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Archiv "Bundesgesundheitsamt: Hundert-Jahr-Feier" (10.06.1976)

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Gesundheitsleistungen, der Inan- spruchnahme und dem Bedarf;

> Analyse unterschiedlicher Fi- nanzierungs- und Honorierungssy- steme zur Deckung von Versor- gungslücken in Fachbereichen und an Standorten mit besonderem Be- darf;

D Entwicklung und Bewertung von Verfahrensmodellen für eine be- reichsübergreifende Bedarfspla- nung im Gesundheitswesen.

So unverbindlich und wohlklingend sich die verschiedenen For- schungsschwerpunkte in weiten Passagen des Rahmenprogramms auch ausnehmen, so konkret und die politische Stoßrichtung andeu- tend klingen sie bei jenen Projek- ten, die der „Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens" gewidmet sind. So sollen Untersuchungen angestellt werden, die mehr Licht in die komplexen Vorgänge der Fi- nanzierung, Leistungsverteilung und Leistungserbringung im Ge- sundheitsbereich bringen sollen.

Brisanz enthalten dürfte vor allem das Projekt „Analyse der Auswir-

kungen alternativer Modelle für die Finanzierung und Honorierung von gesundheitlichen Versorgungslei- stungen (Aufbringung aus Beiträ- gen, aus Steuermitteln, aus Eigen- mitteln der Leistungsempfänger)"

sowie das orakelhaft formulierte Untersuchungsobjekt mit dem Titel

„Ermittlung der Möglichkeiten, Grenzen und Folgewirkungen alter- nativer Finanzausgleichsmodelle im Gesundheitssystem, insbeson- dere im Hinblick auf die Verringe- rung von Beitragsunterschieden in den Krankenkassen."

Bleibt zu hoffen, daß das ehrgeizi- ge Vorhaben der Bundesregierung, die Forschungsförderung im Ge- sundheitsbereich zu koordinieren und zu verbessern, tatsächlich zu einem effektvolleren Einsatz der stets knappen Forschungsmillionen führt, daß dies alles „zum Wohle des Patienten" unternommen wird und nicht eines Tages die Ergeb- nisse .cler „Forschung" zum Vor- wand für eine Systemüberwindung mißbraucht werden können. HC

Bundesgesundheitsamt:

Hundert-Jahr-Feier

Festakt zur 100jährigen Wiederkehr der Errichtung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes

Die verstärkte Erforschung der krankmachenden Bedingungen un- serer gesellschaftlichen Wirklich- keit forderte der Bundesminister für Jugend, Familie und Ge'sund- heit, Dr. Katharina Focke, am 17.

Mai 1976 in ihrer Festansprache anläßlich des Festaktes zum 100jährigen Jubiläum des Bundes- gesundheitsamtes (BGA) in der Berliner Kongreßhalle. Weit über 2000 Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland, darunter Vertreter der Bundesregierung, des Bundes- tages und der alliierten Schutz- mächte, nahmen an der Feierstun- de teil, in der auch der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz, die gesundheitspolitischen Sprecher der drei Bundestagsfraktionen und der Präsident des Bundesgesund- heitsamtes, Professor Dr. Georges Fülgraff, sprachen.

Frau Focke erklärte, die Bundesre- gierung habe die von Ivan Illich provozierte Herausforderung, die Medizin sei zu einer Gefahr für die Gesundheit geworden, angenom- men und die private wie die öffent- liche Gesundheitspflege, die kurati- ve wie die Präventivmedizin in die- se offene Haltung einbezogen.

Wenn es in der Gesundheitspolitik darum gehe, die Effizienz, die Be- wertung von Maßnahmen in den Vordergrund zu stellen, so gelte dies auch für die Forschung des BGA. „Was wir dringend brauchen, ist eine realistische Betrachtungs- weise, die immer wieder neu die Umsetzung wissenschaftlicher Er- kenntnisse in die Praxis, die Ein- führung neuer Technologien auf das Risiko und den Nutzen für die Menschen — und das heißt nicht zuletzt für die Gesundheit des Menschen — durchdenkt."

