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Archiv "Interview mit dem CDU-Gesundheitspolitiker Dr. med. Hans-Georg Faust: „Einfach mehr Geld ins System geben, löst die Probleme nicht“" (04.09.2009)

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A 1698 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 36

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4. September 2009

„Einfach mehr Geld ins System geben, löst die Probleme nicht“

Der Abgeordnete und Anästhesist über das Ende der Gesundheitsprämie, neue Versorgungsstrukturen und Rationierung von Gesundheitsleistungen

Herr Dr. Faust, die Ärzte kommen in vielen Medien derzeit nicht gut weg.

Wegen ihrer Kritik an der Honorarre- form wird ihnen Profitgier vorgewor- fen. Trotzdem geben Sie auf Ihren Wahlplakaten ganz offensiv zu erken- nen, dass Sie Arzt sind. Wie reagieren die Menschen darauf?

Faust: Sehr gut. Ärzte sind nach wie vor ein hoch angesehener Be- rufsstand in Deutschland. Jeden- falls sind sie nach Umfragen ange- sehener als Politiker. Deshalb ist es nicht schädlich, sich als Arzt der Bevölkerung zur Wahl zu stellen.

Aber Sie haben recht, die Debatte um die Ärztehonorare hat ein Klima geschaffen, in dem auch Neid eine Rolle spielt.

Hat es Ihren ärztlichen Kollegen ge- nützt, dass Sie als Arzt in den letzten vier Jahren bei wichtigen Entscheidun- gen in der Gesundheitspolitik mit am Tisch gesessen haben?

Faust: Ja. Nehmen Sie die Ausge- staltung der Rahmenbedingungen für die jüngste Honorarreform, die in enger Abstimmung mit der Ärzte- schaft erfolgt ist, und in die auch ich mich einbringen konnte. Ich denke schon, dass ich darüber hinaus man- che ungerechtfertigte Angriffe auf die Ärzte mit meinen Erfahrungen aus der beruflichen Praxis besser einordnen und mitunter auch Ver- ständnis bei meinen Fraktionskolle- gen für die Interessenlage der Ärzte wecken konnte. Ein konkretes Bei- spiel ist das Krankenhausfinanzie- rungsreformgesetz. Die Debatte um

das Gesetz war wesentlich davon geprägt, wie man die Arbeitsbedin- gungen für die Ärzte und das Pfle- gepersonal in den Krankenhäusern verbessern kann. Mit der Reform haben wir den Kliniken mehr Geld zur Verfügung gestellt und damit den Ärzten die Möglichkeit gege- ben, vernünftig arbeiten zu können.

Im Wahlprogramm der Union liest man nichts mehr von der Gesundheitsprä- mie. Haben Sie kein Konzept für die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung?

Faust: Die Gesundheitsprämie in ihrer ursprünglichen Form ist vom

Tisch. Aber die Union wird den Gesundheitsfonds weiterentwi- ckeln. Wir müssen klären, aus welchen Quellen der Fonds künf- tig gespeist wird – also was kommt aus Beitragsmitteln in den Fonds, wie viel zahlt der Fiskus, und was steuern die Versicherten über Zusatzbeiträge bei. Wie man das zueinander ins Verhältnis setzt, das wird eine ganz spannen- de Frage.

Viele Experten fordern, die Deckelung der Zusatzbeiträge aufzuheben. In die- sem Fall würde der prämienfinanzierte Anteil an den Kassenausgaben ohnehin steigen.

INTERVIEW

mit dem CDU-Gesundheitspolitiker Dr. med. Hans-Georg Faust

Die Gesundheitsprämie in ihrer ursprünglichen Form ist vom Tisch.

Fotos: Uwe Epping

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4. September 2009 A 1699 Faust: Davon kann man ausgehen.

Insbesondere auch deshalb, weil der Gesetzgeber ganz bewusst nur eine 95-prozentige Deckung der Ausgaben durch den Gesundheits- fonds vorgesehen hat. In diesen Krisenzeiten sollte man aber genau im Blick haben, welche Wirkungen solche Mechanismen haben. Die Versicherten dürfen auch nicht überfordert werden.

Überforderung der kleinen Leute be- fürchten manche, wenn das Reform- konzept der FDP umgesetzt wird, das Anfang des Jahres im Bundestag dis- kutiert wurde. Die FDP will die Kassen privatisieren. Obligatorisch soll nur noch ein Basisschutz sein. Was halten Sie von den Plänen Ihres möglichen Koalitionspartners?

Faust: Ich halte nichts von den li- beralen Vorstellungen. Die ent- scheidende Frage ist doch, wie wird der Grundleistungskatalog definiert, und wer führt ihn weiter. Für mich als Arzt stellt sich ganz besonders die Frage, ob alle existenziell be- drohlichen Risiken abgesichert sind, und natürlich: Haben alle – al- so auch kranke Menschen – Zugang zu einer umfassenden medizini- schen Versorgung? Hier fehlen mir die Antworten. Trotzdem glaube ich nicht, dass eine Koalition von Uni- on und FDP wegen ungeklärter ge- sundheitspolitischer Fragen schei- tern würde.

