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Archiv "Das Transplantationsgesetz" (26.08.2002)

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 34–35½½½½26. August 2002 AA2241

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or fünf Jahren wurde das Trans- plantationsgesetz vom Bundestag verabschiedet. Damit wurde die bereits seit langem geltende Transplan- tationspraxis auf eine rechtliche Grund- lage gestellt. Zum ersten Mal diskutier- te der Bundestag aber auch über die Frage, wann ein Mensch tot ist. Zu ent- scheiden war, ob der endgültige, nicht behebbare Ausfall aller Hirnfunktionen (Hirntod) als der Tod des Menschen zu bezeichnen sei. An der Diskussion, die bereits im Vorfeld der Debatte geführt wurde, beteiligten sich Politiker, Ärzte, Theologen und Juristen.

Der damalige Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) und zahlreiche weitere Abgeordnete hatten die Ansicht vertreten, dass der Hirntod kein sicheres Todeszeichen sei, sondern lediglich als Kriterium für eine Organ- transplantation dienen sollte. Doch das

sei mit dem ärztlichen Selbstverständ- nis nicht vereinbar, hielt dieser Auffas- sung der damalige Präsident und heuti- ge Ehrenpräsident der Bundesärzte- kammer, Prof. Dr. med. Karsten Vilmar, entgegen. Kein Arzt werde eine Organ- entnahme vornehmen, wenn damit die Tötung eines Menschen verbunden sei.

Dieser Ansicht schlossen sich offenbar die meisten Parlamentarier an. Das Ab- stimmungsergebnis im Bundestag war jedenfalls überraschend eindeutig: Mit 424 zu 201 Stimmen entschieden sich die Abgeordneten für das Hirntodkon-

zept. 449 Abgeordnete entschieden sich für das Transplantationsgesetz auf der Grundlage der so genannten erweiter- ten Zustimmungslösung, 151 dagegen, 29 enthielten sich. Die Verabschiedung des Gesetzes war von zahlreichen Ärz- ten mit Erleichterung aufgenommen worden. So sagte Vilmar: „Viele infolge eines Organversagens schwer kranke Menschen können jetzt auf ein Weiter- leben hoffen.“

Nicht zuletzt die Diskussion im Vor- feld hatte auch dazu geführt, dass sich viele Menschen jetzt mit diesem Thema befassten. Bereits ein Jahr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes stellte der 116.

Chirurgenkongress in München fest, dass die Zustimmung zur Organ- spende hoch war: 78 Pro- zent der Bevölkerung und 90 Prozent der Ärzte würden einer Organspen- de zustimmen. Den Hirn- tod sahen 62 Prozent der Bevölkerung und 94 Pro- zent der Ärzte als Kriteri- um für den Zeitpunkt ei- ner Organentnahme an.

Und daran hat sich offen- bar bis jetzt nicht viel geändert. „Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger sind grundsätzlich zur Organspende bereit“, sagte Bundes- gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) anlässlich des diesjährigen „Ta- ges der Organspende“ am 1. Juni.

Deutschland ist „Importland“

Dennoch dokumentieren nur zwölf Prozent der Bevölkerung ihre Bereit- schaft in einem Organspendeausweis.

Der Mangel an Spenderorganen ist da- gegen nach wie vor hoch. Im Jahr 2001

Transplantationen

„Das Gesetz muss reanimiert werden“

Auch wenn die Organspendebereitschaft groß ist, fehlen nach wie vor transplantierbare Organe. Die Gründe sind unterschiedlich.

Das Transplantationsgesetz

Das im Jahr 1997 in Kraft getretene Transplantati- onsgesetz (TPG) bildet die gesetzliche Grundlage für die Spende, Entnahme und Übertragung von Or- ganen für Deutschland. Es stellte die bereits seit lan- gem vorher gängige Transplantationspraxis in Deutschland auf eine eindeutige rechtliche Grund- lage. Danach können nicht nur der potenzielle Or- ganspender, sondern auch seine Angehörigen in ei- ne Explantation einwilligen (erweiterte Zustim- mungslösung). Organe können nur dann entnom- men werden, wenn „der Tod nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissen- schaft entsprechen, festgestellt ist“. Über diese Re- geln hat die Bundesärztekammer Richtlinien erlas- sen. Darin ist unter anderem das Verfahren be- schrieben, mit dessen Hilfe der „endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms“

