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Ist Freezing of Gait ein systemisches Defizit? Bewegungsanalyse bei Patienten mit Morbus Parkinson und Freezing of Gait

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Academic year: 2022

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zu K ¨oln

Klinik und Poliklinik f ¨ur Neurologie

Direktor: Universit¨atsprofessor Dr. med. Gereon R. Fink

Ist Freezing of Gait ein systemisches Defizit?

Bewegungsanalyse bei Patienten mit Morbus Parkinson und Freezing of Gait

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorw ¨urde der Hohen Medizinischen Fakult¨at

der Universit¨at zu K ¨oln

vorgelegt von Martin Amarell

aus Ilmenau

promoviert am 26. Juli 2017

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zu K ¨oln

Klinik und Poliklinik f ¨ur Neurologie

Direktor: Universit¨atsprofessor Dr. med. Gereon R. Fink

Ist Freezing of Gait ein systemisches Defizit?

Bewegungsanalyse bei Patienten mit Morbus Parkinson und Freezing of Gait

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorw ¨urde der Hohen Medizinischen Fakult¨at

der Universit¨at zu K ¨oln

vorgelegt von Martin Amarell

aus Ilmenau

promoviert am 26. Juli 2017

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Druckjahr 2018 Gedruckt durch:

A&A Digital Print Center Filiale Stockentor

Franziskanerstr. 1 53113 Bonn

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1. Berichterstatter: Universit¨atsprofessor Dr. med. L. Timmermann

2. Berichterstatterin: Frau Universit¨atsprofessor Dr. med. V. Visser-Vandewalle 3. Berichterstatter: Professor Dr. med. N. J. Diederich

Erkl¨arung:

Ich erkl¨are hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzul¨assige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe;

die aus fremden Quellen direkt oder indirekt ¨ubernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.

Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manu- skriptes habe ich Unterst ¨utzungsleistungen von folgenden Personen erhalten:

Dr. med. Michael T. Barbe

Universit¨atsprofessor Dr. med. Lars Timmermann MD Anke H. Snijders

Dr. rer. nat. Esther Florin Dr. rer. nat. Eva-Lotte Quatuor Till Dembek

Professor Dr. Bastiaan R. Bloem Professor Dr. med. Eckhard Sch ¨onau

Universit¨atsprofessor Dr. med. Gereon R. Fink Franka Cepuran

Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht betei- ligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsberaterin/eines Promotions- beraters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen f ¨ur Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertationsschrift stehen.

Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in glei- cher oder ¨ahnlicher Form einer anderen Pr ¨ufungsbeh ¨orde vorgelegt.

Erkl¨arung zur guten wissenschaftlichen Praxis: Ich erkl¨are hiermit, dass ich die Ordnung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten (Amtliche Mitteilung der Universit¨at zu K ¨oln AM24/2011) der Universit¨at zu K ¨oln gelesen habe und verpflichte mich hiermit, die dort genannten Vorgaben bei allen wissenschaftlichen T¨atigkeiten zu beachten und umzusetzen.

K ¨oln, den 03.06.2016 Unterschrift

(5)

von Dr. med. Michael Barbe, Univ.-Prof. Dr. med. Lars Timmermann und von mir durch- gef ¨uhrt.

Die Patientenrekrutierung, das Matching der Subgruppen und die Betreuung w¨ahrend der Studie wurde von mir mit Unterst ¨utzung von Dr. med. Michael Barbe durchgef ¨uhrt.

Die Betreuung und Wartung des Motoriklabores, einschließlich des Zebrissystems, des Leonardo Mechanographs und die Produktion der Videoanleitungen f ¨ur die Patienten wurden von mir ¨ubernommen.

Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Daten wurden von mir mit Unterst ¨utzung von Dr. med. Michael Barbe in der Klinik und Poliklinik f ¨ur Neurologie der Uniklinik K ¨oln erhoben.

Die Auswertung der Daten und Programmierung der erforderlichen Software wurde von mir mit Unterst ¨utzung von Dr.med. Michael Barbe, Univ.-Prof. Dr. med. Lars Tim- mermann, Dr. rer. nat. Esther Florin, Dr. rer. nat. Eva-Lotte Quatuor, Till Dembek und MD Anke Snijders ausgef ¨uhrt.

Die Darstellung des Experimentes in der folgenden Ver ¨offentlichung (“Gait and upper limb coordination differ in Parkinsonian patients with and without freezing of gait.) im Journal of Neurology wurde von mir mit Unterst ¨utzung von Dr. med. Michael Barbe, MD Anke Snijders, Dr. rer. nat. Esther Florin, Eva-Lotte Quatuor, Prof. Dr. med. Eckhard Sch ¨onau, Prof. Dr. med. Gereon Fink, Prof. Dr. Bas Bloem, Univ.-Prof. Dr .med. Lars Tim- mermann durchgef ¨uhrt.

Die folgende Ver ¨offentlichung (Long-term effect of robot-assisted treadmill walking redu- ces freezing of gait in Parkinson’s disease patients: a pilot study.) im Journal of Neurology wurde von Dr. med, Michael Barbe, Franka Cepuran, Dr. med. Eckhard Sch ¨onau, Univ.- Prof. Dr. med. Lars Timmermann und mit meiner Unterst ¨utzung durchgef ¨uhrt.

Die folgende Ver ¨offentlichung (Diagnostik und Therapie von”Freezing of Gait“ bei Pa- tienten mit Morbus Parkinson.) im Journal Fortschritte in Neurologie und Psychiatrie wurde von mir mit Unterst ¨utzung von Dr. med. Michael Barbe, Franka Cepuran, Nils Allert und Univ.-Prof. Dr. med. Lars Timmermann durchgef ¨uhrt.

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0.1 Abk ¨urzungsverzeichnis . . . 7

1 Einleitung 9 1.1 Morbus Parkinson . . . 9

1.2 Kurze Historie des Morbus Parkinson . . . 9

1.3 Diagnose des Morbus Parkinson . . . 10

1.4 Epidemiologie . . . 10

1.5 Pathophysiologie . . . 11

1.5.1 Pathologie . . . 11

1.5.2 Das Basalganglienmodell von Albin und Delong . . . 13

1.6 Therapie . . . 16

2 Das Gangbild des Morbus Parkinson 18 2.1 Das physiologische Gangbild . . . 18

2.2 Freezing of Gait . . . 20

2.3 Diagnose . . . 23

2.3.1 Frageb ¨ogen . . . 23

2.3.2 Klinische Testungen . . . 24

2.3.3 Differenzierung von OFF- und ON-FOG . . . 25

2.4 Therapie des Freezing of Gait . . . 25

3 Ubersicht der Hypothesen zur Entstehung von Freezing¨ 28 3.1 Neuronale Ver¨anderungen bei Freezern . . . 28

3.2 Pathophysiologische Schlussfolgerungen . . . 33

3.3 Koordination der oberen Extremit¨at . . . 38

4 Hypothesen dieser Arbeit 41 5 Ver ¨offentlichungen 43 5.1 Gait and upper limb variability in Parkinson’s disease patients with and without freezing of gait. . . 43

5.2 Long-term effect of robot-assisted treadmill walking reduces freezing of gait in Parkinson’s disease patients: a pilot study . . . 57

5.3 Diagnostik und Therapie von ”Freezing of Gait“ bei Patienten mit Morbus Parkinson . . . 61

(7)

6 Diskussion 92

6.1 Ubersicht . . . .¨ 92

6.2 Diskussion der Methoden . . . 92

6.2.1 Das Patientenkollektiv . . . 92

6.2.2 Ganganalyse . . . 93

6.2.3 Messung der oberen Extremit¨at . . . 94

6.2.4 Ermittlung von Freezingepisoden der oberen Extremit¨at . . . 94

6.2.5 Untersuchung des Effektes von Levodopa . . . 95

6.3 Diskussion der Ergebnisse . . . 95

6.3.1 Das Gangbild der Freezingpatienten . . . 95

6.3.2 Beweglichkeit der oberen Extremit¨at . . . 97

6.3.3 Freezingepisoden im Gangtest . . . 98

6.3.4 Freezing der Oberarmbewegungen . . . 99

6.3.5 Korrelationsanalysen . . . 100

6.3.6 Der Effekt von Levodopa auf Freezing . . . 100

6.4 Zusammenfassung der Analyse . . . 101

6.5 Schlussfolgerung zu Pathophysiologie von FOUL und Freezing im Allg- meinen . . . 102

6.6 Schlussfolgerung . . . 103

7 Zusammenfassung 104 8 Literaturverzeichnis 105 8.1 Artikel . . . 105

8.2 B ¨ucher . . . 126

8.3 Internet . . . 126

9 Lebenslauf 127

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0.1 Abk ¨ urzungsverzeichnis

APA aus dem Englischen: anticipatory postural adjustment BOLD aus dem Englischen: blood oxygenation level dependent CAPIT aus dem Englischen: core assessment program for intracerebral

transplantations

ca. circa

CPG aus dem Englischen: central pattern generator COMT Catechol-O-Methyltransferase

CV Varianzkoeffizient, aus dem Englischen: coefficient of variation d. h. das heißt

D1 Dopaminrezeptor 1

D2 Dopaminrezeptor 2

DTI aus dem Englischen: diffusion tensor imaging

EMG Elektromyogramm

GPe Globus pallidus pars externus GPi Globus pallidus pars internus FDG Fluorodeoxyglucose

FDOPA 18[F]-Fluoro-Levodopa

FOG aus dem Englischen: freezing of gait

FOG-Q aus dem Englischen: freezing of gait questionnaire FOUL aus dem Englischen: freezing of the upper limb IPS Idiopathisches Parkinsonsyndrom

L-Dopa L-3,4-Dihydroxyphenylalanin, Levodopa MI aus den Englischen: motor imagery M1 prim¨ar-motorischer Kortex

MLZ mesencephalisches Lokomotionszentrum

MRI aus dem Englischen: magnetic resonance imagery

fMRI aus dem Englischen: functional magnetic resonance imagery PCI aus dem Englischen: phase coordination index

PET Positronenemissionstomographie

PPFG aus dem Englischen: primary progressive freezing of gait PPN Nucleus pedunculopontinus

RS aus dem Englischen: resting state rzBF regional zerebraler Blutfluss SMA Supplement¨ar motorisches Areal SNc Substantia nigra pars compacta SNr Substantia nigra pars reticulata

SPECT aus dem Englischen: single-photon emission computed tomography STN Nucleus subthalamicus

THS Tiefe Hirnstimulation

TTD aus dem Englischen: total travel distance

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UPDRS III aus dem Englischen: Unified Parkinson’s Disease Rating Scale III VBM voxel-basierte Morphometrie

VR virtuelle Realit¨at z. B. zum Beispiel

rzBF regionaler zerebraler Blutfluss

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1.1 Morbus Parkinson

Bis ins Jahr 2030 werden bei der europ¨aischen Bev ¨olkerung die neurologischen Erkran- kungen die sechsh¨aufigste Todesursache darstellen [188]. Ein betr¨achtlicher Teil dieser Erkrankungen wird von neurologisch-degenerativen Erkrankungen, wie z. B. von De- menzen und Morbus Parkinson gebildet werden [77, 111]. Die Anzahl der Patienten mit Morbus Parkinson wird sich im Zeitraum von 2005 bis 2030 in Europa verdoppeln [60]

und hohe Kosten im Gesundheitssystem verursachen.

