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Archiv "Bekanntgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung:" (08.07.1976)

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(1)

IN KÜRZE

Therapie

Die chronische Pankreatitis befällt bevorzugt Männer zwischen 30 und 40 Jahren. Wurden Gallen- und Gallenwegssteine sowie Hyperpa- rathyeroidismus als auslösende Faktoren erkannt, hilft die chirurgi- sche Intervention. Zu operieren ist außerdem, wenn Papillenstenosen, Stenosen oder Abbrüche des Pan- kreasgangs den Sekretabfluß ein- schränken. Die Operationsindika- tion gilt ferner bei größeren Pseu- dozysten der Bauchspeicheldrüse, bei Karzinomverdacht, bei extra- pankreatischen Komplikationen so- wie bei rezidivierenden und uner- träglichen Schmerzen. Die konser- vative Behandlung zielt auf Organ- schonung ab: also Alkoholkarenz und Fettrestriktion auf 20 bis 25 Prozent der gesamten Kalorienzu- fuhr. Bei der Substitution von Pan- kreasfermenten ist darauf zu ach- ten, daß sie nicht schon im Magen

inaktiviert werden. cb (Phillip, J.: Med. Welt 27 [1976]

287-291)

Bei Verdacht auf stumpfes Nieren- trauma kommt als erste diagnosti- sche Maßnahme ein intravenöses oder lnfusionsurogramm in Frage, falls der Zustand des Patienten diese Prozedur zuläßt. Hat man eine leichte Läsion — etwa eine Kontusion — erkannt, empfiehlt sich die konservative Behandlung. Bei lebensbedrohlichen renalen Trau- men, wie Verletzungen des Nieren- stiels mit protrahiertem und nicht zu beherrschendem Schock, ist die Indikation zur sofortigen Operation gegeben, wobei ein transperitonea- ler Zugang gewählt werden sollte.

Bei Nierenrupturen mit konservativ beherrschbarem Schock sollte man zunächst abwarten und erst dann operieren, wenn es unbedingt nötig ist. Ungeachtet der jeweiligen Behandlungsform sind alle Patien- ten mit stumpfem Nierentrauma mindestens ein Jahr lang nachzu- beobachten, damit Spätkomplika- tionen rechtzeitig diagnostiziert und behandelt werden können. cb (Petritsch, P. H.; et al.: Chirurg 47 [1976] 83-87)

1. Kommentar zur Neufassung der Psychotherapie-Richtlinien (in Kraft seit dem 1. Juli 1976) und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Begutachtung

(Dr. med. Franz Rudolf Faber, Teil I);

2. Hinweise zum Verfahren (Nr. 5 der Psychotherapie-Richtlinien) (Dr. med. Rudolf Haarstrick, Teil II);

3. Erläuterungen zu der ab 1. Juli 1976 geltenden Vereinbarung über die Ausübung von tiefenpsycholo- gisch fundierter und analytischer Psychotherapie in der kassenärztli- chen Versorgung und der Anlage 5 zum Arzt/Ersatzkassenvertrag ein- schließlich der entsprechenden

Formblätter (PT-Formblätter).

(Dr. med. Rudolf Haarstrick).

Die Kommentare nehmen zu den wichtigsten Punkten der Neufas- sung der Psychotherapie-Richtlini- en sowie zu den Verträgen über die Durchführung der tiefenpsycho- logisch fundierten und analyti- schen

Psychotherapie in

der kas-

senärztlichen/vertragsärztlichen Versorgung Stellung. Die Kenntnis des Wortlauts der Psychotherapie- Richtlinien und der Verträge sowie der Formblätter wird vorausge- setzt.

Kommentar zur Neufassung der Psychotherapie-Richtlinien (in Kraft seit dem 1. Juli 1976) und die sich daraus ergebenden Kon- sequenzen für die Begutachtung

Mit der Neufassung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über tiefenpsy- chologisch fundierte und analyti- sche Psychotherapie (Psychothe-

rapie-Richtlinien) vom 27. Januar 1976 (in Kraft ab 1. Juli 1976) wer- den die Psychotherapie-Richtlinien vom 3. Mai

1967 abgelöst.

Diese Neufassung wurde erforder- lich, sowohl durch die seitherige Rechtsprechung wie auch

auf

Grund der Haltung der Rentenver- sicherungsträger bezüglich der Leistungspflicht

und schließlich durch das am 1. Oktober 1974 in Kraft getretene Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974.

Hieraus ergab sich auch die Not- wendigkeit, die Vereinbarungen über die Ausübung von tiefenpsy- chologisch fundierter und analyti- scher Psychotherapie in der kas-

senärztlichen/vertragsärztlichen Versorgung entsprechend zu über- arbeiten.

Die Vereinbarung mit den Bundes- verbänden der Krankenkassen (RVO-Kassen) trat als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMÄ), die Vereinbarung mit dem VdAK als Anlage 5 zum Arzt/Ersatzkas- senvertrag (EKV) am 1. Juli 1976 in Kraft. Gleichzeitig gelten von die- sem Zeitpunkt an die neuen RVO- und Ersatzkassen-PT-Vordrucke.

Inhaltsübersicht

I. Kommentar zur Neufassung der Psychotherapie-Richtlinien 1. Allgemeine Voraussetzungen 2.-8. Ätiologische Orientierung der

Richtlinien

9.-10. Definitionen der beiden The- rapieformen

11.-14. Folgen für die Begutachtung p

BEKANNTMACHUNG

Bekanntgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung:

Zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Kranken- kassen über tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psycho- therapie in der kassenärztlichen Versorgung in der Neufassung vom 27. Januar 1976, in Kraft ab 1. Juli 1976, und zu den Vereinbarungen über die Durchführung der tiefenpsychologisch fundierten und ana- lytischen Psychotherapie in der kassen/vertragsärztlichen Versor- gung, gültig ab 1. Juli 1976 (veröffentlicht in Heft 24/1976)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 8. Juli 1976

1881

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2. Indikationskatalog

2. Erweiterung des Krankheitsbe- griffes

3. Seelische Behinderung als medizinischer Rehabilitations- fall

4. Indikationskatalog bei Krank- heit

5.-8. Indikationskatalog bei Behin- derungen

3. Ausschlußkatalog 1.-4. Ausschlußkriterien

5. Andere ärztliche Behandlungs- maßnahmen

6.-9. Kombinierte Psychotherapie- formen

4. Begrenzung der Leistungs- pflicht

2. Begrenzung der tiefenpsycho- logischen Psychotherapie 6. Begrenzung der Kinderthera-

pie

7. Begrenzung der Therapie von Jugendlichen

8.-10. Erweiterung der Leistungs- grenze in Notfällen

11. Bewilligungsschritte 12.-13. Probebehandlung

14. Allgemeine Grundsätze für die Leistungsbegrenzung

15.-23. Leistungsbegrenzung in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie

24.-28. Lefstungsbegrenzung in der analytischen Psychotherapie 5. Gutachterverfahren

Teil I.

