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Archiv "Pflicht des Arztes ist die „sachgerechte Behandlung" (18.09.1998)

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ie Zukunft ist leicht zu be- schreiben: „Drastisch steigen- de Kosten“, sagt Roland Wehn. Seine Arbeitgeberin werde im- mer höhere Summen für ärztliche Kunstfehler zahlen müssen, befürch- tet der Leiter der Verbandsbetreuung Ärzte bei der DBV-Winterthur Versi- cherung. Wehn sprach auf einem Se- minar des Marburger Bundes und der DBV zum Thema „Arzthaftung“.

Schadensersatzbeträge vervielfacht

Seit Beginn der achtziger Jahre hat die DBV einen steilen Anstieg der Schadensersatzsummen

festgestellt, am steilsten bei der Inneren Medi- zin. Hier verzwölffach- ten sich die durch- schnittlichen Kosten pro Fall seit 1981 auf rund 50 000 DM in den Jahren 1994 bis 1997.

Die Allgemeinmedizin folgt mit einer Verzehn- fachung der Kosten auf 30 000 DM. Gemessen an der absoluten Höhe der Schadensersatzbe- träge ist die Gynäkolo- gie einschließlich Ge- burtshilfe das risiko- reichste Fachgebiet: Ein Schadensfall kostet hier rund 80 000 DM. Es folgt die Kinderheil- kunde mit 70 000 DM.

In Extremfällen gehen die Summen jedoch bis

hin zu sechsstelligen Beträgen – „für Ärzte ein existenzgefährdendes Be- rufsrisiko“, sagt Wehn.

Jährlich gehen nach seinen Schät- zungen bei deutschen Arzthaftpflicht- versicherern 10 000 Schadensmeldun- gen ein. Ihre überwiegende Anzahl sei jedoch unbegründet – Tendenz:

steigend. Während die DBV 1993 rund 52 Prozent aller gemeldeten Schäden abwehrte, lag die Quote 1997 etwa neun Prozent höher.

Zu gerichtlichen Auseinander- setzungen zwischen Arzt, seiner Ver- sicherung und dem Patienten kommt es dabei selten. In 90 Prozent aller Fälle einigt sich die DBV gütlich mit der Gegenpartei, oft mit Hilfe der

bei den Ärztekammern angesiedelten Gutachterstellen. Spektakuläre Ge- richtsverfahren sind selten. Wenn es doch zum Prozeß komme, dann habe der Arzt einen schlechten Stand, sagt Wehn: „Die Meßlatte wurde seit lan- gem zu Lasten der Ärzteschaft und zugunsten der Patienten angehoben.“

So werde es beispielsweise immer schwieriger, sich auf die Verjährung eines Falles zu berufen, und die Pflicht des Arztes zur Aufklärung sei so umfangreich geregelt, daß sie be- reits an die Grenzen des Machbaren stoße.

Häufige Ursache:

Überlastung der Ärzte

Nach Ansicht von Dr. med.

Günther Jonitz, dem stellvertreten- den Vorsitzenden des Marburger Bundes Berlin/Brandenburg und Facharzt für Chirurgie im Moabit- Krankenhaus Berlin, sind Überla- stung und die immer schlechteren Ar- beitsbedingungen in den Kranken- häusern Ursache vieler Behandlungs- fehler. „Immer weniger Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern be- handeln immer mehr Patienten in im- mer kürzerer Zeit bei steigen- dem medizinischem Anspruch“, sagte Jonitz. Mit den Möglichkeiten der Medizin wachse auch die Gefahr, Fehler zu machen, zum Beispiel bei der Diagnose: Je dif- ferenzierter hier die Methoden seien, desto schwieriger werde es, ihre Ergebnisse an- schließend wieder zu- sammenzuführen.