Der Morbus Parkinson ist eine Erkrankung der Basalganglien, welche zu einem ty- pischen Erkrankungsbild f ¨uhrt. Der Parkinsonpatient ist durch vier Kardinalsymptome gepr¨agt: 1) Bradykinese, d. h. die allgemeine Verlangsamung der Bewegungen, 2) Rigor, d. h. ein erh ¨ohter Muskeltonus, 3) Ruhetremor, das Zittern in Ruhe bei 4-6Hz [50] und die 4) posturale Instabilit¨at, also eine Instabilit¨at der aufrechten Haltung [113]. Neben diesen Symptomen gibt es noch eine Reihe nicht-motorischer Symptome, welche von Inkontinenz, Erektionsst ¨orungen bis zu Depressionen und Halluzinationen reichen [19].

Die Erkrankung reicht folglich in alle Lebensbereiche des Patienten. Der Morbus Par- kinson erh ¨oht die Sterblichkeit der betroffenen Patienten im Vergleich zum Gesunden [23, 143] und verk ¨urzt damit die Lebenserwartung. Im Jahre 1967 litten nach f ¨unf bis neun Jahre nach Erstdiagnose ein Großteil der Patienten unter schweren Behinderungen oder waren bereits verstorben (bis zu 80% [113]). Unter den heutigen Therapien hat sich dieses Bild erheblich verbessert, aber es bleiben viele wissenschaftliche und klinische Herausforderungen bei dieser Erkrankung bestehen.

1.2 Kurze Historie des Morbus Parkinson

Der britische Arzt James Parkinson verfasste im Jahre 1817 die erste ausf ¨uhrliche Arbeit

¨uber den Morbus Parkinson mit dem Titel:

”An essay on the shaking palsy“ ( ¨ubersetzt:

”Eine Abhandlung ¨uber die Sch ¨uttell¨ahmung“ [191]). Der BegriffSch ¨uttell¨ahmung wurde von Charcot, einem ber ¨uhmten franz ¨osischen Arzt, allerdings als irref ¨uhrend angesehen, da die Patienten keine L¨ahmung an sich zeigten und die Erkrankung auch ohne Tremor vorkam. Demzufolge f ¨uhrte Charcot im Jahre 1887, in Anerkennung an James Parkin- sons Arbeit, den Namen Morbus Parkinson ein [125]. F ¨ur die Erkrankung gab es in den folgenden 80 Jahren kein wirksames Therapiekonzept. Im Jahre 1967 gelang es erstmals mit der Transmittervorstufe L-3,4-Dihydroxyphenylalanin, Levodopa (L-Dopa), Patien-

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ten mit Morbus Parkinson erfolgreich zu behandeln [39]. Allerdings erkannte man schnell die Nebenwirkungen von L-Dopa [150], welche von ¨Ubelkeit und Erbrechen bis hin zu L-Dopa-induzierter ¨Uberbeweglichkeit reichen [38, 213]. Trotz Erg¨anzung weiterer Wirk- stoffe bleibt L-Dopa bis heute der Goldstandard in der Behandlung des Morbus Parkinson [1, 156]. Chirurgisch wurde der Morbus Parkinson durch gezielte L¨asionen bestimmter Hirnstrukturen behandelt. Erste erfolgreiche Versuche dieser Verfahren wurden schon in den 1930er Jahren unternommen. Hierbei waren die Erfolgsraten anfangs niedrig und die Komplikationsraten sehr hoch. Solch l¨asionale Verfahren wurden dementsprechend selten eingesetzt [147]. Die Gruppe von Benabid aus Grenoble konnte dann im Jahre 1987 die erste erfolgreiche Behandlung mit der Tiefe Hirnstimulation (THS) im Thalamus berichten und erg¨anzte damit die Therapie um eine wichtige Option [21].

1.3 Diagnose des Morbus Parkinson

Durch die Kardinalsymptome kann der Morbus Parkinson in einem Großteil der F¨alle kli- nisch diagnostiziert werden. Aufgrund der Heterogenit¨at der Erkrankungsauspr¨agung sind zur korrekten Diagnosefindung verschiedene Richtlinien entworfen worden, wie z. B. die Kriterien der britischen Parkinson Gesellschaft (UK Brain bank criteria) [114].

Kurzgefasst ist ein Parkinsonsyndrom durch das Vorhandensein der Bradykinese plus mindestens einem weiteren der drei Kardinalsymtome definiert. Zus¨atzlich m ¨ussen min- destens drei Zusatzkriterien erf ¨ullt werden, um die Erkrankung zu best¨atigen. Dazu geh ¨oren ein einseitiger Symptombeginn, ein gutes Ansprechen auf L-Dopa, ein progres- siver Krankheitsverlauf, L-Dopa induzierte Chorea und das Ansprechen auf L-Dopa f ¨ur eine Dauer von mindestens f ¨unf Jahren. Sind diese Kriterien erf ¨ullt und liegen keine Hin- weise f ¨ur ein sekund¨ares oder atypisches Parkinsonsyndrom vor, spricht man von einem Idiopathischen Parkinson Syndrom (IPS), auch prim¨aren Parkinson Syndrom [67]. Dies bedeutet, dass keine weitere Ursache f ¨ur das Auftreten der Erkrankung bekannt ist. Diese Form ist mit 75% der F¨alle die H¨aufigste. Zur weiteren Differenzierung sind sekund¨are, genetische und atypische Formen zu nennen, welche die restlichen (25%) der Erkrankung ausmachen [67] und zum Beispiel toxisch, entz ¨undlich, posttraumatisch, medikament ¨os, metabolisch oder vaskul¨ar bedingt sein k ¨onnen. Die atypischen Formen sind die Multisy- tematrophie, progressive supranukle¨are Blickparese, die kortikobasale Degeneration und die Demenz vom Lewy-K ¨orper-Typ [67]. Diese werden hier zur ¨Ubersicht des Parkinson- symptomkomplexes genannt und nicht n¨aher erl¨autert. Diese Dissertation wird sich mit dem IPS auseinandersetzten.

1.4 Epidemiologie

Das IPS ist eine Erkrankung des Alters. In Ausnahmef¨allen sind fr ¨uhe Formen der Erkran- kung bekannt, allerdings beginnt sie in der Regel nicht vor dem vierzigsten Lebensjahr [263]. Die Inzidenz steigt ab dem sechzigsten Lebensjahr exponentiell an [29, 153, 138].

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Die standardisierte Inzidenz liegt bei 8-18 F¨allen pro 100 000 Personenjahren [22, 138, 165] und liegt bei 160 pro 100 000 bei den ¨uber 65-J¨ahrigen [112]. Die Pr¨avalenz liegt bei circa 1% bei der ¨uber 65-J¨ahrigen Bev ¨olkerung, also bei 950 pro 100 000 [112] und nimmt mit steigendem Alter noch weiter zu [234]. M¨anner sind 1,5 mal h¨aufiger betroffen als Frauen [181]. Es werden ethnische Unterschiede in der Inzidenz und Pr¨avalenz diskutiert, allerdings sind die Ergebnisse hier recht widerspr ¨uchlich. Die Inzidenz scheint in Asien, S ¨udamerika und Afrika niedriger zu sein als in Europa [22, 201, 265].

1.5 Pathophysiologie

1.5.1 Pathologie

Als Ursache des IPS wird ein progredienter neurodegenerativer Prozess angesehen, wel- chem besonders die dopaminergen Neurone in der Substantia nigra pars compacta un- terliegen. Die Symptomatik wird erst klinisch sichtbar, wenn bereits ein Großteil dieser dopaminergen Zellen verloren gegangen sind [73]. Demzufolge muss der Erkrankung ein Prodromalstadium vorausgehen. Nach Braak et al. [28] kann Morbus Parkinson neu- ropathologisch in sechs verschiedene Stadien eingeteilt werden. In den Prodromalsta- dien 1 und 2, welche durchaus schon f ¨unf Jahre vor der Diagnose beginnen k ¨onnen, kommt es zum Zelluntergang beginnend im enterischen Nervensystem, im Bulbus ol- faktorius, im Nucleus motorius des Nervus vagus und verursacht Fr ¨uhsymptome wie Riechst ¨orungen, Blasenst ¨orungen, erektile Dysfunktion und Obstipation. Diese Degene- ration setzt sich von der Medulla oblongata und von dem Bulbus olfactorius aufsteigend fort, in Gebiete wie den Locus coeruleus und den Raphekernen. Im dritten Stadium er- reicht der degenerative Prozess die Substantia nigra. Die typische Klinik der Erkrankung mit den Kardinalsymptomen beginnt, wenn ca. 70-80% der dopaminergen Neurone der Pars compacta verloren gegangen sind [73]. Ab dem vierten Stadium hat die Erkrankung das Prosencephalon eingenommen. Im f ¨unften Stadium breitet sich die Erkrankung auf den Neokortex, wie den pr¨afrontalen Kortex, aus. Sp¨atestens ab diesem Stadium sind Verschlechterungen der kognitiven Leistungen zu erwarten. Im sechsten Stadium nimmt die Degeneration die sekund¨aren, dann prim¨ar motorischen und sensorischen Areale des Neokortex ein. Die Degeneration hat sich nun aus den tiefen Hirnregionen bogenf ¨ormig

¨uber den gesamten Kortex ausgebreitet (Siehe Abbildung 1.1). In den letzten Stadien k ¨onnen sich die Patienten durch eine massive motorische und kognitive Einschr¨ankung bis hin zur v ¨olligen Pflegebed ¨urftigkeit auszeichnen [28, 107].

Die Ursache des degenerativen Prozesses beim IPS ist noch immer ungekl¨art [211].