festgestellt wird (DÄ, Heft 30/1998). Die Bundes- ärztekammer hat außerdem weitere Richtlinien er- lassen, die bundesweit einheitliche Maßstäbe für

die Organtransplantation schaffen. Das gilt zum Beispiel für die Kriterien, anhand derer entschieden wird, ob ein Patient auf die Warteliste kommt. Die Deutsche Stiftung Organspende wurde mit der Funktion einer bundesweiten Koordinierungsstelle beauftragt. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Ent- nahme von Organen und deren Übertragung in Zu- sammenarbeit mit den Transplantationszentren und den anderen Krankenhäusern zu koordinieren. Mit der konkreten Vermittlung der nach dem Transplan- tationsgesetz vermittlungspflichtigen Organe wur- de die in Leiden (Niederlande) ansässige Stiftung Eurotransplant beauftragt. Das TPG enthält außer- dem unter anderem auch Bestimmungen zur Le- bendspende und ein Verbot des Organhandels.Kli

Foto:dpa

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konnten nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 3 382 postmortale Organtransplantatio- nen vorgenommen werden, doch stan- den etwa 14 000 Menschen auf der War- teliste. Bei Eurotransplant gilt Deutsch- land als „Importland“ für Organe. Zu den spendenstarken Nationen zählen unter anderem Österreich und Spanien.

Die Konsequenz: Aus den Eurotrans- plant-Partnerländern werden weniger Organe für deutsche Patientinnen und Patienten vermittelt. Ein Grund für die wenig hohe Spenderquote in Deutsch- land sind die weniger strengen Bestim- mungen im Transplantati-

onsgesetz. Die meisten eu- ropäischen Länder haben sich für die Widerspruchslö- sung entschieden. Danach wird nur eine schriftlich festgelegte Ablehnung als Spendenausschluss aner- kannt. Angehörige werden nicht befragt. In Deutsch- land entscheiden dagegen die Angehörigen über die Organspende, falls kein Ausweis gefunden wurde.

Der „mutmaßliche Wille des Verstorbe- nen“ ist in ihre Entscheidung miteinzu- beziehen. „Es scheint, als ob man das neugeborene Wunschkind Transplanta- tionsgesetz nach fünf Jahren bereits reanimieren müsste“, sagte der Ehren- präsident der Sächsischen Landesärzte- kammer, Prof. Dr. med. Heinz Diettrich.

Motivation der Krankenhäuser

Notwendig ist offenbar vor allem eine gezielte Werbung für eine größere Spendenbereitschaft. Die Delegierten des diesjährigen 105. Deutschen Ärzte- tages in Rostock forderten in einer Ent- schließung die „Kommunen, Kranken- kassen, die Ärzteschaft, die Apotheker- schaft, Selbsthilfegruppen, die Bundes- zentrale für gesundheitliche Auf- klärung und die Länder auf, mit Öffent- lichkeitsaktionen dafür zu werben, dass sich mehr Menschen mit der Organ- transplantation persönlich auseinander setzen und einen Spenderausweis mit sich tragen“. Dazu gehöre auch eine verstärkte Information und Motivation von Menschen innerhalb und außerhalb

des Gesundheitswesens (zum Beispiel bei Pflegepersonal, Lehrern und Apo- thekern).

Die Ärztekammer Nordrhein, die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein und die Apothekerkammer Nordrhein starteten vor kurzem eine gemeinsame Werbeaktion. Seit Mai stellen die mei- sten nordrheinischen Arztpraxen und Apotheken interessierten Patienten Organspendeausweise zur Verfügung.

Sie können auch im Internet abgerufen werden (www.aekno.de, www.kvno.de).

Eine ähnliche Kampagne startete im Juni auch die hessische Landesregie-

rung gemeinsam mit der Landesärzte- kammer Hessen und anderen Koopera- tionspartnern. Innerhalb der Bundes- länder gibt es offenbar große Unter- schiede, was die Spendenbereitschaft angeht. Das bevölkerungsreichste Land Nordrhein-Westfalen bildet bisher mit 9,1 Organspenden pro eine Million Ein- wohner das Schlusslicht, der Bundes- durchschnitt liegt bei 13 Organspenden pro eine Million Einwohner.

