Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 5|
4. Februar 2011 A 219STUDIEN IM FOKUS
Der Nutzen von CSE-Hemmern (Statinen) ist vor allem in der Se- kundärprävention belegt. Unklar war, ob Statine auch in der Primär- prävention das Leben verlängern können, weil bislang in allen sys - tematischen Übersichten Patienten miteingeschlossen waren, die an koronarer Herzkrankheit (KHK) litten. In eine Metaanalyse (1) wurden 11 randomisierte Studien mit 65 229 Patienten eingeschlos- sen, in denen ein Statin gegen Placebo in der Wirkung auf die Gesamtsterblichkeit bei Patienten ohne KHK bei Studienbeginn un- tersucht worden war. Nach einer Beobachtungszeit von durchschnitt - lich 3,7 Jahren lag der LDL- Chole sterinspiegel in der Placebo- gruppe bei 134 mg/dl, in der Statingruppe bei 94 mg/dl. In der Statingruppe wurde jedoch die PRIMÄRPRÄVENTION
Statine senken die Gesamtsterblichkeit nicht
Gesamtsterblichkeit im Vergleich zu Placebo nicht signifikant ver- ringert, das Risikoverhältnis für den Statineinsatz betrug 0,91 (95%-KI: 0,83 bis 1,01). Auch zwischen der Höhe und Senkung des LDL-Cholesterinspiegels sowie der relativen Reduktion der Ge- samtsterblichkeit ergab sich kein signifikanter Zusammenhang.
In dieser Hochrisikopopulation ergaben sich damit bei einer mit t - leren Placebomortalitätsrate von 11,4 pro 1 000 Personenjahre bei Behandlung mit einem Statin schätzungsweise sieben Tote pro 10 000 Personenjahre weniger.
Fazit: Statine haben nach den Er- gebnissen dieser methodisch sehr sauberen Metaanalyse in der Pri- märprävention von Risikopersonen ohne KHK kurzzeitig keinen ausge-
prägten Effekt auf die Gesamtsterb- lichkeit. Daten zur Langzeitwir- kung fehlen allerdings bislang (2).
Nach Meinung von Prof. Dr. med.
Klaus G. Parhofer (München) er- gibt sich aus dieser und weiteren Analysen eindeutig, dass mit Stati- nen auch in der Primärprävention kardiovaskuläre Ereignisse verhin- dert werden können. Es sei nach- vollziehbar, dass die Reduktion der kardiovaskulären Letalität in einer Kohorte, in welcher diese Todesart nur eine relativ geringe Rolle spiele (Primärprävention), sehr viel schwieriger nachzuweisen sei als in einer Kohorte, in der sie die Haupt- todesursache darstelle (Sekundär- prävention). Dr. rer nat. Susanne Heinzl 1. Ray K et al.: Statins and all-cause mortality
in high-risk primary prevention. A meta- analysis of 11 randomized controlled trials involving 65 229 participants. Arch Intern Med 2010; 170: 1024–31.
2. Green LA: Cholesterol-lowering therapy for primary prevention. Still much we don’t know. Arch Intern Med 2010; 170:
1007–8.
In den USA hat sich die Prävalenz von im Krankenhaus erworbenen Clostridium-difficile-Infektionen (CDI) in den vergangenen 20 Jah- ren etwa verdoppelt. „Die Situation in Deutschland ist vergleichbar“, sagt Prof. Dr. med. Petra Gastmeier vom Nationalen Referenzzentrum für nosokomiale Infektionen (Cha- rité, Berlin). Die Frage, ob eine no- sokomiale CDI ein Risikofaktor für erhöhte Krankenhausmortalität Er- wachsener ist, und zwar unabhän- gig vom „Basismortalitätsrisiko“
(BMR), haben kanadische Epide- miologen in einer retrospektiven Kohortenstudie untersucht. Die Da- ten stammen von 89 086 Patienten, die zwischen Juli 2002 und März 2009 in einem 1 100-Betten-Kran- kenhaus der Allgemein- und Akut- versorgung in Ottawa behandelt NOSOKOMIALE CLOSTRIDIUM-INFEKTIONEN
Unabhängiger Risikofaktor für erhöhte Mortalität
wurden. Die Forscher berücksich- tigten 136 877 Klinikaufnahmen (durchschnittliches Patientenalter:
63 Jahre). In die Berechnung des BMR gingen unter anderem Alter, Geschlecht, Komorbidität bei sta- tionärer Aufnahme und Schwere der Akutkrankheit ein. Das Gesamt- CDI-Risiko pro Aufnahme betrug 1,02 % und war damit nach Ein- schätzung der Autoren gering. Es stieg von 0,2 % im ersten Dezil auf 2,6 % im höchsten. Das Mortalitäts- risiko insgesamt verdreifachte sich durch eine CDI. Bezogen auf alle BMR-Gruppen starb einer von 10 Patienten, der sich im Krankenhaus mit C. difficile infiziert hatte.
Fazit: Eine Hospitalinfektion mit C.
difficile ist ein unabhängiger Risi- kofaktor für einen Tod in der Kli-
nik. „Die Zahl und Bedeutung von von C.-difficile-assoziierten Diar- rhöen wird in Deutschland erheb- lich unterschätzt“, meint Gastmeier.
Das Ergebnis der aktuellen Studie verdeutliche einmal mehr die Not- wendigkeit von präventiven Maß- nahmen wie der Beachtung der Hy- gienevorschriften und des rationa- len Einsatzes von Antibiotika. Seit Ende 2007 sind schwer verlaufende CDI meldepflichtig (Infektions- schutzgesetz), ebenso das Auftreten des mit erhöhter Virulenz und Sterblichkeit assoziierten Ribotyps 027. Der Anteil dieses Ribotyps an den nosokomialen CDI beträgt ak- tuell in Europa (34 Länder) 5 % (2).
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
1. Oake N et al.: The effect of hospital-acquir - ed Clostridium difficile infection on in-hos- pital mortality. Arch Intern Med 2010; 170:
1804–10.
2. Bauer MP et al.: Clostridium difficile infec - tion in Europe: a hospital-based survey.
Lancet 2011; 377: 63–73.