzdem nicht zur Diskussion stellen. Auf jeden Fall müsse aber vorrangig die Möglichkeit der Vergütungs- steuerung und der Praxisorientie- rung der Medizinerausbildung ge- prüft werden. Daneben schlagen die Autoren eine unter Kostenge- sichtspunkten vorgenommene Ab- stimmung zwischen den jeweili- gen Versorgungsträgern, eine Be- grenzung des Fachärzte-Wachs- tums und der Krankenhauseinwei- sungen sowie eine Verbesserung der Wirksamkeit von Wirtschaft- lichkeitskontrollen kassenärztli- cher Behandlung vor.

Konzertierte Aktion skeptisch beurteilt

Die Wirksamkeit der Konzertierten Aktion beurteilen die Autoren skeptisch. Ihre Funktionsfähigkeit hängt nicht nur von der Koopera- tionsbereitschaft der beteiligten Gruppen, sondern auch von einem konformen Verhalten des Staates ab. Zwar wäre die „Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen"

prinzipiell in der Lage, kosten- dämpfend tätig zu werden, sie muß jedoch dazu nicht nur Dro- hungen und Auflagen ausspre- chen können, es muß auch gelin- gen, allen Beteiligten deutlich zu machen, daß neben Expansions- maßnahmen auch Dämpfungs- maßnahmen im Interesse aller Be- teiligten liegen.

Die Autoren stellen fest, daß die Gesundheitspolitik der letzten Jahre nicht zum Ausbau von Steuerungskapazität, sondern eher zum Steuerungsabbau ge- führt hat. So wurde die Zulas- sungsbeschränkung der Kassen- ärzte 1960 aufgehoben. Durch die

Einführung der Lohnfortzahlung für Arbeiter (1970) wurden diese zwar von Karenztagen befreit, gleichzeitig verloren die Kranken- kassen aber ihr Interesse an der Krankenkontrolle, da die Lohnfort- zahlung durch die Arbeitgeber ge- leistet wird. Durch die Dynamisie- rung der Versicherungspflicht- grenze wurde die Konkurrenz zwi- schen PKV und GKV weitgehend ausgeschaltet. Durch die Einfüh- rung der kostendeckenden Pflege- sätze entfiel der Zwang zur wirt- schaftlichen Betriebsführung der Krankenhäuser. Die Autoren kom- men zu der Konsequenz, daß eine Politik der Kostendämpfung mit ganz speziellen im Gesundheits- wesen auftretenden Dynamiken fertig werden muß. Zusätzlich muß sie auf eine Verhaltensänderung aller Beteiligten abzielen. Ein gro- ßer Teil der gegenwärtig angewen- deten Kostendämpfungsmaßnah- men erfüllen die Anforderungen - nicht.

Wie ein roter Faden zieht sich durch das Gutachten der Gedanke der Ordnungspolitik. Während Ge- sundheitspolitik bisher einseitig entweder marktwirtschaftlich oder bürokratisch orientiert war, ver- weist die ordnungspolitische Be- trachtung der Autoren auf die Not- wendigkeit der Einbeziehung aller Ebenen des Gesundheitssystems in die Systemsteuerung. Diese Forderung wird ergänzt durch den Hinweis auf die Bedeutung der Selbstverwaltung, in der noch gro- ße ungenutzte Möglichkeiten liegen.

Die Autoren haben den längst fälli- gen Versuch unternommen, diszi- plinübergreifende Probleme inter- disziplinär anzugehen und prakti- kable Lösungsvorschläge zu erar- beiten. Für jeden, der an Gesund- heitspolitik interessiert ist oder sich beruflich mit ihr befaßt, birgt das Gutachten eine Fülle von An- regungen und Aspekten.

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. pol. Axel Weber Gottfried-Keller-Straße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal)

72 Heft 41 vom 15. Oktober 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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