Zur Verbesserung der Situation ist jedoch nicht nur eine erhöhte Zahl von bereitwilligen Spendern erforderlich, notwendig ist außerdem eine stärkere Motivation der Krankenhäuser. Denn der im Transplantationsgesetz veran- kerten Verpflichtung zur Spendermel- dung kommen nach Angaben des Vor- standsvorsitzenden der DSO, Prof. Dr.

Martin Molzahn, weniger als die Hälfte aller Krankenhäuser in Deutschland nach. „Bundesweit kooperieren nur rund 600 der 1 400 Krankenhäuser mit Intensivstation.“ Die Deutsche Stiftung Organtransplantation sieht ihre primä- re Aufgabe in der Verbesserung dieser Situation durch „Information und Fort- bildung in den Krankenhäusern, eine

umfassende Unterstützung der Kran- kenhäuser im Fall einer Organspende sowie eine politische Einflussnahme mit dem Ziel, dass die Gemeinschafts- aufgabe Organspende durch die Benen- nung von Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern nachhaltig eta- bliert wird“. Dieses Anliegen unter- stützten auch die Delegierten des 105.

Deutschen Ärztetages. Sie forderten

„eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung und Einführung von Trans- plantationsbeauftragten in den Kran- kenhäusern“. Um für optimale Arbeits- bedingungen der Transplantationsbe- auftragten zu sorgen, müssten entspre- chende Arztstellen im Stellenplan der Krankenhäuser berücksichtigt werden.

Um die Organspenden flächen- deckend sicherzustellen, ist das Bun- desgebiet bisher in sieben Organspen- deregionen eingeteilt. Jede Region wird von einem geschäftsführenden Arzt der DSO geleitet. In einigen Bundeslän- dern fordern Ausführungsgesetze einen Transplantationsbeauftragten. So sind in Bayern alle Krankenhäuser mit In- tensivstationen zur Benennung minde- stens eines Transplantationsbeauftrag- ten verpflichtet. Dieses Konzept erhöh- te die Spenderzahl um knapp 30 Pro- zent. Auch in anderen Bundesländern, die aufgrund von Landesgesetzen Transplantationsbeauftragte festge- schrieben haben, sind nach Angaben der DSO verbesserte Ergebnisse bei der Organspende festzustellen. Anfang Juli wurde in Baden-Württemberg ein neues Transplantationsgesetz beschlos- sen. Danach sind etwa 150 baden-würt- tembergische Krankenhäuser ver- pflichtet, künftig einen Transplantati- onsbeauftragten zu bestellen. „Der Transplantationsbeauftragte soll nun die Erfüllung der Meldepflicht gewähr- leisten“, sagte Sozialminister Friedhelm Repnik. „Seine Aufgabe wird es außer- dem sein, die Klinikmitarbeiter zu sen- sibilisieren sowie Verantwortlichkeiten und Handlungsabläufe für den Fall ei- ner Organspende festzulegen.“

Einen anderen Weg hat die Düssel- dorfer Landesregierung gewählt. In den nordrhein-westfälischen Krankenhäu- sern werden so genannte Kommunika- tionsteams als Beauftragte für die Or- ganspende eingerichtet. Diese Teams haben die Aufgabe, im Krankenhaus die T H E M E N D E R Z E I T

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A2242 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 34–35½½½½26. August 2002

´ TabelleCC´

Organspende und Transplantationen (Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation)

Postmortale Transplantationen Organspenden ohne Lebendspende 1. Quartal 2001 2002 +/– 2001 2002 +/–

Niere 461 420 –41 468 429 –39

Herz 97 77 –20 108 91 –17

Leber 140 140 0 149 147 – 2

Lunge 36 41 + 5 38 48 +10

Pankreas 42 37 – 5 50 43 – 7

776 715 –61 813 758 –55

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Idee der Organspende zu verbreiten und dafür zu werben. Dazu gehört die Unterstützung der Mitarbeiter im In- tensivbereich. Die Teams sind auch ver- antwortlich für die Gespräche mit den Angehörigen und Spendern. Sie benen- nen mögliche Spender an die DSO, die dann zusammen mit dem Team die me- dizinischen Fragen klärt.

