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Freezing of Gait“ bei Patienten mit Morbus Parkinson

Als weiteren Beitrag zur FOG-Literatur wurde ein ¨arztlicher Weiterbildungsartikel in deutscher Sprache im Hinblick auf Diagnostik und Therapie des FOGs ver ¨offentlicht.

Diagnostics and therapy of ”freezing of gait ”in patients with Parkinson’s disease.

Amarell M, Cepuran F, Timmermann L, Allert N, Barbe MT.

Fortschr Neurol Psychiatr. 2014 Oct; 82(10):593-605. doi: 10.1055/s-0034-1385164. Epub 2014 Oct 9.

©Georg Thieme Verlag KG.

Diagnostik und Therapie von ‚Freezing of Gait‘ bei Patienten mit M. Parkinson (© Georg Thieme Verlag KG.)

Diagnostics and therapy of ‚Freezing of Gait‘ in patients with Parkinson’s disease

Einleitung

Patienten mit Idiopathischem Parkinson Syndrom (IPS) leiden unter den Kardinalsymptomen Bradykinese, Tremor, Rigor und posturale Instabilita t [1]. Eine spezifische, paroxysmal auftretende Gangsto rung ist das sog. Freezing of Gait (FOG).

Dieses ist nicht mit den Kardinalsymptomen Bradykinese, Tremor und Rigidita t des Morbus Parkinson assoziiert [2,3], sondern stellt mit der posturalen Instabilita t einen eigenen Komplex in der Symptomatik der Patienten dar. FOG verursacht nicht nur Stu rze sondern bedeutet zudem eine starke Einschra nkung fu r Mobilita t und Lebensqualita t der Betroffenen. FOG stellt sowohl die Patienten in der Bewa ltigung ihres Alltags als auch den praktizierenden Neurologen in Diagnostik und Therapie dieses Symptoms vor besondere Herausforderungen. In den letzten fu nf Jahren hat intensive Forschung unsere Erkenntnisse u ber das Freezing erweitert. Im Folgenden sollen diese Erkenntnisse zusammengefasst werden, um die praktische Behandlung dieser Patienten zu erla utern.

Definition

Aktuell wird FOG als eine ohne erkennbare Ursache „kurze episodenhafte Unfa higkeit effektiven Schreitens oder starke Reduktion der Vorwa rtsbewegung der Fu ße, trotz der Absicht zu gehen“ definiert [4,5].

Nomenklatur und Einteilung

FOG wird in fu nf Subtypen unterteilt: a.) FOG bei Ganginitiierung, b.) in offenen Passagen, c.) in engen Passagen, d.) bei Drehungen und e.) beim Erreichen eines Ziels. Diese

Subtypen treten bei vielen Patienten auch kombiniert auf. Eine U bersicht der FOG-Subtypen ist in Abbildung 1 zu finden.

Abbildung 1) U bersicht der FOG-Subtypen

FOG kann hinsichtlich seines Auftretens in 5 Subtypen unterteilt werden: a) Ganginitiierung b) offene Passagen, c) enge Passagen, (wie z.B. Türrahmen), d) volle Umdrehungen auf der Stelle und e) das Erreichen eines Ziels [8,9].

Zusa tzlich bestehen drei verschiedene FOG-Muster, wie a.) Pure Akinese: der Patient zeigt keine Bewegung in den Beinen. b.) Zittern auf der Stelle: dies ist ein Zittern in den Knien und Sprunggelenken ohne eine effektive Vorwa rtsbewegung zu produzieren. c.) Kleine Schritte vorwa rts: der Patient zeigt ein ineffektives Gangbild, bei welchem sich die Fu ße in kleinen Schritten nach vorn schieben [8]. Jeder FOG-Episode la sst sich also hinsichtlich der Umsta nde ihres Auftretens (Subtyp) und hinsichtlich der Gangsto rung an sich (Muster) unterscheiden.