Nach Jahrzehnten der Ursachenforschung wird heutzutage ein multikausaler Ansatz der Krankheitsentstehung angenommen, wobei genetische [209, 211, 220] und zellul¨are Fakto- ren im Zusammenspiel mit Umwelteinfl ¨ussen eine Rolle spielen k ¨onnten. Auf zellul¨arer Ebene f ¨uhrt dies zu einer St ¨orung der mitochondrialen Funktion, erh ¨ohten oxidativen Stress, einer St ¨orung des Ubiquitinsystems mit Ver¨anderungen des zytoplasmatischen Proteinabbaus und einer Reihe von weiteren Zellver¨anderungen, wie die Aggregation

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Abbildung 1.1: Nerodegenerativer Prozess bei Patienten mit Morbus Parkinson

Ubersicht des neurodegenerativen Prozesses im Rahmen des Morbus Parkinson in sagittaler¨ Ebene in Anlehnung nach den Stadien nach Braak et al. [28]. Stadien 1-6 in unterschiedlicher

r ¨otlicher Schattierung - Stadium 1 in Dunkelrot - Stadium 6 in der Farbe Weiß

vonα-Synuclein, welche letztendlich den Zelluntergang bedingen [10, 43, 77, 211]. Als wichtiger Integrationsort zwischen Genetik und Umwelt k ¨onnte hierbei die epigentische Ebene sein, allerdings sind die Erkenntnisse in diesem Bereich bezogen auf den Morbus Parkinson noch unzureichend [99, 197]. Ebenfalls gibt es Hinweise, dass infekti ¨ose Agen- zien, wie Prionen in der Entstehung des Morbus Parkinson eine Rolle spielen k ¨onnten [185, 211]. Dies wird mit dem aufsteigenden Charakter der Erkrankung, wie nach Braak et al. beschrieben [28]. Hierbei beginnt die Erkrankung in den am ehesten der Umwelt exponierten Bereichen, wie im Nucleus olfactorius und intestinal im Innervationsgebiet des Nucleus nervus vagus. Hier k ¨onnte eine Infektion stattfinden. Von dort breitet sich die Erkrankung weiter ¨uber den gesamten Kortex aus. Ebenfalls zeigten Studien Hinweise auf eine den Prionen ¨ahnelnde Ausbreitung vonα-Synuclein zwischen neuronalen Zellen [185].

Neben dem Untergang dopaminerger Zellen kommt es zum Untergang anderer Neu- rotransmittersysteme, wie der Degeneration des cholinergen Nucleus basalis Meynert sowie noradrenerger und serotonerger Zellen [36, 26]. Die weit verbreitete neurona- le Degeneration und Degeneration verschiedener Neurotransmittersysteme erkl¨art die Vielzahl von nicht motorischen Symptomen, die mit Morbus Parkinson einhergehen [134, 136]. Das Vorhandensein unterschiedlicher Auspr¨agungen der Symptomatik kann durch individuelle Unterschiede im neuronalen Muster des degenerativen Prozesses er- kl¨art werden. Eine ¨altere Unterteilung der Patienten wird anhand der Auspr¨agung ihrer Symptomatik durchgef ¨uhrt. Steht der Tremor im Vordergrund ihres Leidens, werden die Patienten als tremor-dominant bezeichnet, steht die Bradykinese im Vordergrund als

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akinetisch-rigide. Wenn beide Symptomatiken ebenb ¨urtig ausgepr¨agt sind, spricht man vom ¨Aquivalenztyp [119]. Nach neueren Clusteranalysen scheint eine Einteilung nach dem fr ¨uhen Krankheitsbeginn mit l¨angerem Krankheitsprogress (young-onset) oder dem sp¨aten Krankheitsbeginn mit schnellerem Progress (old-onset) sinnvoll zu sein [205, 24].

1.5.2 Das Basalganglienmodell von Albin und Delong

Albin und Delong haben die motorische Dysfunktion des Morbus Parkinson anhand eines Modells der Basalganglien verst¨andlich erkl¨art. Ihr Modell enth¨alt folgende Strukturen:

die Substantia nigra pars compacta (SNc), die Substantia nigra pars reticulata (SNr), das Striatum, den Globus pallidus pars externus (GPe), den Globus pallidus pars in- ternus (GPi), den Nucleus subthalamicus (STN), sowie die efferenten Strukturen dieses Systems, den Nucleus thalamicus, Kortex und Hirnstamm. Die kortikostriatale Afferenz des Systems ist erregend, wohin die Efferenzen, welche auf den Thalamus projizieren, von hemmender Natur sind. Dieses System l¨asst sich weiter in einen direkten und indi- rekten Weg unterteilen. Der Direkte projiziert hierbei aus der SNc in das Striatum und

¨uber den GPi weiter zu den Efferenzen. Hier wird ¨uber D1-Rezeptoren vermittelte Sti- mulation das Ausmaß der direkten Hemmung auf den GPi bestimmt (siehe Abbildung 1.2 a). Der Indirekte verl¨auft aus der SNc ¨uber den GPe, STN, GPi und die SNr zu den Efferenzen [135]. Dabei wird ¨uber inhibitorische D2-Rezeptoren das Maß der Erregung des GPi ermittelt (siehe Abbildung 1.2 b). Dieses gesamte System ist verantwortlich f ¨ur die Feinregulation von bewussten und unbewussten Bewegungen [47] (siehe Abbildung 1.2 c). Um die Komplexit¨at weiter zu erh ¨ohen erfolgt ¨uber einen hyperdirekten Weg ¨uber den Nucleus thalamicus oder direkt aus dem Kortex ein starker kognitiver bewusster Ein- fluss auf die Bewegungsintegration [83, 171] (siehe Abbildung 1.2 d). Das System wird zus¨atzlich in limbische, assoziative und motorische Subsysteme unterteilt, welche zur weiteren Integration oder Selektion der zu planenden Handlungen und Entscheidungen beisteuern.

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Abbildung 1.2: Basalganglienmodell nach Albin und Delong

(a) Direkter Weg (b) Indirekter Weg

(c) Basalganglienmodell einschließlich direkter und indirekter Weg

(d) Hyperdirekter Weg

Abk ¨urzungen: Dopaminrezeptor 1 (D1), Dopaminrezeptor 2 (D2), Globus pallidus pars externus (GPe), Globus pallidus pars internus (GPi), Substantia nigra pars compacta (SNc), Substantia nigra pars reticulata (SNr), Nucleus subthalamicus (STN), modifiziert nach [47, 83, 171], blauer Pfeil Stimulation, weißer Pfeil Inhibition

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Durch den Untergang der dopaminergen Neurone der Substantia nigra entsteht eine Dysregulation in diesem System, welche zu einer verst¨arkten Inhibition der gabaergen inhibitorischen Neurone auf die Efferenzen des Thalamus, Kortex und Hirnstamm f ¨uhrt (siehe Abbildung 1.3). Die Inhibition resultiert in der typischen Bradykinese. Der Patient ist in der Ausf ¨uhrung automatisierter Bewegungen gehemmt. ¨Uber den hyperdirekten Weg ist er allerdings in der Lage ¨uber bewusste kognitive Steuerung der Inhibition teil- weise entgegenzuwirken [83, 82, 171]. Aus diesem Model wird verst¨andlich, wie man durch die Zufuhr von Dopamin die motorischen Parkinsonsymptome, besonders die Bradykinese, positiv beeinflussen kann [135].

Abbildung 1.3: Basalganglienmodell bei Morbus Parkinson

Ubersicht der Ver¨anderungen nach Degeneration der SNc mit anschließendem dopaminergen¨ Defizit im Striatum und Inhibition des Thalamus [47, 135].

Des Weiteren erkl¨art dieses Modell wie anhand einer lokalen Inhibition durch l¨asionale Verfahren, wie der Tiefen Hirnstimulation im STN (aber auch anderer Kerne), eine Verbes- serung der hypokinetischen klinischen Symptome des Morbus Parkinson erreicht werden kann. Hierbei wird die ¨Uberstimulation der Ausgangskerne durch den STN reduziert und deren Aktivit¨atsniveau teilweise normalisiert. Der Tremor, ein hyperkinetisches Symptom des Morbus Parkinson, wird durch dieses Modell nicht ausreichend erkl¨art. Duval und Kollegen postulieren die Generation von rhythmischer neuronaler Aktivit¨at im Thalamus, welche durch das Cerebellum und die Basalganglien weiter moduliert wird, als m ¨ogliche Ursache des Tremors [63]. Die genaue Ursache der Kardinalsymptome des Morbus Par- kinson und die Wirkungsweise seiner Therapiem ¨oglichkeiten sind noch nicht im Detail verstanden und weiter Gegenstand intensiver Forschungsbem ¨uhungen.

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1.6 Therapie

Aus dem oben erw¨ahnten Modell ergeben sich Therapieans¨atze f ¨ur den Morbus Par- kinson. Diese werden hier kurz dargestellt. Wie bereits erw¨ahnt sind L-Dopa und Do- paminagonisten der Goldstandart in der Therapie des Morbus Parkinson. L-Dopa wird mit einem Decarboxylase-Inhibitor kombiniert und ist bis heute die effektivste Therapie des IPS [71, 156]. Bei Auftreten von Wirkfluktuationen kann L-Dopa weiterhin mit In- hibitoren der Catechol-O-Methyltransferase (COMT) kombiniert werden. Dadurch wird der Abbau von L-Dopa verringert, die Konzentration im Blutkreislauf erh ¨oht und ein stabiler Wirkspiegel erreicht [27]. Folglich kann die Dopamindosis bei gleichbleibender Wirksamkeit verringert werden [44]. Aufgrund der dopaminduzierten Dyskinesien, ei- ne h¨aufige Langzeitnebenwirkung, wird nicht jeder Parkinsonpatient initial mit L-Dopa behandelt. Patienten unter 70 oder nicht multimorbide Patienten, werden initial mit Do- paminagonisten behandelt. Dopaminagonisten werden in ergote- und non-ergote Ago- nisten unterteilt. Zu den ergoten geh ¨oren Bromocriptin, Pergolid, Cabergolin, Lisurid undα-Dihydroergotrcriptin. Die Non-ergoten sind Piribidil, Pramipexol, Ropinirol, Ro- tigotin und Apomorphin. Als first-line Medikamente werden die non-ergoten Agonisten benutzt, da bei den ergoten Agonisten, besonders Pregolid und Cabergolin, pleuropulmo- nale, retropulmonale und Herzklappenfibrosen auftreten k ¨onnen. Die fr ¨uhe Behandlung mit Dopaminagonisten hat zum Vorteil, dass das Ausmaß der L-Dopa induzierten Ne- benwirkungen in den ersten Jahren geringer ist, als bei initialer L-Dopa-Monotherapie [184]. Bei ungen ¨ugendem Effekt einer Monotherapie mit Dopaminagonisten oder Unver- tr¨aglichkeit in notwendiger Dosierung ist eine Kombination mit L-Dopa m ¨oglich [67]. In fr ¨uhen Phasen der Erkrankung k ¨onnen MAO-B Hemmer, wie Rasagilin, als Monotherapie eingesetzt werden [44]. F ¨ur Rasagilin wird in geringen Konzentrationen ein neuropro- tektiver Effekt diskutiert [186]. Aufgrund einer Verringerung der Dopaminrezeptoren in fortgeschritten Stadien l¨asst die Wirkung von Dopamin und auch der Agonisten zusehens nach. Folglich wird die Dosis der Medikamente weiter gesteigert und die Zeitintervalle der L-Dopagabe werden weiter verk ¨urzt. Im Verlauf werden die Wirkungen von L-Dopa schlechter kontrollierbar. Es kommt zum Wearing-OFF-Ph¨anomen, zu ON-OFF Wirk- fluktuationen und durch die erh ¨ohten Dosierungen vermehrt zu Dyskinesien. In den sp¨aten Phasen der Erkrankung werden Apomorphinpumpen, Duodopapumpen und die Tiefe Hirnstimulation zur Therapie eingesetzt. Die Apomorphinpumpen erlauben eine subkutane kontinuierliche Gabe des Dopaminagonisten Apomorphin und damit eine gute Kontrolle von Nebenwirkungen, die durch Fluktuationen des Plasmaspiegels bei oraler Aufnahme der Medikamente bedingt sind [55]. Das selbe Prinzip wird ¨uber die Duodopapumpen erreicht. Nur wird hier L-Dopa und Carbidopa kontinuierlich ¨uber eine perkutan-endoskopisch-jejunale Sonde in die dopaminresorbierende Region des Je- junums appliziert [12]. Als weitere Option hat sich die THS durchgesetzt. Als Zielort wird bevorzugt der Nucleus subthalamicus und in selteneren F¨allen der Globus palli- dus pars internus und Nucleus ventralis intermedius thalami stimuliert [67]. Die THS ist eine Hochfrequenzstimulation, die lokal die neuronale Aktivit¨at inhibiert und den