1. Allgemeine Voraussetzungen 1.1 Die Erfassung der Psychothera- pie-Richtlinien (Mai 1967) hatte es ver- mieden, eine Definition der Therapiefor- men zu geben, die sie zum Gegenstand ihrer Bestimmungen machte. Die Richt- linien begnügten sich mit einer dualen Gliederung der Psychotherapie in die tiefenpsychologisch fundierte und analy- tische Psychotherapie, ohne zugleich festzulegen, was unter diesen beiden Therapieformen verstanden werden sol- le und wie sie gegeneinander abzu-

grenzen seien. Lediglich in einem Kom- mentar, der im „DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT" (Januar 1968) veröffentlicht wurde, und in einer Übereinkunft der Gutachter wurde festgelegt, daß man unter der tiefenpsychologisch fun- dierten Psychotherapie (Ziffer 758 der GOÄ, Ziffer 645 E-Adgo) eine Kurzform ätiologisch orientierter Psychotherapie verstehen wolle, bei der möglichst nicht mehr als 50 Behandlungsstunden zur Genehmigung vorgeschlagen wer- den sollten. Die analytische Psycho- therapie (Ziffer 759 der GOÄ, Ziffer 647 E-Adgo) sollte bei prognostisch günstig zu beurteilenden Fällen in 2 bis 3 Ge- nehmigungsstufen bis zu 150 Sitzungen beanspruchen können.

Für die Neufassung der Psychotherapie- Richtlinien wurde nun in 2jähriger Dis- kussion eine Definition jener Therapie- formen erarbeitet, die in den Psycho- therapie-Richtlinien geregelt werden sollen.

1.2 Ätiologische Orientierung der Richtlinien

Es heißt jetzt in den zum 1. 7. 1976 ver- abschiedeten Richtlinien:

„Die tiefenpsychologisch fundierte und die analytische Psychotherapie im Sin- ne dieser Richtlinien sind Formen ätio- logisch orientierter Psychotherapie, welche die unbewußte Psychodynamik neurotischer Störungen mit psychischer und/oder somatischer Symptomatik zum Gegenstand der Behandlung ma- chen." (Nr. 1.1 der Richtlinien).

1.3 Damit wurde in den Psychothera- pie-Richtlinien am Prinzip einer ätiolo- gischen Orientierung und am obligaten Aufweis kausaler Beziehungen in der Genese neurotischer Gesundheitsstö- rungen festgehalten.

1.4 Mehrfach ist in den Richtlinien von einer ursächlichen Betrachtungsweise die Rede. Bei „vegetativ-funktionellen Störungen" soll die „psychische Ätiolo- gie" gesichert werden (Nr. 2.1.3 der Richtlinien). Voraussetzung für die An- wendung psychotherapeutischer Maß- nahmen im Sinne der Richtlinien ist das epikritische Ergebnis, daß „psychi- sche Faktoren an der Entstehung oder am Fortbestehen der Krankheit verursa- chend mitwirken" (Nr. 3.1 der Richtlini- en).

1.5 Mit diesen Formulierungen sollte klargestellt werden, daß grundsätzlich der Erweis kausaler Beziehungen in der Psychogenese von Gesundheitsstö- rungen zu fordern ist und daß der Hin- weis auf nur konditionale Gegebenhei-

ten in der Anamnese eines Patienten nicht genügt.

1.6 Wenn z. B. die Anamnese eines Patienten in früher Jugend frustrierende oder traumatisierende Erlebnisse auf- weist, ist damit nicht das Auftreten phobischer oder angstneurotischer Stö- rungen, etwa im 25. Lebensjahr ätiolo- gisch ausreichend geklärt. In den Richtlinien wie auch im Gutachterver- fahren ist nicht so sehr die Frage nach dem weiten Bedingungssfeld einer neu- rotischen Störung, sondern nach einer zeitlich und inhaltlich umschriebenen, psychodynamisch evidenten Ursache (oder auch eines Ursachenbündels) ge- stellt. Nicht die schlichte Aneinander- reihung konditionaler Elemente oder äußerer Realfaktoren (z. B. Heimerzie- hung, mehrjährige Kriegsgefangen- schaft, Flüchtlingsschicksal, gewisse biographische Schwellensituationen, Trennung vom Elternhaus nach abge- legtem Examen, sich ungünstig auswir- kende Geschwisterkonstellation, Fehl- verhalten des Ehepartners, Auseinan- dersetzungen am Arbeitsplatz mit Be- hinderung der Persönlichkeitsentfaltung oder Belastung durch bestimmte Or- ganminderwertigkeit usw.) bringt allein schon den notwendigen Erweis der psychischen Ätiologie einer neuroti- schen Störung, sondern nur der Auf- weis einer neurotischen Konfliktsitua- tion, die sich von konditionalen Ele- menten qualitativ als kausaler Faktor in der vertieften biographischen Ana- mnese abhebt (s. unten unter 4.22 und 4.23).

1.7 In der Krankheitsgenese muß also ein kausales Element erkennbar wer- den, wenn im Sinne der Richtlinien eine ätiologisch orientierte Psycho- therapie durchgeführt werden soll. Dies setzt allerdings beim Therapeuten wie auch beim Gutachter die Überwindung eines konditionalistischen Denkens (im Sinne von Verworn 1912 u. a.) voraus.

