ie diesjährige Tagung der American Academy of Der- matology bot zahlreiche Neuerungen für die Therapie unter- schiedlicher Krankheitsbilder: Beim therapierefraktären atopischen Ek- zem und bei schweren Formen der Psoriasis gewinnen Immunsuppressi- va immer mehr an Bedeutung. Um venöse und diabetische Ulzera schnel- ler zur Abheilung zu bringen, stehen für ausgewählte Patienten jetzt Kultu- ren aus Fibroblasten und Keratinozy- ten als Hautäquivalent zur Verfügung.
Und diabetische Ulzera werden bald auch mit einem rekombinant herge- stellten Wachstumsfaktor (PDGF) behandelt werden können. Ein ganzes Symposium war einem für den Patien- ten besonders quälenden Symptom, dem Juckreiz, gewidmet.
Cyclosporin A nicht länger als zwei Monate geben
Der Grundstein der medika- mentösen Therapie des atopischen Ekzems sind topische Steroide und Antihistaminika. Doch nicht bei allen Patienten zeigen diese Medikamente genügend Wirksamkeit. In solchen Fällen helfen oft Immunsuppressiva, da sie die im Mittelpunkt der Pathoge- nese stehende Aktivierung und Proli- feration der T-Zellen potent hemmen.
Wie Prof. Neil Korman (Cleve- land/Ohio) ausführte, vermindert Cy- closporin A nicht nur Schweregrad und Ausdehnung des Ekzems signi- fikant, sondern lindert auch den Juckreiz der Patienten sehr rasch. Lei- der kann Cyclosporin A nicht topisch appliziert werden, da die Moleküle zu groß sind und deshalb die Hautbarrie- re nicht überwinden können. Nach bisher vorliegenden Daten sollte Cy-
closporin A in der Erhaltungstherapie nicht über 5 mg/kg dosiert werden.
Da Langzeiterfahrungen noch fehlen, sollte die Therapie auf maximal zwei Monate beschränkt werden. Mögliche Nebenwirkungen wie Hypertonie, Nephropathie, Infektionen und ein erhöhtes Risiko für B-Zell-Lympho- me oder Plattenepithelkarzinome der Haut erfordern eine engmaschige Überwachung der Patienten unter Therapie mit Cyclosporin A.
Tacrolimus topisch applizierbar Anders als Cyclosporin A kann Tacrolimus (FK-506) topisch angewen- det werden. Es wirkt dabei bei geringe- rer Toxizität zehn- bis 100fach stärker immunsuppressiv. Mit einer 0,1prozen- tigen Zubereitung wurden in Phase-II- Studien die besten Resultate erzielt. In einer dieser Studien, an der 213 Patien- ten mit atopischem Ekzem beteiligt waren, nahm der kombinierte Sympto- menscore um 70 Prozent ab. Außer ei- ner lokalen Reizung beobachtete man keine unerwünschten Nebeneffekte.
Schweregrad und Ausdehnung des atopischen Ekzems nahmen auch unter einer Therapie mit Interferon- gamma (50 µg/m2täglich s.c.) signifi- kant ab, wie Prof. Seth Stevens (Cle- veland/Ohio) ausführte. In Kurzzeit- studien sprach die Hälfte der Patien- ten mit einer mehr als 50prozentigen Besserung an. „Je schwerer das Ek- zem ist, desto mehr bessert es sich un- ter Interferon-gamma“, so Stevens.
Psoriasis-Problemfälle
Eine Psoriasis wird je nach Schweregrad oder Lokalisation mit UVB-Bestrahlung, PUVA, topischen Steroiden und Retinoiden sowie sy-
stemischen Immunsuppressiva wie Methotrexat oder Cyclosporin A und Retinoiden behandelt. Dr. Alan Men- ter (Dallas/Texas) gab einige Tips, wie man mit Problemfällen fertig wird.