Aber die Organspende ist eben nicht nur ein strukturelles, sondern oft auch ein Kommunikationsproblem. „Eine Organspende ist ein seltenes Ereignis in einem Krankenhaus. Alle Schritte einer Organspende von der Spendererken- nung bis zur Organentnahme stellen das Personal von Intensivstationen vor ungewohnte Anforderungen“, sagte DSO-Pressesprecherin Ilja Stracke ge- genüber dem Deutschen Ärzteblatt.

Koordinatoren der Deutschen Stiftung Organtransplantation würden daher beim Umgang mit trauernden An- gehörigen helfen und vermittelten spe- zielle Fortbildungen für das Personal von Intensivstationen.

„Ausdruck von Menschenliebe“

Eine Alternative zur postmortalen Or- ganspende ist die Lebendspende, deren Förderung von einigen Transplantati- onsmedizinern befürwortet wird. So kann es sich der Essener Transplantati- onschirurg Prof. Dr. med. Christoph E.

Broelsch vorstellen, Organspendern ei- nen Bonus zu gewähren, um die Or- ganspendezahlen wieder ansteigen zu lassen (dazu DÄ, Heft 25/2002). Dieser Vorschlag stößt allerdings auf völlige Ablehnung bei der Bundesärztekam- mer. Sie hat jeder Kommerzialisierung der Organspende eine klare Absage er- teilt. Es sei ethisch verwerflich, wenn gesunde Menschen dazu animiert wür- den, aus finanziellen Gründen ein Or- gan herzugeben. „Organspende ist Aus- druck von Menschenliebe. Wer eine Entlohnung für Organspenden fordert, öffnet dem Organhandel Tür und Tor und untergräbt die Spendebereitschaft der Bevölkerung“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe. Gisela Klinkhammer

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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 34–35½½½½26. August 2002 AA2243

Das Transplantationsgesetz ist im Internet unter www.

aerzteblatt.de, Rubrik DÄ plus/Zusatzinfo abrufbar.

48. Konsultativtagung

Arztberuf muss wieder attraktiv werden

Die deutschsprachigen Ärzteorganisationen trafen sich in diesem Jahr in Luxemburg zum Gedankenaustausch.

Eines der Schwerpunktthemen: der drohende Ärztemangel

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ir müssen uns verstärkt um den Arztberuf kümmern“, so be- grüßte der luxemburgische Ge- sundheitsminister Carlo Wagner die Teilnehmer der diesjährigen Konsulta- tivtagung deutschsprachiger Ärzteor- ganisationen in Luxemburg. Der Arzt- beruf müsse wieder attraktiver gestaltet werden, damit die Ärzte ihn auch im ei- genen Land wieder gerne ausüben. Dies müsse unbedingt bei künftigen Refor- men im Gesundheitswesen be- rücksichtigt werden – eine Erkenntnis, die sich vor allem die deutschen Teil- nehmer von ihren eigenen Politikern wünschen dürften.

Der drohende Ärztemangel war ei- ner der thematischen Schwerpunkte bei der traditionsreichen 48. Konsultativta- gung, die dem Informations- und Ge- dankenaustausch zwischen den Vertre- tern der Ärzteorganisationen Luxem- burgs, Südtirols, Österreichs, der Schweiz und Deutschlands dient. Eine freundschaftliche und offene Atmo- sphäre prägte auch die diesjährige Ta- gung, deren Ziel nicht gemeinsame Re- solutionen oder Erklärungen, sondern der Austausch von aktuellen gesund- heitspolitischen Entwicklungen über die Landesgrenzen hinweg war.