Einigen müsste sich die CDU in einer bürgerlich-liberalen Koalition nicht nur mit der FDP, sondern auch mit der CSU.

Die hatte bis vor Kurzem Korrekturen an der jüngsten Gesundheitsreform gefor- dert. Unter anderem sollte die Honorar- reform nach dem Willen der Bayern zu- rückgenommen werden. Eine gute Idee?

Faust: Die CSU kritisiert, dass we- gen der Mechanismen des Gesund- heitsfonds und der Honorarreform zu viel Geld aus Bayern in andere

Bundesländer abfließt. Solche Sor- gen muss man ernst nehmen. Aber wir sollten doch erst einmal abwar- ten, wie die Reform wirkt. Schließ- lich haben wir im GKV-WSG auch Elemente angelegt, die regionale Unterschiede zulassen. Es hat ja bis Mitte dieses Jahres gedauert, bis die Ärzte eventuelle finanzielle Verbes- serungen erkennen konnten. Eines muss man aber auch klar sagen:

Nicht alle Ärzte sind Gewinner.

Dieser Eindruck wird jetzt leider häufig vermittelt. Nur einige Bei- spiele: Eine hausärztliche Kollegin von mir in Leipzig, die mit zwei an- deren Ärztinnen eine Gemein- schaftspraxis führt, hat nachweis- lich keine Verbesserung erfahren.

Bei vielen Kollegen im Bekannten- und Freundeskreis sieht es ebenfalls nicht besser aus. Für Orthopäden beispielsweise ist es bundesweit nicht sehr glücklich ausgegangen.

Dennoch glaube ich, dass ein ent- scheidender Fortschritt erreicht worden ist.

Haben wir nur ein Verteilungsproblem oder sollte noch mehr Geld ins System fließen?

Faust: Einfach zu sagen, mehr Geld ins System, löst die Probleme nicht. Es kann sein, dass man an einzelnen Stellen mehr Geld braucht. Man muss diese Stellen aber auch identifizieren. Und am Ende muss überprüft werden, ob mit dem zusätzlichen Geld die Ziele erreicht worden sind.

Den Ärzten geht es nicht nur ums Geld.

Sie sind auch von vielerlei Einschrän- kungen in ihrer Berufsausübung genervt.

Kann man beim Arztberuf überhaupt noch von einem freien Beruf sprechen?

Faust: Das kommt darauf an, wie Sie den freien Beruf definieren. Ist jemand ein Angehöriger eines frei- en Berufes, wenn er weisungsunge- bunden arbeitet? Für mich ist eine freie Berufsausübung auch im An- gestelltenverhältnis möglich. So

Dass CDU und CSU zur Bundestagswahl mit ei- nem gemeinsamen Programm antreten, war kei- ne ausgemachte Sache. Heftig stritten die Uni- onsschwestern Anfang des Jahres über Steuer- konzepte und die künftige Richtung in der Ge- sundheitspolitik.

Die CSU fasste ihre gesundheitspolitischen Vorstellungen in einem Vorstandspapier zusam- men, das Bayerns Ministerpräsident und CSU- Chef Horst Seehofer im April vorstellte. Darin for- dert die CSU einen vollständigen gesundheitspoli- tischen Kurswechsel. An die Stelle „einer zentra- listisch gesteuerten Staatsmedizin“ muss nach Meinung der Parteispitze ein „bürgerlich-födera- les Gesundheitsmodell“ treten. „Die geltende Ho- norarordnung ist gescheitert, weil ihre zentralisti- sche Ausrichtung die Interessen von Patienten und Ärzten missachtet. Die Vorgabe eines bun- desweiten Einheitspreises nimmt keine Rücksicht auf die regionale Kostenstruktur und führt zu

Qualitätsverlusten in der Patientenversorgung“, heißt es in dem Papier.

Im Mai legte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) im Interview mit dem Deut- schen Ärzteblatt noch einmal nach (Heft 21/2009): Er forderte einen kompletten Umbau der Kassenärztlichen Vereinigungen: „Vor Ort wird gerade die Kassenärztliche Bundesvereinigung sehr kritisch beurteilt. Deshalb schlagen wir vor, die Zwangsmitgliedschaft und den Status als öf- fentlich-rechtliche Körperschaft mit den Ärzten zu überprüfen“, sagte er.

Der CDU gingen die Forderungen aus Bayern viel zu weit. Im gemeinsamen Wahlprogramm der Union haben die Parteien deshalb die strittigen Punkte weitgehend ausgeklammert. Doch aufge- schoben ist nicht aufgehoben. Sollte die Union nach dem 27. September erneut Regierungsver- antwortung übernehmen, muss sie sich auf einen klaren gemeinsamen Kurs festlegen.

ZERSTRITTENE SCHWESTERN

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4. September 2009 wie es nicht das Ende des Anwalts

als freier Beruf war, als sich Kanz- leien gebildet haben, in denen Rechtsanwälte angestellt arbeiten, so ist es nicht das Ende der ärztli- chen Freiberuflichkeit, wenn sich Ärzte anstellen lassen.

Die Frage ist doch, wie frei die Ärzte in ihrer täglichen Arbeit heute noch sind.

