DEUTSCHES
ARZTEBLATT
DISKUSSION
Epidemiologische
Studien zu den Wirkungen elektrischer und
magnetischer Felder auf den Menschen
I Mißachtung
anderer Ergebnisse
Auch dieser, nunmehr zweite Beitrag zum Thema biologischer Auswirkungen elektromagnetischer Felder enthält schlicht Unwahrhei- ten beziehungsweise vers~hweigt
Tatsachen (siehe auch Dt. Arztebl.
87 und Dt. Arztebl. 88). So wird dem Leser mitgeteilt, daß bezüglich der bislang durchgeführten epidemiolo- gischen Studien "keine der Untersu- chungen auf statistisch signifikante Daten verweisen kann". Es fällt schwer anzunehmen, daß den Auto- ren die Ergebnisse der Arbeiten von Milham (N. Eng. J. Med. 307: 249, 1982) beziehungsweise Wright et. al.
(Lancet ii: 1160-61, 1982) entgangen sind, zumal diese in angesehenen und weit verbreiteten Zeitschriften erschienen sind. In diesen Publika- tionen konnten signifikant (p<0.01 beziehungsweise p<0.05) höhere Ri- siken, an Leukämie zu erkranken, bei Männern nachgewiesen werden, die in Elektroberufen arbeiteten.
Die "abschließende Beurteilung der Savitz-Studie von mathematisch- statistischer Seite", wobei "die Da- ten mit weiteren Verfahren" von den Verfassern "analysiert" wurden, er- brachte- im Gegensatz zur Original- arbeit- nunmehr keine signifikanten Unterschiede. Man mag zu dieser Vorgehensweise stehen, wie man will. Offenbar haben aber die Auto- ren sehr viel Mühe darauf verwandt, die Ergebnisse der Savitz-Studie im nachhinein (!) zu widerlegen.
Zusammenfassend drängt sich der Verdacht auf, daß die Verfasser krampfhaft darum bemüht sind, die möglichen gesundheitsgefährdenden Auswirkungen elektromagnetischer Felder herunterzuspielen. Dies soll-
Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.
Eduard David et al.
in Heft 10/1991
te nicht Ziel einer nüchternen wis- senschaftlichen Betrachtung sein.
Über die möglichen Motivationen, die hinter dieser Einstellung stehen, kann nur spekuliert werden. Sicher- lich wäre es unverantwortlich, die Öffentlichkeit grundlos zu beunruhi- gen, wie die Verfasser zutreffend feststellen. Mindestens ebenso un- verantwortlich ist es aber, die bereits publizierten, eindeutigen Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen zu ignorie- ren und so zu tun, als sei nichts ge- schehen.
Dr. rer. nat. Alexander Lerchl Institut für
Reproduktionsmedizin der
Westfälischen Wilhelms-Universität Steinfurter Straße 107
W-4400 Münster
Schlußwort
In unserem Übersichtsartikel über die vier bekanntesten der bis- her durchgeführten epidemiologi- schen Studien zu den biologischen A-3642 (72) Dt. Ärztebl. 88, Heft 43, 24. Oktober 1991
Wirkungen niederfrequenter elektri- scher und magnetischer Felder woll- ten wir dem Leser in Kurzform eine Bestandsaufnahme des gegenwärti- gen Wissensstandes vorlegen. Kei- neswegs war es unsere Absicht, "Tat- sachen zu verschweigen" oder gar
"Unwahrheiten" zu verbreiten, wie dies Herr Dr. Lerchl argwöhnt.
Nun zu den beiden von Herrn Dr. Lerchl zitierten Arbeiten im ein- zelnen (Milham 1982, Wright et al.
1982), die im übrigen neben anderen Veröffentlichungen und Forschungs- ergebnissen Grundlage unserer Aus- sagen gewesen waren:
~ Samuel Milham schreibt in seiner Publikation, daß elektrische und magnetische Felder möglicher- weise (jedoch nicht sicher) Leukämie verursachen können, ("These fin- dings soggest that electrical and ma- gnetic fields may cause leukemia.").