FOG versus Festination

Klinisch gilt es FOG von Festination abzugrenzen [6]. Festination wird vom Patienten als das Gefu hl beschrieben, beim Gehen nach vorn gezogen zu werden, ohne diesen Vorwa rtsdrang aktiv anhalten zu ko nnen. Dabei verschiebt sich der Schwerpunkt des Patienten vor seinen Ko rper. Um einen Sturz zu vermeiden, kompensiert er durch kleine schnelle Schritte mit einer hohen Schrittfrequenz. Im Gegensatz zum Freezing besteht die Schwierigkeit das Gehen einzustellen [7]. Die Unterscheidung von Festination und FOG ist hierbei oft nicht einfach. Das Auftreten von Festination und FOG ist miteinander korreliert

[7]. Einige Autoren diskutieren die Einordnung von Festination in die Kategorie der kleinen Schritte vorwa rts des FOGs [10].

OFF- und ON-FOG

Eine weitere Einteilung wird bezu glich des Ansprechens auf L-Dopa unternommen: 1) FOG, welches in Phasen ohne dopaminerge Medikation auftritt (OFF-FOG) und gut auf dopaminerge Medikation anspricht. 2) Freezing, welches keinen Einfluss durch dopaminerge Medikation zeigt. 3) FOG, welches durch Dopamin induziert bzw.

verschlechtert wird (ON-FOG) [11] sowie 4) Pseudo-ON-FOG, welches durch eine Unterdosierung der Medikation auch im medikamento sen ON auftritt. Im Krankheitsverlauf tritt Freezing zu Beginn ha ufig als OFF-FOG auf, das sich dann zu Pseudo-ON-FOG bzw. Freezing entwickelt, das nicht mehr auf L-Dopa anspricht.

Diagnostische und therapeutische Hinweise zu diesen Unterformen hinsichtlich der L-Dopa-Responsivita t erfolgen in den entsprechenden Kapiteln.

Prävalenz

Fu nf Jahre nach Erstdiagnose der Erkrankung leiden ca. 50% der Patienten mit einem IPS unter FOG. Die FOG-Pra valenz nimmt generell mit zunehmendem Krankheitsprogress zu.

So leiden in fortgeschrittenen Krankheitsstadien bis zu 80% der Patienten unter FOG [12].

FOG ist folglich mit la ngerer Erkrankungsdauer und ho heren Krankheitsstadien assoziiert [3,13]. Es leiden mehr Ma nner unter FOG als Frauen. Patienten, die neben L-Dopa Dopaminagonisten, Amantadin und Entacapon einnehmen, sind ha ufiger von FOG betroffen [7,12]. Patienten, die bei Krankheitsbeginn Gangsto rungen, Sprachsto rungen und Sto rungen des Gleichgewichtes aufweisen, haben ein ho heres Risiko FOG im Krankheitsverlauf zu entwickeln. Tremordominante Patienten hingegen weisen ein geringeres Risiko auf, FOG zu entwickeln [13]. FOG ist mit posturaler Instabilita t, dopamininduzierter Dyskinesie und morgendlicher Fußdystonie assoziiert [13]. FOG tritt ha ufig in fu r den Patienten belastenden Situationen auf und fu hrt ha ufig zu Stu rzen [14].

FOG tritt ebenfalls bei anderen Parkinsonsyndromen auf. Ein fru hes Auftreten von Gangsto rungen und FOG kann Hinweis auf ein atypisches Parkinsonsyndrom sein, z. B.

einer Multisystematrophie (MSA) [15]. Weitere mit FOG assoziierte Erkrankungen sind in Tabelle 1 aufgelistet.

Tabelle 1)

Freezing of Gait –Erkrankungen die mit FOG assoziiert sein können [16]

Parkinson Syndrome

Idiopathisches Parkinsonsyndrom (IPS)

Multisystematrophie (MSA) [15]

Progressive Supranuklea re Blickparese (PSP) [17]

Kortikobasale Degeneration

Sekunda re Parkinsonsyndrome, z. B. vaskula r bedingt Normaldruckhydrocephalus (NPH) [18]

Pure Akinesie, Reines Freezing Syndrom [19]

Andere Erkrankungen, z. B. durch Hirnstammmetastase [20] (Einzelfallberichte) Erkrankungen, welche mit FOG assoziiert sein können.

