„Wirtschaftliche Gesundheit der Krankenkassen liegt auch in unserem Interesse"
Aus dem Grußwort des KBV-Vorsitzenden, Dr. Hans Wolf Muschallik, vor der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
„Kein Kassehzahnarzt und kein Kassenarzt wird in Zeiten einer allgemeinen wirtschaftlichen Tal- fahrt für sein Einkommen Wachs- tumsraten erwarten und fordern, wie sie in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs von jedem Gewerk- schaftsfunktionär als selbstver- ständlich angesehen und in Tarif- verträgen festgeschrieben wurden.
Ich möchte sogar gegen das Schlagwort von der Besitzstands- wahrung Bedenken erheben. Erfor- dert die wirtschaftliche Lage des Staates von allen Schichten der Be- völkerung Opfer, können und wer- den sich Kassenärzte und Kassen- zahnärzte solchen Forderungen nicht entziehen können und entzie- hen. Ich betone dies, auch wenn die Versuchung groß ist, immer wieder mit aller Deutlichkeit darauf hinzu- weisen, daß die Notlage der öffentli- chen Kassen nicht nur eine Folge der amerikanischen Hochzinspolitik oder der arabischen Rohölpreise ist, sondern auch durch die enge Knüpfung eines auf ideologischem Sande gebauten sozialen Sicher- heitsnetzes und das daraus erwach-
sene Anspruchsdenken bewirkt worden ist. Sie als Kassenzahnärzte und wir als Kassenärzte haben durch das Angebot von Honorar- Stillhalteabkommen unsere Bereit- schaft gezeigt, den wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tra- gen. Bisher meines Wissens als einzige Berufsgruppe. Alle anderen, vom Beamtenbund bis zur kleinsten Industriegewerkschaft huldigen mit einem Male dem Grundsatz, daß Schweigen Gold ist. Die wirtschaft- liche Gesundheit der Krankenkas- sen liegt mindestens ebenso in un- serem Interesse wie im Interesse jener, die morgens mit dem Schlag- wort ‚Beitragssatzstabilität' aufste- hen und abends mit dem Schlag- wort ‚Kostendämpfung' zu Bett ge- hen. Was aber in diesem Sommer an Vorschlägen in Referentenent- würfen, Kabinettsvorlagen und Hea- ring-Äußerungen auf die Öffentlich- keit hereinbrach, das waren mehr- heitlich Vorstellungen, denen die überdurchschnittlichen Kostenstei- gerungen einzelner Ausgabenberei- che der Krankenkassen nur als Ab- lenkung von der eigentlichen Ziel- setzung dienten." ❑
Die Information:
Bericht und Meinung Kassenzahnärzte
Pirkl lehnten die dort vorgesehe- nen kostendämpfenden Maßnah- men für das Krankenhaus ab. Sie bekannten sich zwar zur Kosten- dämpfung — aber nicht für den von der Bundesregierung vorgesehe- nen Weg. Geil hält den Arzneimit- telhöchstbetrag für das Kranken- haus für nicht durchführbar und die Anlehnung der Pflegesätze an die Grundlohnsumme für eine Far- ce, denn 70 Prozent der Kosten seien Personalkosten und kaum zu beeinflussen. Grundsätzlich halten — laut Geil und Pirkl — die unionsregierten Länder derartige Einbindungen für systemverän- dernd (wobei die Frage ungestellt und unbeantwortet blieb, ob die bereits praktizierten entsprechen- den Bindungen für den ambulan- ten Bereich nicht ebenfalls sy- stemverändernd sind und konse- quenterweise beseitigt werden müßten).
Die Einwände der Krankenkassen- vertreter (Dr. Detlef Balzer für den Bundesverband der Ortskranken- kassen und Hans-Wilhelm Müller für die Ersatzkassenverbände) wirkten angesichts solcher Äuße- rungen lediglich wie ein „ceterum censeo": Die Kassen bestehen auf Einbindung der Krankenhäuser in die Ausgabenempfehlungen der Konzertierten Aktion sowie auf Einflußnahme bei der Kranken- hausplanung und der Pflegesatz- gestaltung.
Aus den Feststellungen der beiden Kassenvertreter seien noch zwei Gedankensplitter herausgegriffen.
Balzer: „Es ist kaum noch mög- lich, die Qualität der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung zu sichern und gleichzeitig die Ko- sten in Grenzen zu halten." Mit anderen Worten: Da die Kassen auf Beitragssatzstabilität völlig fi- xiert sind, bedeutet Kostenauswei- tung Qualitätsminderung. Müller wandte sich gegen die Illusion, von einer Einheitsversicherung seien lediglich die Ersatzkassen betroffen. Auch RVO-Kassen seien in einem solchen Fall existenziell gefährdet. Er wünsche sich, daß diese künftig „etwas mehr Laut geben".
Die Zahnärzte sind vom KVEG we- gen Neuregelungen für die prothe- tische Versorgung in ganz beson- derem Maße betroffen. Die geplan- te Splittung der Prothetik in zahn- ärztliche und technische Leistung beschäftigte sie in Ulm besonders.
Während künftig die zahnärztliche Leistung von der Kasse voll be- zahlt werden soll (Sachleistung), soll die Technik bis zu 60 Prozent erstattet werden. Nicht zufrieden-
stellend geklärt wurde bisher, wie die Wirtschaftlichkeitsüberprü- fung der zahnärztlichen Leistung (Kostenplan oder gar nachträg- lich?) gehandhabt werden soll.
Ungeklärt ist weiterhin, was unter den vom KVEG geforderten „Stan- dards" zu verstehen ist. Auch in Ulm war, trotz mancherlei Ausle- gungsversuchen, keine volle Klar- heit zu gewinnen — auch das kenn- zeichnet die „Qualität" dieses übereilt gezimmerten KVEG. NJ DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 46 vom 12. November 1981 2171