~ Wright et. al. kommen zu dem Ergebnis, daß die Hypothese, elektrische und magnetische Felder würden Leukämie auslösen, weiterer Abklärung bedürfe. Wörtlich schrei- ben sie: " Die genaue Ursache für die von uns beobachtete erhöhte Leuk- ämierate ist unbekannt." Die Studi- energebnisse seien "widersprüch-
lich". Einige der etwa an Versuchs-
tieren beobachteten Effekte, wie die den elektrischen Feldern zugeschrie- benen Veränderungen immunologi- scher und endokrinalogischer Para- meter, seien womöglich das Resultat leichtgradiger feldbedingter Tempe- raturerhöhungen. Wright et. al.
schließen ihre Ausführungen, indem sie darauf hinweisen, daß in Elektro- berufen Beschäftigte neben den Fel- dern häufig chemischen Noxen wie Metalldämpfen, Lösungsmitteln ein- schließlich Benzol, polychlorierten Biphenylen (PCB), synthetischen Wachsen, Epoxidharzen u. a. ausge- setzt seien, Substanzen also, deren gesundheitsschädigendes Potential in diesem Zusammenhang nicht un- berücksichtigt bleiben darf.
Fazit: Von einem Nachweis hö- herer Leukämierisiken bei in Elek- troberufen arbeitenden Männern seitens Milham und Wright et. al.
kann also im eigentlichen Sinne nicht gesprochen werden, da zu viele Störparameter eine Rolle spielten.
Zudem waren die betrachteten feld-
exponierten Berufsgruppen zu inho- mogen und die exakten jeweiligen Expositionsbedingungen zu unpräzi- se recherchiert, um verläßliche Aus- sagen treffen zu können.
In einer anderen Arbeit (Envi- ronmental Health Perspectives, Vol 62 pp. 297-300, 1983) weist Milham ein Jahr später ausdrücklich darauf hin, daß beispielsweise in den Be- rufsgruppen der Schweißer und Alu- minium-Arbeiter insbesondere pul- monale Erkrankungen wie Emphy- sembronchitiden und chronische in- terstitielle Pneumonien, aber auch Ulcera ventriculi gehäuft aufgetreten seien, und dies angesichts der Tatsa- che, daß besonders für die Arbeiter in der aluminiumverarbeitenden In- dustrie starke magnetische Gleich- felder zum alltäglichen beruflichen Umfeld gehören (diese werden durch die dort üblichen hohen Gleichströme von bis zu 75 000 Am- pere bedingt). Die erhöhte Erkran- kungsrate an pulmonalen Erkran- kungen in diesen Berufsgruppen er- klärt sich zwanglos aus den dort übli- cherweise vorkommenden Stäuben und Metalldämpfen, die Inzidenz
der Ulcera ventriculi hingegen könn- te durchaus durch weitere chemische Noxen erhöht worden sein.
Somit können wir die in unse- rem Artikel enthaltene Feststellung aufrechterhalten, daß laut Milham möglicherweise ein Zusammenhang zwischen Leukämietodesfällen im US-Bundesstaat Washington und der Tätigkeit in Elektroberufen existie- ren könnte, jedoch nicht bewiesen sei.
An dieser Stelle möchten wir nochmals auf folgende Sachverhalte (siehe auch Dt. Ärztebl. 88, Heft 24/1991) hinweisen: Aufgrund der großen Zahl von möglichen Störpa- rametern kann man bis heute weder die Existenz noch die Nichtexistenz von schädlichen Effekten beweisen.
Folgende Feststellung erscheint je- doch gegenwärtig angemessen:
Wenn ein Wirkungsmechanis- mus schwacher niederfrequenter elektrischer und magnetischer Fel- der im Sinne einer Krankheitsauslö- sung existieren sollte, so muß er sub- til sein. Andernfalls nämlich hätte die bisherige einschlägige Forschung signifikant erhöhte Erkrankungszif- fern unter exponierten Bevölke-
rungsgruppen an den Tag bringen müssen, was nicht geschehen ist.