1.8 Die Anwendung einer tiefenpsy- chologisch fundierten und analytischen Psychotherapie setzt nach den Richtli- nien unbedingt voraus, daß die psychi- sche und ggf. somatische Symptomatik in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer der Symptomatik zugrunde lie- genden unbewußten Psychodynamik gesehen werden kann. Damit haben die Richtlinien die tiefenpsychologisch fun- dierte und analytische Psychotherapie von allen Behandlungsformen abge- grenzt, die symptomatisch orientiert sind und sich damit begnügen, konditionie- rende Faktoren im Umfeld der Erkran- kung zu ermitteln. Auch wurde in der Definition betont, daß die unbewußte

1882 Heft 28 vom 8. Juli 1976 DEUTSCHES ARZTEBLA'TT

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Kommentierung der Psychotherapie-Richtlinien

Psychodynamik vom Therapeuten zum Gegenstand der Behandlung gemacht werden muß, nachdem sie als ätiolo- gisch relevant erkennbar geworden ist, und daß jede Therapieform, die dies nicht anstrebt und nur symptomatisch orientiert bleibt, den Voraussetzungen dieser Richtlinien nicht entspricht.

1.9 Definition der beiden Therapieformen

Dann folgt die Definition für die tie- fenpsychologisch fundierte Therapie.

„Die tiefenpsychologisch fundierte Psy- chotherapie umfaßt Therapieformen, die aktuell wirksame neurotische Kon- flikte behandeln, dabei aber durch Be- grenzung des Behandlungszieles, durch ein konfliktzentriertes Vorgehen und durch Einschränkung regressiver Ten- denzen eine Konzentration des thera- peutischen Prozesses anstreben" (Nr.

1.1.1 der Richtlinien).

Mit dieser Definition sollen alle Thera- pieformen erfaßt werden, die sich als dynamische Psychotherapie oder als Kurztherapieverfahren, z. B. als analyti- sche Kurztherapie, als Fokaltherapie usw. bewährt haben. Auch die meisten Formen der Kinderpsychotherapie und ein wesentlicher Teil der Psychothera- pie von Jugendlichen im Sinne dieser Richtlinien dürfte unter diese Kategorie zu subsumieren sein.

1.10 Die Definition für die analytische Psychotherapie lautet:

„Die analytische Psychotherapie umfaßt jene Therapieformen, die zusammen mit der neurotischen Symptomatik den neurotischen Konfliktstoff und die zu- grunde liegende neurotische Struktur des Patienten behandeln und dabei das therapeutische Geschehen mit Hilfe der Übertragungs- und Widerstandsanalyse unter Nutzung regressiver Prozesse in Gang setzen und fördern" (Nr. 1.1.2 der Richtlinien).

In dieser Definition sind der neuroti- sche Konflikt und die neurotische Struktur obligat in Korrelation gesetzt und hierin liegt das eigentlich Neue der Richtlinien. Während bisher die neuroti- sche Persönlichkeitsstruktur des Pa- tienten nur im Zusammenhang mit der aktuellen Störung behandelt werden konnte und Maßnahmen, die auf eine Umstrukturierung der Persönlichkeit des Patienten auch nach Beseitigung der aktuellen Störung hinzielten, nicht mehr als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung empfohlen wer- den durften, ist nach dem Inkrafttreten der neuen Richtlinien die Behandlung

auch der neurotischen Struktur aus- drücklich Gegenstand der analytischen Psychotherapie im Sinne der Richtlini- en. Die Übertragungs- und Widerstands- analyse wird unter Nutzung regressi- ver Prozesse Gegenstand analytischer Psychotherapie in der kassenärztlichen Versorgung. Natürlich waren auch bis- her Übertragungs- und Widerstands- analyse und die Nutzung regressiver Prozesse notwendig und zugelassen, aber sie waren einzuordnen in die Be- handlung aktueller neurotischer Störun- gen.

1.11 Folgen für die Begutachtung Für die künftige Gutachtertätigkeit muß diese Veränderung sorgfältig ins Auge gefaßt werden. Sie wurde notwendig 1. durch die Rechtsprechung der So- zialgerichte, in der auch die chronifi- zierte Neurose, nicht nur die aktuelle Störung dem Aufgabenbereich der ge- setzlichen Krankenkassen zugewiesen wurde, und

2. durch die Weigerung der Rentenver- sicherungsträger (Schreiben des Ver- bandes Deutscher Rentenversiche- rungsträger vom 23. 9. 74 an die Kas- senärztliche Bundesvereinigung), wei- terhin die Durchführung der ambulan- ten tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie zu über- nehmen, da diese der Krankenpflege im Sinne des 2. Buches der RVO zuzuord- nen und damit Aufgabe der gesetzli- chen Krankenversicherung sei.

1.12 Die neue Situation bringt für die Begutachtung einerseits eine Entla- stung, weil sich die in vielen Fällen schwierige Trennung zwischen aktuel- len und chronifizierten neurotischen Störungen erübrigt. Andererseits ergibt sich eine neue Schwierigkeit, die darin besteht, künftig überhaupt noch eine sachlich zu rechtfertigende Begrenzung analytischer Psychotherapie im Gutach- terverfahren vorzunehmen; denn wenn im Rahmen der kassenärztlichen Ver- sorgung mit der Behandlung neuroti- scher Symptomatik und neurotischer Konfliktstoffe die zugrunde liegende neurotische Struktur des Patienten be- handelt werden soll, wird es schwer, den Zeitpunkt festzulegen, an dem die Proportion zwischen dem Aufwand und dem therapeutischen Ergebnis nicht mehr im Bereich des Notwendigen, Zweckmäßigen und Wirtschaftlichen liegt.

1.13 Erschwert wird die Situation noch durch das an sich begrüßenswerte

„Gesetz über die Angleichung der Lei- stungen zur Rehabilitation" vom 7. 8. 74.

Denn auch im Rahmen dieses Ge- setzes sollen die gesetzlichen Kranken- versicherungen tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychothera- pie als Leistung der medizinischen Rehabilitation übernehmen.

Damit sind tiefenpsychologisch fundier- te und analytische Psychotherapie auch als medizinische Rehabilitationsmaß- nahme in die kassenärztliche Versor- gung eingeführt.

1.14 Zwar wird auch in der Neufassung der Richtlinien (Nr. 1.4 der Richtlinien) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung auch hinsichtlich ihres Umfanges bei der Durchführung tie- fenpsychologisch fundierter und analy- tischer Psychotherapie gewahrt werden müssen; die gutachterliche Erfahrung lehrt jedoch, wie schwierig diese Grundsätze im konkreten Fall einer analytischen Psychotherapie zu beurtei- len und zu realisieren sind.

