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Archiv "Die tiefen Einschnitte kommen erst noch" (12.11.1981)

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesver- einigung (KZBV) am 30. und 31.

Oktober 1981 in Ulm fiel zeitlich mit den Schlußberatungen des

„Kostendämpfungspaketes" im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung zusammen.

Die Zahnärzte nutzten den Zufall zu einer erneuten Kritik am Ko- stendämpfu ngsergänzu ngsgesetz und einer Bilanz der politischen Strategie, diesem KVEG die faul- sten Zähne zu ziehen. In der Beur- teilung des KVEG stimmten der Vorsitzende der KZBV, Dr. Helmut Zedelmaier, und — als Gast — der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik, weitgehend überein:

Die kostendämpfenden Wirkun- gen sind zweifelhaft, strukturver- ändernde Absichten sind weiter- hin deutlich, wenn auch die vom Hause Ehrenberg ursprünglich ge- planten massiven Eingriffe (Hono- rardeckel, Gleichschaltung der Er- satzkassen) mit Hilfe der FDP ver- hindert werden konnten. Die ei- gentlichen Ursachen — übermäßi- ger Leistungskatalog und An- spruchsdenken — würden mit dem Gesetz nicht angegangen.

Muschallik betonte in seinem Grußwort die Gemeinsamkeiten von Kassenärzten und Kassen- zahnärzten. Eine Abstimmung der beiden Berufsgruppen wird mög- licherweise schon bald wieder ge- fragt sein, wenn die für 1984 ange- kündigte „Strukturreform" der Krankenversicherung angegan- gen wird. Zu diesem Strukturge- setz äußerten sich vor den Zahn- ärzten auch die beiden Bundes- tagsabgeordneten Horst Jaunich (SPD) und Hansheinrich Schmidt/

Kempten (FDP). Jaunich wies mit einem Unterton des Bedauerns darauf hin, daß mit dem KVEG

„der Weg der symptomatischen Therapie" beschritten werde. Das

sei zwar nicht falsch (Jaunich schrieb dem KVEG kostendämp- fende Wirkung zu), aber nur dann zu rechtfertigen, wenn die struktu- rellen Mängel der Krankenversi- cherung in einem späteren Schritt beseitigt würden. Welche Struk- turmängel gemeint sind, ließ Jau- nich offen, obwohl Zedelmaier die Befürchtungen der Zahnärzte, die- ses Gesetz werde weitgehende Eingriffe zu Lasten der Ärzte und Zahnärzte bringen, deutlich genug angesprochen hatte. Schmidt/

Kempten hingegen interpretierte beruhigend, das Strukturgesetz werde lediglich „unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen zwi- schen den Kassen bereinigen".

Jaunich war offensichtlich mit dem Vorsatz nach Ulm gekom- men, den Zahnärzten die Meinung zu sagen. Er warf ihnen vor, aus Angst gegen das Gesetzesvorha- ben mit Überreaktionen geantwor- tet zu haben. Zahnärzten und Ärz- ten werde zwar ein Beitrag zur Ko- stendämpfung abverlangt, aber keineswegs ein Opfer. Kritisch äu- ßerte er sich zu den sogenannten Stillhalteabkommen. Diese seien lediglich durch die Drohung mit dem Gesetz zustande gekommen.

Es bestehe angesichts dessen kein Anlaß, ein Hoheslied auf die Selbstverwaltung anzustimmen.

Im übrigen werde sich die SPD- Fraktion „nicht noch einmal für eine solche Prozedur gewinnen lassen" (Zedelmaier hatte seiner- seits bezweifelt, „ob es in der Zu- kunft noch einmal möglich ist, Ärzten und Zahnärzten eine sol- che freiwillige Einschränkung nochmals zuzumuten").

