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Rehabilitation
Kompetenzgerangel
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as Rehabilitations- und Schwerbehindertenrecht droht wieder einmal zwi- schen die Mühlsteine eines Kom- petenzgerangels zu geraten. Ge- dient ist hiermit niemandem.Konkret: Die Bundesregie- rung plant, das gesamte Rehabili- tations- und Schwerbehinderten- gesetz in das Sozialgesetzbuch einzugliedern und im Buch IX zu kodifizieren. Begrüßenswert ist die Absicht, das Recht der Reha- bilitation transparenter und über- sichtlicher zu gestalten und zu- sammenzufassen. Zielgerecht ist auch die Absicht, die Zusammen- arbeit der Träger der Rehabilita- tion zu verbessern und die Lei- stungen der beruflichen, medizi- nischen und sozialen Rehabilitati- on besser aufeinander abzustim- men. Sinnvoll ist es auch, die So- zialhilfe als „federführender Trä- ger der Sozialrehabilitation" in
den Kreis der Reha-Träger einzu- beziehen.
Bedenklich sind allerdings Bestrebungen, die Kompetenzen der Rentenversicherungsträger bei der Rehabilitation zu be- schneiden und deren Verantwor- tung auf andere Entscheidungs- träger zu verlagern. Zudem strotzt der Entwurf von überbordenden administrativen Regelungen und geplanten erweiterten staatlichen Eingriffen in die Selbstverwal- tungsrechte und in die Autonomie der Reha-Träger. Um Versor- gungs- und Steuerungsdefizite zu beseitigen, bedarf es der Stärkung der Reha-Träger und ihrer Selbst- verwaltungen durch gesetzliche Regelungen, aber nicht der Er- mächtigung zur Übernahme ad- ministrativer Gestaltungsprozesse durch die Ministerialbürokratie auf Bundesebene. So soll die Bun- desregierung ermächtigt werden,
Bestimmungen über Gegenstand und Umfang der Leistungen zu er- lassen.
Es gibt keinen aktuellen An- laß, in das bewährte gegliederte System der Rehabilitation einzu- greifen und die Zuständigkeiten aufzuheben. Jeder Träger sollte selbstverantwortlich für die Aus- wahl der geeigneten, bedarfsge- rechten Rehabilitationsmaßnah- men verantwortlich bleiben und insbesondere über Art und Um- fang der Maßnahmen entschei- den. Die Strukturierung und Di- mensionierung sowie die Verant- wortung für die Rehabilitations- steuerung sollten über marktwirt- schaftliche Maßnahmen bewerk- stelligt werden. Deshalb ist es sinnvoll, daß sowohl eine bedarfs- gerechte Angebotsstruktur als auch eine enge Zusammenarbeit bei monistischer Kostengestaltung erreicht wird. HC
Transplantationsgesetz Vorstoß der Grünen
M
it dem Thema Trans- plantationsgesetz ver- hält es sich wie mit vie- len anderen: Seit Jahren diskutie- ren Politiker und Sachverständige, doch eine befriedigende Regelung ist nicht in Sicht. Gerungen wird vor allem darum, wieviel Einfluß jeder Mensch darauf nehmen kön- nen soll, ob ihm nach seinem Tod Organe entnommen werden.In Rheinland-Pfalz hatte die SPD-Fraktion im Oktober 1992 eine Gesetzeslösung präsentiert.
Doch das Werk verstaubt seitdem in parlamentarischen Gremien.
Deshalb will die dortige Fraktion der Grünen selbst einen Gesetz- entwurf einbringen, dessen Grundsätze sie nun vorstellte.
Der SPD-Entwurf entspricht, was die Einwilligung in eine Organentnahme anbelangt, im Kern der Informationslösung aus einem Musterentwurf der Ge- sundheitsministerkonferenz (vgl.
Heft 49/1992): Wenn ein Verstor- bener zu Lebzeiten nicht einer späteren Organentnahme zuge- stimmt hat, sollen die nächsten Angehörigen entscheiden können.
Wenn sie nicht widersprechen, gilt dies als Einwilligung. Zwar ist von einer „angemessenen Bedenkzeit"
die Rede. Doch ist diese bei Or- ganspenden bekanntermaßen kurz. Zudem wird eingeschränkt, daß eine Organentnahme auch möglich ist, wenn innerhalb von fünf Stunden nach Todesfeststel- lung kein Angehöriger erreichbar ist.
Solche Regelungen empfin- den viele Menschen als ausgespro- chen problematisch. In Rhein- land-Pfalz wurden dann auch die Finger auf wunde Punkte gelegt.
So kritisierte Gisela Bill, gesund- heitspolitische Sprecherin der pfälzischen Grünen, bereits das Ziel des SPD-Entwurfs, die Be- reitschaft zur Organspende und
Organentnahme zu fördern. Nach Auffassung der Grünen ist dem subjektiven Empfinden der Linde- rung von Krankheit und Leiden derjenigen, denen ein Organ transplantiert wurde, eine hohe Bedeutung beizumessen. Diese dürfe jedoch nicht in einen Ge- gensatz zu dem unveräußerlichen Recht des Menschen, auch des sterbenden oder toten, auf die Unversehrtheit des Körpers in ei- nen Gegensatz gebracht werden.
Ein Transplantationsgesetz habe generell die Belange mögli- cher Organempfänger ebenso zu berücksichtigen wie die Belange der Organspender. Die Grünen setzen sich deshalb für eine ein- deutige Entscheidung des einzel- nen, die Zustimmungslösung, ein.
Denn: „Spende bedeutet, etwas aus freien Stücken abzugeben.
Freiwilligkeit kann nicht eingefor- dert werden, auch nicht durch Ge- setz, oder sie wird zur Farce." th
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 42, 22. Oktober 1993 (1) A1-2729