2. Indikationskatalog

2.1 In der Neufassung der Psychothera- pie-Richtlinien findet sich der Satz (Nr. 1.2 der Richtlinien), daß die tie- fenpsychologisch fundierte und analyti- sche Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen in der kassenärztlichen Versorgung er- bracht werden kann, soweit und solan- ge Krankheit im Sinne der RVO vor- liegt.

2.2 Erweiterung des Krankheitsbegriffes

Durch die Rechtsprechung ist der Be- griff „Krankheit" nicht mehr im Sinne einer aktuellen Störung zu verstehen, wie es in der Erstfassung der Richtlini- en noch vorausgesetzt wurde. Die Rechtsprechung hat entschieden, daß auch solche Zustände unter den Begriff der Krankheit im Sinne der RVO zu subsumieren sind, die bisher unter 4 b als chronifizierte neurotische Zustands- bilder genannt wurden. Nachdem zuvor bei chronifizierten Neurosen im gege- benen Fall auf den Rentenversiche- rungsträger und andere Kostenträger verwiesen werden konnte, ist jetzt bei chronifizierten Neurosen die Zuständig- keit der gesetzlichen Krankenversiche- rung anzunehmen.

2.3 Seelische Behinderung als medizinischer Rehabilitationsfall Darüber hinaus aber ist bei körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung eine medizinische Rehabilitationsmaß-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 8. Juli 1976 1883

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nahme in diese Richtlinien einzubezie- hen, wenn und sofern eine tiefenpsy- chologisch fundierte oder analytische Psychotherapie erforderlich ist.

2.4 Indikationskatalog bei Krankheit Der Indikationskatalog (Nr. 2.1 der Richtlinien) ist mit einer Ausnahme - es heißt (Nr. 2.1.1 der Richtlinien) nicht mehr "reaktive Verstimmungszustän- de", sondern "neurotische Depressio- nen" - unverändert übernommen wor- den (Nr. 2.1.1 bis Nr. 2.1.3 der Richtlini- en). Die Einschränkung bezüglich einer Umstrukturierung der Persönlichkeit des Patienten ist entfallen, ebenso die Unterscheidung zwischen aktueller und chronisch-neurotischer Störung.

2.5 Indikationskatalog bei Behinderungen

Hinzugefügt wurden zum Indikationska- talog folgende Behinderungen:

"Seelische Behinderung aufgrund früh-

kindlicher emotionaler Mangelzustände, in Ausnahmefällen seelische Behinde- rungen, die im Zusammenhang mit frühkindlichen körperlichen Schädigun- gen und/oder Mißbildungen stehen"

(Nr. 2.1.4 der Richtlinien).

"Seelische Behinderungen als Folgezu-

stände schwerer chronischer Krank- heitsverläufe, sofern sie noch einen An- satzpunkt für die Anwendung von tie- fenpsychologisch fundierter oder analy- tischer Psychotherapie zur medizini- schen Rehabilitation bieten (z. B. Zu- stand bei chronisch verlaufenden rh.eu- matischen Erkrankungen, spezielle For- men der Psychosen)" (Nr. 2.1.5 der Richtlinien).

"Seelische Behinderungen aufgrund extremer Situationen, die eine schwere Beeinträchtigung der Persönlichkeit zur Folge hatten (langjährige Haft, schick- salhafte psychische Traumen)" (Nr.

2.1.6 der Richtlinien).

2.6 Diese Indikationen öffnen ein wei- tes Feld, das die Aufgabe des Gutach- ters wesentlich erschweren dürfte. Es geht darum zu erkennen,

..,.. ob in diesen Behinderungen für die Anwendung von tiefenpsychologisch

fundierter oder analytischer Psychothe-

rapie ein "Ansatzpunkt" gefunden werden kann (Nr. 2.1.5 der Richtlinien), ..,.. ob "psychodynamische Faktoren"

einen wesentlichen Anteil an der Be- hinderung oder an deren Auswirkungen haben und

..,.. ob mit Hilfe tiefenpsychologisch fun- dierter oder analytischer Psychothera-

pie möglichst auf Dauer eine Eingliede- rung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft erreicht werden kann (Nr. 2.2 der Richt- linien).

2.7 Daraus ergibt sich, besonders in der Kindertherapie, die Notwendigkeit, das soziale Umfeld in die prognosti- schen Erwägungen und in die Therapie einzubeziehen.

2.8 Während bisher unter § 4 f der Richtlinien psychotische Erkrankungen ausgeschlossen waren, sind sie jetzt ausdrücklich in den Indikationskatalog (Nr. 2.1.5 der Richtlinien) aufgenommen worden, wenn auch mit der Einschrän- kung "spezielle Formen". Auch in .die- sen Fällen wird es Aufgabe des Gut- achters sein zu erkennen, ob psychedy- namische Faktoren den überwiegenden kausalen Anteil an der seelischen Be- hinderung des Patienten durch psycho-

tische Krankheitsverläufe haben und ob

daher durch eine tiefenpsychologisch fundierte bzw. analytische Behandlung eine Besserung des Zustandes und eine Wiedereingliederung des Patienten in Arbeit, Beruf und Gesellschaft er- reicht werden kann.

3. Ausschlußkatalog 3.1 Ausschlußkriterien

Der Ausschlußkatalog der Erstfassung der Richtlinien ist entfallen. Die verän- derte Situation ließ es kaum noch mög- lich erscheinen, Erkrankungen und Zu- standsbilder definitorisch zu erfassen, die von der tiefenpsychologisch fun- dierten und analytischen Psychothera- pie auszuschließen seien.

Die Richtlinien mußten sich darauf be- schränken, einen allgemeinen Aus- schluß zu formulieren, der sich auf pro- gnostische Gesichtspunkte und die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit des engewandten Verfahrens im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung be- zieht.

3.2 Ausgeschlossen wurden alle Er- krankungen, die mit tiefenpsycholo- gisch fundierter oder analytischer Psy- chotherapie einen Behandlungserfolg

nicht erwarten lassen, weil dafür beim Patienten die Voraussetzungen hin- sichtlich der Motivationslage oder sei- ner Umstellungsfähigkeit nicht gegeben sind und/oder weil die Eigenarten der neurotischen Persönlichkeitsstruktur des Patienten (ggf. seine Lebensum- stände) dem Behandlungserfolg entge- genstehen (Nr. 2.2 der Richtlinien).

