über Häufigkeiten der Nebenwirkun- gen. Entweder die Befragungen der Pati- enten durch Ärzte waren unpräzise oder Patientenangaben wurden ignoriert. Al- lein die Tatsache, dass trotz unterschied- licher Stichtiefe zwischen Akupunktur- gruppe und Minimalakupunkturgruppe keine signifikanten Wirkungsunterschie- de festgestellt wurden, beweist die Un- wirksamkeit der Akupunktur nach der TCM bei den untersuchten Diagnosen.
Die Ineffektivität des „Modellvorha- bens“ wird verdeutlicht durch zwiespäl- tige Formulierungen in der Auswertung.
Einerseits wird geschlussfolgert, die Akupunktur sei eine sichere und wirksa- me Behandlungsmethode. Andererseits wird bestätigt, dass der Gesamteffekt der Akupunktur einen „hohen Anteil unspezifischer Effekte“ beinhaltet. Es wird betont, dass die Akupunktur „zu ei- ner deutlichen Kostensteigerung führt“, aber dennoch durch Anwendung speku- lativer Kalkulationen gefolgert, dass „so- mit zusätzliche Argumente für die Er- stattung der Akupunktur“ durch gesetz- liche Krankenversicherungen geliefert wurden. Genau das vermittelt die vorlie- gende Studie nicht.
Dr. sc. med. Klaus Richter Salanderweg 5, 12685 Berlin
Keine ehrlichen Antworten
Die Autoren schildern die Ergebnisse der deutschen ART-Studien zur Wirk- samkeit der Akupunktur und stellen fest, dass zwar Verum- und Sham- (Minimal-/oberflächliche-)Akupunktur besser als die Therapie der Vergleichs- gruppen (Wartelistekontrollen) wirkten – bis auf eine Ausnahme (Gonarthro- seschmerzen) –, aber die Verum- der Sham-Akupunktur nicht überlegen war.
Nach sechs beziehungsweise zwölf Mo- naten zeigten sich gar keine signifikan- ten Unterschiede mehr zwischen der Verum- und der Sham-Akupunktur- gruppe in allen vier Diagnosekollekti- ven.
Bei diesen „Blind“-studien kam es aber im Oktober 2003 leider zu vorzeiti- gen detaillierten Veröffentlichungen der geheimen Studiendesigns sowohl in Zeitschriften (1, 2) als auch im Internet (3). Selbst in den Summaries findet man
entblindende Informationen („minimal acupuncture“) (3). Die Internetquellen waren nicht durch einen Doc-Check- Zugang geschützt, mithin hatten auch Probanden Zugang. Durch diese Veröf- fentlichungen konnten sich Probanden über das Studiendesign, inklusive aller verwendeten Akupunkturpunkte, ge- nauestens informieren.
Die Lage von Akupunkturpunkten können aber selbst Laien mit öffentlich und kostenlos zugänglichen Informa- tionen und Bildern aus dem Internet leicht bestimmen. Ob oberflächlich oder tief gestochen wurde, konnte jeder Teilnehmer spüren oder durch einfa- ches Hinschauen leicht erkennen. Diese Probanden waren danach selbstver- ständlich entblindet.
Deshalb können alle Teile der ART- Studien, die nach den entblindenden Veröffentlichungen stattfanden, nicht mehr als Blindstudien gelten. Pro- banden der Sham-Akupunkturgruppe könnten sich aus Frustration, zu dieser Gruppe zu gehören, unerlaubt – und ohne Mitteilung an den Prüfarzt – Zu- satztherapien, auch auf Krankenversi- chertenkarte, besorgt und dadurch ihren Therapieerfolg wesentlich ver- bessert haben. Scheinbares Ergebnis:
Sham-Akupunktur wirkt genau so gut wie Verum-Akupunktur.
Überdies durften auch Personen mit Akupunkturvorerfahrung teilnehmen, die leicht zwischen Verum- und Sham- Akupunktur unterscheiden konnten.
Auch diese Sham-Probanden hatten die Möglichkeit durch Zusatztherapien
„heimlich“ ihre Schmerzen zu verrin- gern. Ehrliche Antworten auf die Ent- blindungsfrage waren dann natürlich nicht mehr zu erwarten.
Literatur
1. Brinkhaus B, Becker-Witt C, Jena S et al.: Acupuncture randomized trials (ART) in patients with chronic low back pain and osteoarthritis of the knee – design and protocols. Forsch Komplementärmed Klass Natur- heilkd 2003; 10: 185–91.
2. Melchart D, Linde K, Streng A et al.: Acupuncture ran- domized trials (ART) in patients with migraine or ten- sion-type headache – design an protocols. Forsch Komplementärmed Klass Naturheilkd 2003; 10:
179–84.
3. www.content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?
Doi=73474; www.content.karger.com/ProdukteDB/
produkte. asp?Doi=73473
Dr. med. Dieter Wettig
Erlkönigweg 8, 65199 Wiesbaden-Dotzheim
Denkanstoß
Die Autoren räumen ein, dass die ein- trägliche Wirksamkeit der Akupunk- tur höchstwahrscheinlich auf unspezi- fische Effekte zurückzuführen ist, zu- mindest zu einem großen Teil. Hof- fentlich ist dies ein Anlass für viele Ärzte, mal wieder (oder endlich ein- mal) über die eigenen klinischen Fähigkeiten im Umgang mit Patienten nachzudenken. Wie vermag ich mit meinem Verhalten und meinen the- rapeutischen Optionen unspezifische positive Effekte bei meinen Patienten zu erzeugen? Eine hervorragende Pu- blikation von Kaptchuk (1) fasst die Forschung und Therorien auf dem Ge- biet der unspezifischen Effekte zu- sammen.
Generell sollten wir Ärzte davon ab- kommen, nur diejenigen Therapien anzuerkennen und anzuwenden, von denen eine Spezifität, das heißt eine in- trinsische Wirksamkeit, in wissenschaft- lichen Untersuchungen gezeigt wurde.
Ansonsten würden wir unseren Pa- tienten viele wirksame und oft neben- wirkungsarme Therapieoptionen vor- enthalten und sie damit nicht optimal versorgen. Dies gilt vor allem bei Ge- sundheitsstörungen, für die es keine oder nur wenig überzeugende wissen- schaftlich fundierte Behandlungen gibt.
Die klinische Relevanz von unspezifi- schen Therapieeffekten sollte von uns nicht länger unterschätzt werden.
In der randomisierten Teilstudie der Ersatzkassen, die Metoprolol mit Akupunktur bei Migränepatienten verglich, hätte man unspezifische Ef- fekte besser kontrollieren (balancie- ren) können, indem man der Metopro- lolgruppe zusätzlich eine Scheinaku- punktur und der Akupunkturgruppe zusätzlich Placebotabletten gibt. Dann hätte es in der Metoprololgruppe wahrscheinlich auch weniger Thera- pieabbrecher gegeben.
Literatur
1. Kaptchuk TJ: The placebo effect in alternative medi- cine: can the performance of a healing ritual have clinical significance? Ann Intern Med 2002; 136:
817–25.
Dr. med. Margrit Fäßler Meggendorfer Straße 60 80992 München M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 25⏐⏐23. Juni 2006 AA1751