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Archiv "Pharmakologische Bewertung von Adipositas-Therapeutika: Umfassende Therapie nötig" (02.06.2000)

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M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 22, 2. Juni 2000 Zu Recht weisen Adam und Ko-

autoren in ihrem Übersichtsartikel auf die Notwendigkeit einer effekti- ven, sicheren und preiswerten Adipo- sitastherapie hin. Mir erscheint jedoch der von den Autoren propagierte the- rapeutische Einsatz von teuren fettre- duzierten Nahrungsmitteln recht zweifelhaft: In den USA, wo der Ver- brauch an „Light“-Produkten seit Jahren kontinuierlich steigt, hat sich die Prävalenz der Adipositas zwi- schen 1991 und 1998 jedenfalls nahezu verdoppelt (2).

Auch die Vorstellung (Tabelle 2), dass die Prävalenz der Adipositas da- durch reduziert werden kann, indem Betroffene dauerhaft ihre Kalorien- aufnahme auf 1 200 kcal/Tag ein- schränken und mehr Treppen steigen widerspricht allen klinischen und praktischen Erfahrungen. Vielmehr sind ohne beträchtlichen verhal- tenstherapeutischen Aufwand solche Lifestyle-Veränderungen kaum zu er- reichen. Sicherlich nicht zum Nullta- rif.

Die Forderung, dass eine phar- makologische Therapie der Adiposi- tas zeitlich begrenzt sein muss ent- spricht der Forderung, dass Antihy- pertensiva oder Antidiabetika nur so- lange eingesetzt werden sollten, bis der Blutdruck beziehungsweise der Blutzucker gesenkt wurde. Die von den Autoren genannten genetischen und physiologischen Faktoren sowie die Umwelteinflüsse, die zusammen langfristig eine positive Energiebilanz begünstigen, bestehen jedenfalls nach jeder kurzfristigen Therapie unverän- dert weiter.

Auch die Vorstellung, dass eine Adipositastherapie nur dann als erfolg- reich anzusehen ist, wenn es zu ei- ner kontinuierlichen und dauerhaften Gewichtsreduktion kommt, ist unrea- listisch und unterschätzt die gegenre- gulatorischen Adaptationen an eine

negative Energiebilanz. Nicht um- sonst sehen Empfehlungen aus den USA (1) sowie der WHO (3) heute bereits eine Gewichtsstabilisierung als Therapieerfolg an.

Auch wenn die neuen Adiposi- tas-Therapeutika (Orlistat und Sibu- tramin) in ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit in etwa der antihy- pertensiven Therapie vor 30 Jahren entsprechen, so sind sie jedenfalls ei- ne Entwicklung in die richtige Rich- tung. Immerhin haben diese Substan- zen in kontrollierten Untersuchun- gen ihre Wirksamkeit, Verträglich- keit und Verbesserung von Surrogat- parametern nachgewiesen. Niemand kann von neuen Substanzen bereits bei der Zulassung Langzeitdaten ver- langen. Diese müssen aber späte- stens nach einigen Jahren vorgelegt werden.

Aus ärztlicher Sicht ist eine siche- re, preiswerte und in kontrollierten Studien erprobte pharmakologische Langzeittherapie für die Adipositas dringend zu fordern. Empfehlungen zur gesunden Lebensführung (weni- ger essen – mehr bewegen) werden damit nicht überflüssig – alleine wer- den sie jedoch kaum zu einer Eindäm- mung der Volkskrankheit Adipositas

beitragen. Vielmehr tragen solche all- gemeinen Empfehlungen eher zu ei- ner Verniedlichung als zu einer Lö- sung des Problems bei. Die über 20 Millionen Betroffenen in Deutsch- land, die in ihrem oft verzweifelten Kampf gegen das Übergewicht jähr- lich Milliardenbeträge für zweifelhaf- te Lebensmittel, Therapien und Ku- ren ausgeben, können über solche Empfehlungen nur müde lächeln.

Literatur

1. Executive summary of the clinical guidelines on the identification evaluation and treat- ment of overweight and obesity in adults.

Arch Intern Med 1998; 158: 1855–1867.

2. Mokdad AH, Derdula MK, Dietz WH, Bowman BA, Marks JS, Kolan JP: The spread of the obesity epidemic in the United States, 1991–1998. JAMA 1999; 282: 1519–

1522.