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Vorteil besitzt reversibel und an die Patientenbed ¨urfnisse anpassbar zu sein. Aufgrund dieser Vorteile konnten chirurgisch stereotaktische Hirnl¨asionen in der Behandlung er- setzt werden. Die THS wird eingesetzt, wenn Patienten im fortgeschritten Stadium ver- mehrt Wirkfluktuationen, sowie medikamenten-induzierte Nebenwirkungen zeigen [51, 67]. Die OFF-Symptome werden mit THS verbessert und die Dosis der dopaminergen Medikation wird in vielen F¨allen erheblich reduziert, wodurch die medikament ¨osen Ne- benwirkungen ebenfalls reduziert werden k ¨onnen [183].

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Die Einschr¨ankungen der Motorik bei Morbus Parkinson lassen sich anhand der Kar- dinalysmptome beobachten und ¨außern sich besonders am Gangbild. Der typische Par- kinsonpatient schreitet langsam mit leicht vorgebeugter Haltung, kleinen Schritten voran und dies mit geringeren Winkelmaß in allen Gelenken [65, 64, 69, 124, 168, 226]. Die Schrittkadenz (Frequenz) ist erh ¨oht [167] und es gibt Schwierigkeiten in der zeitlichen Koordination der Schritte, sprich eine Zunahme der Schrittzeitvariabilit¨at [103]. Dabei f¨allt das verminderte Mitschwingen der Arme auf. Da eine K ¨orperseite h¨aufig schwerer betroffen ist, schwingt ein Arm weniger mit als der Andere. Ebenfalls treten gelegentlich komplette Motorblockaden des Ganges auf. Diese werden als Freezing of Gait (FOG) bezeichnet, was ¨ubersetzt das Festfrieren des Ganges bedeutet. FOG ist ein h¨aufiges Symptom bei Parkinsonpatienten [25, 70, 91, 92, 198]. FOG ist trotz Jahrzehnten der Par- kinsonforschung ein unverstandenes Symptom. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit diesem komplexen Krankheitszeichen. Patienten mit Morbus Parkinson und FOG werden in dieser Arbeit zur Vereinfachung als Freezer bezeichnet.

2.1 Das physiologische Gangbild

Zuerst muss zum weiteren Verst¨andnis der physiologische Gang beleuchtet werden. Der menschliche Gang ist ein komplexer Vorgang. Dies soll mit ein paar Beispielen verdeut- licht werden. Jeder Fuß befindet sich w¨ahrend der Schwingphase des Gehens ein bis zwei Zentimeter ¨uber dem Boden und dies mit einer Abweichung von wenigen Millimetern [262]. Bei der hohen Anzahl an Schritten, welche wir jeden Tag durchf ¨uhren, ist dies

¨uberraschend genau. Jeder Schritt muss individuell an die Umgebung angepasst werden, um kleine Unebenheiten auszugleichen und so Stolpern und St ¨urze zu vermeiden. Trotz- dem ist der menschliche Gang aus energetischer Sicht effizient [3, 203]. Solange der Gang tadellos funktioniert, l¨auft die Regulation des Gehens ohne dass wir bewusst dar ¨uber nachdenken. Trotzdem ist eine Vielzahl von Muskeln und neuronalen Netzwerken in der Regulation jedes Schrittes involviert, z. B. Netzwerke der Aufmerksamkeit, exekutiven Funktion und Kognition [268]. Diese neuronalen Korrelationen des menschlichen Gan- ges wurden in zahlreichen Studien untersucht. Da der menschliche Gang an sich nicht direkt in bildgebenden Verfahren untersucht werden kann [145], mussten andere Wege bestritten werden. So wurde Bildgebung in Ruhebedingung durchgef ¨uhrt, um die neu- ronalen Netzwerke zwischen Freezern, Nicht-Freezern und Gesunden zu untersuchen.

Ebenfalls kann Bildgebung hilfreich sein, bei welcher sich die Patienten das Gehen nur

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vorstellen (aus den Englischen: motor imagery (MI)) oder die Bildgebung direkt nach einer Gangtestung durchgef ¨uhrt wird. Dies ist m ¨oglich, da sich die selben neuronalen Netzwerke w¨ahrend des Gehens und w¨ahrend der MI aktivieren und es hier nur geringe Abweichungen der neuronalen Aktivit¨at vom realen Gang gibt [196, 45, 81, 157, 158].

Mit diesen Verfahren und mit den Ergebnissen aus Tierversuchen, wie der dezerebrie- ten Katze, konnte das Gangnetzwerk zu Großteilen identifiziert werden. Zum besseren Verst¨andnis der zerebralen Ver¨anderungen bei FOG soll das Gangnetzwerk nun zuerst im Gesunden erl¨autert werden. Diese Darstellung kann sich leider nur auf einen groben Uberblick der neuronalen Gangregulation beschr¨anken, da dieses Thema im Detail ganze¨ B¨ande f ¨ullen k ¨onnte.

Die Kontrolle des Ganges involviert das gesamte muskuloskelettale und neuronale System. Die Bewegungsinitiierung geschieht durch mindestens zwei Zust¨ande, einer willk ¨urlichen bewussten Motivation, deren Ursprung im frontalen Kortex liegt und [231]

einer emotionalen Motivation, welche ihren Ursprung im limbisch-hypothalamischen System hat [232]. Ein Beispiel dieser emotionalen Motivation w¨are die sympathische Kampf-, Flucht- oder Angstreaktion [232]. Diese Bewegungsmotivation wird darauffol- gend in unbewussten automatischen Prozessen in Bewegungsprogrammen zur Rhyth- musgenerierung und posturalen Stabilit¨at ausformuliert. Ebenfalls wird dieser Bewe- gungsplan st¨andig an die Realit¨at angepasst. In den Basalganglien, im zerebralen Kortex und im Kleinhirn werden porpriozeptive, epikritische, vestibul¨are, auditive und visuelle Informationen in den Bewegungsplan eingearbeitet und durch kontinuierliches Feedback weiter angepasst [232]. Unabh¨angig vom Motivationsmodus werden diese Informatio- nen an den Hirnstamm und das R ¨uckenmark weitergeleitet und dort in spezialisierten Zentren verarbeitet [233]. Der Hirnstamm, besonders das mesopontine Tegmentum, in- tegriert die Information willk ¨urlicher Bewegungen, emotionaler Bewegungen und die regulatorischen Einfl ¨usse der Basalganglien und des Cerebellums [231]. Damit spielt diese Region eine Schl ¨usselrolle in der Selektion und Integration in der Bewegungspla- nung [232]. Letztendlich kommt es auf Ebene des Hirnstammes und im R ¨uckenmark zur rhythmischen Aktivierung von neuronalen Netzwerken, welche ausgekl ¨ugelte Program- me zur agonistischen und antagonistischen Muskelaktivierung initiieren. Die Bewegung wird ausgef ¨uhrt und w¨ahrenddessen durch neuronales Feedback fortlaufend kontrolliert und an die sich st¨andig ¨andernden Anforderungen angepasst.

Entgegen der bisherigen Darstellung sind die neuronalen Schaltkreise des R ¨uckenmarks in der Lage selbstst¨andige Gangbewegungen zu initiieren. Dies zeigt sich bei dekapitier- ten Katzen, welche selbstst¨andig gehen k ¨onnen oder bei menschlichen Neugeborenen, welche bereits rhythmische Gehbewegungen ausf ¨uhren. Dies geschieht in lokalen Zen- tren, dem aus dem Englischen: central pattern generator (CPG). Hierbei kommt es durch Vernetzung verschiedener Interneurone zur agonistischen und antagonistischen Aktivie- rung der großen Motorneurone auf R ¨uckenmarksebene und somit zur Koordination der Muskeln eines Beines sowie zur entgegengesetzten Aktivierung des Muskelgruppen des kontralateralen Beins. Diese Aktivit¨at ist allerdings nicht in der Lage auf ¨Anderungen

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der Umgebung, wie Hindernisse, einzugehen und ben ¨otigt zur effektiven Lokomotion die Steuerung aus den erw¨ahnten supraspinalen Zentren. Hierin unterscheidet sich das Gehen von anderen nicht rhythmischen motorischen Aktivit¨aten, da diese eher supraspi- nal geplant werden. Allerdings kann aufgrund der CPGs nicht der R ¨uckschluss gezogen werden, dass das Gehen eine einfache motorische Leistung ist. Im Gegenteil bedarf es, wie oben bereits aufgef ¨uhrt, die kognitve Aufmerksamkeit und eine Reihe integrativer Prozesse bis zum Erreichen eines unfallfreien Ganges [105].

2.2 Freezing of Gait

FOG wird als kurze, episodenhafte Abwesenheit oder erhebliche Reduktion der Vorw¨arts- bewegung der F ¨uße, trotz der Absicht zu gehen, definiert [25, 88]. Hierbei berichten die Patienten, dass sie w¨ahrend des Gehens pl ¨otzlich nicht mehr in der Lage sind einen Fuß vor den anderen zu setzen, so als w ¨urden die F ¨uße am Fußboden festkleben. FOG tritt da- bei bei 50% der Patienten mit IPS f ¨unf Jahre nach Diagnosestellung auf. Dieser Prozentsatz nimmt mit fortschreitender Erkrankung noch weiter zu [17, 92, 144]. FOG in Kombinati- on mit anderen Gangst ¨orungen f ¨uhrt subjektiv zu einer erheblichen Einschr¨ankung der Lebensqualit¨at der Parkinsonpatienten [30, 122, 159, 198]. FOG f ¨uhrt h¨aufig zu St ¨urzen [126, 137] und schwere Verletzungen sowie Hospitalisierung k ¨onnen die Folge sein [25, 122, 151, 159, 198]. FOG verursacht in ausgepr¨agten Stadien die Abh¨angigkeit vom Roll- stuhl und die Pflegebed ¨urftigkeit [90]. Zusammengefasst betrifft FOG einen Großteil der Parkinsonpatienten und hat erhebliche Auswirkungen auf deren Lebensqualit¨at [92, 122].