In Österreich nutzen die Patienten gerne die Möglichkeit, zur ambulanten fachärztlichen Behandlung direkt das Krankenhaus aufzusuchen, vor allem weil die Krankenhausambulanz 24 Stunden geöffnet ist. Die Krankenhäu- ser wiederum nehmen die zusätzliche Belastung gerne in Kauf, weil sie hoffen, den Patienten so auch für eine mögliche stationäre Behandlung an das Haus zu binden. Bei der guten technischen Aus- stattung der österreichischen Kranken-

häuser hat dies seinen Preis. Aber auch die österreichischen Allgemeinärzte überweisen ihre Patienten häufig lieber an den Facharzt im Krankenhaus als an den niedergelassenen Arzt – es erhöht die Chance, dass dieser wieder zu ihm zurückkehrt. Selbst die Krankenkassen sehen die teure Inanspruchnahme der Krankenhausambulanzen eher gelas- sen, denn die österreichischen Kranken- häuser sind dualistisch finanziert: Über den Daumen gepeilt, schießt der Staat die Hälfte der Fallkosten dazu. Daher darf es für die Krankenkassen, die die ambulante Behandlung beim niederge- lassenen Arzt allein zu zahlen hätten, auch einmal etwas mehr kosten. Allein die Politik wünscht eine Reduzierung dieser Direktbesuche des Krankenhau- ses, von denen ein Drittel als unnötig an- gesehen wird. Daher wurden Gebühren für die ambulante Versorgung im Kran- kenhaus eingeführt, die von den Patien- ten in Österreich direkt zu zahlen sind – eine Maßnahme, die bis jetzt allerdings nicht den erhofften erzieherischen Ef- fekt hatte.

Schweiz: Erleichterung der Migration von Ärzten

Die Gesundheitspolitik der rechts-libe- ralen Regierung in Österreich sei orien- tierungslos, lautete das Fazit des Präsi- denten der Österreichischen Ärzte- kammer, Dr. Otto Pjeta. Die Sozialver- sicherungen schrieben weiterhin rote Zahlen, aber Beitragssatzanhebungen seien seit Jahren politisch unerwünscht.

Bleibe es bei dieser Unterfinanzierung, sei der Weg zur Rationierung nicht mehr weit, befürchtet Pjeta. Dafür sei

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aber über Nacht und in Form einer

„diktatorischen“ Anordnung seitens der Regierung beschlossen worden, den Patienten die lange geplante Chipkarte gegen eine Gebühr aufzuzwingen, die zu allem Überfluss der Arzt kassieren solle. Dass Ärzte nun auch noch als Verwaltungsvollstrecker der Kranken- kassen dienen sollen, wecke keine Freude bei der österreichischen Ärzte- schaft.

Dominierendes Thema der schweize- rischen Gesundheitspolitik sind derzeit die bilateralen Verträge zwischen der Europäischen Union und der Schweiz , die am 1. Juni in Kraft traten, und damit die Erleichterung der Migration von Ärzten. Erwartungsgemäß stellten gleich in den ersten Tagen 600 ausländi- sche Ärztinnen und Ärzte einen Antrag auf Niederlassung. Nicht zu erwarten war hingegen die panische Reaktion auf diese vorhersehbare Antragsflut.

Wohl aus Angst vor einer Unzahl von durch ausländische Ärzte betriebenen Praxen wurde unmittelbar nach dem 1. Juni ein Zulassungsstopp angekün- digt und zum 3. Juli eingeführt. Schlag- artig erhöhten sich in dieser kurzen Zeit die Niederlassungsanträge von Schwei- zer Ärzten auf 2 000, die in den näch- sten Monaten bearbeitet werden müs- sen. Diese kurzsichtige und völlig über- eilte Maßnahme habe dramatische Aus- wirkungen sowohl für die Ärzte als auch für die gesundheitliche Versor- gung im Lande, so Dr. Martin Denz von der Verbindung Schweizer Ärzte.

Kurzfristig fehlten nun den Kranken- häusern all die Ärzte, die übereilt ihre Lebensplanung umstellen mussten und sich früher als geplant niederlassen.

Den nachfolgenden jungen Ärzten wer- de die berufliche Perspektive genom- men, weil ihnen der Weg in die Nieder- lassung verbaut sei. Unverständnis zeig- te Denz für diese Politik vor allem des- wegen, weil es keine Anzeichen für eine Migrationsflut von europäischen Ärz- ten gebe, erst recht nicht in Zeiten, in denen fast überall in Europa die Ärzte knapp würden.