Wenn Bestrahlungen oder topische Steroide nicht ausreichend wirken, müsse man nicht gleich systemisch be- handeln. Vielmehr kann der Effekt durch Kombination mit topischen Re- tinoiden (zum Beispiel Tazoroten) deutlich gesteigert werden.
Schwer zu behandeln ist die Pso- riasis auf dem behaarten Kopf. Die Wirkung einer topischen Therapie mit Steroiden und Retinoiden kann ver- bessert werden, wenn der Patient mehrmals wöchentlich eine Mischung aus Teer und Salicylsäure unter ei- ner Heizkappe einwirken läßt. Dies weicht die Plaques auf und macht sie ansprechbarer auf Medikamente.
Wenn mehr als zehn Prozent der Haut- oberfläche befallen sind, wird eine to- pische Therapie unpraktikabel. Auch bei palmarer oder plantarer Psoriasis sind von Beginn an systemische Medi- kamente vorzuziehen.
Die Psoriasis ist wie der Lupus erythematodes eine Autoimmunkrank- heit. Daher sind auch bei diesen Pa- tienten potente Immunsuppressiva wie Methotrexat und Cyclosporin A indiziert. Wie Menter ergänzte, ist Methotrexat am Psoriasis-Center in Dallas das mit Abstand am häufigsten eingesetzte systemische Monothera- peutikum, die häufigste Kombination besteht aus Methotrexat plus Cyclos- porin A. Immunsuppressive topische Medikamente wie Tacrolimus, As- comycin oder Rapamycin werden in Zukunft das Therapiespektrum er- gänzen. Sie sind jedoch bei Psoriasis eindeutig weniger effektiv als bei ato-
pischem Ekzem. !
A-1396 (28) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 21, 28. Mai 1999
P O L I T I K MEDIZINREPORT
Hauterkrankungen
Neue Entwicklungen in der
Therapie häufiger Dermatosen
Notizen von der Jahrestagung der American Academy of Dermatology in New Orleans
D
A-1398
P O L I T I K
(30) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 21, 28. Mai 1999 Schnellere Heilung für
venöses Ulkus?
Die Kompression bildet die Basis für jede Ulkus-Therapie. Unter Kom- pressionstherapie allein heilen im Mit- tel 44 Prozent der Ulzera,
ohne daß Rezidive auftre- ten, wie eine fünfjährige prospektive Studie zeigt.
Eine zusätzliche Medikati- on mit dreimal täglich 400 mg Pentoxifyllin kann die Heilungsaussichten weiter verbessern. In einer Studie heilten 64 Prozent der Ul- zera unter Pentoxiphyllin im Vergleich zu 42 Prozent unter Plazebo.
Für Patienten mit venösen Ulzera, die länger als ein Jahr bestehen und größer als 5 cm2 sind, ist die zusätzliche Versorgung der Wunde mit Hautäqui- valent (Kulturen von Ke- ratinozyten auf bovinem Kollagen mit Fibrobla-
sten) sinnvoll. Die Heilung läßt sich damit deutlich beschleunigen, wie Dr.
James Spencer (New York) betonte.
Kleinere und kürzer dauernde Ulzera haben sehr gute Aussichten, unter Kompression alleine abzuheilen, so daß sich diese relativ teure Zusatzthe- rapie nicht lohnt.
Rekombinanter PDGF
Hauptpfeiler der Therapie des neuropathischen Ulkus sind aggressi- ves Debridement des kallösen Wund- rands und konsequente Druckentla- stung durch individuell angepaßte Ein- legesohlen. Auch bei Patienten mit ein- deutiger Neuropathie muß aber vorher sorgfältig geklärt werden, ob nicht doch eine ischämische Komponente am Ul- kus beteiligt ist. Diese muß, wenn mög- lich, durch revaskularisierende Maß- nahmen beseitigt werden, wie Dr. Fred Miller (Danville/PA) betonte.
Neuerdings steht in den USA mit Becaplermin (Regranex®) der er- ste rekombinante Wachstumsfaktor (PDGF) zur Behandlung diabeti- scher Ulzera zur Verfügung. In Deutschland wird die Einführung un- ter demselben Handelsnamen in eini- gen Monaten erwartet.