Schmidt/Kempten war bemüht, den versammelten Kassenzahn- ärzten Freundliches zu sagen, oh- ne dabei aber seinem Koalitions- kollegen Jaunich auf die Füße zu

treten. Von dem KVEG, das am Tag zuvor den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung passiert hatte, rückte aber auch Schmidt (selbst- verständlich) nicht andeutungs- weise ab. Der FDP wurde bei der Vertreterversammlung der Kas- senzahnärzte mehrfach für ihren Einsatz gedankt. Aber auch Kriti- sches war zu hören: Immerhin tra- ge diese Partei sämtliche struktur- verändernden Eingriffe der letz- ten Jahre mit, das erste „Kosten- dämpfungsgesetz" eingeschlos- sen (Schmidt/Kempten bekannte sich auch in Ulm ausdrücklich zu diesem Schritt von 1977). Seitens der CDU/CSU-regierten Länder(bei der KZBV waren die Minister Ru- dolf Geil, Rheinland-Pfalz, und Dr.

Fritz Pirkl, Bayern, vertreten) wur- de der FDP zusätzlich vorgewor- den, es zuzulassen, durch die Hin- tertür, nämlich das „Krankenhaus- kostendämpfungsgesetz", wieder Systemveränderndes einzubrin- gen. Pirkl wies unter anderem auf die geplante „teilstationäre Ver- sorgung" hin, das sei, „etwas an- ders verpackt, die frühere nach- stationäre Versorgung, ein Schritt zum Ambulatorium".

Die beiden Unionsminister lehnten erwartungsgemäß das KVEG rund- um ab; ernstlicher Widerstand ist seitens der Union jedoch nicht zu erwarten, schon allein deshalb nicht, weil die Länder das Gesetz mit Hilfe des Vermittlungsaus- schusses allenfalls einige Tage aufhalten könnten. Nach Minister Geil wurde das KVEG nämlich „zu- stimmungsfrei gemacht". Wer vielleicht erwartet hatte, die Bun- desländer würden den Versuch unternehmen, wegen der teilsta- tionären Versorgung die Zustim- rpungspflichtigkeit für sich zu re- klamieren, wurde damit eines Bes- seren belehrt.

Von unmittelbarem Interesse wa- ren die Bemerkungen der beiden Unionsminister über die Kosten- dämpfung im Krankenhaus, denn das „Krankenhauskostendämp- fungsgesetz" dürfte zustim- mungspflichtig sein, kann also oh- ne die Länder nicht verabschiedet werden. Sowohl Geil wie auch

Die tiefen Einschnitte kommen erst noch

Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

2170 Heft 46 vom 12. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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„Wirtschaftliche Gesundheit der Krankenkassen liegt auch in unserem Interesse"

Aus dem Grußwort des KBV-Vorsitzenden, Dr. Hans Wolf Muschallik, vor der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

„Kein Kassehzahnarzt und kein Kassenarzt wird in Zeiten einer allgemeinen wirtschaftlichen Tal- fahrt für sein Einkommen Wachs- tumsraten erwarten und fordern, wie sie in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs von jedem Gewerk- schaftsfunktionär als selbstver- ständlich angesehen und in Tarif- verträgen festgeschrieben wurden.

Ich möchte sogar gegen das Schlagwort von der Besitzstands- wahrung Bedenken erheben. Erfor- dert die wirtschaftliche Lage des Staates von allen Schichten der Be- völkerung Opfer, können und wer- den sich Kassenärzte und Kassen- zahnärzte solchen Forderungen nicht entziehen können und entzie- hen. Ich betone dies, auch wenn die Versuchung groß ist, immer wieder mit aller Deutlichkeit darauf hinzu- weisen, daß die Notlage der öffentli- chen Kassen nicht nur eine Folge der amerikanischen Hochzinspolitik oder der arabischen Rohölpreise ist, sondern auch durch die enge Knüpfung eines auf ideologischem Sande gebauten sozialen Sicher- heitsnetzes und das daraus erwach-