3. WHO Consultation on Obesity. Obesity – prevention and managing the global epi- demic. WHO 1997, 1–276.

Prof. Dr. med. Arya M. Sharma Medizinische Klinik IV

(Endokrinologie/Nephrologie) Universitätsklinikum

Benjamin Franklin Freie Universität Berlin

Hindenburgdamm 30 · 12200 Berlin sharma@zedat.fu-berlin.de

Der Artikel von Adam et al.

fasst die pharmakologischen Mög- lichkeiten zur Behandlung von Adi- positas treffend zusammen und be- wertet sie mit der nötigen Differen- ziertheit. So stimmen die gezogenen Schlussfolgerungen auch sehr gut mit den Ergebnissen aktueller syste- matischer Reviews überein (3).

Ebenfalls wird zutreffend auf die notwendige zeitliche Begrenzung pharmakologischer Interventionen und die grundsätzliche Bedeutung diätetischer Maßnahmen hingewie- sen.

In diesem Zusammenhang möch- ten wir auf ein gravierendes For- schungsdefizit im nichtpharmakolo- gischen Bereich aufmerksam ma- chen, wie es häufig und typischerwei- se anzutreffen ist (1). Heilfasten stellt nach den jahrzehntelangen kli- nischen Erfahrungen weniger spe- zialisierter Kliniken eine natürliche Möglichkeit dar, nicht nur kurzfristig Gewicht abzunehmen, sondern auch langfristige Veränderungen der Le- bensgewohnheiten zu initiieren und DISKUSSION

Pharmakologische Bewertung von Adipositas-Therapeutika

Umfassende Therapie nötig

Kaum Forschung zum Heilfasten

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Olaf Adam Dr. rer. nat. Rüdiger Arnold Prof. Dr. med. Wolfgang Forth in Heft 50/1999

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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 22, 2. Juni 2000 insbesondere das Ernährungsverhal-

ten positiv umzugestalten (2). Dabei dürften „komplexe“ Ansätze ange- sichts dieses facettenreichen Pro- blems möglicherweise unimodalen (pharmakologischen) Therapiever- suchen überlegen sein (4). Eine Überprüfung solcher traditionsrei- cher therapeutischer Ansätze nach den Kriterien einer evidenzbasierten Medizin wurde bisher weitestgehend vernachlässigt, obwohl erste Schritte in dieser Richtung durchaus positive, wenn auch methodisch angreifbare Ergebnisse erbrachten (5). Aus un- serer Sicht erscheinen methodisch adäquate Studien zur Wirkung des Heilfastens bei Adipositas minde- stens ebenso vielversprechend wie die Suche nach neuen Pharmaka, auch wenn die Forschung zu letzte- ren sicher leichter finanzielle Unter- stützung erfährt. Von einzelnen Krankenkassen mitgetragene Mo- dellversuche an einigen Naturheil- kundekliniken in Form von Begleit-

forschung nach § 63 SGB V sind zu begrüßen, ersetzen aber keine ran- domisierten klinischen Studien.

Literatur

1. Dieppe P, Chard J, Tallon D, Egger M:

Funding clinical research. Lancet 1999; 353:

1626,

2. Fahrner H: Fasten als Therapie. Stuttgart:

Hippokrates; 1985.

3. Glenny AM, O’Meara S, Melville A, Shel- don TA, Wilson C: The treatment and pre- vention of obesity: A systematic review of the literature. Int J Obes 1997; 21: 715–737.

4. Ornish D, Brown SE, Scherwitz LW et al.:

Can lifestyle changes reverse coronary heart disease? The Lifestyle Heart Trial.

Lancet 1990; 336: 129–133.

5. Peper E, Rogner J, Hettwer H: Stationäres Heilfasten. Aktuelle und katamnestische Auswirkungen auf körperliches und emo- tionales Befinden, erlebte Veränderungen sowie Lebensqualität. Zeitschrift für Allge- meinmedizin 1997; 73: 146–150.

Dipl.-Psych. Dr. phil. Horst Müller Dipl.-Psych. Dr. med. Dr. phil. Peter Schuck

Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch Forschungsinstitut Bad Elster (FBK) Lindenstraße 5 · 08645 Bad Elster

DISKUSSION

Die Kommentare zu dem Artikel haben eines gemeinsam: die Unzufrie- denheit mit den derzeitigen Erfolgen der Adipositastherapie. Wie die Kom- mentare belegen, bestehen erhebli- che Defizite. Diese bestehen bei der psychologischen Führung der Patien- ten, einschließlich der Möglichkeiten der verschiedenen Formen des Fastens.

Heute mutet uns dieser Brauch, der ri- tueller Bestandteil des Kirchenjahres war und wichtige Übung in den islami- schen Religionen ist, eher fremd an.