Zum besseren Verst¨andnis dieses Symptoms werden nun verschiedene Aspekte des Freezings erl¨autert. Freezing ist assoziiert mit l¨angerer Erkrankungsdauer und fortge- schrittenen Erkrankungsstadien [144]. Freezing ist h¨aufiger bei M¨annern zu beobachten und bei Patienten, die Dopaminagonisten zus¨atzlich zu ihrer L-Dopa Medikation einneh- men [144]. Es lassen sich f ¨unf FOG Subtypen abgrenzen. Das Festfrieren tritt besonders zur 1) Bewegungsinitiierung, 2) bei Drehungen, 3) in Engstellen, 4) in freien Passagen und 5) vor dem Erreichen eines Zieles auf (Abbildung 2.1) [40, 41, 94, 210, 227]. Ebenfalls wird Freezing durch den ¨Ubergang einer Bewegung in eine andere Bewegung, z. B. beim Beginn des Treppensteigens, ausgel ¨ost [182]. Zus¨atzliche kognitive Belastung, wie Gehen und gleichzeitiges Subtrahieren von Zahlen, provoziert FOG ebenfalls [9, 86, 169, 225, 227].

Kurz vor einer FOG-Episode sind Ver¨anderungen des Gangbildes zu beobachten. Dies bezeichnet man als

”Sequenzeffekt“, d. h. die Schrittl¨age wird jeden folgenden Schritt k ¨urzer, bis der Bewegungsablauf in Form einer Freezingepisode zusammenbricht. Gleich- zeitig nimmt die Schrittfrequenz (Kadenz) zu [37, 115] und es kommt zu einer erh ¨ohten Variabilit¨at des Schritttaktes und der Schrittl¨ange [182]. Kurz vor einer Freezingepisode ist eine St ¨orung der zeitlichen Koordination der Muskulatur der Unterschenkel im EMG zu beobachten [178].

Nun folgen einige Ver¨anderungen, die w¨ahrend der Episoden auftreten. Sie treten

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Abbildung 2.1: FOG Subtypen

FOG Subtypen: Darstellung der FOG Subtypen, welche auftreten bei: A) Bewegungsinitiierung, B) bei Drehungen, C) in Engstellen, z.B. in T ¨urrahmen D) in freien Passagen und E) vor dem

Erreichen eines Zieles.

pl ¨otzlich und unerwartet auf und sind somit schwierig zu messen [48, 178, 88]. Sie k ¨onnen wenige Sekunden bis Minuten andauern. Innerhalb der Subtypen lassen sich drei Muster differenzieren: 1) komplette Akinese, 2) das Zittern der Beine auf einer Stelle mit einer Frequenz von 3-8Hz [160] und 3) als kleine Schritte vorw¨arts, ohne Produktion eines effektiven Schreitens (Abbildung 2.2) [210]. Es kommt zu einer unkoordinierten Aktivit¨at im Elektromyogramm (EMG) der agonistischen und antagonistischen Muskulatur der Beine [182, 267]. Es treten w¨ahrend der Episoden St ¨urze auf [137, 126]. Patienten vom akinetisch-rigiden Typ zeigen h¨aufiger FOG als Patienten vom tremor-dominanten Typ [133, 144]. Dies k ¨onnte zum Teil an erh ¨ohter Atrophie der grauen Substanz in spezifi- schen motorischen Arealen und verminderter Konnektivit¨at verschiedener Regionen bei Patienten vom akinetisch-rigiden im Vergleich zum tremor-dominanten Typ liegen [206].

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Abbildung 2.2: FOG Muster

FOG Muster:

Darstellung der FOG Muster, welche in drei Formen auftreten: A) komplette Akinesie, B) Zittern der Beine auf der Stelle und C) als kleine Schritte vorw¨arts.

Zus¨atzlich konnten Gangver¨anderungen zwischen den Freezingepisoden (interiktal) nachgewiesen werden. Diese sind bei Freezern ausgepr¨agter als bei Parkinsonpatienten ohne FOG. So sind zwischen den Episoden die Schrittl¨ange und –zeit k ¨urzer und die Variabilit¨at dieser ist ebenfalls vergr ¨oßert [103, 129, 195, 192]. Versuche auf Ergometern haben gezeigt, dass die Bein- und Armsynchronisation bei Freezern verringert ist [173].

Bei Drehungen zeigen Freezer eine h ¨ohere Kadenz als Nicht-Freezer oder gesunde Kon- trollen [227, 260]. Folglich gibt es eine Reihe von Ver¨anderungen, welche die Patienten mit FOG auszeichnen. Der BegriffFreezing ist dabei allerdings kritisch zu betrachten, da das Festfrieren, abh¨angig vom Typ, keine wirkliche Akinese darstellt, sondern in einem Teil der Freezingepisoden noch eine geringe Vorw¨artsbewegung zu beobachten ist. Eben- falls muss Freezing von Festination unterschieden werden. Dies ist nicht in allen F¨allen einfach. Bei der Festination handelt es sich um das Auftreten kurzer Schritte mit einer hohen Kadenz, wobei der K ¨orperschwerpunkt vor die F ¨uße der Patienten f¨allt. Um einen Sturz zu vermeiden, zieht dies den Patienten im Ausgleich nach vorn [93]. Im Gegensatz zum Freezing k ¨onnen die Patienten bei der Festination das Gehen nicht einstellen. Aller- dings gibt es hier auch ¨Ahnlichkeiten im Bewegungsmuster, wie die kurze Schrittl¨ange, eine erh ¨ohte Schrittfrequenz und -variabilit¨at [25, 48, 93]. Teilweise sind die ¨Uberg¨ange zwischen Festination und vom FOG-Typ kleine Schritte vorw¨arts fließend.

Ein kognitiver Einfluss auf FOG konnte nachgewiesen werden. So gibt es einen Zu-

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sammenhang zwischen frontaler und exekutiver Dysfunktion [58, 86, 169, 174, 182, 252], Aufmerksamkeits- und Ged¨achtnisfunktionen und FOG [9, 90, 252]. Patienten mit FOG zeigen einen frontalen Hypometabolismus [155], was die frontalen Dysfunktionen erkl¨art.

In verschiedenen Studien zeigte sich bei Freezern eine verminderte Aktivit¨at in einem Netzwerk, welches wichtig f ¨ur kognitive Kontrolle ist, wie die anteriore Inselregion, das ventrale Striatum und der supplement¨ar motorische Kortex [218]. Es ergeben sich folg- lich Hinweise auf St ¨orungen f ¨ur die Bewegungsplanung und -ausf ¨uhrung bei Freezern, welche zu dem Symptom f ¨uhren k ¨onnten.

FOG ist nicht mit den Kardinalsymtomen des Morbus Parkinson assoziiert [17, 92], sondern mit Defiziten der Kognition [8], exekutiven Funktionen [9, 90, 169], Sprache [92, 190], Demenz [87] sowie mit Depression [87] und der posturalen Instabilit¨at [70, 92].

Somit nimmt FOG eine Sonderstellung unter den motorischen Symptomen des Morbus Parkinson ein. Dies deutet auf einen m ¨oglichen anderen neuropathologischen Prozess in der Freezingentstehung im Verlgeich zu der Pathophysiologie der Kardinalsymptome hin.

2.3 Diagnose

Die Diagnose des FOGs ist teilweise herausfordernd, da es unvorhersehbar auftritt und sich besonders in Test- oder Kliniksituationen dem Untersucher entziehen kann [176].

Das Verst¨andnis des Betroffenen ¨uber das Symptom Freezing sollte vor Beginn der Un- tersuchung gekl¨art werden. Eine genaue Beschreibung von Freezing:

”das Gef ¨uhl, als w ¨urden die F ¨uße am Boden festkleben“,

”Probleme das Gehen zu starten, obwohl der Wunsch dazu besteht“ und besonders

”das Auftreten des Freezings bei Drehungen und engen Stellen, wie T ¨uren“ kann die Vorstellung ¨uber das Symptom verbessern. Ebenfalls hilfreich ist eine Demonstration durch den Arzt oder in Form einer Videoaufzeichnung.

Die Aussagen von nahestehenden Personen kann hilfreich sein.

2.3.1 Frageb ¨ogen

Als Screeningmethode f ¨ur Klinik und Forschung eigenen sich Frageb ¨ogen wie der UPDRS II Frage 14 und der FOG-Q (aus dem Englischen: freezing of gait questionnaire) [95, 179, 217]. Wobei der UPDRS II Frage 14 das Vorhandensein von FOG und die Schwere des Symptoms erfragt. Eine weitere Differenzierung des Symptoms ist hier nicht m ¨oglich. Eine neue Version des UPDRS, der MDS-UPDRS umfasst ein vom Patienten auszuf ¨ullendes Screening f ¨ur FOG, ¨ahnlich der vorherigen Version, im Teil II Frage 13. Der dritte Abschnitt des Fragebogens wurde durch Frage 11 erweitert. Diese Frage untersucht FOG w¨ahrend der klinischen Untersuchung und versucht die Schwere des Symptoms zu ermitteln [96].

Eine ausf ¨uhrlichere Befragung ist mittels des FOG-Q m ¨oglich. Hier werden in sechs Fragen die Gehf¨ahigkeit, die Beeintr¨achtigung des allt¨aglichen Lebens durch vorhandene Gangst ¨orungen, das Auftreten von FOG und die Auspr¨agung von FOG ermittelt. Dabei steht eine hohe Punktzahl f ¨ur eine hohe Beeintr¨achtigung der Patienten [89]. Eine neue

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Version dieses Fragebogens, der dreiteilige

”Neue FOG Fragebogen“(NFOGQ) umfasst eine Beschreibung des Symptoms mit m ¨oglicher Pr¨asentation durch ein Video, eine Frage zum Screening von FOG, Fragen zur Auspr¨agung des Symptoms und den Einfluss von Freezing auf die Lebensqualit¨at der Patienten. Die Demonstration des Videos zeigte dabei keinen Einfluss auf das Ergebnis des Fragebogens und ist daher nicht obligat. Eine hohe Punktzahl in den Sektionen des Fragebogens korreliert hier ebenfalls mit der Schwere des Symptoms [179]. Der NFOGQ ist zurzeit der Ausf ¨uhrlichste, allerdings nur im Englischen erh¨altlich. Es wird daher die deutsche Version (FOGQ) zur genauen Untersuchung von Freezing empfohlen.

2.3.2 Klinische Testungen

Eine klinische Untersuchung zur Objektivierung des Freezings sollte folgen. Dies kann im klinischen Alltag kurz gehalten werden und bedarf keiner kostenintensiven Technik.