Um die Kosten zu senken, würden bewußt junge, unerfahrene Ärz- te eingesetzt; die Über- lastung des Personals werde billigend in Kauf genommen. „Mit den Krankenkassen werden etwa 150 Arztstellen verhandelt, aber nur 135 besetzt; anstelle von drei werden nur noch zwei Ärzte im Be- reitschaftsdienst einge- setzt“, kritisierte Jonitz.

A-2302 (22) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 38, 18. September 1998

P O L I T I K AKTUELL

Haftpflicht

Spektakuläre Prozesse sind die Ausnahme

Versicherer und Ärzte melden eine steigende Zahl von Beschwerden wegen vemeintlicher Kunstfehler.

Als Ursachen sehen sie die Überlastung der Ärzte und steigende Ansprüche der Patienten.

Pflicht des Arztes ist die

„sachgerechte Behandlung“

„Behandlungsfehler sind die Ausnahme, aber stati- stisch gesehen unausweichlich“, sagt der Kölner Rechtsan- walt Dr. Rainer Büsken. Er plädiert für eine Versachlichung der Kunstfehler-Debatte. Grundsätzlich schulde der Arzt keinen Behandlungserfolg, sondern eine „sachgerechte Be- handlung“, ein Mißerfolg sei noch kein Beweis für schlechte Qualität der Therapie. Haften müsse der Arzt nur dann, wenn der Patient nachweisen könne, daß er durch einen Be- handlungsfehler geschädigt worden sei.

Was „sachgerecht“ ist, entscheide sich nach dem medi- zinischen Standard der jeweiligen Klinik oder Praxis; in der Universitätsklinik könne der Patient also mehr erwarten als im Krankenhaus. Aus Büskens Sicht ist die umfassende Auf- klärung des Patienten über eventuelle Risiken besonders wichtig, denn jeder Heileingriff erfülle rechtlich den Tatbe- stand der Körperverletzung. Er sei nur dann nicht rechts- widrig, wenn der Patient eingewilligt habe, und dazu müsse

er genau informiert sein. AE

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Für seine Fehler haften müsse aber letztlich der Arzt und nicht der Kran- kenhausträger, der die Arbeitsbedin- gungen zu verantworten habe.

Ulrich Smentkowski, Leiter der Geschäftsstelle der Gutachterkom- mission für ärztliche Behandlungsfeh- ler bei der Ärztekammer Nordrhein in Düsseldorf, bestätigte den Trend steigender Beschwerdezahlen bei vermeintlichen Behandlungsfehlern:

Auch die Zahl der Anträge an die Schlichtungskommission wächst. Den größten Teil der Anträge hält im langjährigen Durchschnitt die Chirur- gie mit 35 Prozent, darauf folgen mit großem Abstand Gynäkologie ein- schließlich Geburtshilfe, Orthopädie und Innere Medizin. In den 23 Jahren ihrer Arbeit hat die Kommission in rund einem Drittel der geprüften Fäl- le Behandlungsfehler festgestellt.

Meistens einigt man sich ohne Prozeß

Wenn die Gutachter ihre Arbeit abgeschlossen haben, ist es Sache des Patienten, seine Ansprüche gegen- über der Versicherung des Arztes durchzusetzen. Meist einigen die Par- teien sich außergerichtlich auf der Ba- sis des umfassenden Kommissionsbe- scheids; 1995 etwa kam es nur in rund zehn Prozent der Fälle zu einem Ge- richtsverfahren. Die Richter fällten ihre Entscheidung vorwiegend in Übereinstimmung mit der Kommissi- on, berichtete Smentkowski. „Abwei- chungen gab es nur in 0,65 Prozent der Fälle.“