Die Savitz-Studie spricht, entge- gen den Ausführungen von Herrn Dr. Lerchl, keineswegs von „signifi- kanten Unterschieden", sondern le- diglich von einer möglichen Tendenz („There is a tendency towards a mo- dest increased cancer risk in the highest exposure group, but little evi- dence of increasing risk across the spectrum of exposures", S. 47 der Sa- vitz-Studie).
Prof. Dr. med. Eduard David Jörg Reißenweber
Dr. med. Michael Pfotenhauer Physiologisches Institut der Universität Witten/Herdecke Forschungsstelle für
Elektropathologie
Beckweg 4, W-5804 Herdecke Prof. Dr. rer. nat.
Wulf-Uwe an der Heiden Institut für Mathematik der Universität
Witten/Herdecke Stockumer Straße 10 W-5810 Witten-Annen
Erfahrung
der Chirurgen und
Behandlungsergebnisse
In einer prospektiven Studie an 645 Patienten mit kolorektalem Kar- zinom, die zwischen 1974 und 1979 im Royal Infirmary in Glasgow ope- riert wurden, untersuchten die Auto- ren die unterschiedlichen Behand- lungsergebnisse von 13 Chirurgen im Hinblick auf
• postoperative Komplikationen,
• postoperative Mortalität (inner- halb von 30 Tagen),
D Überlebensrate (bis zu 10 Jahren)
• prädiktive Faktoren für postope- rative Mortalität und Überlebensra- te und
D die relativen Risikoraten für die einzelnen Chirurgen.
Keiner der beteiligten Chirurgen war für die kolorektale Chirurgie spezialisiert.
Das Verhältnis der Patienten mit einer kurativen Resektion vari- ierte unter den Chirurgen zwischen 40 und 76 Prozent, die postoperative Gesamtmortalität zwischen 8 und 30 Prozent. Nach einer kurativen Re- sektion wurden postoperative Mor- talitäten zwischen null und 20 Pro- zent festgestellt, lokale Rezidive tra- ten in zwischen null und 21 Prozent der Fälle auf, und die Rate einer Anastomose-Blutung betrug null bis 25 Prozent. Die Überlebensrate nach zehn Jahren bei Patienten mit kura- tiver Resektion lag zwischen 20 und 63 Prozent, die Zweijahres-Überle- bensrate nach palliativen Resektio- nen zwischen 7 und 32 Prozent. Die Überlebenszeit nach dem palliativen Anlegen eines Stomas betrug zwi- schen einem und acht Monaten. Die Risikoraten für die einzelnen Chir- urgen lagen unter Berücksichtigung der identifizierten Risikofaktoren zwischen 0,56 und 2,03 bei kurativen Resektionen, zwischen 0,17 und 1,92
FÜR SIE REFERIERT
bei palliativen Resektionen und zwi- schen 0,57 und 1,50 bei palliativ an- gelegten Stomen.
Es wurden signifikante Unter- schiede bei den Ergebnissen der Operation colorektaler Karzinome durch unterschiedliche Chirurgen ermittelt; die Überlebensrate wurde beeinflußt. Eine erhebliche Verbes- serung der Gesamtüberlebensrate könnte nach Ansicht der Autoren er- reicht werden, wenn diese Operatio- nen von Chirurgen mit besonderer Erfahrung mit colorektalen Opera- tionen oder mit der onkologischen Chirurgie durchgeführt würden. lng
McArdle, C. S.; D. Hole: Impact of vari- ability among surgeons an postoperative morbidity and mortality and ultimate survi- val. BMJ 302 (1991) 1501-1505.
Dr. C. S. McArdle, University Department of Surgery, Royal Infirmary, Glasgow G31 2ER, UK.
Dt. Ärztebl. 88, Heft 43, 24. Oktober 1991 (75) A-3643