Eine Gangtestung, bei welcher der Patient von einem Stuhl aufsteht, ein paar Meter gera- deaus durch eine Engstelle geht und welche Drehungen umfasst, ist ausreichend. So eine Gangtestung kann 8m und k ¨urzer sein. Wichtig ist, dass sie die verschiedenen Elemente, welche FOG provozieren, enth¨alt, also Ganginitiierung, Engstellen, das Erreichen eines Zieles, offene Stellen und besonders Drehungen (Abbildung 2.3).

Abbildung 2.3: FOG Gangtest

FOG Gangtest: Dieser Gangtest enth¨alt eine Vielzahl FOG-provozierender Faktoren: A) Bewegungsinitiierung, B) freie Passagen, C) Engstellen, z.B. ein T ¨urrahmen D) das Erreichen

eines Zieles und E) schnelle Drehungen um die eigene Achse.

Der Patient sollte dabei angehalten werden so schnell wie m ¨oglich zu gehen. Die Dre- hungen k ¨onnen mehrmals um die eigene Achse in verschiedenen Richtungen erfolgen.

Schnelle volle Umdrehungen zeigten eine Sensitivit¨at von 65% und eine Spezifit¨at von

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100%. Eine Ganguntersuchung mit den eben beschriebenen Provokationsfaktoren zeigte eine Sensitivit¨at von 63% und eine Spezifit¨at von 63% [223]. Zur reinen Objektivierung des subjektiven FOGs reichen h¨aufig schnelle Drehungen in engen R¨aumen aus. Zur ge- naueren Differenzierung der FOG-Subtypen sollte zumindest eine Gangtestung erfolgen.

Falls der Untersucher den Eindruck hat, der Patient leidet unter FOG, welches in den be- schriebenen Situationen bisher nicht beobachtet werden konnte, sollte er durch kognitive Belastung des Patienten w¨ahrend der Gangtestung den Druck erh ¨ohen. Dazu kann der Patient aufgefordert werden in den beschriebenen Situationen Zahlen zu subtrahieren oder ein Tablett mit einem Wasserglas zu tragen [210, 223, 221]. Schnelle ganze Drehun- gen auf einer Stelle sind wie bereits erw¨ahnt ein geeigneter Test um FOG zu provozieren [223] und werden als Pirouettentest bezeichnet.

Die genaue Vermessung von FOG ist im klinischen Alltag nicht sinnvoll. Verschiedene Vermessungssysteme zur Erfassung von FOG im Alltag des Patienten, z. B. zu Hause, sind in Entwicklung und werden dem behandelnden Arzt in Zukunft helfen, das Ausmaß des FOGs zu erfassen sowie m ¨ogliche Therapieerfolge abzusch¨atzen. Im Rahmen von Studien gibt es eine Vielzahl von Vermessungssystemen, welche zur FOG-Erfassung geeignet sind [108, 223, 248]. Erw¨ahnenswert sind besonders Accelerometer, welche FOG im Alltag des Patienten ermitteln und somit das Ausmaß und die therapeutischen Erfolge von FOG genau ermitteln.

2.3.3 Differenzierung von OFF- und ON-FOG

Von therapeutischer Relevanz ist die Differenzierung von Freezing, welches L-Dopa- sensibel (OFF-FOG) [210], -unsensibel ist oder sogar durch Dopamin induziert wird (ON-FOG) [7, 68]. Ebenfalls gibt es FOG, welches scheinbar ON-FOG darstellt, aller- dings bei erh ¨ohten L-Dopadosen sistiert und damit ein relatives ON-FOG, Pseudo-ON- FOG, darstellt. Zur Differenzierung dieser Typen empfiehlt sich zun¨achst eine Testung im Dopa-OFF oder Dopaminauslassversuch. Dabei wird nach Verzicht auf die dopami- nerge Medikation f ¨ur mindestens 12 Stunden ein Gehtests ohne Medikation (Dopa-OFF) durchgef ¨uhrt. Danach erfolgt ein weiterer Gangtest nach Einnahme schnell wirksamen L-Dopas. Eine Veringerung der FOG-Anzahl und Dauer spricht f ¨ur wahres OFF-FOG.

Bei Zunahme der Anzahl der FOG-Episoden und FOG-Dauer wird von ON-FOG aus- gegangen. Espay et al. (2012) empfehlen eine weitere Testung im Supra-Dopa-ON um ein Pseudo-ON-FOG auszuschließen [68]. Bei weiterer Abnahme des FOGs ist sicher von OFF-FOG, bei weiterer Zunahme ist sicher von ON-FOG, auszugehen. Nimmt die FOG- Anzahl und Dauer zun¨achst im Dopa-ON nicht oder weiter zu, allerdings im Supra-ON ab, wird ein Pseudo-ON-FOG angenommen [68].

2.4 Therapie des Freezing of Gait

Die Therapie des FOGs gestaltet sich schwierig, da die pathophysiologische Erforschung am Anfang steht und es kein einheitliches Konzept der Ursachenkl¨arung gibt [182]. FOG

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ist nicht mit Bradykinesie, Tremor oder Rigidit¨at assoziiert [92, 17]. Bradykinese kann durch dopaminerge Stimulation verbessert werden, wohingegen dies nicht immer auf Freezing zutrifft [17]. Bei OFF-FOG sind L-Dopa und Dopaminagonisten in der Lage die H¨aufigkeit und die Dauer von Freezingepisoden zu verringern. In der Regel ist Free- zing in fr ¨uhen Stadien des IPS durch Dopamin oder Dopagonisten behandelbar [161].

Im Laufe der Erkrankung nimmt diese Sensibilit¨at allerdings ab [25, 92, 161, 215] und eine Behandlung der Freezingepisoden gestaltet sich schwierig [52]. Falls das Freezing nicht auf Dopamin sensibel ist, sind die therapeutischen Optionen gering. Die Ursache k ¨onnte schlicht in einer Unterdosierung der Medikation liegen. Folglich sollte ein Ver- such die Medikamentendosis zu erh ¨ohen nicht unterlassen werden (Pseudo-ON-FOG) [52]. Die Optimierung der dopaminergen Medikation bleibt folglich die wichtigste Be- handlungsoption f ¨ur FOG [182]. Weitere vereinzelt erfolgreiche Optionen sind aktuell Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, wie z. B. Methylphenidat, Amantadin, Donecepil und einige Antidepressiva [53, 54, 140]. Die Injektion von Botulinumtoxin in die Wadenmuskulatur wird wegen erh ¨ohter Sturzgefahr nicht mehr durchgef ¨uhrt [98].

Im Falle von ON-Freezing hilft die Verringerung der dopaminergen Medikation [182].

Dabei sollte die Balance zwischen dopaminerger Medikation, welche wichtig ist, um die Kardninalysmptome ausreichend zu kontrollieren und einem f ¨ur den Patienten noch er- tr¨aglichen Freezingniveau gewahrt werden. Gegenstand experimenteller Studien ist die Therapie mit L-DOPS und Amantadin [84, 128].

Als weitere Option bleibt die Tiefe Hirnstimulation. Indikationen zur THS bei FOG be- finden sich zurzeit in Untersuchung. Die THS wird in sp¨ateren Erkrankungsstadien des Morbus Parkinson bei zunehmenden Wirkfluktuationen und zunehmenden dopaminer- gen Dyskinesien eingesetzt [51, 212]. Nach STN-THS kann die dopaminerge Medikation erheblich reduziert werden. Ebenfalls werden die OFF-Zeiten verringert [79, 85]. Prim¨ar wirkt sich die STN-THS positiv auf die klassischen Kardinalsymptome wie Bradykinese, Tremor, Rigor und weniger auf die posturale Instabilit¨at aus [72]. Die Stimulation des STN mit einer Frequenz von 130Hz und einer Impulsbreite von 60µs hat sich als erfolgreiche Therapie f ¨ur Freezingpatienten herausgestellt, welche vorher ein gutes Ansprechen auf L-Dopa zeigten [75, 163]. So vergr ¨oßert STN-THS die Schrittl¨ange bei Freezern und ver- mindert damit die Wahrscheinlichkeit f ¨ur das Auftreten von FOG. Eine neuere Studie konnte eine Verringerung von FOG durch STN-THS bei OFF-Freezern sechs und zw ¨olf Monate nach Implantation demonstrieren [251]. Eine genauere Ausf ¨uhrung der Therapie durch THS erfolgt in einem sp¨ateren Kapitel und wird daher an dieser Stelle nicht weiter vertieft.

Weitere Therapieoptionen mit guten Ergebnissen beinhalten die Physiotherapie und die Nutzung auditorischer oder optischer Signale [33, 172, 222]. So helfen Metronome als externe Taktgeber die Aufmerksamkeit der Patienten auf den Gehakt zu lenken und somit das Schreiten aufrecht zu halten. Visuell werden modifizierte Gehst ¨ocke eingesetzt, an denen ein ausklappbarer Stock, invertierter Gehstock [56], oder ein Laser befestigt ist [59]. Brillen, welche via Laser Linien auf den Boden projizieren, zeigen sich ebenfalls wir-

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kungsvoll [242]. Hier wird als optisches Signal ein Strich auf den Boden projiziert, ¨uber welchen der Patient steigen kann. Interne Taktgeber, bei welchen Patienten ihre Auf- merksamkeit auf das Gehen lenken, zum Beispiel durch z¨ahlen, k ¨onnen ebenfalls helfen [199]. Ein erh ¨ohter Stresslevel, zum Beispiel beim Arzt, kann FOG ebenfalls vermindern [199, 221]. Diese Methoden stellen Optionen dar, um die Patienten in ihren Alltag zu unterst ¨utzen. Physiotherapeutische Ans¨atze beinhalten Training von Muskulatur, Koor- dination, Gleichgewicht und den Einsatz rhythmischer Musik, wie Tango [62, 100]. Ein neu entwickelter physiotherapeutischer Ansatz ist die

”Lee-Silverman-Voice-Treatment- BIG-Methode“ bei der das Training zur Ausf ¨uhrung von großamplitudigen Bewegungen im Vordergrund steht. Das Ziel ist die kleinamplitudigen FOG-induzierenden Bewegun- gen der Patienten zu vermeiden und damit das Auftreten von FOG zu verringern [66].

Neue Ans¨atze beinhalten physiotherapeutisches Training mit Hilfe von therapieassis- tierenden Robotern, um die Patienten optimal zu trainieren und die Physiotherapeuten dabei k ¨orperlich zu entlasten [15, 142].

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Entstehung von Freezing

3.1 Neuronale Ver ¨anderungen bei Freezern

Nun werden einige potentielle neuronale Regionen n¨aher beleuchtet, welche durch eine Sch¨adigung oder pathologische Aktivierung zu Freezinggenese beisteuern k ¨onnten.