Dabei wäre in der Wohlstandsgesell- schaft der Verzicht durchaus ange- brachter als der beliebte Konsum. Der Beitrag der Herren Müller, Schuck und Resch hat mich sehr nachdenklich ge- macht. Sie bemerken zu Recht, dass wir die emotionalen und sozialen Proble- me der Adipositas zu wenig beachten.

Jeder der die emotionalen Ängste der Patienten (alle schauen mich an, wenn ich einmal etwas esse . . .) mit Adiposi- tas und deren Unsicherheit im sozialen Umfeld kennt, kann sich dieser wichti- gen Argumentation nicht verschließen.

Inwieweit das Heilfasten oder andere

Lifestyle-Änderungen im Kontext der multifaktoriellen Intervention wirksa- me Maßnahmen darstellen ist wahr- scheinlich von Person zu Person und von Zentrum zu Zentrum verschieden.

Allerdings hat die Deutsche Adiposi- tas-Gesellschaft auf ihrer 15. Jahresta- gung erst kürzlich hierzu Richtlinien er- arbeitet, die dem Heilfasten wegen der dabei ausgeschlossenen Schulung des Essverhaltens eher einen niedrigen Stellenwert einräumen (1).

Verbessert werden muss auch die ernährungstherapeutische Beratung und Anleitung des Patienten. Keine der empfohlenen „Reduktionsdiä- ten“ hat sich als universell erfolgreich erwiesen. Die meisten schlanken Menschen halten keine Diät ein. Wie ein Kommentar zu Recht feststellt, ist in Amerika eine positive Korrelation zwischen den am Markt verfügbaren

„Light“-Produkten und der unge- hemmten Zunahme der Adipositas festzustellen. Weitere Forschung wird nötig sein, um metabolische und gene- tische Besonderheiten bei den Patien- ten zu erkennen und daraus die indivi- duell geeignete Kost abzuleiten (4).

Die pharmakologische Therapie der Adipositas wird den individuellen

Besonderheiten des Patienten unzu- reichend gerecht. Die bisherigen Ab- magerungsmittel sind Anorektica oder Hemmstoffe der Resorption. Ihr Effekt auf die Thermogenese ist ge- ring, obwohl hier ein wichtiger An- satzpunkt für die Pathogenese der Adipositas vermutet wird (2). Neue Substanzen wie die b3-Adrenergika, die Uncoupling Proteins (UCP), die NPY-Antagonisten werden als Hoff- nungsträger auf diesem Gebiet ange- sehen (3). Der Einwand des Herrn Shama zeigt einen wesentlichen Punkt: Die Pharmakotherapie der Adipositas ist immer nur so lange wirksam, wie die Pharmaka einge- nommen werden. Die gleichzeitige Ernährungsschulung unter Einnahme von Reductil in einem zusätzlich an- gebotenem Programm ist ein erster Ansatz, dessen Langzeiterfolg mit Spannung erwartet werden darf.

Natürlich kann bisher keine The- rapie das genetische Setting des Pati- enten ändern. Es wird sicher eine wich- tige Entwicklung der Zukunft sein, die entscheidenden Gene zu identifizieren um eine individuelle Pharmakologie für den Patienten mit Adipositas zu etablieren. Hier kann man auf eine Differenzierung von Subklassen der Adipositas rechnen, die einer unter- schiedlichen Therapie zugänglich sind.

Aber heute und auch weiterhin bedarf die Therapie der Adipositas eines in- terdisziplinären Ansatzes, der auch von der Deutschen Adipositas-Gesell- schaft vertreten wird.

Literatur

1. Deutsche Adipositasgesellschaft: 15. Jah- restagung in der Stadthalle Düsseldorf vom 16.–18. September 1999.

2. Kumar MV, Moore RL, Scarpace PJ: Beta 3-adrenergic regulation of leptin, food in- take, and adiposity is impaired with age.

Pflügers Arch 438: 681–688. 1999.

3. Langin D, Larrouy D, Barbe P, Millet L, Vi- guerie-Bascands N, Andreelli F, Laville M, Vidal H: Uncoupling protein-2 (UCP2) and uncoupling protein-3 (UCP3) expression in adipose tissue and skeletal muscle in hu- mans. Int J Obes Relat Metab Disord 23 (Suppl 6) 64–67, 1999.

4. Patterson RE, Eaton DL, Potter JD: The genetic revolution: change and challenge for the dietetics profession. J Am Diet As- soc 99: 1412–1420, 1999.

Prof. Dr. med. Olaf Adam Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität München

Nußbaumstraße 26 · 80336 München

Schlusswort

Referenzen

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