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Archiv "Gesundheit - eine Ware?" (11.01.1979)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Heft 2 vom 11. Januar 1979

Gesundheit - eine Ware?

Der Autor des nebenste- henden Kommentars leitet die Wissenschaftsredak- tion des Süddeutschen Rundfunks in Heidelberg.

Seine Thesen provozierten auf einer Pressekonferenz der Gesellschaft für Ge- sundheitsbildung in Düs- seldorf (s. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 49/

1978, Seite 2954) eine Dis- kussion.

Die Problematik unseres Gesund- heitswesens ist das der einseitigen Expansion, der Ausweitung nach dorthin, wo's am teuersten wird. Die steigende Zahl kostspieliger Geräte macht das ebenso deutlich wie die steigende Zahl der Studienanfänger und die Menge der sich vor der Tür drängenden Psychologen. Es wäre wohl ein Irrtum, sie alle als kurative Heilsbringer tätig sehen zu wollen.

Selbst dann, wenn man nach dem Motto „je präziser die Norm, desto seltener das Normale" den letzten Gesunden symptomatisierte, um ihn behandeln zu können.

Eine rechtzeitige Trendänderung er- spart die Umkehr. — Daß die Ent- scheidung über die Zukunft des Ge- sundheitswesens im Vorfeld der Krankheit fallen muß, beginnt als Einsicht akzeptiert zu werden. Aber die Einsicht bleibt ohne Konse- quenz. Zwar wurden noch nie so vie- le Deklamationen und Resolutionen zur Prävention verfaßt wie jetzt, aber die sichtbaren Folgerungen daraus deuten entweder auf ein Mißver- ständnis dessen, was Prävention ist, oder auf die Hoffnung, auch aus der neuen Tendenz einen Marktnutzen ziehen zu können.

Wer macht die Gesundheit attraktiv?

— Sie ist es, wenn man den Demo- skopen glauben darf. Und wer den Markt beobachtet, bemerkt eine eu- phorische Geschäftigkeit, mit der Gesundheit Warencharakter ange- dichtet wird, um sie erst anpreisen und dann umsetzen zu können. 500 Tageszeitungen und 250 Publikums- zeitschriften mit 40 Millionen Aufla- ge kommen nicht ohne das Thema Gesundheit aus. Von den elektroni- schen Medien mit Ratgebern und Magazinen nicht zu reden. In Illu- strierten geben Ärzte, kleine und große, aber medial begabt, auf zehn- zeilige Anfragen telekonsiliarische Ratschläge. Ob die kosmetische, die

pharmazeutische oder die Ernäh- rungsindustrie, ob Butter oder Mar- garine, Wein oder Wurst, kein ge- sundheitlich begründetes Argument kann schlecht sein, wenn es aus ei- nem Gesundheitsinstitut kommt.

Ist die Gesundheit eine Ware? — Die Gesundheit als Wirtschaftsgut, als Lebenskapital, das es im Todesfall als Nettoverlust abzubuchen gilt, diese Betrachtung ist genauso un- menschlich wie die Summierung der kranken Menschen samt ihrer per- sönlichen Sorgen und Gebrechen zum Krankengut. Es gibt nur einzel- ne, Individuen mit ihren Krankhei- ten, die es zu überwinden oder mit denen es zu leben gilt, und mit ihren Gesundheiten, die es für das Leben zu bewahren gilt. Gesundheit besitzt man, Krankheit erwirbt man.

Ist die Gesundheit Information?— Ei- ne unüberschaubare Zahl — niemand kennt sie genau, aber sie ist vierstel- lig — eine riesige Zahl von offiziellen und privaten Organisationen und In- itiativen versucht seit einigen Jahren das Wissen über die Gesundheit zu vermehren. Das mit solchen Infor- mationen bedruckte Papier in Form von Postillen und Postern, die dafür in Anspruch genommene Zeit in Form von Funk- und Fernsehsen- dungen ist gewaltig. Der Erfolg ist nicht meßbar. Wozu der Aufwand, bei dem der Lärmpegel ohnehin oft höher ist als der Informationsge- halt? Es gibt niemanden, der dies alles registriert, geschweige denn gewertet hätte. Und keiner weiß, was der andere tut. Und die unter den Wohlmeinenden, die annehmen, sie müßten, weil sie klar und richtig for- muliert haben, auch verstanden wer- den, sind wohl ebenso im Irrtum wie die, die glauben, man könne mit Wissen Verhalten ändern. Noch im-

mer scheint es leichter, seine Fehler zu bereuen, als sie zu vermeiden.

Johannes Schlemmer

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