3.3 ln der Neufassung wurde - wie auch bereits in der Erstfassung - dar-

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auf hingewiesen, daß die Behandlung zum Abschluß zu bringen sei, wenn es sich während der Behandlung erweise, daß ein nennenswerter Behandlungser- folg nicht mehr erwartet werden könne (Nr. 3.3 der Richtlinien).

3.4 Nach wie vor ist das Erheben des körperlichen und seelischen Befundes, mit dem Ergebnis, daß psychische Fak- toren an der Entstehung und dem Fort- bestehen der Krankheit bzw. der Behin- derung verursachend mitwirken, Vor- aussetzung für die Anwendung tiefen- psychologisch fundierter und analyti- scher Psychotherapie (Nr. 3.1 der Richtlinien).

3.5 Andere ärztliche Behandlungsmaßnahmen

ln Ziffer 3.4 der Richtlinien wird darauf hingewiesen, daß neben der tiefenpsy•

ehelogisch fundierten oder analyti- schen Psychotherapie andere ärztliche Behandlungsmaßnahmen angezeigt sei·

en können. Diese Ziffer sichert dem Therapeuten die Möglichkeit, neben der Psychotherapie eine etwa erforder- liche andere fachärztliche Behandlung fortführen zu lassen, oder ggf. auch selbst fortzuführen.

3.6 Kombinierte Psychotherapieformen Neben der tiefenpsychologisch fundier- ten oder analytischen Psychotherapie sind andere psychotherapeutische Maß- nahmen jedoch aus methodischen Gründen ausgeschlossen. Mit dieser Bestimmung der Richtlinien sollte eine Kombination tiefenpsychologisch fun- dierter oder analytischer Verfahren mit anderen psychotherapeutischen Maß- nahmen (z. B. Autogenes Training, Hyp- nose und andere pragmatische Verfah- r.en, wie auch Narkoanalyse, psychago- gische Führung usw.) ausgeschlossen werden. Diese Ausschlußbestimmung sollte nicht eine Entwicklung der psy·

ehetherapeutischen Behandlungstech- nik behindern, sondern lediglich der nicht fachgerechten Vermischung hete- rogener Methoden steuern.

3.7 Für die Kombination des Autoge- nen Trainings mit Psychotherapie ist die Ziffer 2560 BMÄ bzw. 640 c E-Adgo vorgesehen; diese Behandlungsform unterliegt nicht dem Gutachterverfahren im Rahmen der Richtlinien.

3.8 Die Kombination von Einzeltherapie mit Gruppentherapie ist im Rahmen der Neufassung der Psychotherapie-Richtli- nien nicht vorgesehen, da die bisheri- gen Erfahrungen mit solcher Kombina- tionstherapie die Einführung in die Kas- senpraxis noch nicht zulassen.

(5)

Kommentierung der Psychotherapie-Richtlinien

3.9 Gelegentlich notwendige Einzelbe- sprechungen, die nicht als Einzelthera- pie neben einer Gruppenbehandlung aufzufassen sind, sondern der unge- störten Fortführung einer Gruppen- behandlung dienen, können maximal in einer Relation von 10 :1 für die Dauer der Gruppentherapie ohne besondere Genehmigung durch ein Gutachterver- fahren durchgeführt werden.

4. Begrenzung der Leistungspflicht 4.1 Eine Begrenzung des Leistungsum- fanges war notwendig, um den Ge- sichtspunkt der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit im Interesse der Versichertengemeinschaft der Kran- kenkassen ausreichend zur Geltung zu bringen. Außerdem mußte im Hinblick auf die Sicherstellung der Versorgung aus sozial-medizinischer Verantwortung ein ökonomischer Ge- sichtspunkt im therapeutischen Auf- wand für den einzelnen Patienten be- achtet werden. Eine Begrenzung schien aber auch unter Berücksichtigung des definierten Gegenstandes und der Ziele beider Therapieformen durch die Richt- linien als sachlich gerechtfertigt.

4.2 Begrenzung der tiefenpsycholo- gisch fundierten Psychotherapie Bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie wird nach der Neufas- sung der Richtlinien eine ausreichen- de Behandlung des neurotischen Kon- fliktes mit 40 bis 50 Stunden zu erwar- ten sein, bei Gruppenbehandlungen mit 40 bis 50 Doppelstunden. In 4.2 der Richtlinien ist festgelegt, daß eine Überschreitung des genannten Lei- stungsumfanges nach eingehender Be- gründung gegenüber dem Gutachter möglich ist.

Die Ziffer 758 GOÄ steht auch für die dynamische Psychotherapie bzw. für niedrigfrequente Verfahren und für die verschiedenen Formen einer Kurzthera- pie zur Verfügung.

4.3 Begrenzung der analytischen Psychotherapie

Bei der analytischen Psychotherapie ist nach der Neuformulierung der Richtlini- en eine ausreichende Behandlung in der Regel mit 160 Stunden, in besonde- ren Fällen bis 240 Stunden, zu erwar- ten, bei Gruppenbehandlung in der Re- gel mit 80 bzw. 120 Doppelstunden.

Wenn nach der therapeutischen Kon- zeption des Behandelnden und nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles eine weiterführende Behandlung

über 240 Stunden hinaus (Nr. 4.2 der Richtlinien) erforderlich erscheint, ist diese Behandlung besonders einge- hend mit Hinblick auf die noch vorlie- gende klinische Symptomatik zu be- gründen.

Sofern sich die therapeutische Konzep- tion des Behandlers überwiegend auf die Behandlung der neurotischen Struktur des Patienten bezieht, ist die Zuständigkeit der kassenärztlichen Ver- sorgung nicht mehr gegeben.

4.4 Diese Feststellung ergibt sich aus der Definition der analytischen Psy- chotherapie im Sinne der Richtlinien, in der eine Behandlung der Struktur ohne neurotische Symptomatik und ohne neurotischen Konfliktstoff nicht vorge- sehen ist.

4.5 In diesem Zusammenhang ist dar- auf hinzuweisen, daß mit der Bearbei- tung vorwiegend struktureller Störun- gen eine Behandlungsphase erreicht ist, die in aller Regel ohne finanzielle Selbstbeteiligung des Patienten einen ausreichenden Behandlungserfolg nicht mehr erwarten läßt.