Die Notwendigkeit dieser Betrach- tungsweise belegte Bundesminister

Dr. Focke an Beispielen, unter an- derem am gesellschaftlichen Hin- tergrund der Zeit, in der das Kai- serliche Gesundheitsamt gegrün- det wurde, die durch einen bis da- hin unvorstellbaren wirtschaftli- chen Aufschwung und eine sich rasch ausbreitende Industrialisie- rung gekennzeichnet gewesen sei.

Von den damaligen Geißeln der Menschheit — Säuglings- und Kin- dersterblichkeit, Pocken, Cholera und Typhus — habe man sich in in- ternationaler Zusammenarbeit be- freit; daran „war die Institution, de- ren Gründung wir heute gedenken, in hervorragendem Maße beteiligt".

Ein weiteres Beispiel sei die mit dem medizinisch-hygienischen Fortschritt einsetzende Bevölke- rungsexplosion, die die Welt vor schier unlösbare Ernährungspro- bleme gestellt habe. Die Landwirt- schaft komme schon lange nicht mehr ohne die Verwendung chemi- scher Stoffe aus, wodurch neue Ri- siken entstanden seien, die das BGA abzuschätzen habe.

Auch das Spannungsverhältnis zwi- schen industriellem Wachstum mit allen seinen Folgen und Umwelthy- giene im weitesten Sinne exemplifi- ziere die Notwendigkeit einer stän- digen kritischen Überprüfung der Gesundheitspolitik, bei der die Bundesregierung auf die wissen- schaftliche Beratung und Unter- stützung durch das BGA angewie- sen sei. Allen müsse bewußt wer- den, daß auch von der sozialen Umwelt Gefahren ausgehen, die denen der „natürlichen" Umwelt- schäden gleichen. „Krankheiten werden heute in einem weit höhe- ren Maße von sozialen Auslösefak- toren verursacht, zumindest gehen sie ihnen als Risikofaktoren voran.

Diese Gefahren sind vielfältig. Sie liegen sowohl in der Arbeitswelt wie in der Schule und in der priva- ten Sphäre. In der Arbeitswelt sind es zum Beispiel das Betriebsklima, der zunehmende Leistungsdruck, die Arbeitsplatzsicherheit oder auch die Arbeitszeitregelung, die eine Rolle spielen. Schon in der Schule sind unsere Kinder einem früher nicht gekannten Leistungs- druck ausgesetzt."

1592 Heft 24 vom 10.Juni 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

Als letztes Beispiel nannte Bundes- minister Dr. Focke die Fortschritte in der Entwicklung von Arzneimit- teln. Wenn die Gesundheitspolitik glaubwürdig bleiben wolle, müsse sie auch den Risiken stärker zu Lei- be rücken, die sich aus der Ver- wechslung von Markt- und Expan- sionsinteressen der Wirtschaft mit einer optimalen und auch bezahl- baren Krankenversorgung ergeben könnten. Aus diesen Überlegungen heraus habe ihr Haus in enger Zu- sammenarbeit mit dem BGA die Reform des Arzneimittelrechts be- trieben. Das Gesetz müsse nun —

„mit Leben erfüllt" — die Skeptiker überzeugen, daß dies der richtige Weg sei, die Verbraucher vor un- wirksamen oder schädlichen Arz- neimitteln zu schützen, ohne die Freiheit wissenschaftlicher Ausein- andersetzung zu behindern und die gebotene Offenheit ärztlich-thera- peutischen Handelns einzuengen.

Diese Beispiele zeigten, daß einige frühere Risiken völlig gebannt und andere auf ein erträgliches Maß zurückgedrängt worden seien;

aber neue Risiken forderten unsere Initiative und unser Wissen heraus.

Politiker und Wissenschaftler hät- ten zu der eingeleiteten Risikobe- kämpfung keine andere Alternative, als die mit diesen Maßnahmen wie- derum verbundenen Risiken soweit wie möglich auszuschalten. Dabei sei die Gesundheitspolitik „auf eine von wissenschaftlichen Interessen unabhängige Institution" angewie- sen, die beim Gesetzgebungsver- fahren berate und bis zu einem ge- wissen Maße die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen über- wache. Ihr Ministerium und die gesamte Bundesregierung „schät- zen sich glücklich, für diese Zwek- ke in dem BGA ein leistungsfähi- ges Organ zu besitzen."