Diagnose

Im Rahmen der Anamnese sollte der Patient insbesondere bei Stu rzen direkt auf FOG angesprochen werden. Aus unserer Sicht bleibt das Vorhandensein von FOG sonst oft unentdeckt, da viele Patienten erfahrungsgema ß oft nicht von selbst u ber FOG berichten.

Hinzu kommt, dass FOG in einigen Umgebungen, z. B. einer Arztpraxis oder Klinik im Gegensatz zur ha uslichen Umgebung nur schwer hervorzurufen ist [21].

Die Frage: „Haben Sie manchmal das Gefu hl, als wu rden Ihre Fu ße am Boden festkleben?“, ist ha ufig ausreichend, um das Vorhandensein von FOG aufzudecken. Weitere Hilfestellungen fu r die Anamnese sind in Tabelle 2 aufgelistet. Eine Demonstration von FOG und seiner verschiedenen Auspra gungen durch den Arzt oder Therapeuten ist zum besseren Versta ndnis hilfreich. Dies kann durch Imitation von FOG oder durch ein kurzes Video erfolgen. Die Einbeziehung von nahestehenden Personen, wie den Lebenspartnern, kann ebenfalls hilfreich sein.

Tabelle 2)

Anamnese zu FOG

1) Haben Sie das Gefu hl, dass Ihre Fu ße trotz der Absicht zu gehen am Boden festkleben?

2) Treten diese Episoden besonders beim Beginn des Gehens, in engen Passagen (z. B:

Tu rrahmen), weiten Passagen, bei Drehungen oder beim Erreichen eines Ziels auf?

3) Werden die Episoden verursacht durch den U bergang einer Bewegung in eine andere, z. B. am Ende des Treppensteigens?

4) Werden die Episoden verursacht durch besondere Belastungen oder Ablenkungen, z.

B. beim Unterhalten wa hrend des Gehens?

5) Treten diese Episoden in besonderen Stresssituationen, z. B. in Menschenmassen, beim Klingeln des Telefons oder beim Wechsel der Ampel von rot auf gru n auf?

6) Sind Stu rze aufgetreten, z. B. nach vorn, bei Drehungen oder spontane Stu rze ohne erkennbare Ursache?

Hilfestellung zur Anamnese von FOG.

Das Auftreten multipler Stu rze kann einen Hinweis auf FOG liefern. Stu rze treten dann in der Regel nach ventral und lateral auf und fu hren oft zu entsprechenden Verletzungen.

Wird die Frage nach unerkla rlichen Stu rzen mit eventuell resultierenden Verletzungen bei Patienten mit Morbus Parkinson bejaht, sollte FOG als Ursache immer in Erwa gung gezogen werden.

Fragebögen:

Zur Quantifizierung von FOG wurde ein Fragebogen entwickelt, der das Vorhandensein und die Schwere des Symptoms misst [6]. Der UPDRS geht nur in Teil II mit Frage 14 auf FOG ein und ist daher unspezifisch und nicht ausreichend hinsichtlich der Quantifizierung von FOG. In der neueren Version, dem MDS-UPDRS wurde der Fragebogen zumindest um eine Frage bezu glich des FOGs erweitert (Teil III Frage11), somit wird auf die Ha ufigkeit und Schwere von FOG etwas besser eingegangen [22]. Der erste FOG-spezifische

Fragebogen ist der FOG-Q [23]. Dieser ist schnell zu erheben und findet zunehmend Anwendung im klinischen Alltag. Besonders Frage 3: „Haben Sie, wa hrend Sie laufen, eine Drehung machen oder versuchen loszulaufen, das Gefu hl, als ob Ihre Fu ße am Boden festkleben wu rden? “ zeigte eine Sensibilita t von 86% zur Detektion von FOG [24]. Der FOG-Q erfasst generell die Auspra gung der allgemeinen Gangsto rung des Patienten sowie die Schwere und die Ha ufigkeit des FOGs und wird vom Arzt ausgefu llt. Es sind maximal 24 Punkte erreichbar, wobei eine ho here Punktzahl fu r eine stark ausgepra gte Symptomatik spricht. Die motorische Einschra nkung gemessen im UPDRS III, besonders die des Gehens, ist mit dem FOG-Q assoziiert. Eine neuere Version dieses Fragebogens (NFOGQ) ist ebenfalls kurz gehalten, umfasst ein Screening zur Differenzierung von Freezern und Nicht-Freezern, eine Evaluation der Schwere des Symptoms und den Einfluss von FOG auf die Lebensqualita t des Patienten. Beide deutschsprachige Versionen sind zurzeit nicht validiert, die deutsche Version des FOGQ wurde allerdings in mehreren Studien im deutschsprachigen Raum eingesetzt und ist in Tabelle 3 aufgefu hrt.

