• Akupunktur an falschen Aku- punktur-Punkten.
bung der Schmerzschwelle, das heißt auf die Stelle, welche den größten Anstieg aufwies.
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
ÜBERSICHTSAUFSATZ
Akupunktur-Analgesie
Eine Studie an Freiwilligen
S. Galloon und R. J. Evans
Aus dem Department of Anaesthesia der Universität Toronto und des Toronto General Hospital, Toronto/Kanada
In den letzten Jahren hat die Aku-
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intravenöse Injektion von Mor- punktur-Analgesie zur Erleichterung phin (15 mg pro 70 kg Körperge- operativer Eingriffe viel Publizität er- wicht)
zielt. Zahlreiche westliche Ärzte glauben jedoch nicht, daß die Aku-
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Akupunktur an den von den Aku- punktur eine genügend tiefe Analge- punktur-Schulen empfohlenen sie herbeiführen kann, um operative Punkten und
Eingriffe ohne andere Analgetika oder allgemeine oder lokale An- ästhetika durchführen zu können.
Um feststellen zu können, ob Akupunktur die Schmerzreiz- schwelle anheben kann, wurde jungen, gesunden Nordamerikanern zunächst ein Plazebo injiziert, dann Morphin; anschließend wur- den sie an „richtigen" und an
„falschen" Punkten akupunk- tiert. Jedesmal wurde das Intervall zwischen einer Schmerz verursachenden Hit- zezufuhr und dem Beginn des Schmerzgefühls elektronisch gemessen: Ergebnis: zumin- dest bei Nordamerikanern dürfte Akupunktur allein nicht in der Lage sein, die Schmerz- reizschwelle so weit anzuhe- ben, daß chirurgische Eingrif- fe vorgenommen werden können.
Die vorliegende Untersuchung wurde deshalb ausgeführt, um her- auszufinden, ob die Akupunktur in der Lage ist, die Schmerzreiz- schwelle bei jungen, gesunden Nordamerikanern anzuheben.
Die Schmerzreizschwelle wurde nach der Methode von Hardy-Wolff- Goodell mit deren Dolorimeter ge- messen (1). Eine Wärmequelle in Form einer Rotlichtlampe wurde auf die Haut der Versuchspersonen ge- richtet und konstant gehalten. Die Hitzeeinwirkung wurde so lange an- gewendet, bis ein brennender Schmerz gefühlt wurde. Das Inter- vall zwischen Beginn der Hitzezu- fuhr und Beginn des Schmerzge- fühls wurde elektronisch gemessen.
Die Schmerzreizschwelle wurde an fünf verschiedenen Punkten unter- sucht: Stirn, Hals, Brust, rechter Un- terarm und rechter Oberschenkel.
Nach diesen Messungen wurde der Patient mit folgenden Methoden be- handelt:
Intravenöse Injektion eines Pla- zebos,
Die Nadeln wurden an einen Neuro- meter angeschlossen und für eine Stunde elektrisch stimuliert.
Diese Prozeduren wurden in vier verschiedenen Sitzungen mit jedem der dreizehn Freiwilligen durchge- führt.
Diese wußten nicht, ob sie Morphin erhalten hatten oder Plazebo oder ob die Akupunktur-Nadeln an den
„richtigen" oder „falschen" Punk- ten eingeführt worden waren. Vor jeder Maßnahme wurde die Schmerzreizschwelle gemessen, dann alle halbe Stunde danach, bis die Schmerzreizschwelle zur Norm zurückgekehrt war, wie sie vor dem Versuch gemessen worden war.
Ergebnisse
Die Ergebnisse sind in Form von Prozentangaben in der Tabelle zu- sammengestellt. Die Prozente bezie- hen sich auf die Anhebung der Schmerzschwelle über die vor Be- ginn der Versuche gemessene Ba- sislinie und auf die maximale Anhe-
Die intravenöse Gabe eines Plaze- bos zeigte bei allen Freiwilligen ei- nen Anstieg der Schmerzreizschwel- le. Dieser reichte von einem Maxi- mum von 25,6 Prozent bei einem Freiwilligen bis zu einem Maximum von nur 4,5 Prozent bei einem ande- ren. Der mittlere Anstieg der Schmerzreizschwelle nach dem Pla- zebo betrug bei 12 Freiwilligen 15 Prozent.
Die intravenöse Injektion von Mor- phin, basierend auf einer strikten
Milligramm-per-Kilogramm-Dosis, verursachte einen maximalen An- stieg der Schmerzschwelle von 75,6 Prozent bei einem Freiwilligen, bei einem anderen nur von 9,1 Prozent.
Der mittlere Anstieg betrug bei 10 Freiwilligen 35 Prozent.