Unter dem Motto: „Hundert Jahre Forschung für die Gesundheit" er- öffnete der Präsident des BGA, Professor Dr. Georges Fülgraff, an- schließend ein mehrtägiges wis- senschaftliches Symposium, das die Bewertung von Risiken für die Gesundheit in den verschiedenen Gefahrenbereichen in medizinisch-

soziologischer und medizinisch- ökologischer Betrachtungsweise be- handelte.

In seiner Eröffnungsansprache er- klärte Professor Fülgraff, ange- sichts der „Verwissenschaftli- chung" der Politik sei der An- spruch der Öffentlichkeit durchaus legitim, von Wissenschaftlern zu verlangen, daß sie ihre Erkenntnis- se, Empfehlungen oder Forderun- gen gegenüber kritischen Einwür- fen verteidigen und begründen. Es müsse darüber nachgedacht wer- den, ob und wie die Diskussion von Grundsatzfragen und aktuellen Problemen in das Forum wissen- schaftlicher Veranstaltungen ver- legt werden könne, wie dies in Län- dern mit einer langen demokrati- schen Tradition schon üblich ge- worden sei. Dieses Symposium sei eine erste Konsequenz solcher Überlegungen. Das Programm ent- spreche in seiner Gewichtung den gegenwärtigen Arbeitsschwerpunk- ten des BGA — der Krankheitsbe- wältigung und Gesundheitserhal- tung. Diese beiden Strategien zur Gesundheitssicherung hätten in der abendländischen medizini- schen Tradition das ärztliche Han- deln im Spannungsfeld zwischen Gesundheit und Krankheit beein- flußt. Die Gesundheitspolitik unse- rer Tage werde durch die Konkur- renz beider Strategien bestimmt.

„Dies wird so bleiben, denn — ob- gleich die ärztliche Versorgung der Bevölkerung in der Bundesrepublik heute dichter denn je, steigt die Morbidität, anstatt abzunehmen — der Aufwand für immer kostspieli- gere neue Technologien steht in einem krassen Mißverhältnis zu den erzielten Erfolgen."

Angesichts knapper Ressourcen könne man über solche Tatbestän- de nicht mehr achselzuckend hin- weggehen, sagte Professor Fül- graff. Das Denken in wirtschaftli- chen Kategorien, das Erkrankun- gen gern nur als Arbeitsausfall und diesen als Wertminderung des So- zialproduktes begreife, werde durch die entgegengesetzte Be- trachtungsweise begrenzt, die Krankheit und Gesundheit als qua- litative Phänomene verstehe. Von der letzteren sei die Satzung der WHO geprägt.

Natürlich gebe es Zielkonflikte zwi- schen Gesundheits- und Wirt- schaftspolitik. Dabei dürfe jedoch Gesundheit nicht zu einer volks- wirtschaftlichen Dimension ver- kümmern. Gesundheitsschutz, Ver- braucherschutz und Umwelthygiene hätten die Qualität unserer Lebens- bedingungen sicherzustellen und die Risiken für die Gesundheit auf ein Mindestmaß zu begrenzen.

Deshalb müsse ein Weg zwischen dem Notwendigen und dem Mach- baren gefunden werden; dazu sei eine „Erfolg-Risiko"-, „Nutzen-Risi- ko"- und „Risiko-Risiko"-Abschät- zung erforderlich. Die Ergebnisse dieser Abschätzung zeigten die Grenzen, an die die Strategien zur Gesundheitssicherung stoßen.

Diese Einsicht sei unerläßlich, um irrationalen Sicherheitsforderun- gen entgegentreten zu können.

(Die auf dem wissenschaftlichen Symposium gehaltenen Referate sind in einem vom Präsidenten des BGA, Prof. Dr. Fülgraff, herausge- gebenen Band mit dem Titel „Be- wertung von Risiken für die Ge- sundheit" [200 Seiten, 30 DM] ver- öffentlicht.) zel Gäste beim Festakt; von rechts neben BGA-Präsident Professor Georges Fülgraff Bundesgesundheitsminister Dr. Katharina Focke, Rudolf Hauck MdB (SPD) und Botho Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein MdB (CDU) Foto: BGA

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 10.Juni 1976 1593

Referenzen

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