4.6 Begrenzung der Kinder-Psychothe- rapie

In der Kindertherapie wurde die Regel- terminierung auf 90 Stunden, bei Grup- penbehandlung auf 60 Doppelstunden festgelegt. Ein Überschreiten der Re- gelgrenze ist in Ausnahmefällen mög- lich.

4.7 Begrenzung der Psychotherapie von Jugendlichen

Bei der Psychotherapie von Jugendli- chen wurde eine höhere Stundenzahl angenommen, in der Regel bis zu 120 Stunden bei der Einzelbehandlung, bis 60 Doppelstunden bei Gruppenbehand- lungen. Auch bei Jugendlichen kann ggf. die Leistungsgrenze überschritten werden.

4.8 Erweiterung der Leistungsgrenze Mit Rücksicht auf Ausnahmefälle wurde unter 4.2 der Psychotherapie-Richtlini- en die Möglichkeit geschaffen, über den genannten Leistungsumfang aller Therapieformen hinaus eine Behand- lung bis zu einer Maximalgrenze zu verlängern, wenn aus besonderen Gründen die verlängerte Behandlungs- phase nicht zum Abschluß gebracht werden konnte, ohne den Patienten und das Behandlungsergebnis zu ge- fährden. Damit sollte allerdings keines- falls eine weitere vollständige Behand-

lungsphase, sondern nur eine sehr ein- gehend zu begründende Beendigungs- phase der Therapie ermöglicht werden.

Die Maximalgrenze der Behandlungs- dauer liegt daher im Sinne der Richtli- nien bei der Einzelbehandlung a) in der tiefenpsychologisch fundier- ten Psychotherapie bei 80 Stunden;

b) in der analytischen Psychotherapie bei 300 Stunden;

c) in der Kindertherapie bei 150 Stun- den;

d) in der Therapie von Jugendlichen bei 180 Stunden.

4.9 Eine ausnahmsweise Verlängerung der Therapie in der Gruppenbehand- lung bedarf ebenfalls eines besonderen Antrages. Die Maximalgrenzen liegen a) in der tiefenpsychologisch fundier- ten Psychotherapie bei 80 Doppelstun- den;

b) in der analytischen Psychotherapie bei 150 Doppelstunden;

c) in der Kindertherapie bei 90 Doppel- stunden;

d) in der Therapie von Jugendlichen bei 90 Doppelstunden.

4.10. Der Therapeut müßte ggf. einen Fortführungsantrag auf Formblatt PT 3 b stellen und einen gesonderten An- trag beifügen, für den ein besonderes Formblatt vorgesehen ist (s. auch 14.1).

4.11 Bewilligungsschritte

Der Gutachter kann die beantragte Therapie nicht sofort in vollem Umfang der geplanten Behandlung zur Geneh- migung vorschlagen. Er ist gehalten, die Therapie ggf. in begrenzten Bewilli- gungsschritten zu befürworten.

4.11.1 a) Bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie können bei eindeutiger Indikation und günstiger Prognose im Erstgutachten für Einzel- und Gruppenbehandlung 40 bis 50 Stunden zur Genehmigung vorgeschla- gen werden.

In Fällen von Nr. 4.2 der Richtlinien ist ein Fortführungsantrag mit Ergänzungs- formular zu stellen.

4.11.2 Bei der analytischen Psychothe - rapie erfolgt die Genehmigung ggf. in zwei bis drei Bewilligungsschritten in der Einzelbehandlung von je 80 Stun- den, in der Gruppenbehandlung von je 40 Stunden. Die Fortführung einer Therapie muß mit einem Fortführungs- antrag nach PT 3 b beantragt werden,

DEUTSCHESÄRZTEBLATT Heft 28 vom 8. Juli 1976 1885

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in Fällen von Nr. 4.2 der Richtlinien in Verbindung mit dem Ergänzungsblatt.

4.11.3 In der Kinder-Psychotherapie muß der Fortführungsantrag nach spä- testens 50 Stunden gestellt werden, in der Gruppenbehandlung nach 40 Stun- den.

4.11.4 In der Therapie von Jugendli- chen erfolgt die Verlängerung nach 60 Stunden Einzelbehandlung oder nach 40 Stunden Gruppenbehandlung.

Auch bei einer Therapie nach 4.11.3 und 4.11.4 ist eine Verlängerung (Nr.

4.2 der Richtlinien) möglich, wenn ein Fortführungsantrag in Verbindung mit dem Ergänzungsblatt ausreichend be- gründet werden kann.

4.12 Probebehandlung

Im Absatz 3.1 der Neufassung heißt es:

„In Ausnahmefällen, in denen durch psychodiagnostische Maßnahmen eine Indikation zu Beginn der Behandlung zur tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie nicht mit ausreichender Sicherheit gestellt wer- den kann, hat der Therapeut die Mög- lichkeit, eine Probetherapie von maxi- mal 25 Stunden zu beantragen."

Für den Gutachter besteht in gegebe- nen Fällen die Möglichkeit, eine bean- tragte Behandlungsdauer auf eine Pro- betherapie von 25 Stunden herabzustu- fen.

4.13 Die Probetherapie wurde ebenso wie die Regelbegrenzung aller Katego- rien der Richtlinien ausdrücklich in den Text der Neufassung aufgenommen, da- mit den Gutachtern die Möglichkeit ge- geben ist, sich in ihren Entscheidungen ausdrücklich auf den Wortlaut der Richtlinien, auch hinsichtlich des Lei- stungsumfanges, zu beziehen.

4.14 Allgemeine Grundsätze für die Leistungsbegrenzung

Der Gutachter wird im Erfahrungsaus- tausch mit dem Therapeuten eine Ent- scheidungsmöglichkeit erarbeiten müs- sen, die den Erfordernissen der Thera- pie einerseits wie auch der Neufassung der Psychotherapie-Richtlinien anderer- seits gerecht werden kann.

Die Richtlinien (Nr. 1.4) bezwecken, den Grundsätzen der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung — auch hinsichtlich ihres Umfanges — Geltung zu ver- schaffen; sie müßten wirkungslos blei- ben, wenn die Gutachter nicht darüber

entscheiden, wann sie die Grenze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit in der psychothera- peutischen Behandlung als erreicht bzw. überschritten ansehen müssen.