Mit der schulmäßigen Akupunktur betrug der höchste Anstieg der Schmerzreizschwelle bei einem Freiwilligen 31 Prozent, der gering- ste Anstieg bei einem anderen 6,6 Prozent. Es bestand nur ein gering- fügiger Unterschied zwischen der schulmäßigen Akupunktur und der
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 13 vom 31. März 1977
879Tabelle: Anstieg der Schmerzreizschwelle in Prozent
Patient Plazebo Akupunktur Morphin
1. 14,2 31,0
2. 11,0 24,5 75,6
3. 4,5 24,3
4. 15,3 23,9
5. 14,1 22,3 30,1
6. 17,0 45,6
7. 11,7 16,4 27,7
8. 19,2 16,1 31,9
9. 25,6 12,7 28,0
10. 21,4 12,1 23,0
11. 15,7 10,4 39,6
12. 14,4 7,0 41,4
13. 14,7 6,6 9,1
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Akupunktur-Analgesie
Akupunktur an „falschen" Stellen.
Bei letzteren betrug der Anstieg der Schmerzschwelle im Durchschnitt 16,7 Prozent, bei der schulmäßigen Akupunktur 17,3 Prozent.
Die Zahlen der individuellen Freiwil- ligen (Tabelle) zeigen, daß sechs Freiwillige zwar einen beträchtlich höheren Anstieg der Schmerzreiz-
schwelle nach der schulmäßigen Akupunktur aufwiesen, verglichen mit der Plazebowirkung, während die anderen sechs Freiwilligen nach der Gabe des Plazebos sogar einen höheren Anstieg der Schmerzreiz- schwelle aufwiesen als nach der schulmäßigen Akupunktur.
Zusammenfassung
Die Studie zeigt die weite Variabilität der Behandlungsergebnisse mit Akupunktur bei verschiedenen frei- willigen Versuchspersonen: Bei der Hälfte der Freiwilligen war die Erhö- hung der Schmerzreizschwelle hö- her nach der Anwendung eines Pla- zebos als nach der Anwendung der Akupunktur.
Bei ausnahmslos jedem Freiwilligen stieg die Schmerzschwelle nach Morphin wesentlich höher an als nach Akupunktur-„Analgesie".
Diese Beobachtung zeigt: Es ist äu- ßerst unwahrscheinlich, daß, zumin- dest bei Nordamerikanern, die Aku- punktur allein in der Lage ist, die Schmerzschwelle so weit anzuhe- ben, daß operative Eingriffe durch- geführt werden können.
Nur bei einem einzigen Freiwilligen führte die Akupunktur zu einer An-
hebung der Schmerzreizschwelle um 31 Prozent: Bestenfalls bei die- ser einzigen Versuchsperson wäre der Versuch einer operativen Maß- nahme diskutabel gewesen.
Diese Schlußfolgerungen unterstüt- zen die jüngsten Berichte aus China, wonach auch dort die Anwendung der Akupunktur für operative Ein- griffe eher rückläufig ist.
(Auszugsweise vorgetragen auf dem Weltkongreß für Anästhesiologie 1976 in Mexiko)
Literatur
Hardy, J. D., Wolff, H. G., und Goodell, H.: Pain Sensations and Reactions. Hafner Publishing Co., Inc., New York, 1952
Anschrift für die Verfasser:
S. Galloon, M. D.
Department of Anaesthesia Toronto General Hospital Toronto, Ontario, Canada
AUSSPRACHE
Kritische
Bemerkungen zur
Mammographie
Zum Beitrag
von Dr. med. Amir Astani in Heft 25/1976, Seite 1682
I.
Die Ausführungen und daraus ge- zogenen Folgerungen von Herrn Kollegen Aslani können nicht unwi- dersprochen bleiben. Es stimmt, daß die Diagnose eines Mamma- tumors durch eine Röntgenuntersu- chung der Brust allein nicht immer exakt zu klären ist. Zur Diagnose- findung kommen eine ausführliche Anamnese, eine klinische Inspek- tion und eine detaillierte Palpation hinzu. Nur durch Zusammenklang der aus diesen Handlungen gewon- nenen Kriterien ist ein Mammogra- phiebefund vollwertig. Auch ist be- kannt, daß die Treffsicherheit der Mammographie bei erfahrenen Röntgenologen 95-97 Prozent er- reicht. „Einzelne Fehldiagnosen"
dürfen jedoch nicht zu einer Ab- wertung dieser Methode führen und sowohl Ärzte als auch Patien- ten verunsichern.
... Umgekehrt habe ich die Erfah- rung gemacht, daß röntgenolo- gisch eindeutige Karzinome auf Grund ihrer geringen Ausdehnung vom Kliniker nicht zu tasten sind und vom Operateur nicht aufgefun- den werden. Infolge „Vorbeischnei- dens" kommen den Klinikern
und
Röntgenologen harmlose histologi- sche Befunde auf den Tisch, die Fettgewebe, Drüsengewebe oder mastonathische Veränderungen beschreiben...Diese Feststellung ist keine Kritik am Operateur oder am Histologen.
880 Heft 13 vom 31. März 1977