Innerhalb der grauen Substanz des R ¨uckenmarks befinden sich neuronale Netzwer- ke, welche durch rhythmische Aktivierung von Agonisten und Antagonisten eine un- abh¨angige Steuerung von Bewegungen ¨ubernehmen. Diese werden als zentrale Rhyth- musgeneratoren (CPG) bezeichnet [57]. Die CPGs k ¨onnen unabh¨angig vom Kortex, wie in dezerebrierten Katzen gezeigt wurde, das Gehen, Traben und Galoppieren der Katze steuern, solange sich das Tier auf einer Ebene ohne Hindernisse fortbewegt, also keine supraspinale Kontrolle ben ¨otigt [257]. Bei Freezern w¨are eine Sch¨adigung dieser CPGs denkbar, da kurz vor und w¨ahrend des FOG keine koordinierte rhythmische Kontrolle der agnonistischen und antagonistischen Muskulatur erfolgt [178, 182, 267]. Da es keine Hinweise pathologischer Ver¨anderungen der CPGs beim Morbus Parkinson gibt, wird eine Sch¨adigung bei Freezern in supraspinalen Zentren vermutet [182]. Diese supraspi- nale Kontrolle ist f ¨ur die Initiierung und Anpassung des Ganges an die Anforderungen der Umgebung verantwortlich. Die wichtigen supraspinalen Zentren sind die pontome- dull¨are Formatio reticularis, das mesenzephalische Lokomotionszentrum (MLZ), welches den Nucleus pedunculopontinus (PPN) einschließt, die Basalganglien, der frontale Kor- tex sowie parietale und occipitale Regionen. Beteiligte Strukturen im Freezingnetzwerk wurden durch neuronale L¨asionen (Tabelle 3.1.) und bildgebende Verfahren ermittelt. Bei den bildgebenden Verfahren wurden Ver¨anderungen in Volumina bestimmter Hirnstruk- turen durch voxel-basierte Morphometrie (VBM) ermittelt (Tabelle 3.2.). Positronenemis- sionstomographie (PET) konnte unterschiedliche Stoffwechselaktivit¨aten (Tabelle 3.3.), Diffusion Tensor Imaging (DTI) unterschiedlich ausgepr¨agte Faserverbindungen (Tabel- le 3.3.), funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) und Single-Photon-Emission- Computer-Tomographie (SPECT) verschiedene Aktivierungsmuster zwischen Freezern und Nicht-Freezern demonstrieren (Tabelle3.3.). Zum ¨Uberblick dieser Studien folgen nun einige Tabellen.

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Tabelle 3.1: ¨Ubersicht von Artikeln zu neuronalen L¨asionen, die FOG induzieren Publikation L¨asionsort/-art Entstandene Pathologie

L¨asionen im STN

Ferraye et al. (2008) [75] STN-THS STN-THS induzierte FOG in 11 von 163 implantierten Patienten

Tommasi et al. (2007) [240] deplatzierte Lage von STN-THS- Elektrode (zu weit anterior- medial)

FOG, welches sich nach Anderung der Elektroden-¨ lage besserte - vermutlich waren pallidale Projektio- nen zum PPN verantwort- lich

L¨asionen im PPN

Kuo et al. (2008) [132] bilateraler Infarkt im PPN

FOG trat nach dem Infarkt auf

Masdeu et al. (1994) [154] Blutung in ponto- medull¨arer Kreu- zung, PPN

Gang- und Standunf¨ahig- keit

L¨asionen der Basalganglien

Nakajima et al. (2013) [170] vasogenes ¨Odem bilateral in den Basalganglien

¨odemabh¨angiges reversi- bles FOG

Kim et al. (2001) [127] anterior mediale L¨asion des Glo- bus pallidus

FOG

Shahar et al. (2012) [216] Odem im Globus¨ pallidus pars in- ternus

reversibles FOG nach Odem¨

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Tabelle 3.1: ¨Ubersicht von Artikeln zu neuronalen L¨asionen, die FOG induzieren Publikation L¨asionsort/-art Entstandene Pathologie

L¨asionen im Kortex

Della Sala et al. (2002) [46] L¨asion des SMA Gangapraxie

Abk ¨urzungen: THS (Tiefe Hirnstimulation), PPN (Nucleus pedunculopontinus), SMA (Supplement¨ar motorisches Areal), STN (Nucleus subthalamicus)

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Tabelle 3.2: ¨Ubersicht von Artikeln zur Reduktion der grauen Substanz bei Freezern im Vergleich zu Nicht-Freezern

Publikation Methodik Entstandene Pathologie

Kostic et al. (2012) [130] VBM frontale und parietale Atrophie der grauen Substanz, welche mit FOG und exekutiver Dysfunktion asso- ziiert ist

Tessitore et al. (2012) [235] VBM Atrophie der grauen Substanz im linken Cuneus, Precuneus, Gyrus lingualis, posterioren Cingulum Snijders et al. (2011) [224] VBM Atrophie im MLZ

Herman et al. (2013) [109] VBM Atrophie der grauen Substanz im Lobus parietalis inferior und Gyrus angularis, FOG war assoziiert mit dem Volumen des Nucleus cauda- tus

Sunwoo et al. (2013) [230] VBM vermindertes thalamisches Volu- men bei Freezern

Abk ¨urzungen: MLZ (mesencephalisches Lokomotionszentrum), VBM (voxel-basierte Mor- phometrie)

(33)

Tabelle 3.3: ¨Ubersicht von Artikeln zur Bildgebung im Vergleich von Freezern und Nicht- Freezern

Publikation Methodik Entstandene Pathologie

Bartels et al. (2006) [18] FDOPA-PET, FDG-PET

niedrigere FDOPA- und erh ¨ohte FDG-Aufnahme im Putamen, Auf- nahme FDOPA, FDG im Nucleus caudatus reduziert, FDG Aufnah- me im rechten parietalen Kortex vermindert

Youn et al. (2012) [269] DTI Verminderung der fraktionellen Anisotropiewerte bilateral f ¨ur PPN, superiorer Pr¨amotorkortex, rechtes orbitofrontales Areal, linker SMA Fling et al. (2013) [78] DTI Verminderung der Konnektivit¨at

in der rechten Hemisph¨are von PPN, Cerebellum, Thalamus, Fron- talkortex, Pr¨afrontalkortex

Tessitore et al. (2012) [236] RS-fMRI Verminderte Verbindung im rech- ten fronto-parietalem Netzwerk (besonders im rechten Gyrus fron- talis medialis, Gyrus angularis) und im visuellem Netzwerk (besonders im Gyrus occipitotemporalis) Schweder et al. (2010) [214] DTI verminderte Konnektivit¨at von

PPN zu Cerebellum, vermehrt sichtbare Fasern in der Kreuzung des kortikopontinen Traktes in der anterioren Pons

Cremers et al. (2012) [42] fMRI - BOLD negative Korrelation zu Gangst ¨orung und Aktivit¨at in Pr¨a-SMA, rechter Sulcus intrapa- rietalis, Lobus parietalis superior

(34)

Tabelle 3.3: ¨Ubersicht von Artikeln zur Bildgebung im Vergleich von Freezern und Nicht- Freezern

Publikation Methodik Entstandene Pathologie Snijders et al. (2011) [224] MI - fMRT -

BOLD

erh ¨ohte Aktivit¨at im MLZ, verring- erte Aktivit¨at im SMA und poste- rioren Arealen des Lobus parietalis Shine et al. (2013) [218] VR Aufgabe -

fMRT - BOLD

niedrigeres BOLD-Signal bilateral in der anterioren Insula, ventra- len Striatum, Pr¨a-SMA und linkem STN w¨ahrend indirekter kognitiver Signale

Shine et al. (2013) [219] VR Aufgabe- fMRT

funktionelle Entkopplung von kog- nitiven Kontrollnetzwerken und Basalganliennetzwerken, Korrelati- on dieser mit Motorblockaden Imamura et al. (2012) [116] SPECT - rzBF erh ¨ohter rzBF im orbitofrontalen

Kortex (Brodmann-Areal 10,11) und cingul¨aren Motor-Areal (Brodmann-Areal 32)

Abk ¨urzungen: BOLD (aus dem Englischen: blood oxygenation level dependent), DTI (aus dem Englischen: diffusion tensor imaging), FDG (Fluorodeoxyglucose), FDOPA (18[F]- Fluoro-Levodopa), fMRI (aus dem Englischen: functional magnetic resonance image- ry), PET (Positronenemissionstomographie), PPN (Nucleus pedunculopontinus), SMA (Supplement¨ar motorisches Areal), SPECT (aus dem Englischen: single-photon emission computed tomography), rzBF (regionaler zerebraler Blutfluss), RS (aus dem Englischen:

resting state), VBM (voxel-basierte Morphometrie), VR (virtuelle Realit¨at)

3.2 Pathophysiologische Schlussfolgerungen

Aus dem vorherigen Abschnitt geht hervor, dass Freezer zus¨atzlich zu den typischen strukturellen Ver¨anderungen des Morbus Parkinson unter vermehrter Atrophie grauer und weißer Substanz leiden. Diese Atrophie ist nicht global, sondern betrifft spezifische

(35)

Regionen [109, 130, 224, 235, 230, 269]. Patienten vom akinetisch-rigiden Typ leiden ver- mehrt unter FOG als Patienten vom tremor-dominanten Typ [133, 144]. Bei Freezern vom akinetisch-rigidem Typ ist FOG mit vermehrter Atrophie grauer Substanz (SMA und M1) assoziiert [206]. Diese strukturellen Ver¨anderungen k ¨onnten das vermehrte Auftreten von FOG bei dieser Parkinsonuntergruppe erkl¨aren. Andere Studien zeigten, dass Atrophie in diesen Regionen vermehrt bei Freezern auftrat und mit FOG assoziiert war [130, 235, 236].

Aufgrund unterschiedlicher Studienergebnisse, sollten Schlussfolgerungen bez ¨uglich der FOG-Pathophysiologie dennoch mit Vorsicht gezogen werden.

Der dorsolaterale pr¨afrontale Kortex und der anteriore Pr¨afrontalkortex sind von Be- deutung f ¨ur kognitiv kontrolliertes motorisches Verhalten [2, 131]. Funktionierende exe- kutive Funktionen sind eine Voraussetzung f ¨ur einen sicheren Gang [268]. Exekutive Funktionen und Kognition sind bei Freezern im Vergleich zu Nicht-Freezern vermehrt gest ¨ort [169, 227, 243, 245, 252] und frontale Areale leiden bei Freezern vermehrt un- ter Atrophie der grauen Substanz [130, 235]. Diese verminderte frontale Aktivit¨at und verminderte exekutive Funktion sind mit FOG assoziiert [236]. In Zusammenhang mit verminderter Aktivit¨at frontaler kortikaler Regionen, des kognitiven Kontrollnetzwerkes und der exekutiven Funktion ist zu erkl¨aren [218, 236], warum Freezer besonders in Si- tuationen mit vermehrtem kognitiven Anspruch z. B. beim Gehen und gleichzeitigem Z¨ahlen zu Freezing neigen. Dies entspricht dem kognitiven Erkl¨arungsansatz von FOG [243, 244, 245, 246].