In plazebokontrollierten Studien verdoppelte Becaplermin zusätzlich zur Standardtherapie die Heilungsrate in 20 Wochen. Miller äußerte jedoch Kritik an der Aussagekraft dieser klini- schen Studien. Denn nach acht, zehn
und 16 Wochen gab es keinen signifi- kanten Unterschied zwischen den Gruppen. „Und ein diabetisches Ulkus heilt unter Standard-Therapie norma- lerweise in zwölf Wochen ab.“ Außer- dem wären in den Studien weder De- bridement noch Druckentlastung kon- sequent durchgeführt worden, und die Ulzera wären in der Plazebo-Gruppe initial größer gewesen als in der Verum-Gruppe, erklärte Miller. Wann der Einsatz von Wachstumsfaktoren sinnvoll ist, muß nach Ansicht von Mil- ler noch genau geklärt werden.
Juckreiz-Therapie nach Ursache
Juckreiz ist ein Symptom vieler Dermatosen – zum Beispiel Psoriasis, atopisches Ekzem, Urtikaria, Pilzinfek- tionen, Scabies und polymorphe Licht- dermatose –, zeigt aber häufig auch nur eine Xerosis der Haut an, vor allem bei älteren Menschen. Juckreiz kann aber auch als Folge innerer Krankheiten, zum Beispiel bei Cholestase, auftreten, die eine Ausschlußdiagnostik erfor- dern. Manchmal findet man jedoch we- der eine dermatologische, noch eine in- ternistische Ursache. Dann gilt es, an eine psychische Genese zu denken.
Dr. Clive Archer (Bristol) nannte einige Allgemeinmaßnahmen, die hel- fen, Juckreiz jeder Genese zu lindern.
Dazu gehören leichte Kleidung, nied- rige Temperaturen im Wohnbereich, vor allem im Schlafzimmer und eine kalte Dusche vor dem Zubettgehen.
Gegen Juckreiz durch entzündliche Dermatosen helfen am besten sedieren- de Antihistaminika zur Nacht in Kombi- nation mit schwach sedierenden Antihi- staminika am Tage.
Bei schwerem gene- ralisierten Juckreiz müssen häufig auch kurzfristig orale Ste- roide oder Cyclos- porin A gegeben werden. Bei einer Xerosis der Haut läßt sich der Juck- reiz oft durch feuch- tigkeitsspendende Hautcremes und Anhebung der Luft- feuchtigkeit lindern. Antihistaminika sind hier von begrenztem Wert, Stero- ide sollten überhaupt nicht eingesetzt werden.
Doxepin: Mittel der Wahl
Depression und Angst verstärken zum Beispiel die Wahrnehmung von Juckreiz, so daß man bei besonders hartnäckigen Formen an diesen Zu- sammenhang denken sollte. Bei allen psychogenen Juckreizformen ist die Gabe von Antihistaminika sinnlos, be- tonte Archer. Sie sprechen jedoch gut auf Antidepressiva oder Anxiolytika an. Als Mittel der Wahl bei allen psy- chogenen Formen von Juckreiz gilt Doxepin, wie Prof. John Koo (San Francisco) erklärte.
Die Substanz hat mehr antihista- minerge Potenz als klassische Antihi- staminika und einen guten und lang an- haltenden sedierenden Effekt. Die Do- sis von Doxepin sollte individuell ti- triert werden, bis der Patient anspricht.
Manche Patienten benötigen 250 mg pro Tag. Wenn auch diese Dosis nicht zum Erfolg führt, kann der Opiatrezep- torantagonist Pimozid eingesetzt wer- den. Dr. med. Angelika Bischoff MEDIZINREPORT
Da dem atopischen Ekzem verschiedene pathogenetische Faktoren zugrunde liegen, sind unterschiedliche Therapieansätze entwickelt worden . Foto: Archiv