Tabelle 3) Freezing of Gait Fragebogen (FOG-Q)

FOG SKALA

1. In Ihrem schlechtesten Zustand gehen Sie 0 Normal.

1 Fast normal – etwas langsamer.

2 Langsam aber vo llig selbststa ndig.

3 Ich bin auf Hilfe angewiesen oder benutze die Gehhilfe.

4 Ich kann nicht mehr gehen

2. Beeinflussen Ihre Gehschwierigkeiten Ihre Alltags-Aktivitäten und Ihre

Selbstständigkeit?

0 Nein, gar nicht.

1 Leicht.

2 Mittelma ßig.

3 Ziemlich, schwer.

4 Ich kann nicht mehr gehen.

3. Haben Sie, während Sie laufen, eine Drehung machen oder versuchen loszulaufen (einfrieren), das Gefühl, als ob Ihre Füße am Boden festkleben würden?

0 Nie.

1 Sehr selten – etwa einmal im Monat.

2 Selten – etwa einmal in der Woche.

3 Ha ufig – etwa einmal am Tag.

4 Immer wenn ich gehe.

4. Wie lange dauert Ihre längste Episode des “Einfrierens”?

0. Das kommt nie vor.

1 1-2 Sekunden.

2 3-10 Sekunden.

3 11-30 Sekunden.

4 La nger als 30 Sekunden nicht in der Lage zu Laufen.

5. Wie lange dauert Ihre typische Startverzögerung (“Einfrieren” wenn Sie den ersten Schritt gehen wollen)?

0 Das kommt nicht vor.

1 Es dauert la nger als eine Sekunde bis ich gehen kann.

2 Es dauert la nger als 3 Sekunden bis ich gehen kann.

3 Es dauert la nger als 10 Sekunden bis ich gehen kann.

4 Es dauert la nger als 30 Sekunden bis ich gehen kann.

6. Wie lange dauert Ihre typische Verzögerung an, wenn Sie die Gehrichtung wechseln wollen (“Einfrieren” beim Ändern der Gehrichtung)?

0 Das kommt nicht vor.

1 Ich kann meinen Weg in der neuen Richtung nach 1-2 Sekunden fortsetzen.

2 Ich kann meinen Weg in der neuen Richtung nach 3-10 Sekunden fortsetzen.

3 Ich kann meinen Weg in der neuen Richtung nach 11-30 Sekunden fortsetzen.

4 Ich kann meinen Weg in der neuen Richtung erst nach mehr als 30 Sekunden fortsetzen.

Deutschsprachige, nicht-validierte Version des Freezing of Gait-Questionnaire (FOG-Q) zur Quantifizierung der allgemeinen Gangstörung, (Frage 1), dem Einfluss dieser auf die

Aktivität des täglichen Lebens (Frage 2), einer Frage zum Vorhandensein von FOG (Frage 3) und der Schwere des Symptoms (Fragen 4-6). Es ist eine Punktzahl zwischen 0-24 erreichbar, wobei 0 ein nicht beeinträchtigtes Gangbild und 24 eine schwerste Gangstörung im Rahmen von FOG darstellt (Abdruck der deutschsprachigen Version nach persönlicher Erlaubnis von Prof. Nir Giladi).