Ein Schwellenmodell in der FOG-Entstehung wird von Plotnik et al. (2012) vertreten [193]. Wie schon erw¨ahnt leiden Freezer vermehrt unter interiktalen Gangst ¨orungen als Nicht-Freezer. Wenn diese Gangparameter sich weiter verschlechtern, z. B. Amplituden- reduktion, Kadenzerh ¨ohung [37, 115, 177, 193], Asymmetrie [195] und/oder Koordina- tionsverschlechterung [192], kommt es zum Zusammenbruch der Bewegung und zum Freezing. Dies erkl¨art zum Teil das paroxysmale Auftreten der Episoden.

Die eben genannten Modelle sind in der Lage das pl ¨otzliche Auftreten von FOG zu erkl¨aren, z. B. eine akinetische FOG-Episode. Eine Erkl¨arung f ¨ur die abnorme antagonis- tische EMG-Aktivit¨at oder das Zittern der Knie w¨ahrend vieler Episoden bieten sie nicht.

Hierf ¨ur gibt es zwei Erkl¨arungsmodelle. Das eine Modell postuliert eine Entkopplung von APA (aus dem Englischen: anticipatory postural adjustment) und Ganginitiierung [117].

Jacobs et al. (2009) konnten zeigen, dass bei Freezern die APAs, die Vorbereitungsphase beim Gehen, nicht gest ¨ort ist. Trotzdem fehlt bei der Ganginitiierung bei Freezern h¨aufig der Schrittbeginn und es kommt zum FOG. Dies interpretiert Jacobs damit, dass es zur Entkopplung der neuronalen Netze, welche f ¨ur die APAs verantwortlich sind (SMA und Basalganglien) und der Netzwerke, welche f ¨ur die Motorplanung verantwortlich sind (M1, dorsolateraler pr¨amotorischer Kortex), kommt. Dabei entsteht auf Ebene des Hirn- stammes eine fehlerhafte Integration dieser Netzwerke. Alternativ postuliert Bloem et al.

(2004) eine pathologische oszillierende Aktivit¨at motorischer Zentren [25]. Dies begr ¨undet er damit, dass der Tremor bei Patienten mit Morbus Parkinson und das Zittern der Knie w¨ahrend des FOGs sich in der Frequenz und Komplexit¨at unterscheiden und somit keine

(36)

Erkl¨arung f ¨ur das Zittern der Knie darstellt. Die Frage nach der Ursache des Zitterns der Knie und der akinetischen FOGs ben ¨otigt folglich weiterer Arbeit. Ebenfalls wurden die verschiedenen Muster des FOGs 1) akinetisch, 2) kleine Schritte vorw¨arts oder 3) das Zit- tern auf der Stelle, in der oberen Extremit¨at nicht untersucht und es ist nicht gekl¨art, ob es in der oberen Extremit¨at diese Muster gibt. Eine Entkopplung verschiedener neuronaler Netzwerke in der FOG-Entstehung wurde ebenfalls von Shine et al. (2013) [219] postuliert.

Er zeigte in einer fMRT-Untersuchung eine funktionelle Entkopplung der Basalganglien und des kognitiven Kontrollnetzwerkes bei Freezern. Dieses Entkopplungsmodell in der FOG-Entstehung ben ¨otigt allerdings Verifizierung durch weitere Studien. Shine disku- tiert ebenfalls die M ¨oglichkeit, dass FOG das Resultat einer globalen Verminderung der Informationprozessierung bei Freezern darstellt. Hierbei kommt es zum Zusammenbruch der Informationsprozessierung im frontostriatalen (kognitiven) Netzwerk [219], ¨ahnlich dem Schwellenmodell.

Ein weiteres Modell zur FOG-Entstehung ist das Konkurrenz- oder Interferenzmodell.

Hierbei konkurrieren gesch¨adigte neuronale Netzwerke um Ressourcen zur Datenverar- beitung [139]. Bei Gesunden sind die Basalganglien und Netzwerke intakt und erlauben Datenverarbeitung ¨uber verschiedene alternative Netzwerke. Diese Netzwerke verlie- ren bei Morbus Parkinson durch die Deletion von Dopamin und anderer Transmitter sowie durch neuronale Degeneration an der Kapazit¨at zur gezielten Datenverarbeitung.

Bei Freezern sind diese Netzwerke mehr gesch¨adigt als bei Nicht-Freezern. Somit sind sie anf¨alliger f ¨ur eine ¨Uberladung der Informationsverarbeitung. Wenn diese Reserve ersch ¨opft ist, besonders bei erh ¨ohtem kognitiven, visuellen oder sensorischen ¨Uberfluss, kommt es zur ¨Uberforderung der direkten und indirekten Bahnen (Albin und DeLong- Modell der Basalganglien) und zum Bewegungszusammenbruch. Dieses Modell ist in der Lage das paroxysmale Auftreten von FOG zu erkl¨aren, besonders beim Ausf ¨uhren ver- schiedener Aufgaben zur selben Zeit. Es erkl¨art ebenfalls, dass durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf das Gehen, das Auftreten von FOG vermindert wird (Hyperdirekter Weg - Basalganglienmodell).

Das verminderte Auftreten von FOG durch verst¨arkte mentale Aufmerksamkeit auf das Gehen oder externe Hilfestellungen wie Linien auf dem Boden, der invertierte Gehstock oder akustische Taktgeber bilden einen weiteren Erkl¨arungsansatz zur FOG-Entstehung.

Bei Patienten mit FOG ist folglich die interne Generation von Bewegungen verst¨arkt in Mitleidenschaft gezogen. Werden die neuronalen Ressourcen dieser automatischen Pro- zesse zur Bewegungsgenerierung aus den beteiligten Regionen abgezogen, um gleich- zeitig andere Aufgaben zu erf ¨ullen, wie z. B. das Reden w¨ahrend des Gehens, bricht das interne System zusammen und FOG entsteht [227]. Dieses intern automatisierte System und die involvierten Regionen werden als mediale Schleife bezeichnet. Dieses interne Defizit kann durch Kompensation ¨uber die laterale Schleife, also die Regulation ¨uber ex- ternen Input und die involvierten Regionen, ausgeglichen werden. Dies wird in der Klinik eindrucksvoll durch das Setzten eines Fußes vor den Patienten, welcher gerade eine FOG- Episode erf¨ahrt und mit dieser Hilfestellung mit Leichtigkeit den vorher festgefrorenen

(37)

Fuß ¨uber den des Arztes hebt und seinen Gang fortsetzt, bewiesen.

Cowie et al. (2010) [41] postuliert in der Freezingentstehung die Relevanz eines visuo- motorischen Netzwerkes. Hier gingen Parkinsonpatienten durch T ¨uren verschiedener Weite. Die Patienten sch¨atzten die T ¨uren in Bezug auf die Weite richtig ein, trotzdem nahm die Gangst ¨orung mit kleiner werdender T ¨ur zu. Je kleiner die T ¨ur war, desto mehr FOG trat auf. Die Gangst ¨orungen konnte durch dopaminerge Medikation, allerdings nicht durch STN-THS, verbessert werden [40, 41]. Diese und andere Studien beweisen, wie wichtig visuelle Informationen f ¨ur das Gehen sind und das ein visuo-motorisches Netzwerk in der FOG-Entstehung involviert ist. Nur dadurch k ¨onnen visuelle Hinweise, wie der invertierte Gehstock oder Raster auf dem Fußboden, helfen, Freezingepisoden zu

¨uberwinden und ihr Auftreten zu vermindern [33, 242, 249]. Tessitore et al. (2012) [236]

zeigte eine verminderte Aktivit¨at im visuellen Kortex bei Freezern verglichen mit Nicht- Freezern. Diese Minderung war mit der Schwere des FOGs assoziiert. Damit unterst ¨utzt Tessitore die Rolle der visuellen Systems in der FOG-Entstehung.

Eine besondere Rolle bei der FOG-Entstehung hat in den letzten Jahren der PPN, wel- cher im MLZ liegt, erlangt. Bei Stimulation der MLZ in dezerebrierten Katzen wird ste- reotypes Gehen induziert [61]. Bilaterale Infarkte im PPN f ¨uhrten zu FOG [132]. Der PPN ist ebenfalls Fokus f ¨ur die THS-Therapie bei FOG [164, 238]. Nach dem Modell von Albin und DeLong wird angenommen, dass durch den Morbus Parkinson der PPN vermehrt inhibitorischen gabaergen Input aus dem Globus pallidus pars internus erh¨alt [13, 189]

und damit die deszendierenden motorischen Bahnen des PPN hemmt. Es wird vermutet, dass ein positiver Effekt der PPN-THS auf Hemmung der Inhibition aus dem Globus palluidus pars internus beruht. Ballanger er al. (2009) konnten zeigen, dass unilatera- le PPN-Stimulation den regionalen zerebralen Blutfluss (rzBF) und damit die Aktivit¨at im Cerebellum, Thalamus und dem MLZ erh ¨ohte. Die rzBF Ver¨anderungen korrelier- ten mit der Gangverbesserung bei Freezern [14]. Fling et al. (2013) [78] demonstrierten eine rechtsseitige Verminderung der Verbindung des PPN mit Cerebellum, Thalamus, Frontal- und Pr¨afrontalkortex. Je mehr diese Verbindungen auf die linke Seite latera- lisiert waren, desto geringer war die Leistung in kognitiven und exekutiven Tests, bei Freezern. Fling et al. diskutieren, dass eine St ¨orung in den Konnektivit¨aten des supra- spinalen lokomotorischen Netzwerkes [118] zu St ¨orungen bei Initiierung, Erhaltung und der Anpassung von Haltung und Gang f ¨uhren [78]. Besonders die Verminderung der rechtshemisph¨arischen Aktivit¨at und Konnektivit¨aten sei bei Freezern gest ¨ort und f ¨uhre zu FOG [78]. Durch Ableitungen des PPNs bei Freezern zeigte sich Alpha-Oszillationen in der kaudalen Subregion des PPNs, welche mit dem Gehen korrelierte. Rostrale Beta- Aktivit¨at zeigte keine Verbindung zum Gehen [238]. In Tierexperimenten zeigte sich der kaudale Anteil haupts¨achlich als cholinerg und glutamaterg [152]. Diese Alpha-Power im PPN vergr ¨oßert sich durch L-Dopa. Was bedeutet, dass sie durch das dopaminerge Defizit bei Morbus Parkinson verringert ist [11]. Ebenfalls ist eine Verringerung der Alpha-Power im PPN mit FOG assoziiert, wohingegen eine erh ¨ohte Alpha-Power im PPN mit einer Gangverbesserung korrelierte [238]. Zus¨atzlich zeigte sich vor einer FOG-Episode eine

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