Die alte „Krähentheorie“ – eine hackt der anderen kein Auge aus – und „Ärzte machen sich gegenseitig keine Schwierigkeiten“ sei durch die Gutachterkommission also überzeu- gend widerlegt. Als Beleg zitierte Smentkowski aus dem Schreiben ei- nes Rechtsanwalts, der eine durch Operation querschnittsgelähmte Pati- entin vertreten hatte: „Nachdem die zuletzt ergangene Entscheidung der Kommission an Klarheit nichts mehr zu wünschen übrigließ, hat . . . (der zu- ständige Versicherer) seine Ersatz- pflicht verbindlich eingeräumt. Dies konnte aufgrund der umsichtigen und objektiven Begutachtung erreicht werden.“ Alexandra Endres

A-2303

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 38, 18. September 1998 (23) iele niedergelassene Ärzte

wünschen sich ein alphabe- tisches Verzeichnis der im deutschen Sprachraum verwendeten Krankheitsbegriffe. Ein solcher Dia- gnosenthesaurus mit rund 27 800 Dia- gnosentexten liegt jetzt vor – als CD- ROM, herausgegeben vom Zentral- institut für die kassenärztliche Versor- gung (ZI). Der Thesaurus soll im Rahmen der Wissenschaftlichen Rei- he des ZI auch als

Buch erscheinen, sobald feststeht, ab wann die Kas- senärzte definitiv zur Verschlüsse- lung ihrer Dia- gnosen gesetzlich verpflichtet sind.

Das Buch wird zirka 53 000 Dia- gnosentexte ent- halten.

Das jetzt vor- liegende Ver- zeichnis geht auf einen Modellver- such in Sachsen- Anhalt und Nie-

dersachsen zurück, bei dem die Prak- tikabilität einer deutlich reduzierten Fassung der ICD-10 getestet worden war (Deutsches Ärzteblatt, Heft 46/1997)*.

Der Widerstand zahlreicher Kas- senärzte gegen die vom Gesetzgeber vorgesehene Verpflichtung zur Dia-

gnosenverschlüsselung nach der ICD- 10 hatte sich vor allem an der mangel- haften Übersichtlichkeit und der Viel- zahl der hierzulande nicht anzutref- fenden Diagnosen der Originalfas- sung entzündet.

Die Verpflichtung zur Dia- gnosenverschlüsselung ist nach wie vor ausgesetzt, interessierte Ärzte können jedoch auf freiwilliger Basis bereits jetzt verschlüsseln. Aus Sicht des Zentralin- stituts stellt der Diagnosenthe- saurus dafür ein praktikables In- strument dar,

„das sich am medizinischen Sprachgebrauch orientiert und dem Arzt die Sicherheit gibt, daß die Zuord- nung der Krank- heitsbegriffe zu den offiziellen Schlüsselnum- mern der ICD- 10 von medizini- schen Experten sachgerecht vorge- nommen worden ist“.

Zur Zeit hat das Zentralinstitut bereits mit rund 30 Softwarehäusern, die lizensierte Praxisverwaltungssy- steme vertreiben, eine Vereinbarung über die Nutzung des Diagnosenthe- saurus getroffen. Sie sieht die für den Arzt kostenlose Integration des The- saurus in die entsprechende Praxis- software vor. Auch Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen und Kranken- kassen sollen den Diagnosenthesau- rus nutzen können – allerdings nur ge- gen eine anteilige Erstattung der Ent-

wicklungskosten. JM

ICD-10-Codierung

Zentralinstitut legt einen Diagnosenthesaurus vor

Das Verzeichnis mit 27 800 Diagnosentexten gibt es derzeit nur auf CD-ROM. Eine Buchversion soll folgen.

V

Die CD-ROM-Version des Diagnosenthesaurus kann als al- phabetisches Verzeichnis der Krankheitsbegriffe dienen.

* Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Be- gleituntersuchung zum Modellversuch in Nie- dersachsen und Sachsen-Anhalt sind 1998 als Band 54 der Wissenschaftlichen Reihe des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versor- gung im Deutschen Ärzte-Verlag erschienen.

Der Titel des Buchs: „Erprobung der Diagno- senverschlüsselung mit der ICD-10 in der Pra- xis des niedergelassenen Arztes.“

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