Gangtestung:

Um FOG in der Untersuchung zu provozieren, genu gen ha ufig schnelle ganze Drehungen in verschiedene Richtungen [9]. FOG kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 84% durch schnelle volle Drehungen induziert werden [9]. Sollte dies nicht ausreichen, haben sich verschiedene Testmethoden bewa hrt. Wichtig ist, dass die Tests alle FOG induzierende Faktoren beinhalten. Der Gangtest sollte um genu gend freien Raum zu schaffen in einem offenen Flur, erfolgen und weitere Sto rfaktoren zu minimieren. Eine Gehstrecke von wenigen Metern, z. B. 5-10m, ist oft ausreichend. Ein an unserem Zentrum ha ufig fu r wissenschaftliche Zwecke benutzter Gangtest hat sich aus unserer Sicht auch fu r die allta gliche klinische Testung bewa hrt. Der Patient sitzt anfangs auf einem Stuhl. Er steht auf, beginnt zu Gehen (Ganginitiierung) und la uft ein paar Meter (offene Passage) durchquert eine Engstelle (enge Passage – z. B. bestehend aus zwei Stu hlen, Tu rrahmen).

Es folgt eine offene Stelle mit einer Markierung am Ende der Gehstrecke (Ziel). Der Patient fu hrt mindestens eine Drehung nach rechts und mindestens eine Drehung nach links durch (empfohlen 540° nach rechts, 360° nach links). Nach den Drehungen erfolgt der Ru ckweg zum Anfang der Gehstrecke. Da FOG wa hrend des Drehens teilweise nur in einer der Richtungen provoziert wird, sollten die Drehungen im Uhrzeigersinn sowie gegen den Uhrzeigersinn vollzogen werden. Bei ausgepra gter Symptomatik und erho hter Sturzgefahr sollte eine Arzt oder Therapeut in Reichweite bleiben, um den Patient ggf.

aufzufangen. Da ein schnelles Gangtempo und schnelle Drehungen mehr FOG provozieren, sollten die Patienten angehalten werden, die Testung im schnellen Tempo zu absolvieren, allerdings ohne dabei zu rennen [6, 8, 9, 25].

War die Testung trotz der subjektiven Beschreibungen des Patienten erfolglos, mit welcher er sich als Freezer identifiziert, gibt es weitere Eskalationsstufen fu r die Testung.

Multitasking ist fu r Patienten mit Morbus Parkinson und besonders mit FOG zunehmend ein Problem und kann FOG provozieren, z. B. durch kognitive Belastung wa hrend des

Gehens. Der Patient wird angewiesen, wa hrend des Gehtests Zahlenreihen laut ru ckwa rts zu subtrahieren oder ein Tablett mit einem Plastikgefa ß mit Wasser zu tragen. Als kognitiv besonders anspruchsvoll ist die Subtraktion der Zahl 17 von 100. Als weitere Provokation ko nnte der Patient schnelle Drehungen in einem engen Raum oder einer engen Kammer durchfu hren.

Differenzierung zwischen OFF- und ON-FOG

Mit der Frage, ob FOG besonders morgens vor der Medikamenteneinnahme auftritt, kann anamnestisch bereits zwischen OFF- und ON-FOG unterschieden werden. Tritt Freezing besonders morgens vor der Medikamenteneinnahme auf und verbessert sich nach Einnahme der Antiparkinsonmedikation, kann in der Regel von OFF-FOG ausgegangen werden [6]. Zur genaueren Unterscheidung sollte ein Gehtest im medikamento sen OFF und ein Gehtest im medikamento sen ON, wenn no tig, mit den beschriebenen Provokationen unternommen werden. Zur Untersuchung des OFFs empfiehlt sich ein Entzug der Antiparkinsonmedikation fu r mindestens 12h, falls dies fu r den Patienten vertretbar ist [6]. Fu r den Test im ON, wird a hnlich einem L-Dopa-Test, ein schnell lo sliches Dopamin in der 1,5fachen der u blichen Morgendosis oder 200 mg des schnell lo slichen Levodopas (bei L-Dopa naiven Patienten unter Schutz von Domperidon) verabreicht.