„Eine wachsende Zahl von Ärzten führt zu einer steigenden Nachfrage von Gesundheitsleistungen und damit zu einer Kostensteigerung im Gesund- heitswesen.“ Mit dieser nicht neuen, aber immer noch provokanten These

stellte sich der Präsident der Luxem- burgischen Krankenkassenvereinigung, Robert Kieffer, der Diskussion mit den Ärztevertretern. Er verfügt über das, von dem seine europäischen Kollegen nur träumen: ausreichendes Datenma- terial. Arzt- und Patientendaten liegen der luxemburgischen Krankenkassen- vereinigung offen vor.

Gegenseitige Anerkennung von Diplomen

Doch was sagen die Statistiken wirklich aus? Überzeugen konnten die vorge- legten Auswertungen und besonders die daraus gezogene Schlussfolgerung

„viele Ärzte – hohe Kosten“ nicht.

Denn auch wenn seit 1995 in Luxem- burg das Honorarvolumen der Ärzte

tarifbereinigt um 14 Prozent und die Zahl der Patienten und Ärzte ebenfalls gestiegen sind, so ist das Pro-Kopf-Ho- norar für etliche ärztliche Fachgruppen gesunken oder nur gering gestiegen.

Der Anteil der Arzthonorare an den Gesamtausgaben im Gesundheitswe- sen blieb vergleichsweise stabil. Und so betonte Robert Kieffer, seine Aussage sei eine These, der Beweis lasse sich auch mit all dem vorliegenden Daten- material nicht führen.Außerdem räum- te er ein, dass auch andere Faktoren, wie zum Beispiel eine Verteuerung der Technologie oder deutlich höhere An- sprüche an die gesundheitliche Versor-

gung, zur Teuerung beigetragen hätten.

Warum ist Brustkrebs in Deutschland eine chronische Krankheit? Diese be- rechtigte Frage mussten sich die deut- schen Vertreter von ihren ausländi- schen Kollegen stellen lassen, nachdem der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, seinen Bericht über die gesundheitspo- litische Lage in Deutschland gegeben hatte. Hoppe konnte die Aufnahme des Brustkrebses in den Kreis der chroni- schen Erkrankungen, für die Disease- Management-Programme (DMP) auf- gelegt werden sollen, nur politisch er- klären. Er beschrieb, unter welchem zeitlichen Druck die Einführung der Programme bis zum 1. Juni durchgezo- gen wurde. Die fragwürdige Qualität der DMP und das Beharren der Kran- kenkassen auf Zugang zu den Patien- tendaten mache es der Ärz- teschaft schwer, die DMP in ihrer jetzigen Form zu unter- stützen.

Alle Länder beschäftigt der Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zur Neuregelung der gegen- seitigen Anerkennung von Diplomen. Die derzeit gel- tende, auf die Ärzte zuge- schnittene Richtlinie aufzu- geben und in eine allgemeine Richtlinie zu überführen wird von allen Seiten als ein Rückschritt für die Migrati- onsfreiheit der Ärzte in Eu- ropa angesehen. Denn der neue Richtlinienentwurf sieht vor, die automatische gegen- seitige Anerkennung von Facharztdiplomen auf die Fächer zu beschränken, die in allen Mitgliedslän- dern der EU vorhanden sind. Die große Zahl von Fächern, die nur min- destens zwei Länder gegenseitig aner- kennen, soll gestrichen und einer Ein- zelfallentscheidung überlassen wer- den. Der Entwurf scheine nicht fach- lich motiviert zu sein, sondern als arbeitsentlastende Maßnahme seitens der Kommission. Die Teilnehmer der Konsultativtagung waren sich jeden- falls in ihrer Ablehnung einig. Die Ärz- te seien nun gefragt, die Politik im ei- genen Land ebenfalls von dieser Position zu überzeugen. Verena Hoppe T H E M E N D E R Z E I T

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A2244 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 34–35½½½½26. August 2002

Gastgeber der 48. Kosultativtagung in Luxemburg war Dr. Daniel Mart, Generalsekretär der L’Association des Médecins et Médecins-Dentistes. Foto: Otmar Kloiber

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