sene Anspruchsdenken bewirkt worden ist. Sie als Kassenzahnärzte und wir als Kassenärzte haben durch das Angebot von Honorar- Stillhalteabkommen unsere Bereit- schaft gezeigt, den wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tra- gen. Bisher meines Wissens als einzige Berufsgruppe. Alle anderen, vom Beamtenbund bis zur kleinsten Industriegewerkschaft huldigen mit einem Male dem Grundsatz, daß Schweigen Gold ist. Die wirtschaft- liche Gesundheit der Krankenkas- sen liegt mindestens ebenso in un- serem Interesse wie im Interesse jener, die morgens mit dem Schlag- wort ‚Beitragssatzstabilität' aufste- hen und abends mit dem Schlag- wort ‚Kostendämpfung' zu Bett ge- hen. Was aber in diesem Sommer an Vorschlägen in Referentenent- würfen, Kabinettsvorlagen und Hea- ring-Äußerungen auf die Öffentlich- keit hereinbrach, das waren mehr- heitlich Vorstellungen, denen die überdurchschnittlichen Kostenstei- gerungen einzelner Ausgabenberei- che der Krankenkassen nur als Ab- lenkung von der eigentlichen Ziel- setzung dienten."

Die Information:

Bericht und Meinung Kassenzahnärzte

Pirkl lehnten die dort vorgesehe- nen kostendämpfenden Maßnah- men für das Krankenhaus ab. Sie bekannten sich zwar zur Kosten- dämpfung — aber nicht für den von der Bundesregierung vorgesehe- nen Weg. Geil hält den Arzneimit- telhöchstbetrag für das Kranken- haus für nicht durchführbar und die Anlehnung der Pflegesätze an die Grundlohnsumme für eine Far- ce, denn 70 Prozent der Kosten seien Personalkosten und kaum zu beeinflussen. Grundsätzlich halten — laut Geil und Pirkl — die unionsregierten Länder derartige Einbindungen für systemverän- dernd (wobei die Frage ungestellt und unbeantwortet blieb, ob die bereits praktizierten entsprechen- den Bindungen für den ambulan- ten Bereich nicht ebenfalls sy- stemverändernd sind und konse- quenterweise beseitigt werden müßten).

Die Einwände der Krankenkassen- vertreter (Dr. Detlef Balzer für den Bundesverband der Ortskranken- kassen und Hans-Wilhelm Müller für die Ersatzkassenverbände) wirkten angesichts solcher Äuße- rungen lediglich wie ein „ceterum censeo": Die Kassen bestehen auf Einbindung der Krankenhäuser in die Ausgabenempfehlungen der Konzertierten Aktion sowie auf Einflußnahme bei der Kranken- hausplanung und der Pflegesatz- gestaltung.

Aus den Feststellungen der beiden Kassenvertreter seien noch zwei Gedankensplitter herausgegriffen.

Balzer: „Es ist kaum noch mög- lich, die Qualität der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung zu sichern und gleichzeitig die Ko- sten in Grenzen zu halten." Mit anderen Worten: Da die Kassen auf Beitragssatzstabilität völlig fi- xiert sind, bedeutet Kostenauswei- tung Qualitätsminderung. Müller wandte sich gegen die Illusion, von einer Einheitsversicherung seien lediglich die Ersatzkassen betroffen. Auch RVO-Kassen seien in einem solchen Fall existenziell gefährdet. Er wünsche sich, daß diese künftig „etwas mehr Laut geben".

Die Zahnärzte sind vom KVEG we- gen Neuregelungen für die prothe- tische Versorgung in ganz beson- derem Maße betroffen. Die geplan- te Splittung der Prothetik in zahn- ärztliche und technische Leistung beschäftigte sie in Ulm besonders.

Während künftig die zahnärztliche Leistung von der Kasse voll be- zahlt werden soll (Sachleistung), soll die Technik bis zu 60 Prozent erstattet werden. Nicht zufrieden-

stellend geklärt wurde bisher, wie die Wirtschaftlichkeitsüberprü- fung der zahnärztlichen Leistung (Kostenplan oder gar nachträg- lich?) gehandhabt werden soll.

Ungeklärt ist weiterhin, was unter den vom KVEG geforderten „Stan- dards" zu verstehen ist. Auch in Ulm war, trotz mancherlei Ausle- gungsversuchen, keine volle Klar- heit zu gewinnen — auch das kenn- zeichnet die „Qualität" dieses übereilt gezimmerten KVEG. NJ DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 46 vom 12. November 1981 2171

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