Die Gutachter werden darauf hinweisen müssen, daß nur die Therapieformen in den Richtlinien zugelassen sind, die eine unbewußte Psychodynamik neuro- tischer Störungen mit entsprechender Symptomatik zum Gegenstand der Be- handlung machen.

4.15 Leistungsbegrenzung in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie

Für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie müßte vom Therapeu- ten ein aktuell wirksamer neurotischer Konflikt genannt werden können, der ein konfliktzentriertes Vorgehen möglich macht. Alle Therapieanträge, die einen neurotischen Konflikt, nicht nur äugere

„Realkonflikte", in der Pathogenese der Erkrankung namhaft machen, können für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zugelassen werden.

4.16 Eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie setzt das Bestehen und Erkennen einer dem Patienten unbe- wußten Psychodynamik voraus. Schick- salsmäßige oder ereignishafte Gege- benheiten allein setzen — als offene äußere Realkonflikte — noch keine neurotische Psychodynamik in Bewe- gung, die eines aufdeckenden psycho- therapeutischen Verfahrens bedürfte.

4.17 Zweifellos gibt es äußere Realkon- flikte, die durch das Ausmaß ihrer Bela- stungen eine Dekompensation von Steuerungs- und Ausgleichsmöglichkei- ten bewirken. Diese Dekompensations- erscheinungen sollte man aber nicht mit einer tiefenpsychologisch orientier- ten Methode, sondern eher mit einer beratend-stützenden Therapie behan- deln, oder — bei entsprechender Indika- tion — verhaltenstherapeutisch ange- hen. Diese Therapie sollte sich auf ei- ner anderen Ebene vollziehen, als sie die analytischen Verfahren im Sinne der Richtlinien anzielen.

4.18 Nicht allen Patienten sind gege- benenfalls die ursächlichen Zusammen- hänge ihrer Gesundheitsstörungen mit einem äußeren Realkonflikt voll ein- sichtig und in diesem Sinne bewußt.

Die Bewußtmachung in ihrem Gewicht unerkannter Belastungen sollte jedoch nicht verwechselt werden mit der ana- lytischen Erschließung einer unbewuß- ten Psychodynamik.

4.19 Diese Unterscheidungen sind nicht ein Ergebnis schulisch orientier- ter Lehrmeinungen, sondern gebunden an die Pathogenese der Störungen und an die Gegebenheiten der therapeuti- schen Methode.

4.20 Es ist freilich schwierig, diese Zu- sammenhänge evident zu machen, wenn Denkgewohnheiten ganz an der unmittelbaren Phänomenologie orien- tiert sind, die sich positivistisch mit der

Erkenntnis nur des Nächstliegenden begnügen.

4.21 Schwierig wird die Situation, wenn der Therapeut hinter dem „Realkon- flikt" als entscheidenden Faktor in der Pathogenese einen neurotischen Kon- flikt vermuten oder annehmen muß, dessen dynamisches Gefüge er aber nach der biographischen Anamnese nicht ausreichend aufklären konnte.

Diese Schwierigkeit wird dem Thera- peuten zugestanden werden müssen;

allerdings muß er bei einem Antrag auf Fortführung der Psychotherapie weitere und nähere Mitteilungen über die dyna- mische Struktur der Neurose machen können.

4.22 Von einer solchen Vorsicht in der Darstellung einer ätiologischen Erörte- rung und von der selbstkritischen Be- hutsamkeit des Therapeuten in der Wür- digung psychischer Faktoren ist aber die Auffassung, mit der Aufzählung von äu- ßeren Realkonflikten und Schwellensi- tuationen sei bereits das Entscheidende über die Ursachen einer neurotischen Konfliktsituation gesagt, zu unterschei- den.

4.23 Wenn ein Therapeut — auch nach längerer Kenntnis des Falles — nur äu- ßere „Realkonflikte" in der Pathogene- se einer neurotischen Störung namhaft machen kann, wird er die Therapie in der Regel auch nur auf der Ebene die- ser Realkonflikte durchführen. Eine sol- che Therapie kann aber nicht als tie- fenpsychologisch fundierte oder analy- tische Psychotherapie im Sinne der Richtlinien gelten.

4.24 Leistungsbegrenzung

in der analytischen Psychotherapie Schwieriger ist die Beurteilung der Leistungsgrenze in der analytischen Psychotherapie. Aber auch hier sind Kriterien aufweisbar, die eine sach- und therapiegerechte Entscheidung des Gutachters möglich machen.

Die Definition der analytischen Psy- chotherapie im Sinne dieser Richtlinien (Nr. 1.1.2) läßt unschwer erkennen, daß

1886 Heft 28 vom 8. Juli 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(7)

Kommentierung der Psychotherapie-Richtlinien

die neurotische Struktur eines Patien- ten allein keine Indikation für eine Be- handlung im Rahmen der kassenärztli- chen Versorgung darstellt. Es ist aus- drücklich von der neurotischen Symptomatik und dem neurotischen Konfliktstoff die Rede, dem eine neuro- tische Struktur zugrunde liegt. Sollte sich daher bei einem Patienten ledig- lich eine neurotische Struktur aufwei- sen lassen, die keine psychodynamisch definierbaren Exazerbationen mit neu- rotischen Symptombildungen erkennen läßt und nicht zu nachweisbaren, zeit- lich begrenzten neurotischen Konflikten geführt hat, so muß eine solche Stö- rung von der Psychotherapie im Sinne dieser Richtlinien ausgeschlossen wer- den.

4.25 In diesem Zusammenhang muß also der neurotische Konflikt von der zugrunde liegenden neurotischen Struk- tur des Patienten deutlich getrennt wer- den. Es muß erkennbar sein, daß die neurotischen Strukturelemente für die Psychodynamik des Krankheitsgesche- hens zwar einen ätiologisch relevanten, also durchaus ursächlichen Charakter haben, daß der Neurosenstruktur aber im neurotischen Konflikt eine mehr passive (passiv-kausale) Bedeutung zu- kommt. Die Struktur stellt das „Mate- rial" dar, das im neurotischen Konflikt von neuen ätiologischen Faktoren ge- prägt und aktiviert wird. Freilich be- stimmt dieses „Material" selbst durch seine Eigengesetzlichkeit den Charakter des Konfliktes entscheidend mit. Das

„Material" wird im neurotischen Kon- flikt durchaus ursächlich, nicht nur konditional wirksam. Das Prägende im neurotischen Konflikt ist jedoch nicht die Struktur aus sich selbst, sondern der neue, die Bühne des chronischen Geschehens betretende und gleichsam als „Provokateur" wirkende aktiv-kau- sale Faktor.