Zum Vergleich des OFF- und ON-FOGs und zur Evaluation des therapeutischen Erfolges wird die Gehzeit gemessen und insbesondere die Anzahl sowie die Dauer der FOG-Episoden ermittelt. Espay et al. (2012) schlagen nach einer ersten ON-Testung nach Einnahme der fu r den Patienten u blichen Dopadosis, eine weitere Testung im „Supra-ON“

mit der Verdopplung der normalen Levodopadosis vor. ON-Freezer zeigen bei kontinuierlicher L-Dopa-Dosiserho hung eine Zunahme des FOGs im Vergleich vom OFF zum ON-Zustand. Zur Diagnose des ON-FOGs ist ebenfalls von Bedeutung, dass sich andere Parkinsonsymptome, z. B. Rigor, Tremor oder Akinese, unter L-Dopa verbessern sollten, wa hrend sich das Gehen verschlechtert [11], um ein allgemeines Nicht-Ansprechen der dopaminergen Medikation des Morbus Parkinson abzugrenzen. Das „Supra-ON“ hilft ON-FOG von Pseudo-ON-ON-FOG zu unterscheiden. Bei relativer dopaminerger Unterdosierung wird die FOG-Frequenz und Dauer bei Pseudo-ON-FOG abnehmen, wohingegen sie bei ON-FOG weiter zunimmt [11].

Ganganalyse

Die Differenzierung von Subtypen sowie die Objektivierung von therapeutischen Erfolgen sind von klinischer Bedeutung fu r den behandelnden Arzt. In der klinischen Praxis kann aus Kosten- und Zeitgru nden die Messung der Gehzeit und das Za hlen der Episoden ausreichen. Eine Videoanalyse ist trotzdem empfehlenswert, um die therapeutischen Erfolge zu objektivieren. Der Einsatz von Ganganalysesystemen wie Gehteppiche, Sensoren in den Schuhen, videoassistierte Motoriklabore sind in der Praxis zu kosten- und zeitintensiv und werden daher in der Regel nur in Forschungseinrichtungen genutzt. In Zukunft ko nnten allerdings Ganganalysesysteme mit der Entwicklung von wirtschaftlicheren Systemen Einzug in die neurologische Praxis halten und die FOG-Diagnostik vereinfachen. Erwa hnenswert ist auch die Entwicklung von tragbaren Systemen, die mit Hilfe von Accelerometern im ha uslichen Gebrauch das Auftreten von FOG dokumentieren und somit sowohl die Schwere von FOG als auch die therapeutischen Erfolge in der ha uslichen Umgebung ermitteln ko nnten [26].

Pathophysiologie

Patienten mit Morbus Parkinson und FOG zeigen auch in der Abwesenheit von FOG-Episoden ein vera ndertes Gangbild im Vergleich zu Patienten mit Morbus Parkinson ohne FOG. Patienten mit FOG zeigen bei steigendem FOGQ eine Abnahme der Schrittla nge (Abbildung 2) [25], gesto rte Schrittla ngenskalierung [27, 28], gesto rte Koordination der Schrittphasen [29], gesto rte bilaterale Koordination [30] gepaart mit einer erho hten posturalen Instabilita t [31]. Zudem zeigen Freezer erho hte kognitive Defizite [32, 33], vermehrte exekutive Funktionssto rungen [34-36] und Defizite in der visuellen Wahrnehmung [37, 38]. Therapeutisch ist von Nutzen, dass kurze Schritte FOG induzieren ko nnen und bewusst groß gewa hlte Schritte das Auftreten von FOG verringern ko nnen [27].

Abbildung 2) Verha ltnis des FOG-Qs zur Schrittla nge bei Patienten mit FOG

Mit zunehmendem FOG-Q (d.h. zunehmender Schwere von FOG) nimmt die Schrittlänge kontinuierlich ab. Patienten mit schweren FOG zeigen generell eine kleinere Schrittlänge.

Dies stimmt mit den Ergebnissen von Chee et al. (2009) überein, der demonstrieren konnte, dass kurze Schritte FOG induzieren können [27]. Diese Abbildung stammt aus Daten aus einer Arbeit von Barbe et al. [25].