Faust: Im niedergelassenen Be- reich nimmt der Gesetzgeber, aber auch die Selbstverwaltung zuneh- mend Einfluss auf die Arbeit der Ärzte. Insofern kann ich den Frust mancher Kollegen verstehen. In Krankenhäusern gibt es natürlich Hierarchien, und was am Ende frei entschieden wird, auf Oberarzt- und Chefarztebene, das ist in den Häu- sern sehr unterschiedlich.

Viele Ärzte unterwerfen sich freiwillig Vorgaben bei der Patientenbehandlung und nehmen an Hausarztverträgen teil.

Die Regierung erhofft sich dadurch Ein- sparungen und eine bessere Versor- gung. Ist das realistisch?

Faust: Ich glaube nicht, dass die riesigen Erwartungen, die mit Hausarztverträgen verknüpft sind, erfüllt werden können. Denn einen vernünftigen Prozessablauf bekom- men wir mit den jetzigen Verträgen nicht hin. Dazu gehört die Klärung der Frage, wann der Patient sinn- vollerweise erst den Hausarzt auf- suchen sollte und wann gleich den Facharzt. Die bisherigen Hausarzt- verträge bieten hier keine Lösung.

Kippt die nächste Bundesregierung den neugefassten Paragrafen 73 b, der für den Deutschen Hausärzteverband quasi ein Verhandlungsmonopol für den Abschluss von Hausarztverträgen vor- sieht?

Faust: Gegenfrage: Macht es Sinn, dass Körperschaften des öffentli- chen Rechts – nämlich die Kranken- kassen – mit privatrechtlichen Verei- nigungen Verträge abschließen müs- sen? Ich finde, das macht keinen Sinn. Zumindest müsste der Ver- tragspartner auch die Pflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen er- füllen – also zum Beispiel die flä-

chendeckende Versorgung sicher- stellen oder Notdienste organisieren.

Immerhin war es die CSU, die mit der Änderung der Regelungen für Haus- arztverträge die Axt an das KV-System gelegt hat.

Faust: Das stimmt. Ich bin aber persönlich der Meinung, dass man erst einmal eine Vorstellung haben muss, wie ein neues und vermeint- lich besseres System aussehen könnte, bevor man das bisherige schrittweise beseitigt. Ich sehe im Moment nichts Besseres als das KV-System. Das heißt aber nicht, dass man nicht über Alternativen nachdenken darf. Aber dann muss man eine seriöse Debatte führen und die Folgen eines Systemwech- sels genau abschätzen.

Die Länder würden gerne auch den Si- cherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung übernehmen. Jedenfalls hat die jüngste Gesundheitsminister- konferenz einen entsprechenden Prüf- auftrag erteilt. Was halten Sie davon?

Faust: Es macht Sinn, dass die Versorgung immer mehr sektoren- übergreifend organisiert wird. Kran-

kenhäuser, niedergelassene Haus- und Fachärzte, Rettungsdienste und Rehaeinrichtungen müssen en- ger zusammenarbeiten. Mitunter muss auch eine Kommune ein- springen und die ambulante Versor- gung organisieren, wenn sich kein niederlassungswilliger Arzt findet.

Entscheidend ist immer, was brau- chen die Patienten vor Ort? Auf Grundlage dieser Analyse muss man entscheiden, wie man die Be- handlung sicherstellt. Da sehe ich in der Tat eine Aufgabe für die Länder. Sie müssen den regionalen Bedarf feststellen und dann ent- scheiden, wie sie entsprechende Behandlungsstrukturen auf- bauen und erhalten.

Dass der Fachkräftemangel im Gesund- heitswesen zunehmen wird, haben Sie angesprochen. Ein anderes Zukunfts- problem sind angesichts einer älter werdenden Gesellschaft die knappen Finanzmittel. Als der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe, im Frühjahr eine Debatte über mögliche Leistungsaus- grenzungen im Gesundheitswesen an- geregt hatte, fanden sich in der Politik wenig Unterstützer. Sie sagten damals, Hoppe habe eine richtige Diskussion zum falschen Zeitpunkt begonnen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Faust: Dann, wenn eine solche Diskussion nicht sofort von der ei- nen oder anderen Seite politisch ausgeschlachtet wird. Kein Politi- ker wird eine solche Debatte im Bundestagswahljahr führen wollen.

Das hätte Hoppe wissen müssen.

Also geht die verdeckte Rationierung weiter, bis die Politik endlich bereit ist, sich dieser Diskussion zu stellen?

Faust: Ich bestreite nicht, dass wir jetzt schon Rationierungselemente im System haben. Budgets sind zum Beispiel ein Rationierungsin- strument. Deshalb müssen wir überlegen, wie wir mit den be- grenzten Ressourcen sinnvoll um- gehen können. Priorisierung ist da- bei gut dafür geeignet, sinnvolle Leistungen von weniger sinnvollen Leistungen zu trennen. ■

Das Interview führte Samir Rabbata.

Ich glaube nicht, dass die riesigen Erwartungen, die mit Hausarzt- verträgen verknüpft sind, erfüllt werden können.

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