Die Struktur kann mit einer gelungenen Therapie des neurotischen Konfliktes sozusagen wieder — ihrerseits mit aus- reichenden Korrekturen versehen — in die Latenz entlassen werden, wenn der dynamisierende „Provokateur" behan- delt oder wenigstens beschwichtigt wur- de und die Interaktion zwischen „Pro- vokateur" und strukturellen Elementen in der Therapie einen neuen Aus- gleich, ein neues Gleichgewicht, viel- leicht auch einen neuen neurotischen Kompromiß gefunden haben.

4.26 Die Gutachter werden nicht jede Form einer chronifizierten Neurose, je- den Borderline-Fall, jede narzißtische Charakterneurose, jede Zwangskrank-

heit, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung zur analytischen Psycho- therapie unbegrenzt zulassen können.

Viele Therapeuten würden sich dann veranlaßt sehen, die ausnahmsweise Fortsetzung der analytischen Psycho- therapie durch Überschreitung des re- gulären Leistungsumfanges zur Regel werden zu lassen.

4.27 Eine frühkindliche Strukturierung des Patienten allein, präödipale Struk- turelemente allein, frühkindliche emo- tionale Mangelzustände als solche al- lein, kann der Gutachter nicht zur The- rapie zulassen, es sei denn, der früh- kindliche Mangelzustand, die präödipa- le Prägung habe in einer jetzt nach- weisbaren neurotischen Symptomatik und in einem jetzt nachweisbaren neu- rotischen Konfliktstoff eine relevante, eine passiv-kausale Bedeutung erlangt.

Der „Ansatzpunkt" für die Anwendung analytischer Psychotherapie müßte vom Therapeuten erkennbar gemacht, die psychodynamischen Faktoren, die in der seelischen Behinderung und in deren Auswirkungen virulent geworden sind, müßten dem Gutachter erläutert werden.

4.28 Vom Therapeuten muß in der ana- lytischen Psychotherapie nicht nur der Nachweis einer neurotischen Struktur, sondern auch der Nachweis eines neu- rotischen Konfliktstoffes gefordert wer- den — eines Konfliktes, in dem — zu

einem bestimmbaren Zeitpunkt — auf der Bühne des Geschehens ein „Ak- teur" aus einer neuen Kausalreihe auf- tritt, mit der Folge einer Veränderung der chronifizierten Szenerie. Wenn auf der Bühne die „Akteure" eines neuroti- schen Konfliktes fehlen, wenn das Ge- schehen zur Monotonie eines struktu- rellen Einerlei erstarrt ist, fehlt die psy- chodynamische Voraussetzung für die Anwendung der Analyse im Sinne der Richtlinien. Die strukturelle Störung al- lein kann vielleicht eine psychothera- peutische Stützung oder Verhaltensmo- difikation erforderlich machen, nicht aber eine ätiologisch orientierte Analy- se im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung.

5. Das Gutachterverfahren

5.1 Die bedeutende Erweiterung des Aufgabenbereiches der gesetzlichen Krankenversicherungen durch die Rechtsprechung und durch die Gesetz- gebung macht eine Fortführung des be- reits 1967 eingerichteten Gutachterver- fahrens erforderlich.

5.2 In der somatischen Medizin unter- liegen die Leistungen des Kassenarztes

der Prüfung durch die Prüfungsinstan- zen der Kassenärztlichen Vereinigun- gen. Diese Prüfungsinstanzen wären aber hinsichtlich der Probleme einer tiefenpsychologisch fundierten und ana- lytischen Psychotherapie grundsätzlich überfordert. Diese Tatsache machte die Einrichtung eines anderen Prüfungsver- fahrens notwendig. Die Berufung geeig- neter Gutachter schien sich als die sachgerechteste Lösung anzubieten.

5.3 Die Gutachter haben die Aufgabe, den Kassen eine tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Behandlung im konkreten Fall für einen bestimmten und begrenzten Umfang zu empfehlen, oder aber die Ablehnung der beantrag- ten Therapie nahezulegen. Die Ent- scheidung über Bejahung oder Ableh- nung einer beantragten Behandlung liegt ausschließlich im Kompetenzbe- reich der Kasse selbst.

5.4 Der Gutachter ist an die Bestim- mung der Psychotherapie-Richtlinien gebunden. Er hat nicht die Möglichkeit, den Indikationsbereich zu ändern oder den durch Gesetz festgelegten Kompe- tenzbereich der gesetzlichen Kranken- versicherungen nach seinem Ermessen zu erweitern.

5.5 Sollten zwischen dem beantragen- den Therapeuten und dem Gutachter Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung der Psychotherapie-Richtli- nien in einem bestimmten Fall auftreten, so besteht für den Psychotherapeuten die Möglichkeit, einen Obergutachter anrufen zu lassen.

5.6 Auch der Obergutachter ist in sei- ner Stellungnahme an die Bestimmun- gen der Psychotherapie-Richtlinien ge- bunden und daher gehalten, in seiner Begründung für Zustimmung oder Ab- lehnung einer Therapie auch formal den Bezug zu den Richtlinien herzustellen.

Bei der Schwierigkeit der Materie kann es sich natürlich nicht darum handeln, in einem nur äußeren Sinn Überein- stimmung oder Nichtübereinstimmung des Antrages mit den Richtlinien fest- zustellen. Es wird vielmehr notwendig sein, den Sinn der Richtlinien in einer durchaus schöpferischen Interpretation mit dem Einzelfall in Korrelation zu set- zen. Die Richtlinien setzen Therapeuten und Gutachter voraus, die über eine nur formale Interpretation der Psycho- therapie-Richtlinien hinaus das Wesent- liche der Behandlungsverfahren erfas- sen und in ihrem Handeln berücksichti- gen.

Dr. med. Franz Rudolf Faber

Postfach

11

20

2846 Neuenkirchen/Oldb.

1888

Heft 28 vom 8. Juli 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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