Passend dazu zeigen Patienten mit FOG im Vergleich zu Patienten ohne FOG vermehrte Atrophie grauer Substanz in Regionen, welche mit exekutiven Funktionen und Kognition assoziiert sind. Dazu za hlen Regionen im frontalen und parietalen Kortex, im Thalamus und [39-41] im supraspinalen Lokomotionszentrum des Mesenzephalons [42]. Patienten mit FOG zeigen eine Verminderung der Faserverbindungen innerhalb des motorischen Systems [43, 44]. Folglich scheinen Freezer nicht unter einer globalen zerebralen Degeneration zu leiden, sondern vielmehr unter einer spezifischen Degeneration in Regionen, welche fu r Aufmerksamkeit, bewusste und unbewusste Prozessierung der visuellen Wahrnehmung, Bewegungsplanung und Bewegungsausfu hrung verantwortlich sind.

Wa hrend die verminderte nigro-striatale Projektion am Anfang des Morbus Parkinsons im Vordergrund steht, nimmt die Rolle der anderen Transmittersysteme, wie Acetylcholin, Noradrenalin und evtl. Serotonin mit weiterem Progress der Erkrankung zu [45]. Der Einfluss nicht-dopaminerger Transmitter in der Entstehung von FOG und deren mo gliche Rolle in der Therapie werden zurzeit intensiv erforscht.

Ob eine Bewegung intern generiert oder durch einen externen Reiz ausgelo st wird scheint physiologischerweise u ber zwei unterschiedliche sog. Schleifen abzulaufen. Die dopamin-abha ngige mediale Schleife (striato-mesialen pra frontale) wird bei intern generierter Bewegung rekrutiert und ist fu r die Steuerung von unbewussten automatisierten Bewegungen verantwortlich. Die laterale Schleife (parieto-laterale pra motorisch) steuert willku rlich bewusste Bewegungen, welche von externen Reizen abha ngt. Patienten mit Morbus Parkinson leiden besonders an einer Sto rung der Initiierung und der Selektion von intern generierten Willku rbewegungen und somit unter einer Sto rung der medialen Schleife [46]. Alternativ kann dann die sog. ‚laterale Schleife’ zur Initiierung von Motorik eingesetzt werden. Dieses Konzept wa re eine gutes Erkla rungsmodell dafu r, wie es den Patienten gelingt durch externe Reize (z.B. Linien am Boden) FOG Episoden zu u berwinden. [46, 47]. Dieses Pha nomen a ußert sich auch bei der sogenannten paradoxen Kinese, bei welchem akinetische Patienten aus eigenem Antrieb eine Bewegung nicht initiieren ko nnen, aber trotzdem auf Reize von außen, wie z.B. einen zugeworfen Ball reagieren und diesen problemlos fangen ko nnen [48]. Dieses Prinzip der „external cues“

u ber Aktivierung der lateralen Schleife findet therapeutische Anwendung [49, 50].

Therapie

Allgemeines Ziel aller therapeutischer Ansa tze ist die Reduktion von FOG, Normalisierung des Gangbildes und ggf. Reduktion von Stu rzen. Dies kann u ber Optimierung der medikamento sen Therapie, Physiotherapie oder im Verlauf auch durch Implantation von Elektroden zur Tiefen Hirnstimulation (THS) erreicht werden. Daneben kann eine Anpassung des ha uslichen Umfelds und das Beachten von generellen Verhaltensmaßnahmen außerhalb des ha uslichen Umfelds bereits eine deutliche Reduktion von FOG-Episoden mit sich bringen. Eine U bersicht zu den verschiedenen

Allgemeines Ziel aller therapeutischer Ansa tze ist die Reduktion von FOG, Normalisierung des Gangbildes und ggf. Reduktion von Stu rzen. Dies kann u ber Optimierung der medikamento sen Therapie, Physiotherapie oder im Verlauf auch durch Implantation von Elektroden zur Tiefen Hirnstimulation (THS) erreicht werden. Daneben kann eine Anpassung des ha uslichen Umfelds und das Beachten von generellen Verhaltensmaßnahmen außerhalb des ha uslichen Umfelds bereits eine deutliche Reduktion von FOG-Episoden mit sich bringen. Eine U bersicht zu den verschiedenen