DEUTSCHES
ARZTEBLATT KURZBERICHT
Schädliche Umwelteinflüsse, die auf den menschlichen Organismus einwirken, rücken immer mehr als Krankheitsverursacher, vor allem von Hauterkrankungen, in den Vor- dergrund. Dies ist auch verständlich:
Denn die Haut ist, neben der Lunge, das erste Organ, mit dem der Mensch mit der Umwelt und schädi- genden exogenen Einflüssen in Be- rührung kommt. Unverträglichkeits- reaktionen sind hier also am frühe- sten zu erwarten. Hinzu kommt, daß der Rückgang der schützenden Ozonschicht der Atmosphäre eine deutliche gesundheitliche Gefähr- dung auslösen kann. Darüber sprach Prof. Dr. med. Dr. phil. Siegfried Bo- relli, der Direktor der Dermatologi- schen Klinik und Poliklinik der Technischen Universität München, zugleich Ärztlicher Direktor der Alexanderhausklinik für Dermatolo- gie und Allergologie, Davos, in sei- nem Fachvortrag über „Umweltbela- stungen und Hauterkrankungen" aus Anlaß der Eröffnung des 41. Inter- nationalen Fortbildungskongresses der Bundesärztekammer (in Zusam- menarbeit mit der Verbindung der Schweizer Ärzte und der Österrei- chischen Ärztekammer) in Davos.
Natürliche und
„künstliche" Auslöser
Der Münchener Referent sagte, bei den umweltbedingten Hauter- krankungen müsse man zwischen je- nen Erkrankungen unterscheiden, die durch die vom Menschen nicht veränderte Natur ausgelöst werden, und jenen, die durch hergestellte Substanzen oder Umweltverände- rungen entstehen. Erkrankungen, die durch natürliche Auslöser be- dingt sind, sind zum Beispiel Kon- taktallergien gegen Harze und Sub- stanzen — enthalten etwa in Chrysan- themen und Tulpen. Durch das Zu-
sammenwirken von Licht und Stof- fen aus Bärenklaugewächsen kommt es zu phototoxischen Reaktionen an der Haut mit dem klinischen Bild ei- ner sogenannten Wiesengräser-Der- matitis. Nach sehr intensiver UV- Licht-Exposition der Haut über lan- ge Zeiträume kann es zum klinischen Bild der sogenannten Landmanns- Haut kommen, auf der sich Haut- krebse entwickeln. Als neue „um- weltbedingte" Hauterkrankungen kennt man solche aus dem „sick-buil- ding-syndrom" ebenso wie parado- xerweise aus dem „Rein-Raum-Syn- drom".
Durch das geänderte Freizeit- verhalten und dadurch, daß die Haut verstärkt Ultraviolettstrahlungen ausgesetzt wird, kann es zu einem vermehrten Auftreten von Karzino- men kommen, so Borelli in Davos.
So ist die Zahl der Hautkrebse im sonnenreichen US-Bundesstaat Ari- zona beispielsweise doppelt so häu- fig wie im relativ sonnenarmen Ro- chester. Am häufigsten treten Haut- krebse bei der weißen Bevölkerung Australiens auf. Sie sind dort bei rund einem Prozent der Bevölkerung verbreitet.
Der Rückgang der schützenden Ozonschicht der Atmosphäre kann eine deutliche gesundheitliche Ge- fährdung mit sich bringen. Auf Grund von Hochrechnungen wird angenommen, daß eine Abnahme der Ozonschicht um ein Prozent mit einer Zunahme der bösartigen Er- krankungen von zwei bis vier Prozent verbunden ist. Auch beim malignen Melanom, dem schwarzen Krebs, wird ein Zusammenhang mit der Sonnenexposition seit Jahren heftig diskutiert. Professor Borelli berich- tete in Davos: Auffällig ist, daß diese Tumoren bei Weißen keltischer Ab- stammmung in Australien, Neusee- land und im südlichen Teil der USA am häufigsten auftreten. Anderer- seits setzt man UV-Strahlen auch zur
Behandlung von Schuppenflechte ein. Eine besonders schonende Form der natürlichen Lichtexposition ist die Hochgebirgsklimatherapie: in be- stimmten Regionen wie im Hochge- birgstal Davos (1600 m) werden aus- reichende therapeutische Effekte mit einer UVB-Dosis aus der natürli- chen Höhenstrahlung von 1,04 J/cm 2
erreicht. Zum Vergleich: Bei einer künstlichen Lichtquelle benötigt man im Durchschnitt zur Behand- lung einer Psoriasis 165 J/cm 2.
Berufsbedingte Hautkrebse sind heute selten, häufig dagegen Intole- ranzreaktionen der Haut und allergi- sche Kontaktekzeme. Dies spiegelt sich in der Zahl der Verdachtsmel- dungen auf berufsbedingte Hauter- krankungen wider. Im Jahr 1950 wurden rund 3 000 Fälle gemeldet, 1985 waren es bereits mehr als 10 000, 1991 sogar schon 23 961 Mel- dungen.
Wichtige Aufgabe für alle Ärzte
Zur Zeit stellen die berufsbe- dingten Hauterkrankungen die größ- te Einzelgruppe der berufsbedingten Erkrankungen überhaupt dar. Auch der außerberufliche Kontakt mit chemischen Substanzen kann Kon- taktallergien auslösen. So fand die Deutsche Kontaktallergiegruppe bei 3000 getesteten Personen 5,5 Pro- zent Sensibilisierte gegen Kathon- CG (ein Konservierungsmittel von Kosmetika), weitere 4,8 Prozent Überempfindliche gegen Para- phenylendiamin (ein Textilfarbstoff und industrieller Hilfsstoff), 2,5 Pro- zent Überempfindliche gegen Form- aldehyd.
Prof. Borelli: Die Industrialisie- rung und der technische Fortschritt brachten zwar eine Verbesserung der Hygiene und eine Hebung des Lebensstandards sowie eine Verlän- gerung der Lebensdauer. Sie brach- ten aber auch eine Vielzahl von neu- en Wirkstoffen in die Umwelt, von denen gesundheitliche Gefährdun- gen ausgehen können. Die Bewälti- gung dieser Probleme ist eine wichti- ge Aufgabe der gesamten Ärzte- schaft, insbesondere der Hautärzte und der Umweltmediziner. HC
Hauterkrankungen
Umweltbelastungen sind immer häufiger Krankheitsauslöser
Dt. Ärztebl. 90, Heft 15, 16. April 1993 (33) A1-1105